17.06.2016

Newsletter Foreign Law & Investments Q2 2016

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Aus der Luther Welt

Neuigkeiten

Singapur: Luther ernennt Carina Rogerio zur Partnerin

Anfang 2016 wurde Carina Rogerio (37) zur Partnerin bestellt. Die Anwältin ist seit über vier Jahren für Luthers Büro in Singapur tätig, wo sie die französische Abteilung leitet.

Carina Rogerio ist Mitglied der französischen Handelskammer und Vorstandsmitglied der Belgian Luxembourg Business Group in Singapur. Seit 2016 ist sie Lehrbeauftragte an der Sorbonne Assas International Law School. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Universität Paris I Panthéon-Sorbonne und dann an der Universität Paris-Sud XI (Avocat au Barreau de Paris, Master in Wirtschafts- und Europarecht). Ab 2008 war sie als Volljuristin in der Abteilung für Wettbewerbs-, Vertrags- und Europarecht einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei in Paris tätig. Von Ende 2008 bis 2010 arbeitete Carina Rogerio als Rechtsanwältin bei einer deutsch-französischen Wirtschaftskanzlei. Seit Ende 2011 ist sie für Luther als Leiterin der französischen Abteilung tätig.

 

 

 

Neuzugang in Singapur: Luther gewinnt mit Michael Richard Loefler Experten für Restrukturierung und Projektfinanzierung

Zum 1. Januar 2016 ist Michael Richard Loefler (55) der Luther LLP in Singapur als Of Counsel beigetreten. Der Rechtsanwalt bringt rund 25 Jahre Erfahrung in der Projektfinanzierung mit: Unter anderem hat er für die HVB das Projektfinanzierungs- und Asset-Finance-Geschäft in der Region Asien-Pazifik aufgebaut sowie im Auftrag der Asian Development Bank eng mit dem thailändischen Finanzministerium zusammengearbeitet. Daneben besitzt Michael Richard Loefler 13 Jahre Erfahrung in der Industrie in Asien, unter anderem war er für Cargill, Golden Agri Resources, GSteel und GJSteel sowie derzeit für Stemcor India tätig.

Vorträge/Veranstaltungen

Breakfast Talk zur Unternehmensgründung in Indien

Der Director des Luther Büros in Indien Alexander Koczian hat am 20. Januar 2016 im Rahmen eines Breakfast Talk der Deutsch-Singapurischen Handelskammer über Formen der Unternehmensgründung in Indien, sowie damit zusammenhängende Fragen der Finanzierung und Besteuerung von Geschäftstätigkeiten informiert. Im Rahmen des Vortrags wurde auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu der Entwicklung des Rechts ausländischer Direktinvestitionen in China seit den 90er Jahren Bezug genommen. Weiter wurde die gesellschaftsrechtliche Verfassung und Organstruktur indischer Gesellschaften mit der den Teilnehmern vertrauten singapurischen Gesellschaftsformen verglichen. Insbesondere die Themen Finanzierung und Besteuerung stießen bei den Teilnehmern aufgrund des indischen Sonderweges, der hier bei vielen Kernfragen eingeschlagen wurde, auf reges Interesse. Für viele Zuhörer aus dem Dienstleistungssektor war die Frage nach Möglichkeiten der Finanzierung der Geschäftstätigkeiten indischer Tochterunternehmen, mit Blick auf die fehlende Option der gruppeninternen Fremdfinanzierung, ein Kernanliegen.

Singapore Budget Talk 2016

Am 4. April 2016 fand der “Singapore Budget Talk 2016” im German Centre in Singapur statt. Luther Partner Dr. Thomas Hufnagel und Pascal Brinkmann stellten zu diesem Anlass die kürzlich veröffentlichten Budget-Pläne der singapurischen Regierung für das Jahr 2016 vor.

Ein besonderer Fokus der Veranstaltung lag darin, deutlich zu machen, dass Singapur weiterhin an der Transformation der hiesigen Wirtschafts- und Arbeitswelt arbeitet. Das Mantra lautet dabei „mehr Qualität, weniger Quantität“. Den Teilnehmern wurde anhand unterschiedlicher Beispiele erläutert, dass Singapur viel Wert auf ein vermehrtes Training von Arbeitnehmern und die Automatisierung von Produktionsprozessen legt und Unternehmen hierbei mit Steuererleichterungen und Beihilfen umfangreich zur Seite steht. Unter dem Stichwort „Internationalisierung“ wurde zudem besprochen, wie derzeit versucht wird, dem Problem zu begegnen, dass der Größe des Binnenmarkts Singapurs bereits aufgrund seiner Eigenschaft als Stadtstaat natürliche Grenzen gesetzt sind und welche Steuervorteile ins Ausland expandierenden, singapurischen Unternehmen bei der Internationalisierung geboten werden. Abschließend wurde darauf eingegangen, dass die verstärkte Förderung von Automatisierungsprozessen mit einer massiven Verschärfung der immigrations- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen Singapurs zusammenfällt und wie gerade europäische Unternehmen hierauf reagieren sollten.

Die jährliche Veranstaltung stieß einmal mehr auf reges Interesse bei den Vertretern der europäischen Unternehmen in Singapur und diente wieder einmal als erstklassige Gelegenheit, Erfahrungswerte auszutauschen.

HR Legal Breakfast Talk der Swiss Business Association

Die Luther Partnerin Birgitta von Dresky hat im Rahmen eines HR Legal Breakfast Talk der Swiss Business Association in Singapur am 22. April 2016 über verschärfte Anforderungen in Bezug auf Arbeitsgenehmigungen, sowie den signifikant verbesserten Schutz von Arbeitnehmern in Singapur informiert. Die Änderungen stellen eine Kehrtwende der bisherigen „open door“ Politik Singapurs und in Bezug auf die bisher sehr arbeigeberfreundlichen Rahmenbedingungen in Singapur dar. Der Kündigungsschutz von Arbeitnehmern ist verbessert worden. Die Anforderungen an die Lohnabrechnungsdokumentation (zur Überprüfung korrekter Abrechnung von Überstunden und  dergleichen) sowie an die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern sind gestiegen. Unternehmen sind angehalten, verstärkt lokale Mitarbeiter einzustellen und weiter auszubilden, um so die Abhängigkeit von ausländischen Mitarbeitern, auch auf Managementebene, zu reduzieren. Unternehmen sollten ihre vertraglichen Regelungen, interne Handhabung und Dokumentation im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit den neuen Regelungen überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Das Interesse der Teilnehmer an den signifikanten Änderungen war groß. Es wurden viele Fragen gestellt und Erfahrungen mit den neuen Regelungen ausgetauscht.

