26.08.2022

Vertrauensurlaub ein Zukunftsmodell?

Die Urlaubssaison ist noch am Laufen und viele Beschäftigte genießen zurzeit ihren Urlaub am Strand oder in den Bergen. Sie haben hierzu in der Regel bereits früh ihre Urlaubsanträge für das Jahr beim Arbeitgeber gestellt und von diesem bewilligt bekommen. Diese Vorgehensweise könnte aber schon bald dem Urlaubsmodell der Zukunft weichen: Urlaub auf Vertrauensbasis. Der aus den USA kommende Trend, der dort unter der sogenannten „Unlimited PTO (paid time off)“ verbreitet ist, hat auch hierzulande in Zeiten von New Work nicht nur Start-Ups, sondern bereits einige andere Unternehmen erreicht. Das Konzept ist simpel. Die Beschäftigten entscheiden selbst darüber, wie lange und wann sie Urlaub nehmen wollen. Auch wenn beim Vertrauensurlaub – dem Begriff getreu – die Urlaubsgestaltung auf Vertrauen basieren soll, müssen dennoch einige Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.

Hintergrund und Chancen

Insgesamt lässt sich ein klarer Trend im Kontext von New Work und insbesondere bei der jüngeren Generation feststellen: Freiheit, Flexibilität, Vertrauen und Wertschätzung gewinnen mehr an Bedeutung. Besonders im Kampf um qualifizierte und motivierte Fachkräfte ist der Vertrauensurlaub ein Thema, um die Attraktivität für Bewerber zu steigern. Arbeitgeber zeigen ihren Beschäftigten damit deutlich, dass sie ihnen vertrauen, wenn die Verantwortung für die Organisation des Urlaubs ganz bei ihnen liegt. Vertrauensurlaub ist damit ein deutliches Signal der Wertschätzung. Der positive Nebeneffekt ist, dass hierdurch in der Regel auch die Arbeitsmotivation gesteigert wird und sich die Beschäftigten besser mit dem Unternehmen identifizieren können. Beschäftigte bleiben dem Unternehmen länger treu und die Fluktuationsrate sinkt.

Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten

Der gesetzliche Rahmen für den Mindesturlaub wird durch das Bundesurlaubsgesetz festgelegt. Der Vertrauensurlaub wird dort nicht geregelt. Der Mindesturlaub beträgt bei einer 5-Tage-Woche 20 Arbeitstage. Eine Unterschreitung dieses Urlaubsanspruches ist unzulässig. Vertrauensurlaub ist daher der Mehrurlaub, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt. Arbeitgeber müssen daher sicherstellen, dass sie in jedem Fall den gesetzlichen Mindesturlaub gewähren.

Die Kehrseite der Flexibilisierung ist der Kontrollverlust und die daraus entstehende Missbrauchsgefahr. Hierzu können Regelungen vereinbart werden, um die Risiken eines Missbrauchs zu minimieren. So lassen sich Höchstgrenzen für den kalenderjährlichen Vertrauensurlaub festlegen. Falls der gesamte Urlaub nicht an einem Stück genommen werden soll, können auch Regelungen für die maximale Dauer des Vertrauensurlaubs festgelegt werden. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber Bedenken hat, dass Beschäftigte kurz nach ihrem Urlaub bereits wieder in die Urlaubspause verschwinden. Auch hierzu können vertraglich Vorkehrungen getroffen werden. Nachteil dieser vertraglichen Vorkehrungen ist, dass dies dem Prinzip des Vertrauensurlaubs zuwiderläuft, da hierdurch wiederum das Konzept der freien Urlaubswahl eingeschränkt wird. Ein weiterer Punkt, der bei der vertraglichen Gestaltung Berücksichtigung finden sollte, ist die Bemessung des Urlaubsentgeltes, welches für die Dauer des Vertrauensurlaubes gezahlt wird. Gleiches gilt für die Möglichkeit der Übertragung des Vertrauensurlaubes in das Folgejahr. Auch das Thema der Koordinierung und Kommunikation des Vertrauensurlaubes im Team sollte nicht unterschätzt werden. Damit die Arbeitsabläufe nicht durch zu viele fehlende Urlauber gefährdet werden, bietet es sich an, eine Mindestpersonaldecke im Team festzulegen. Zudem sollte vereinbart werden, dass die Beschäftigten den Vertrauensurlaub eigenverantwortlich und selbständig innerhalb des Teams koordinieren.

Realitätsferne Erwartungen?

Damit die oben beschriebenen positiven Effekte eintreten, müssten sich die Beschäftigten tatsächlich in ihrer Urlaubsgestaltung weitestgehend frei und flexibel fühlen. Wie viel Urlaub in einem solchen Modell genommen wird, hängt jedoch von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Flexible Arbeitsmodelle tragen zudem das Risiko in sich, dass die Beschäftigten das Gefühl haben, sie müssten mehr arbeiten, um nicht den Eindruck von Faulheit zu vermitteln. Um also nicht die eigenen Karrierechancen zu verschlechtern, könnten Beschäftigte gehemmt sein, den Vertrauensurlaub in Anspruch zu nehmen.

Fazit

Der Vertrauensurlaub übernimmt als eine Möglichkeit für zusätzliche Gratifikationen zukünftig eine zunehmend bedeutendere Rolle. Bei der Entscheidung für oder gegen ein Unternehmen werden für Beschäftigte ihre Flexibilität und Autonomie immer wichtiger. Es ist dennoch vor der Einführung von Vertrauensurlaub genau zu prüfen, ob dieser zur betrieblichen Organisation sowie der Unternehmenskultur passt. Der Vertrauensurlaub wird nicht für jede Branche ein praxistaugliches Instrument sein. Zudem ist in jedem Fall eine vertragliche Ausgestaltung unter Minimierung der Risikofaktoren unumgänglich, um etwaigen Missbrauch auszuschließen und dennoch die gewünschte Flexibilität zu ermöglichen.

Autor/in
Achim Braner

Achim Braner
Partner
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