26.11.2020

GeschGehG - angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen und inhaltsleere Geheimhaltungsklauseln

Autor: Dennis Gültig

Hintergrund

Das im April 2019 in Kraft getretene Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) hat eine Diskussion über die Frage in Gang gesetzt, was mit „angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen“ gem. § 2 Nr. 1 GeschGehG gemeint ist. Das Urteil des LAG Düsseldorf (LAG Düsseldorf, Urteil vom 3. Juni 2019, Az. 12 SaGa 4/20) liefert hierzu eine erste wichtige Einschätzung und macht deutlich, wann der Schutz nach dem Gesetz zu versagen ist. Hieraus lassen sich konkrete Anforderungen für die Gestaltung von Geheimhaltungsklauseln ableiten, vor allem jedoch wird deutlich, dass Unternehmen abseits hiervon ganz grundsätzlich effektive Geschäftsgeheimniskonzepte benötigen, da eine catch-all-Klausel zur Geheimhaltung allein gerade keinen ausreichenden Schutz bieten kann.

Der Sachverhalt

Ein Unternehmen war per einstweiliger Verfügung gegen einen ehemaligen Mitarbeiter vorgegangen und hatte dabei die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen behauptet. Der Mitarbeiter war auch nach seinem Ausscheiden im Besitz einer Kundenliste, die über 240 Kunden des Unternehmens, deren Anschriften, abgenommene Mengen eines Produkts und die damit generierten Umsätze enthielt. Daneben hatte er privat (z.B. in seinem privaten Kalender) Aufzeichnungen über Kundentermine, Ansprechpartner sowie Kontaktinformationen und Umsätze angefertigt. Die Informationen hieraus nutzte der ehemalige Mitarbeiter, um im Rahmen seiner neuen Position bei einem Mitbewerber Kunden seines ehemaligen Arbeitgebers anzusprechen.

Das klagende Unternehmen trug vor, sowohl bei der Kundenliste als auch bei den privaten Aufzeichnungen würde es sich um Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens handeln und die Nutzung der Informationen hieraus stelle eine Verletzungshandlung nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz dar. Es bezog sich zur Darlegung angemessener Schutzmaßnahmen ausschließlich auf eine vertragliche Geheimhaltungspflicht, nach der „alle Angelegenheiten und Vorgänge, die im Rahmen der Tätigkeit bekannt werden“ vom Mitarbeiter geheim gehalten werden sollten. Derartige catch-all-Klauseln sind tatsächlich im Bereich des Geheimnisschutzes in vielen Arten von Vertragsdokumenten weit verbreitet.

Die Entscheidung

Das LAG Düsseldorf stellte in seinem Urteil zunächst fest, dass vertragliche Vereinbarungen zwar durchaus ein Mittel des Geheimnisschutzes darstellen können. Es machte jedoch im vorliegenden Fall deutlich, dass die Regelungen zur Geheimhaltungspflicht aus dem Arbeitsvertrag „deutlich zu weitgehend“ und darüber hinaus auch „inhaltsleer“ seien. Diesen fehle jeglicher Bezug zu dem Begriff des Geschäftsgeheimnisses im Sinne des Rechts, die Klausel würde sogar ausdrücklich das erfassen, was nicht Geschäftsgeheimnis sei. Das Gericht resümierte deshalb, § 2 Nr. 1 lit. b) GeschGehG würde seines Inhalts und Zwecks entleert, ließe man eine solche Regelung ausreichen. Es entschied dementsprechend, dass es betreffend die Kundenliste an angemessenen Geheimhaltungsmaßnehmen des Unternehmens gefehlt habe. Dabei berücksichtigte es auch, dass der ehemalige Arbeitgeber Kenntnis davon hatte, dass sich die Kundenliste nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters noch in seinem Besitz befand, diese jedoch nicht zurückforderte. Dies spreche ebenfalls dafür, dass kein aktiver Geheimnisschutz vorliege.

Was die privaten Aufzeichnungen des ehemaligen Mitarbeiters betrifft, so seien diese Gegenstand ausreichender Schutzmaßnahmen gewesen, da arbeitsvertraglich für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Rückgabe von dienstlichen Unterlagen und durch den Mitarbeiter angefertigten „Aufzeichnungen und Gesprächsunterlagen“ geregelt war und die Aufzeichnungen damit konkret bezeichnet wurden. Die Tatsache, dass das Unternehmen auch in diesem Fall keine Herausgabe der entsprechenden Dokumente vom Mitarbeiter verlangt hatte, spreche hier nicht gegen einen angemessenen Geheimnisschutz, denn die Existenz der privaten Aufzeichnungen sei dem Unternehmen schließlich nicht bekannt gewesen.

Während das LAG Düsseldorf somit Ansprüche aus der Nutzung der Kundenliste verneinte, sprach es dem Unternehmen Unterlassungsansprüche aus den privaten Aufzeichnungen des ehemaligen Mitarbeiters zu.

Unser Kommentar

Das Urteil macht deutlich, dass allgemein gefasste Geheimhaltungsklauseln nicht dazu geeignet sind, einen angemessenen Schutz von geschäftlichem Know-how im Unternehmen zu begründen. Gerade die in vielen Verträgen anzutreffenden Formulierungen, die eine Erstreckung auf möglichst alle im Unternehmen vorhandenen Informationen erreichen sollen, können dazu führen, dass wirksamer Schutz nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz gar nicht erst entsteht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn andere angemessene Schutzmaßnahmen nicht getroffen wurden.

Unternehmen sind gut beraten, abseits einer isolierten Betrachtungsweise von einzelnen Vertragsklauseln ein funktionierendes Konzept zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen zu etablieren. Dabei sollten schützenswerte Informationen zunächst identifiziert, kategorisiert und sodann auch protokolliert werden. Anhand des hierdurch entstehenden Gesamtbildes können sodann geeignete Schutzmaßnahmen eingeführt werden, von denen vertragliche Geheimhaltungspflichten nur einen, wenn auch durchaus kritischen Eckpfeiler darstellen können. Daneben spielen jedoch andere Aspekte, z.B. technische und organisatorische Maßnahmen und arbeitsrechtliche Schutzmechanismen, eine wichtige Rolle. Sind die Geschäftsgeheimnisse eines Unternehmens einmal zutreffend identifiziert und eingeordnet worden, so dürfte die Formulierung geeigneter Geheimhaltungspflichten leicht von der Hand gehen. Denn wie sich aus dem Urteil des LAG Düsseldorf ergibt, geht es hier gerade darum, die Geschäftsgeheimnisse, für die Schutz beansprucht werden soll, möglichst konkret zu benennen.

Das Urteil des LAG Düsseldorf ist im Volltext abrufbar unter:https://www.lag-duesseldorf.nrw.de/beh_static/entscheidungen/entscheidungen/saga/0004-20.pdf