01.03.2024

Barrierefreiheit im Fokus: Wie Unternehmen das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz umsetzen und von inklusivem Design profitieren können

Hintergrund

In einer sich stetig entwickelnden Geschäftswelt sind Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung nicht länger nur Schlagwörter, sondern entscheidende Faktoren für den Erfolg eines Unternehmens. Umweltverträglichkeit, soziales Engagement und Barrierefreiheit sind die neuen Schlüsselkomponenten für langfristige Kunden- und Geschäftspartnerbeziehungen. Unternehmen müssen heute nicht nur umweltbewusst handeln, sondern auch sicherstellen, dass sie den barrierefreien Zugang zu ihren Produkten und Dienstleistungen gewährleisten.

Barrierefreiheit gewinnt im Kontext von ESG (also Environmental, Social & Governance) zunehmend an Bedeutung. Unternehmen, die auf ESG-Themen achten, tendieren dazu, ihre Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten und Menschen mit Behinderungen besser zu integrieren. Auch ökonomisch gesehen kann eine barrierefreie Gestaltung sinnvoll sein, da sie den Zugang zu einem größeren Markt ermöglicht und letztendlich zu höheren Umsätzen führt.

Das im Juli 2021 verkündete Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Meilenstein. Es verpflichtet Unternehmen, ihre Angebote für jeden zugänglich zu machen. Doch wie können Unternehmen sicherstellen, dass sie die Anforderungen des Gesetzes erfüllen? Welche Rolle spielen dabei ESG-Kriterien? Und wie können Unternehmen von einem inklusiven Design profitieren? Wir zeigen mit diesem Beitrag auf, wie Unternehmen das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz erfolgreich umsetzen und von einem inklusiven Design sowie einer zeitgemäßen ESG-Strategie profitieren können.

Regelungsgegenstand des BFSG

Mit dem BFSG setzt die Bundesrepublik Deutschland die Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen um. Zweck des Gesetzes ist es, eine gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Teilhabe am Leben in der Gesellschaft für Menschen mit Behinderungen zu bieten und der Harmonisierung des Binnenmarkts Rechnung zu tragen. Durch einheitliche EU-Anforderungen soll das BFSG darüber hinaus auch kleinen und mittleren Unternehmen helfen, die Möglichkeiten des Europäischen Binnenmarkts auszuschöpfen.

Produkte wie Computer, E-Books und Tablets für Verbraucher sowie Dienstleistungen wie Websites und Telekommunikationsdienste sind nur einige der nach dem 28. Juni 2025 in Verkehr oder auf den Markt gebrachten Angebote, die in den Anwendungsbereich des BFSG fallen. Weiter betrifft es den gesamten eCommerce-Bereich, da Dienstleistungen, die über das Internet im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrages erbracht werden, als Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr ebenfalls erfasst sind.

Nach § 3 Abs. 1 des BFSG sind Produkte und Dienstleistungen dann barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Die konkreten Anforderungen an die Barrierefreiheit für Produkte und Dienstleistungen richten sich nach der im Juni 2022 verkündeten Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV).

Das BFSG und die BFSGV sehen diverse Pflichten der Wirtschaftsakteure vor. Neben den Pflichten, die vor dem Inverkehrbringen der Produkte zu erfüllen sind, treffen den Hersteller, Einführer und Dienstleister nach dem BFSG jeweils ebenfalls besondere Kennzeichnungs- und Informationspflichten. Das BFSGV stellt eine Reihe spezifischer Anforderungen an verschiedene Produkte und Dienstleistungen. Um den Anforderungen des BFSG gerecht zu werden, bietet es sich an, eine barrierefreie Gestaltung von Anfang an in den Designprozess miteinzubeziehen. Eine nachträgliche Umgestaltung kann für Unternehmen sehr kostenintensiv sein.