RIDING THE ASEAN ELEPHANT
Legal & Tax Frameworks for Investment Opportunities in the ASEAN Region

Zusammen mit Rechtsanwalt Michael Lorenz von der Kanzlei Lorenz & Partner aus Bangkok hat die Luther Partnerin Birgitta von Dresky am 5. Mai 2016 die Veranstaltung „RIDING THE ASEAN ELEPHANT” ,Legal & Tax Frameworks for Investment Opportunities in the ASEAN Region“ bei der Deutsch Italienischen Handelskammer in Mailand durchgeführt. Die Referenten informierten über die Chancen, die der Wirtschaftsraum ASEAN mit Bildung der „ASEAN Economic Community“ der Wirtschaft bietet sowie über die Rahmenbedingungen in den ASEAN Ländern Singapur, Malaysia, Thailand, Vietnam und Myanmar. Die Veranstaltung stand im Zusammenhang mit dem geplanten Aufbau eines „Italian Desk“ in unserem Büro in Singapur, analog der erfolgreichen French Desks in den Luther Büros in Singapur, Kuala Lumpur, Yangon und Delhi-Gurgaon. Der Italian Desk in Singapur soll im Übrigen Luthers gut etabliertes Italienteam um Luther Partner Dr. Eckart Petzold herum komplementieren.

Breakfast Briefing: “Doing Business Down Under”

Am 25. Mai 2016 veranstaltete die Deutsch Singapurische Handelskammer in Singapur folgendes Breakfast Briefing zu Australien „Doing Business Down Under: Market entry structures and regulatory requirements in Australia“. Referentin war die frühere Luther Partnerin Frau Dr. Angelika Yates, die zwischenzeitlich aus Sydney heraus praktiziert und mit der wir bei Australienprojekten weiterhin eng kooperieren.

Veranstaltungshinweise – „Save the Date“

Food and beverage in Asia – Understanding the market opportunities and the impact of AEC on the industry

Zusammen mit Ascendas-Singbridge und dem OAV veranstaltet Luther ein Seminar zum Thema „Food and beverage in Asia – understanding the market opportunities and the impact of AEC on the industry“. Mit Schaffung der ASEAN Economic Community (AEC) und dem Abschluss von Freihandelsabkommen zwischen ASEAN und China und ASEAN und Indien, ist eine bedeutende Freihandelszone mit rund 3.329 Millionen Einwohnern entstanden. Wer in einem der ASEAN Länder produziert, kann seine Produkte zollfrei in die anderen Ländern der Zone exportieren. Dabei bietet die Region gerade für den F&B Bereich mit seinen sehr diversen Ländern enormes Potential. Länder wie Myanmar und China bieten hervorragende Agrarflächen mit unterschiedlichsten Klimazonen, die zum Anbau mit Verarbeitung einladen, die reichen Fischvorkommen in der Region können für Fischverarbeitung vor Ort genutzt werden, das weitgehend (moderat) muslimische Malaysia bietet sich für die Produktion von Lebensmitteln mit dem „Halal“ Siegel an und Singapur als Standort für High Tech Produktion, um nur einige Beispiele zu nennen. Das Seminar informiert über das Potential des Marktes und Aspekte die beim Markteintritt  zu beachten sind.

Das Seminar findet statt am 27.6 in Frankfurt, am 29.6 in Köln, 30.6 in Hamburg und am 1.7 in München. Weitere Details entnehmen Sie bitte unseren Veranstaltungshinweisen auf unserer Webseite.

India Day 2016    

India Day 2016Gemeinsam mit der Deutschen Bank, der Koelnmesse und Maier +  Vidorno sowie mit Unterstützung der IHK Köln und des OAV veranstaltet Luther zum 7. Mal in Folge den „India Day 2016“. Am 28. Juni erwartet die Teilnehmer im Congress Centrum Nord der Koelnmesse ein spannendes Programm. Im Mittelpunkt der Vorträge und Paneldiskussionen stehen Erfahrungsberichte renommierter Unternehmen zur Markterschließung und -expansion auf dem indischen Subkontinent. Indienkenner aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft diskutieren über Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in einer der am stärksten wachsenden Volkswirtschaft der Welt.

Information zur Anmeldung finden Sie unter www.indiaday.de

Doing Business in India-Workshop   

Im Anschluss an den India Day findet am 29. Juni 2016  der Workshop „Doing Business in India“ im Kölner Büro von Luther statt. In der ersten Workshop Runde steht die aktuelle Entwicklung des von der neuen indischen Regierung geplanten Abbaus von Bürokratie und anderen Markteintrittsbarrieren zur Stärkung neuer Investments. Des Weiteren wird über die operative Due Dilligence Prüfung und Herausforderungen in der Praxis referiert. Die zweite Workshop Runde beschäftigt sich mit den entscheidenden Punkten einer Due Dilligence Prüfung im Rahmen einer erfolgreichen M&A Transaktion sowie den Erfolgsfaktoren für einen gelungen Markteintritt in Indien. Weitere Informationen und Hinweise zur Anmeldung finden Sie bei unseren Verantstaltungshinweisen unter www.luther-lawfirm.com.

