29.03.2023

Anspruchsverlust durch Datenschutz - Kein nachvertraglicher Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers bei fehlender Einwilligung der Kunden zur Weitergabe ihrer Daten?

Der nachvertragliche Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers nach § 89b HGB analog ist ein regelmäßiger Streitpunkt nach Beendigung von Händlerverträgen. Für den Prinzipal ist er typischerweise mit einer erheblichen Kostenbelastung verbunden; für den Vertragshändler stellt er dagegen einen wichtigen Vermögensbestandteil dar. Ein Problem kann hierbei sein, dass der Vertragshändler nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen Ausgleichsanspruch für von ihm geworbene Kunden geltend macht ohne eine schriftliche Einwilligung dieser Kunden in die Weitergabe ihrer Daten an den Prinzipal und die Nutzung ihrer Daten zu Werbezwecken durch den Prinzipal vorlegen zu können.

Hintergrund

Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers analog § 89b HGB stellt Entschädigung und nachgelagerte Vergütung für den Vorteil dar, den der Prinzipal mit den vom Vertragshändler geworbenen Kunden nach Ende des Vertragshändlervertrages ziehen kann. Angesichts der Geltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stellt sich allerdings die Frage, ob zu diesem Vorteil auch solche Kunden zu zählen sind, die zuvor nicht schriftlich eingewilligt haben, dass der Prinzipal ihre vom Vertragshändler übermittelten Daten (insb. für werbliche Zwecke) nutzt, um die Geschäftsbeziehung nach Ende des Vertragshändlervertrages aufrechtzuerhalten. Denn entscheidende Grundlage jedes Ausgleichsanspruchs eines Vertragshändlers ist, dass der Prinzipal aus dem vom Vertragshändler aufgebauten Kundenstamm auch nach Beendigung des Händlervertrags weiterhin einen Nutzen ziehen kann. Unternehmervorteil kann daher nur ein solcher vom Vertragshändler geworbener Stamm- oder Mehrfachkunde sein, zu dem der Prinzipal die durch den Händler aufgebaute Kundenbeziehung tatsächlich weiternutzen kann. Hier bestehen datenschutzrechtliche Beschränkungen.

Keine Anwendbarkeit der DSGVO auf Daten juristischer Personen

Die DSGVO regelt nur den Schutz personenbezogener Daten und erfasst damit Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, wohingegen die Daten juristischer Personen nicht geschützt werden. Allenfalls die Kontaktdaten der konkreten Ansprechpartner beim Kunden weisen einen Personenbezug auf.

Bei ausdrücklicher schriftlicher Einwilligung der natürlichen Person in die Nutzung ihrer Daten durch den Vertragshändler beispielsweise für Werbezwecke ist die Verarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO zulässig. Fehlt eine ausdrückliche Einwilligung in die Übermittlung der personenbezogenen Daten, könnte eine konkludente Einwilligung der Mitarbeiter der Kunden in Betracht kommen.

Aufgrund seiner Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO trägt der Vertragshändler aber die Nachweispflicht dafür, dass die Mitarbeiter in die Verarbeitung ihrer Daten eingewilligt haben. Sich auf die Abgabe konkludenter Einwilligungen zu verlassen, birgt mithin Gefahren, sodass die Einholung schriftlicher Einwilligungen vorzugswürdig ist.

Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zur Wahrung berechtigter Interessen des Vertragshändlers

Unabhängig davon, ob eine Einwilligung in die Übermittlung der Kontaktdaten vom Vertragshändler an den Prinzipal vorliegt, wird die Weitergabe dieser Daten wohl in vielen Fällen von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO gedeckt sein. Danach ist die Verarbeitung personenbezogener Daten zulässig, wenn diese zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist und die Interessen der Betroffenen am Ausschluss der Datenverarbeitung nicht überwiegen.

Ein solches berechtigtes Interesse könnte der Vertragshändler haben, wenn er nach Vertragsbeendigung dem Prinzipal die Kundendaten übermittelt, um sich den Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB zu sichern. Dieses wirtschaftliche Interesse ist für den Vertragshändler von Bedeutung, da der nachvertragliche Ausgleichsanspruch sowohl Entschädigung als auch nachgelagerte Vergütung für den Aufbau eines Kundenstamms durch den Vertragshändler darstellt. Dafür, dass das Interesse der Kunden am Ausschluss der Verarbeitung nicht das Interesse des Händlers an der Datenverarbeitung überwiegt, könnte je nach Fallgestaltung sprechen, wenn es sich bei den verarbeiteten personenbezogenen Daten lediglich um berufliche Kontaktdaten handelt und die Weitergabe branchenüblich ist. Damit die Interessenabwägung aber zugunsten der Datennutzung durch den Händler bzw. den Prinzipal ausgeht, muss eine Information der Kunden über die Weitergabe ihrer Daten an den Prinzipal durch den Vertragshändler nach Art. 13 DSGVO erfolgen.

Der Prinzipal wiederum kann die Kundendaten ebenfalls auf Grundlage der Interessenabwägungsklausel des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO für das Direktmarketing zur Fortführung der Geschäftsbeziehung mit den Kunden nutzen. Diese Befugnis gilt z. B. für Briefwerbung, da für diesen Kanal keine besonderen wettbewerbsrechtlichen Einwilligungsanforderungen bestehen. Voraussetzung ist aber auch hier, dass der Unternehmer, der die Daten vom Vertragshändler erhält, die betroffenen Personen unter Berücksichtigung der in Art. 14 Abs. 3 DSGVO genannten Fristen über die eigene Datenverarbeitung informiert.

Ohne vorherige Einwilligung des Empfängers ist aber die Kontaktaufnahme per E-Mail weiterhin untersagt. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, der für Werbung mittels elektronischer Post eine vorherige Einwilligung des Empfängers verlangt.

Weitergabe der Daten in der Unternehmenspraxis

De facto nutzen Unternehmen zur Geschäftsanbahnung nach Beendigung des Vertragshändlervertrages die vom Vertragshändler übermittelten Daten und stellen dabei auf die Zulässigkeit der Datenverarbeitung zur Wahrung berechtigter Interessen ab. Unter einer datenschutzrechtlichen Perspektive empfiehlt es sich ergänzend darauf zu achten, die Betroffenen über die Datenverarbeitung zu informieren, um den Anforderungen des Datenschutzrechts zu entsprechen und hohe Bußgelder zu vermeiden.

Ohne eine vorherige schriftliche Einwilligung der Kunden ist der Prinzipal jedoch auf eine postalische Kontaktaufnahme zu den übernommenen Kunden beschränkt. Zur Vermeidung des wettbewerbsrechtlichen Vorwurfs einer unzulässigen Belästigung ist anzuraten dafür zu sorgen, dass der Vertragshändler die Einwilligung des Kunden einholt, damit der Prinzipal ihn nach Übernahme per E-Mail kontaktieren darf.

Im Ergebnis wird daher in vielen Fällen ein nachvertraglicher Ausgleichsanspruch auch für solche Kunden zu bezahlen sein, für die keine schriftliche Einwilligungserklärung des Kunden vorliegt. Allerdings ist dies stets eine Frage des Einzelfalls und mag nach Ende des Händlervertrags durchaus zu Streit zwischen den Vertriebspartnern führen.

Autor/in
Volker Steimle

Volker Steimle
Partner
Köln
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Dr. Christian Rabe

Dr. Christian Rabe
Senior Associate
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