Die Bedeutung von ESG-Kriterien im Kontext von Barrierefreiheit

ESG-Kriterien spielen in der Barrierefreiheit eine wichtige Rolle, da Unternehmen dazu verpflichtet sind, in ihrem Verantwortungsbereich nachhaltig und verantwortungsvoll zu handeln. Dies geht über eine rein ökologische Sichtweise hinaus und berücksichtigt auch soziale und governance-relevante Aspekte. Das BFSG verpflichtet Unternehmen, ihre Produkte und Dienstleistungen für jedermann zugänglich zu machen. Um den ESG-Kriterien zu entsprechen, müssen Unternehmen sicherstellen, dass sie ihre Angebote in Übereinstimmung mit nationalen und internationalen Bestimmungen gestalten. Nur dann ist gewährleistet, dass sie die einschlägigen Bestimmungen zur Barrierefreiheit einhalten. Die Einhaltung dieser Vorschriften ist von großer Bedeutung, um bei Zuwiderhandlung drohende rechtliche Konsequenzen wie Geldstrafe, Haftungsrisiko und Reputationsverlust zu vermeiden. Unternehmen sollten deshalb ein großes Interesse haben, die Anforderungen des BFSG und andere ESG-Kriterien zu erfüllen, um eine nachhaltige, verantwortungsvolle und barrierefreie Zukunft zu schaffen.

Vorteile von inklusivem Design

Dabei sollte man eines nicht aus dem Auge verlieren: Die Anstrengung lohnt sich, und zwar aus folgendem Grund: Unternehmen, die ihre Produkte und Dienstleistungen barrierefrei gestalten und somit die Anforderungen des BFSG erfüllen, können davon profitieren. Barrierefreie Gestaltung eröffnet Zugang zu neuen Marktanteilen, Verbraucher – auch ohne Behinderung – schätzen ein inklusives Geschäftsmodell, und regelmäßig steigert barrierefreies Design auch die allgemeine Nutzbarkeit von Produkten und Dienstleistungen. So kann eine Umsetzung des BFSG das Image des Unternehmens als sozial und inklusiv fördern. Ferner haben diejenigen Unternehmen, die barrierefreie Produkte und Dienstleistungen anbieten, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten, da sie ein differenziertes Angebot bieten. Dies kann dazu beitragen, eine noch stärkere Marktposition zu erreichen und zu erhalten.

Es gibt viele Möglichkeiten, ein barrierefreies Design in die Unternehmenspraxis zu integrieren: Anbieter sollten beispielsweise darauf achten, dass ihre Website oder die App barrierefrei und jederzeit nutzbar sind. Ferner sollten Dokumente alternativ in leicht verständlicher Sprache bereitgestellt werden.

Fazit

Unternehmen sollten sich zeitnah mit dem BFSG auseinanderzusetzen, da Produkte oftmals langfristig entwickelt werden und bereits heute die Einhaltung von Barrierefreiheitsanforderungen notwendig ist – auch im Bereich des Online-Handels. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang das Antragsrecht des Verbrauchers im Rahmen des BFSG. Danach kann ein Verbraucher geltend machen, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt. Die zuständigen Marktüberwachungsbehörden können daraufhin die Durchführung entsprechender Maßnahmen einleiten. Diese reichen von der einfachen Aufforderung zur Ergreifung unverzüglicher Abhilfemaßnahmen über den Ausschluss der Bereitstellung betroffener Produkte oder Dienstleistungen am Markt bis hin zu empfindlich hohen Bußgeldern und strafrechtlichen Sanktionen.

Es empfiehlt sich, fachkundige anwaltliche Beratung hinzuzuziehen, um die Anforderungen des BFSG richtig umzusetzen. Nur dann ist sichergestellt, dass nicht konforme Produkte und Dienstleistungen in Zukunft nicht mehr in Verkehr gebracht und am Markt bereitgestellt werden.

Autor/in
Dr. Christoph von Burgsdorff, LL.M. (Essex)

Dr. Christoph von Burgsdorff, LL.M. (Essex)
Partner
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Luisa Kramer

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