Publikationen

Handbuch zum chinesischen Zivil- und Wirtschaftsrecht, Band 2

Im Juni 2016 wird der ca. 400 Seiten starke zweite Band des Handbuchs „Chinesisches Zivil- und Wirtschaftsrecht“ erscheinen. Zielgruppe sind deutsche Unternehmen, die auf dem chinesischen Markt Fuß fassen wollen oder dort bereits tätig sind, aber auch Wissenschaftler und Studierende, die einen ersten Einblick in das chinesische Zivilrecht suchen. Nachdem der 2015 erschienene erste Band die Grundlagen des chinesischen Zivil- und Wirtschaftsrechts darstellte, widmet sich der zweite Band dem für ausländische Unternehmen bedeutsamen chinesischen Investitions- und Gesellschaftsrecht. Thomas Weidlich und Dr. Yuan Shen vom Kölner China Desk waren bereits Autoren im ersten Band und haben im zweiten Band weite Teile der Kapitel zum chinesischen Gesellschaftsrecht und den Besonderheiten für ausländische Investoren verfasst.

 

Dritte Auflage des Kompendiums „Legal Forms in Major Jurisdictions“

Legal Forms in Major JurisdictionsSeit 2012 werden im Kompendium „Legal Forms in Major Jurisdictions“ die Rechtsformen für Unternehmen in wichtigen Investitionsländern vorgestellt. Die Wahl der richtigen Rechtsform bildet das Fundament einer erfolgreichen Unternehmung, dies gilt für grenzüberschreitende Projekte gilt im Besonderen. „Legal Forms in Major Jurisdiction“ bietet einen umfangreichen Überblick über die zur Verfügung stehenden ausländischen Rechtsformen mit ihren jeweiligen Besonderheiten. Das von Luther herausgegebenen Kompendium, an dem mehr als 40 internationale Wirtschaftskanzleien mitgearbeitet haben, wurde erneut aktualisiert. Die dritte Auflage wird im Juli 2016 auf Anfrage per E-Mail an priska.watzal@luther-lawfirm.com erhältlich sein.

 


Thomas Weidlich, LL.M. (Hull)
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Köln
Telefon +49 221 9937 16280
thomas.weidlich@luther-lawfirm.com


International

ASEAN – what next?

Seit der Gründung im Jahr 1967 kommt dem Verbund südostasiatischer Staaten – genannt ASEAN – weltweit zunehmend wirtschaftliche Bedeutung zu. Es handelt sich um einen Absatzmarkt mit 635 Millionen Einwohnern und einer Wirtschaftsleistung von derzeit US$ 2,6 Billionen. Vorhersagen zu Folge könnten die südostasiatischen Staaten im Jahr 2030 gemeinsam die viertgrößte Wirtschaftsgemeinschaft darstellen. Mitgliedsstaaten des Verbundes sind Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. Die Staatengemeinschaft basiert auf drei Säulen: der Wirtschaftsgemeinschaft (AEC), der Sicherheitsgemeinschaft (ASPC) und der sozio-kulturellen Gemeinschaft (ASCC).

ASEAN 2025: Forging Ahead Together

Im November 2015 kamen die Staatschefs der ASEAN Staaten auf dem 27. Gipfeltreffen in Kuala Lumpur zusammen, um über die Zukunft des Staatenbundes zu entscheiden. Am Ende ratifizierten die zehn Mitgliedsstaaten das Dokument „ASEAN 2025: Forging Ahead Together“ („gemeinsam voranschreiten“) – ein Strategieplan, der die Ziele und Ansprüche der kommenden Dekade beinhaltet.

Das Dokument besteht aus fünf Teilen

  • Kuala Lumpur Deklaration zu ASEAN 2025: Forging Ahead Together
  • ASEAN Community Vision 2025
  • ASEAN Blueprint der Sicherheitsgemeinschaft (ASPC)
  • ASEAN Blueprint der sozial-kulturellen Gemeinschaft (ASCC) und
  • ASEAN Blueprint der Wirtschaftsgemeinschaft (AEC).

Jedes der drei Blueprints enthält bestimmte Zielvorgaben, die in den kommenden zehn Jahren erreicht werden sollen.

Die fünf Dokumente enthalten vor allem politische Absichtserklärungen ohne Bindungswirkung für die Mitgliedsstaaten, wobei besonders der Zusammenhalt und Integritätsprozess der Staaten betont wird. Daneben soll ein stärkerer Fokus auf die in den ASEAN Staaten lebenden Menschen gelegt werden.

Inhaltliche Schwerpunkte der ASEAN Community Vision 2025

Die ASEAN Community Vision 2025 beinhaltet vor allem übergreifende Ziele. Kurz zusammengefasst geht es hier vor allem um:

  • Den Integrationsprozess der Staaten
  • Eine friedliche, stabile und starke Gemeinschaft
  • Verstärkte Bemühungen, das Entwicklungsgefälle zwischen den Mitgliedsstaaten zu verringern

Um die Ziele der ASEAN Community Vision 2025 umzusetzen, sollen die institutionellen Kapazitäten des ASEAN-Bündnisses in den Mitgliedsstaaten erhöht und die Präsenz von ASEAN Einrichtungen in allen Mitgliedsstaaten gesteigert werden.

AEC Blueprint 2025

Der 10-Jahres-Plan der ASEAN Wirtschaftsgemeinschaft sieht für die Mitgliedsstaaten einen hochintegrierten und zusammenhängenden Wirtschaftsraum vor. Dieser soll durch die folgenden Maßnahmen erreicht werden:

  • Nahtloser Verkehr von Waren, Investitionen und Kapital
  • Arbeitnehmerfreizügigkeit
  • Verstärkung des Handels innerhalb der ASEAN Staaten
  • Schaffung eines einheitlichen Marktes für Unternehmen und Verbraucher
  • Stärkung der Rechte der Verbraucher
  • Einsatz erneuerbarer Energien
  • Gleichverteilung des wirtschaftlichen Wohlstandes
  • Verbesserungen im Transportwesen und in der Infrastruktur.


