03.06.2022

Aktuelles BAG-Urteil: Corona-Testpflicht für Arbeitnehmer ist zulässig

Hintergrund

Arbeitgeber können gegenüber ihren Angestellten Corona-Tests anordnen, um die Infektionsgefahr im Betrieb zu senken. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einem aktuellen Urteil vom 1. Juni 2022 entschieden.

Der Fall

Eine Flötistin der Bayerischen Staatsoper stritt mit ihrem Arbeitgeber über Vergütungsansprüche für die Zeit von Ende August bis Ende Oktober 2020. Der vom Arbeitgeber angeordneten PCR-Testpflicht war  sie nicht nachgekommen. Der Arbeitgeber stellte daraufhin die Vergütungszahlung ein. Die Klägerin war der Ansicht, dass der Arbeitgeber sich in Annahmeverzug befunden habe, da sie arbeitsfähig und -willig gewesen sei. Hilfsweise begehrte sie die Bezahlung für das Flöteüben von Zuhause aus. Die Klägerin verlangte zudem, dass sie ohne die Corona-Testpflicht beschäftigt werde.

Neben den baulichen und organisatorischen Maßnahmen, wie dem Umbau des Bühnenbereichs und der Neuregelung von Zu- und Abgängen aufgrund der Covid-19 Pandemie, hatte die Bayerische Staatsoper ein betriebliches Hygienekonzept entwickelt. Dazu zählte auch eine Teststrategie, die in Zusammenarbeit mit dem Institut für Virologie der Technischen Universität München und dem Klinikum rechts der Isar entwickelt wurde. Dafür wurden die Beschäftigten in Risikogruppen eingeteilt und je nach Gruppe zur Durchführung von PCR-Tests in unterschiedlichen Zeitabständen verpflichtet. Für die Orchestermusiker war vorgesehen, dass sie zu Beginn der Spielzeit 2020/2021 einen negativen PCR-Test und darüber hinaus in einem Zeitabstand von ein bis drei Wochen weitere negative PCR-Tests vorzulegen hatten. Kostenlose PCR-Tests wurden von der Staatsoper dafür zur Verfügung gestellt. Alternativ bestand für die Mitarbeiter auch die Möglichkeit, PCR-Testbefunde eines von ihnen selbst ausgewählten Anbieters vorzulegen. Ohne eine solche Vorlage war es den Mitarbeitern nicht gestattet, an Proben und Aufführungen teilzunehmen. Die Klägerin war der Ansicht, dass die PCR-Tests zu ungenau seien und einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit darstellten. Anlasslose Massentests seien unzulässig und würden weder Datenschutz noch Arztgeheimnis wahren. Die Gehaltszahlungen für die Zeit von Ende August bis Ende Oktober 2020, in welcher die Klägerin die PCR-Tests nicht durchführte, wurden daraufhin für sie eingestellt. Anschließend legte die Klägerin ab Ende Oktober 2020 dann ohne Anerkennung einer Rechtspflicht regelmäßig PCR-Testbefunde vor.

Die Entscheidung

Die Revision der Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg. Für den Arbeitgeber besteht nach § 618 Abs. 1 BGB die Pflicht, die Arbeitsleistungen so zu regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt sind. Durch das Arbeitsschutzgesetz ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zu treffen. Der Arbeitgeber kann darüber hinaus Weisungen nach § 106 S. 2 GewO hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb erteilen. Dem Arbeitgeber kommt dabei ein billiges Ermessen zu. Er hat dabei die wechselseitigen berechtigten Interessen gegeneinander abzuwägen. Für den vorliegenden Fall bedeutete dies, dass der Gesundheitsschutz der Mitarbeiter gegen den Datenschutz und die körperliche Unversehrtheit der Testpersonen abzuwägen war.

Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass die Anordnung zur PCR-Testung des Freistaates Bayern rechtmäßig war. Zunächst wurden vom Freistaat Bayern technische und organisatorische Maßnahmen wie oben beschrieben ergriffen, aber nicht als ausreichend erachtet, woraufhin das betriebliche Hygienekonzept eingeführt wurde. Dieses sei auf wissenschaftlicher Basis erarbeitet worden und daher fundiert. Durch die ein- bis dreiwöchige Testpflicht sollte die Gesundheit der Angestellten geschützt und ein Spielbetrieb ermöglicht werden. Die Testpflichtanordnung werde dem billigen Ermessen des Arbeitgebers gem. § 106 S. 2 GewO gerecht. Der minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit durch die Tests sei verhältnismäßig gewesen, so die Richter. Die Testanordnung werde auch nicht dadurch unzulässig, dass sie das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung berühre. Falls es zum positiven Testergebnis käme, würde dies dem Betrieb wegen der infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten und der nötigen Kontaktnachverfolgung ohnehin mitgeteilt werden. Durch den fehlenden Leistungswillen der Klägerin bestehe kein Annahmeverzug.

Der Hilfsantrag hatte ebenfalls keinen Erfolg. Die geltend gemachte Arbeitsvergütung für das häusliche Üben sei demnach nur begründet, wenn sie auf tarifvertraglich geregelte Dienste, nämlich Proben und Aufführungen gerichtet sei. An diesen hatte die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht teilgenommen. Der Antrag mit dem die Klägerin die Aussetzung der Tests jedweder Art zur Feststellung von SARS-CoV-2 durchsetzen wollte, sei als Globalantrag schon deshalb unbegründet, weil bereits der für die Zahlungsanträge maßgebliche Zeitraum zeige, dass wirksame Testanordnungen möglich waren.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist für Arbeitgeber wegweisend, da sie verpflichtet sind, die sie treffenden arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen umzusetzen, um die Infektionsgefahr im Betrieb zu senken. Hierzu kann auch die Anordnung von Tests erforderlich sein. Das Bundesarbeitsgericht stellt mit seiner Entscheidung klar, dass Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen ein betriebliches Schutz- und Hygienekonzept mit Testpflicht erlassen dürfen. Das Grundsatzurteil des BAG liefert zu dieser Frage entscheidende Hinweise darauf, wie das betriebliche Testinteresse des Arbeitgebers und der Gesundheitsschutz mit dem Datenschutz und der körperlichen Unversehrtheit der Arbeitnehmer abzuwägen sind.

Autor/in
Achim Braner

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Nadine Ceruti

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