27.01.2021

Drohende Abwärtsspirale für die Windenergie an Land

Aufgrund der Unterzeichnung der laufenden Ausschreibungsrunden für die Windenergie an Land droht eine kontinuierliche Reduzierung des jährlich ausgeschriebenen Fördervolumens.

1. Die Energiewende: Zielsetzung und aktueller Stand

Das Ziel der Energiewende ist klar formuliert: bis zum Jahr 2050 will Deutschland weitgehend treibhausgasneutral werden. Bis spätestens 2038 soll es keinen Strom aus Kohle mehr geben. Eine entscheidende Rolle bei der Erreichung dieser Ziele wird dem effizienten und marktorientierten Ausbau der erneuerbaren Energien beigemessen. Ausweislich des Klimaschutzprogramms 2030 soll bis zum Jahr 2030 65 % des Bruttostromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt werden.

2. Bedeutung der Windenergie an Land

Die Bundesregierung hat im Klimaschutzprogramm 2030 ein Zielmodell für den Ausbau erneuerbarer Energien angestrebt, wonach im Jahr 2030 Windenergieanlagen an Land mit einer Leistung von 67.000 bis 71.000 MW installiert sein sollen. Durch die Windenergie an Land sollen 140 bis 145 TWh und damit nahezu doppelt so viel Strom wie durch die Windenergie auf See gewonnen werden.

3. Ausschreibungen für die Förderung von Windenergieanlagen an Land

Die Förderung der Erzeugung von Strom aus Windenergieanlagen an Land erfordert seit dem Jahr 2017 die Teilnahme an einer durch die Bundesnetzagentur durchgeführten Ausschreibung. Die Ausschreibungen finden jedes Jahr zu den Gebotsterminen am 1. Februar, 1. Mai und 1. September statt.

Das Ausschreibungsvolumen ist für jedes Jahr gesetzlich vorbestimmt und soll auf jeden der Ausschreibungstermine gleichmäßig verteilt werden. Unter dem Ausschreibungsvolumen ist die Summe der zu installierenden Leistung zu verstehen, für die ein Zahlungsanspruch nach dem EEG von einem Bieter erworben werden kann.

4. Das Problem: Unterzeichnung der aktuellen Ausschreibungsrunde

Aufgrund eines Mangels an genehmigten Projekten ist die zum 1. Februar endende Ausschreibungsrunde stark unterzeichnet. Laut des Marktstammdatenregisters der Bundesnetzagentur beträgt die Leistung der genehmigten und zur Versteigerung am 1. Februar zugelassen Anlagen zusammen lediglich 750 MW und damit nur die Hälfte des Ausschreibungsvolumens von 1500 MW.

Die Unterzeichnung der aktuellen Ausschreibung hat Auswirkung auf den am 1. Mai stattfindenden nächsten Gebotstermin. Dies sieht ein mit Wirkung zum 1. Januar 2021 neu in das EEG aufgenommener Mechanismus vor: Nach § 28 Abs. 6 EEG 2021 besteht für die Bundesnetzagentur eine Pflicht zur Reduzierung des Ausschreibungsvolumens eines Gebotstermins, wenn zu erwarten ist, dass die ausgeschriebene Menge größer als die eingereichte Gebotsmenge sein wird (drohende Unterzeichnung). Dies ist in der aktuellen Ausschreibungsrunde der Fall, so dass die Bundesnetzagentur das Ausschreibungsvolumen für den Termin 1. Mai drosseln wird.

Zweck des Kürzungsmechanismus soll sein, auch bei unterzeichneten Runden einen Preis-Wettbewerb zu erhalten. Tatsächlich könnte dieser Mechanismus jedoch zu einer unerwünschten Entwicklung führen. Die Kürzung der Ausschreibungsvolumina dürfte eine Abwärtsspirale in Gang setzen und die Zahl der Gebote ins Bodenlose fallen lassen, wenn auch künftige Ausschreibungsrunden weiter unterzeichnet sind.

Das EEG 2021 sieht zwar im dritten Jahr nach der Reduzierung entsprechend des entstandenen Defizits eine Nachholung der Ausschreibungsmengen vor. Ob damit die sich gegenwärtig abzeichnende Entwicklung tatsächlich aufgeholt werden kann, ist jedoch ungewiss.

Autorenzitate

Dr. Gernot-Rüdiger Engel: „Im Klimaschutzprogramm 2030 hat die Bundesregierung darauf gedrängt, beim Windenergieausbau an Land Hemmnisse vor allem bei der Planung und Genehmigung von Anlagen zu beheben. Hieraus folgt eine Notwendigkeit all derjenigen Maßnahmen, die für einen ausreichenden Wettbewerb sorgen. Die aktuelle Unterzeichnung der Ausschreibung und die zu erwartende Reduzierung der Ausschreibungsmenge dürfte jedoch eine Abwärtsspirale beim Angebot bedeuten und den Wettbewerb stark behindern.“

Ekkehard Hübel: „Durch die drohende Drosselung des Windkraftvolumens wird der seit 2018 bestehende Negativtrend beim Ausbau der Windenergie verstärkt. Es stellt sich daher die Frage, ob die ambitionierten Pläne der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien einzuhalten sind.“

Autor/in
Dr. Gernot-Rüdiger Engel

Dr. Gernot-Rüdiger Engel
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Ekkehard Hübel

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