ASCC Blueprint

Für die sozio-kulturelle Gemeinschaft haben sich die ASEAN Staaten für die kommende Dekade zum Ziel gesetzt, einen hohen Lebensstandard aller Bürger der zehn Mitgliedsstaaten zu erreichen und gleiche Zugangsmöglichkeiten zu schaffen. Weitere Schwerpunkte der Erklärung sind Nachhaltigkeit und Umweltschutz.

APSC Blueprint

Die Ziele der ASEAN Sicherheitsgemeinschaft belaufen sich auf die Schaffung von Frieden, Stabilität und Wohlstand. Eine Verstärkung der Geschlossenheit des Staatenbundes soll außerdem dazu beitragen, die führende Rolle ASEANs im Hinblick auf die gemeinschaftlichen Angelegenheiten zu schützen.

Ausblick und Fazit

ASEAN 2025: Forging Ahead Together stellt zweifelsohne einen Meilenstein in der Geschichte des Staatenbündnisses dar: Die Mitgliedsstaaten streben ein politisch geschlossenes und wirtschaftlich integriertes Bündnis an, der Zusammenhalt der Staaten soll weiter vertieft werden und die soziale Verantwortung mehr und mehr in den Fokus der Gemeinschaft rücken.

Eine Staatengemeinschaft nach dem Vorbild der Europäischen Union ist indes (noch) nicht gewollt: Weder die Übergabe nationaler Souveränität an eine überstaatliche Institution – wie es bei den Mitgliedsstaaten der EU der Fall ist – noch eine einheitliche Währung stehen zur Debatte. Vielmehr betonen die Staaten stets ihre nationale Selbstständigkeit. Ferner ist das zum Teil stark ausgeprägte entwicklungspolitische Gefälle der einzelnen Staaten zu berücksichtigen, die den Aufbau einer EU-ähnlichen Institution erschweren würde.

Für die in den Mitgliedsstaaten lebenden Menschen bedeutet ASEAN 2025, dass sie zukünftig in einer sicheren, friedlicheren und noch stärker vereinten Region leben. Menschenrechte, grundlegende Freiheitsrechte und soziale Gerechtigkeit werden von den Mitgliedsstaaten gefördert und geschützt. Sollten die ambitionierten Ziele umgesetzt werden, können die Menschen zudem von größeren Chancen und verstärkter Mobilität auf dem Arbeitsmarkt profitieren.

Wie wirkt sich ASEAN 2025 auf Unternehmen aus, die in der Region tätig sind?

Firmen, die bereits in den ASEAN Staaten agieren oder dies in den nächsten Jahren vorhaben, können ihre Wirtschafts-, Investitions- und Handelsaktivitäten ausbauen, denn nach dem Strategieplan sollen bestehende Hürden für Unternehmen schrittweise abgebaut werden. Zumindest auf dem Papier kommen die ASEAN Staaten damit einem freien Handel von Waren, Dienstleistungen, Investitionen, Kapital und Fachkräften immer näher. Die Realität sieht jedoch mitunter anders aus: Nationale Gesetze konterkarieren nicht selten die Verpflichtungen der ASEAN Gemeinschaft hinsichtlich der Mobilität der Arbeitskräfte und verhindern den grenzüberschreitenden Einsatz von Fachkräften. Herausforderungen stellen sich für Unternehmen auch vor dem Hintergrund der starken Diversität der Region – Länder wie Singapur und Myanmar könnten im Hinblick auf ihre Wirtschaftskraft und Entwicklung in den letzten Jahrzehnten wohl kaum unterschiedlicher sein.

Unternehmen können zudem von einer Vereinheitlichung der Gesetzgebung in den Mitgliedsländern profitieren. So strebt die Staatengemeinschaft u. a. die Einführung einer Verbraucherschutzrichtlinie an, die in allen ASEAN Ländern gelten soll – allerdings fehlt es bislang noch an einem Zeitrahmen für deren Implementierung. Unternehmen sollten zudem berücksichtigen, dass sich der Fokus in den ASEAN Staaten in Zukunft mehr und mehr auf erneuerbare und nachhaltige Energien richten wird.

Dr. Thomas Hufnagel, LL.M. (Köln)
Partner
Luther LLP
Singapur
Telefon     +65 6408 8005
thomas.hufnagel@luther-lawfirm.com

 

Co-Autorin: Friederike Essbach, Luther LLP, Singapur

Australien

Das neue Deutsch- Australische Doppelbesteuerungsabkommen: Die wichtigsten Änderungen im Überblick

Ende letzten Jahres haben Deutschland und Australien ein neues Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) unterzeichnet. Das DBA tritt in Kraft, sobald die beiden Vertragsstaaten dieses ratifizieren und damit in nationales Recht umsetzen. Es ist damit zu rechnen, dass dies in der zweiten Hälfte diesen Jahres geschehen wird, sodass das neue DBA für Deutschland voraussichtlich ab dem 1. Januar 2017 in Kraft treten wird. Aufgrund des versetzten australischen Steuerjahres wird es jedoch in Australien nur im Hinblick auf Quellensteuern bereits ab dem 1. Januar 2017 anwendbar sein und für sonstige Steuern erst ab dem 1. Juli 2017. Das neue DBA ist nur eine der vielschichtigen Maßnahmen, mit welchen Australien und Deutschland ihre bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen verbessern und intensivieren wollen. Insbesondere steht nun auch ein Freihandelsabkommen zwischen Australien und der EU auf der Agenda.

Hintergrund

Das derzeitige DBA zwischen Australien und Deutschland besteht bereits seit 1972 und ist damit eines der ältesten Doppelbesteuerungsabkommen Australiens. Das neue DBA setzt zahlreiche Empfehlungen des BEPS-Aktionsplans (Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting) der OECD um und orientiert sich zudem stark am Musterabkommen der OECD.

Das neue DBA hat zahlreiche Implikationen für deutsche Unternehmen, die Wirtschaftsbeziehungen mit Australien haben. Dieser Beitrag wird sich auf die wesentlichen Änderungen beschränken, die für deutsche Unternehmen, die in Australien investieren oder ihre Produkte in Australien vertreiben, relevant sind. Hierzu gehören insbesondere die folgenden Änderungen:

  • Ausweitung der Definition für Betriebstätten
  • Regelungen zur Verhinderung des Abkommensmissbrauchs
  • Niedrigere Quellensteuern
  • Veräusserungsgewinnbesteuerung beim Verkauf von Gesellschaftsanteilen

Darüber hinaus soll kurz auf Zusammenwirkung des DBA mit dem ebenfalls vor kurzem in Australien in Kraft getretenen Multinational Anti-Avoidance Law (MAAL) eingegangen werden.

Ausweitung der Definition für Betriebsstätten

Wenn ein deutsches Unternehmen im australischen Markt aktiv wird, ohne dort eine Tochtergesellschaft zu gründen, stellt sich in der Praxis häufig die Frage, ob durch die geplante Tätigkeit eine Betriebsstätte begründet wird. Der Grundsatz ist, dass Gewinne eines deutschen Unternehmens dann in Australien (und nicht in Deutschland) zu versteuern sind, soweit diese Gewinne einer Betriebsstätte in Australien zuzurechnen sind. Diese Regelung hat den Zweck, eine doppelte Besteuerung zu vermeiden und sicherzustellen, dass zu erhebene Steuern eindeutig einem Vertragsstaat zugeordnet werden können. Allerdings ist mit der Begründung einer Betriebsstätte im Ausland stets ein administrativer Aufwand verbunden, da die von der Betriebsstätte erzielten Gewinne getrennt zu ermitteln und den ausländischen Steuerbehörden mitzuteilen sind. Daher möchten deutsche Unternehmen es grundsätzlich vermeiden, eine Betriebsstätte in Australien zu begründen, insbesondere im Stadium des Markteintritts, wenn sich noch nicht abschätzen lässt, ob man dauerhaft in den australischen Markt investieren möchte.

Nach der gegenwärtigen Definition der Betriebsstätte kann man durch den Einsatz von unabhängigen Vertretern eine Besteuerung der erzielten Gewinne im anderen Vertragsstaat vermeiden, sei es um günstigere Steuersätze im Heimatstaat auszunutzen oder um den administrativen Aufwand gering zu halten. Die OECD hat daher als BEPS Aktionspunkt 7 empfohlen, die Definition der Betriebsstätte zu erweitern. Das neue DBA hat die seitens der OECD vorgeschlagenen Änderungen weitgehend übernommen.

Vertreterbetriebsstätte

Die Tätigkeit eines unabhängigen Vertreters begründet nach wie vor keine Betriebsstätte. Allerdings gelten bisher nur Personen, die in Australien dauerhaft für ein deutsches Unternehmen tätig sind und die zum Abschluss von Verträgen im Namen des deutschen Unternehmens berechtigt sind, als abhängige Vertreter und begründen somit eine Betriebsstätte des deutschen Unternehmes in Australien.

Nach dem neuen DBA gelten jedoch auch die folgenden Personen, die in Australien für ein deutsches Unternehmen tätig sind, als abhängige Vertreter des Unternehmens und begründen damit eine Betriebsstätte:

  • Personen, die gewöhnlich einen wesentlichen Beitrag zum Abschluss von Verträgen leisten, welche dann routinemässig und ohne wesentliche Änderung durch das deutsche Unternehmen abgeschlossen werden.
  • Personen, die als unabhängige Vertreter agieren, die jedoch entweder ausschließlich oder nahezu ausschließlich für das deutsche Unternehmen tätig und mit diesem eng verbunden sind. Eine enge Verbundenheit liegt vor, wenn die Person den Gesamtumständen zufolge das Unternehmen beherrscht oder von dem Unternehmen beherrscht wird. Eine enge Verbundenheit zwischen Unternehmen und der Person ist in jedem Fall anzunehmen, wenn einer der beiden mindestens 50 % der Eigentumsrechte (bzw. Gesamtstimmrechte und des Gesamtwerts) am anderen hält oder eine dritte Person mindestens 50 % der Eigentumsrechte (bzw. Gesamtstimmrechte und des Gesamtwerts) an beiden hält.
  • Personen, die für das deutsche Unternehmen Güter oder Waren des Unternehmens in einem Vertragsstaat produzieren, bearbeiten oder verarbeiten (Lohnfertiger).


Projektbetriebsstätte

Die folgenden Tätigkeiten eines deutschen Unternehmens in Australien begründen regelmäßig eine Betriebsstätte, es sei denn, sie haben lediglich Vorbereitungs- oder Hilfscharakter:

  • Aufsichts- oder Beratungstätigkeiten in Verbindung mit einer in Australien durchgeführten Bauausführung oder Montage für eine Zeitraum von länger als 9 Monaten;
  • Erforschung oder Ausbeutung von natürlichen Ressourcen in Australien (einschließlich des Einsatzes wesentlicher Ausrüstung) für mehr als 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten; und
  • Einsatz wesentlicher Ausrüstung in Australien für mehr als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten.

Um zu vermeiden, dass die oben genannten Zeiträume künstlich durch eine Aufspaltung der Tätigkeit vermieden werden, wurde eine Anti-Fragmentations-Regel eingeführt. Hiernach werden alle verbundenen Tätigkeiten zusammengerechnet, die von einem oder mehreren mit dem deutschen Unternehmen eng verbundenen Unternehmen in Australien während verschiedener Zeiträume ausgeübt werden, wenn diese jeweils 30 Tage überschreiten.

Regelungen zur Verhinderung des Abkommensmissbrauchs

Das neue DBA enthält Vorschriften, die einen Abkommensmissbrauch gezielt verhindern sollten. Insbesondere wurde BEPS Aktionspunkt 6 der OECD durch die folgenden Änderungen umgesetzt:

  • Der Titel und die Präambel des neuen DBA stellen nun explizit klar, dass das DBA keine Möglichkeit zur Steuerverkürzung oder -Umgehung eröffnen soll. Auch Treaty Shopping, also missbräuchliche Gestaltungen, mit denen Vergünstigungen des DBA mittelbar Personen aus Drittstaaten verschafft werden sollen, sind explizit erwähnt und aus der Intention des Abkommens ausgeschlossen.
  • Artikel 23 des DBA enthält nun eine „Limitation-on-Benefits“ Klausel, die Vergünstigungen durch das Abkommen in bestimmten Fällen einschränkt. Insbesondere gilt:
  • Ist die Vergünstigung durch das DBA der wesentliche Zweck einer Transaktion, so kann die Vergünstigung nicht in Anspruch genommen werden (sog. principal purpose test). Ausgenommen sind nur Fälle, in denen die Vergünstigung unter diesen Umständen dem Sinn und Zweck des Abkommens entspricht.
  • Nationale Rechtsvorschriften zur Verhinderung von Steuerverkürzung oder Steuerumgehung werden neben dem DBA erlaubt und nicht in ihrer Anwendung eingeschränkt. Dies gilt insbesondere auch für das neue australische MAAL, welches unten kurz dargestellt wird.

Niedrigere Quellensteuern

Einige der Quellensteuersätze im Hinblick auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, die von einem Unternehmen mit Sitz in einem Vertragsstaat (Quellenstaat) an eine Person im anderen Vertragsstaat gezahlt werden, werden durch das neue DBA gesenkt. Weiterhin werden die folgenden Zahlungen nach dem DBA von der Quellensteuer befreit:

  • Dividendenzahlungen an börsennotierte Gesellschaften (oder deren Tochtergesellschaften), die mindestens 80 % der Stimmrechte an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft über einen Zeitraum von mindestens 12 Monate halten. Damit werden insbesondere große deutsche Konzerne, die Tochtergesellschaften in Australien haben, begünstigt.
  • Zinszahlungen an bestimmte staatliche Institutionen und Finanzinstitute.

Wird eine Quellensteuer durch das Abkommen ermäßigt oder entfällt diese ganz, so behalten beide Vertragsstaaten dennoch das Recht, die Quellensteuern zu einem, im innerstaatlichen Recht vorgesehenen, höheren Satz zu erheben. Die Steuerpflichtigen können daraufhin innerhalb von vier Jahren eine Erstattung der zusätzlich entstandenen Steuern beantragen, wobei der jeweilige Vetragsstaat die Vorlage einer amtlichen Bescheinigung über die Steueransässigkeit verlangen kann. Die Behörden können sich allerdings auf eine andere Verfahrensweise einigen. Generell ist es im Interesse beider Staaten, unnötigen Verwaltungsaufwand und Mehrbelastung von Unternehmen zu vermeiden.

Die obenstehende Tabelle gibt eine Übersicht über die Quellensteuersätze nach dem neuen DBA.

Veräusserungsgewinnbesteuerung beim Verkauf von Gesellschaftsanteilen

Neu sind auch die umfangreichen Regelungen zur Besteuerung von Gewinnen aus dem Verkauf von Gesellschaftsanteilen. Generell können Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen nur in dem Staat besteuert werden, in dem der Veräußerer ansässig ist.

Die wichtigste Ausnahme bilden nun jedoch Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an Unternehmen, deren Vermögen zu mehr als 50 Prozent aus Grundvermögen besteht. Das betrifft vor allem Gesellschafter von Unternehmen mit Schwerpunkt in den Bereichen Landwirtschaft und Immobilien, die nun beim Verkauf ihrer Anteile doppelt besteuert werden können.

Quellensteuersätze nach dem neuen DBA

 

Art der Zahlung
Steuersatz
Anmerkung
Dividenden15 %Generell
5 %Bei Zahlung an eine Gesellschaft, die über 6 Monate mindestens 10 % der Stimmrechte der die Dividende zahlenden Gesellschaft hält
0 %Bei Zahlung an eine an einer annerkannten Börse notierten Gesellschaft, die über 12 Monate mindestens 80 % der Stimmrechte der die Dividende zahlenden Gesellschaft hält
Zinsen10 %Generell
0 %Bei Zahlungen an bestimmte staatliche Institutionen und
Finanzinstitute
Lizenzgebühr5 %Generell

 

Multinational Anti-Avoidance Law (MAAL)

Fast zeitgleich mit der Unterzeichnung des neuen DBA trat in Australien am 11. Dezember 2015 das MAAL in Kraft. Durch das MAAL soll sichergestellt werden, dass multinationale Konzerne nicht durch komplexe Strukturen und konzerninterne Verträge ihre durch in Australien getätigten Geschäfte erwirtschafteten Gewinne in Niedrigsteuerländer leiten und sich damit der Steuerpflicht in Australien entziehen. Das MAAL findet jedoch nur auf Gesellschaften solcher globalen Unternehmens-
gruppen Anwendung, die weltweit ein Einkommen von mehr als AUD$ 1 Milliarde erwirtschaften. Vom Gesetzgeber war beabsichtigt, dass hiervon nur ca. 30 internationale Unternehmens.gruppen, die insbesondere im online Bereich tätig sind, erfasst werden sollten. Jedoch ist davon auszugehen, dass auch zahlreiche Unternehmen des deutschen Mittelstands unter den Anwendungsbereich des MAAL fallen.

Nach dem MAAL werden Gestaltungsmodelle, die die folgenden Bedingungen erfüllen, wie eine australische Betriebsstätte behandelt, auch wenn die Kriterien einer Betriebsstätte nach der Definition des DBA nicht erfüllt sind:

  • das ausländische Unternehmen liefert Waren oder Dienstleistungen an australische Kunden;
  • eine australische Gesellschaft, die mit dem ausländischen Unternehmen verbunden oder von diesem wirtschaftlich abhängig ist, leistet einen unmittelbaren Beitrag im Zusammenhang mit der Lieferung an australische Kunden;
  • der von dem ausländischen Unternehmen aus der Lieferung generierte Umsatz kann (ganz oder teilweise) nicht einer australischen Betriebsstätte zugeordnet werden; und
  • der wesentliche Zweck (principal purpose) des Gestaltungsmodells ist es, eine steuerliche Vergünstigung in Australien oder im Ausland zu erzielen.

Nach den Regelungen des MAAL kann die australische Steuerbehörde bei Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen die steuerlichen Vergünstigungen in Australien untersagen und zudem empfindliche Strafzahlungen erheben.

Fazit

Deutsche Unternehmen, die in Australien tätig sind, sollten sich rechtzeitig mit den Regelungen des neuen DBA vertraut machen. Inbesondere kann die Ausweitung der Definition der Betriebsstätte weitreichende Folgen haben. Betroffene Unternehmen sollten daher prüfen, ob die bisherige steuerliche Behandlung ihrer in Australien erzielten Einkünfte weiterhin gilt oder nun anders zu beurteilen ist, um noch vor Inkrafttreten des neuen DBA entsprechende strukturelle Änderungen vorzunehmen.

Dr. Angelika Yates
Addisons
Sydney
Telefon +61 2 8915 1067
angelika.yates@addisonslawyers.com.au



Lukas Buchholz
Addisons
Sydney
Telefon +61 2 8916 2000
lukas.buchholz@addisonslawyers.com.au


Brasilien

Erleichterung im Rechtsverkehr mit Brasilien – Abschaffung der konsularischen Legalisierung

Alle Personen, die im privaten oder geschäftlichen Rechtsverkehr mit Brasilien in Deutschland erstellte Dokumente bei einer Behörde oder bei einem Gericht in Brasilien vorlegen müssen, haben sicherlich schon häufig darüber gestöhnt, was für ein langwieriges und teures Verfahren es ist, in Deutschland erstellte Urkunden, die in Brasilien vorzulegen sind, in die korrekte Form zu bringen. Das gleiche Verfahren gilt auch in der anderen Richtung. Das heißt, wenn zum Beispiel eine Brasilianerin in Deutschland heiratet, muss sie die brasilianische Personenstandsurkunde in einem deutschen Konsulat in Brasilien legalisieren lassen.

Hierzu ist nach der notariellen Beglaubigung die „Konsularisierung“ erforderlich. Der häufigste Fall ist die Beglaubigung der Unterschrift bei einer Vollmacht.

Jetzt ist Brasilien mit Dekret Nr. 8660 vom 29. Januar 2016 dem Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation beigetreten. Deutschland ist schon Vertragspartei dieses Übereinkommens. Das hat zur Folge, dass im Rechtsverkehr zwischen Deutschland und Brasilien die konsularische Legalisierung durch das Apostille-Verfahren ersetzt wird. Die Befreiung von der Legalisierung tritt am 14. August 2016 in Kraft. Ab diesem Datum können Urkunden, die notariell beglaubigt wurden, durch Anbringung der Apostille durch die zuständigen Gerichte in Deutschland die zur Vorlage bei Behörden in Brasilien erforderlichen Formerfordernisse erfüllen. Die Erleichterung gilt auch für in Deutschland vorzulegende Urkunden aus Brasilien. Dieses vereinfachte Verfahren führt zu beträchtlichen Kosteneinsparungen und einer deutlichen Beschleunigung.

Ulrich Klemm
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Köln
Telefon +49 221 9937 25775
ulrich.klemm@luther-lawfirm.com



China

Der vielseitige Einsatz von grenzüberschreitenden Sicherheiten

Für grenzüberschreitende Sicherheiten gelten seit dem 1. Juni 2014 vereinfachte und einheitliche Regelungen des chinesischen Staatsdevisenamts (State Administration of Foreign Exchange – nachfolgend „SAFE“). Diese bieten ausländisch investierten Unternehmen (Foreign Invested Enterprises – nachfolgend „FIE“) überraschende Gestaltungsmöglichkeiten.

Bestehender Regulierungsumfang

Die Leistung von Sicherheiten in grenzüberschreitenden Sachverhalten, etwa für die Kreditaufnahme durch Tochterunternehmen, unterliegt in China grundsätzlich der Regulierung durch SAFE. Der Umfang wurde durch die Verordnung über die Devisenverwaltung für grenzüberschreitende Sicherheiten und die operative Leitlinie über die Devisenverwaltung für grenzüberschreitende Sicherheiten allerdings im Jahr 2014 neu geordnet und erheblich reduziert.

Demnach werden grenzüberschreitende Sicherheiten von SAFE nach dem Registrierungsort der Gesellschaft (bzw. dem Wohnsitz) des Gläubigers, Schuldners und des Sicherungsgebers in drei Gruppen aufgeteilt:

1) Inländische Sicherheiten für Auslandskredite (nachfolgend „ausgehende Sicherheiten“),

2) Ausländische Sicherheiten für Inlandskredite (nachfolgend „eingehende Sicherheiten“),

3) Andere Formen grenzüberschreitender Sicherheiten.

SAFE reguliert nur die ersten beiden Gruppen. Alle anderen Formen grenzüberschreitender Sicherheiten müssen zwar bestehende gesetzliche Regelungen und Devisenvorschriften einhalten, sind allerdings von der Regulierung durch  SAFE ausgenommen.

Hierzu gehören u.a. folgende Konstellationen:

  • Sicherungsgeber und Schuldner oder Gläubiger im Inland sowie der jeweils andere im Ausland
  • Sicherungsgeber und Schuldner oder Gläubiger im Ausland sowie der jeweils andere im Inland
  • alle Parteien im Inland aber die Sicherheit im Ausland
  • alle Parteien im Ausland aber die Sicherheit im Inland

Im Folgenden werden die beiden Fallgruppen behandelt, welche von SAFE reguliert werden.

Ausgehende Sicherheiten



Bei ausgehenden Sicherheiten handelt es sich um solche grenzüberschreitenden Sicherheiten, bei denen der Sicherungsgeber seinen Registrierungsort/Wohnsitz in China hat, wohingegen Gläubiger und Schuldner ihren Registrierungsort/Wohnsitz im Ausland haben. In der Praxis werden ausgehende Sicherheiten häufig von der Muttergesellschaft im Inland für ihre Tochtergesellschaft im Ausland bei deren Finanzierung geleistet.

Der Abschluss einer Sicherungsvereinbarung kann ohne behördliche Genehmigung erfolgen. Lediglich innerhalb von 15 Arbeitstagen nach Vertragsschluss ist eine Anmeldung und Registrierung durch den Sicherungsgeber bei SAFE erforderlich. Banken können die Registrierung auf einer von SAFE betriebenen Online-Plattform vornehmen.

Allerdings bestehen einige Beschränkungen: Das ausländische Kapital muss vom Schuldner im Rahmen seiner gewöhnlichen Geschäftstätigkeit genutzt werden. Darüber hinaus darf es nicht zurück auf das Hoheitsgebiet Chinas investiert werden oder der Begleichung entsprechender Investitionen dienen. Es darf nicht zum Erwerb einer Gesellschaft genutzt werden, welche mehr als 50% ihrer Vermögenswerte in der VR China hat, sowie nicht als Vorauszahlung an eine chinesische Gesellschaft für Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, wenn dabei festgesetzte Beträge und Zeiten überschritten werden. Sonderbeschränkungen gelten außerdem bei Sicherheiten für die Ausgabe von Unternehmensanteilen durch den ausländischen Schuldner. Insoweit ist es weiterhin erforderlich, dass dieser direkt oder indirekt von einer chinesischen Gesellschaft beherrscht wird. Der Sicherungsgeber hat die Einhaltung dieser Vorgaben und anderer Gesetze durch sorgfältige Prüfung sicherzustellen.

Die Zahlung oder Vollstreckung der Sicherheitsleistung bedarf ebenfalls keiner Genehmigung. Banken können die Zahlung selbst durchführen und sonstige Sicherungsgeber können eine Übersee-Zahlung von ihrem Konto durch die Einreichung der Registrierungsdokumente bei ihrer Bank veranlassen. Allerdings hat der Sicherungsgeber im Inland nach der Erfüllung der Hauptverbindlichkeit seine (übergegangene) Forderung gegen den Schuldner bei SAFE zu registrieren. Ist der Sicherungsgeber keine Bank, so ist ihm die Vereinbarung einer weiteren ausgehenden Sicherheit bis zur Tilgung der Forderung durch den Schuldner oder bis zur Erteilung einer Genehmigung durch SAFE nicht gestattet.

Eingehende Sicherheiten



Bei eingehenden Sicherheiten handelt es sich um solche grenzüberschreitenden Sicherheiten, bei denen der Sicherungsgeber seinen Registrierungsort/Wohnsitz im Ausland hat, während Gläubiger und Schuldner ihren Registrierungsort/Wohnsitz im Inland haben. In der Praxis werden eingehende Sicherheiten von der Muttergesellschaft im Ausland für die Tochtergesellschaft im Inland bei der Kreditvergabe gegenüber den inländischen Finanzinstituten geleistet.

Auch bei eingehenden Sicherheiten besteht keine Genehmigungspflicht, sondern lediglich die Pflicht einer nachträglichen Registrierung, welche vom inländischen Finanzinstitut als Gläubiger auf der Online-Plattform von SAFE vorzunehmen ist.

Im Falle der Erfüllung der Hauptverbindlichkeit durch den Sicherungsgeber (bei Nichterfüllung des Schuldners) und Forderungsübergang auf diesen darf die Forderung nicht das zum Ende des Vorjahres geprüfte Nettovermögen des inländischen Schuldners übersteigen. Sofern die Restforderung das zum Ende des Vorjahres geprüfte Nettovermögen übersteigt, kann der Übertrag von der möglichen Gesamtverschuldenssumme des inländischen Schuldners abgezogen werden. Sollte der Übertrag jedoch auch diese übersteigen, so stellt der Restbetrag eine rechtswidrige Auslandsverschuldung dar und es drohen Strafen durch SAFE in Höhe von 30 % des Restbetrags.

Nach dem Übergang der Forderung auf den Sicherungsgeber muss der inländische Schuldner innerhalb von 15 Arbeitstagen die Registrierung einer kurzfristigen Auslandschuld beim SAFE vornehmen. Vor der Tilgung dieser Forderung dürfen für den inländischen Schuldner ohne Genehmigung seitens SAFE keine neuen Kredite mit eingehenden Sicherheiten registriert werden und die Auszahlung gegebenenfalls bereits abgeschlossener (weiterer) Kreditverträge mit eingehenden Sicherheiten wird unterbrochen.

Gestaltungsmöglichkeiten für FIE

Die Verwendung grenzüberschreitender Sicherheiten bietet FIE neben den Vorteilen bei der Kreditaufnahme noch weitere finanzielle Gestaltungsmöglichkeiten, insbesondere in zwei Varianten:

Auslandsüberweisung

Noch immer gibt es eine Vielzahl von Beschränkungen bei der Überweisung des Cashflows und der Gewinne von FIE ins Ausland. Obwohl entsprechende gesetzliche Instrumente für FIE bestehen, werden diese durch den komplizierten Anmeldungs- und Registrierungsprozess sowie die relativ umständlichen Voraussetzungen praktisch blockiert bzw. erschwert.

Vor diesem Hintergrund können über ausgehende Sicherheiten kostensparend Auslandsüberweisungen getätigt werden. Im Detail können FIE und die entsprechenden ausländischen Muttergesellschaften (oder andere verbundene Unternehmen) unter der Struktur der ausgehenden Sicherheiten mit einer ausländischen Bank und deren Niederlassung in China (also der ausländisch investierten Bank) simultan folgende Abmachung treffen: die ausländische Muttergesellschaft erhält einen Kredit bei der ausländischen Bank, welchen die ausländisch investierte Bank durch einen Letter of Guarantee oder einen Standby Letter of Credit garantiert. Zugleich zahlt das FIE einen gleichhohen Betrag an Bargeld als Pfandgut an die ausländisch investierte Bank. Dies dient als Counter-Guarantee für den Kredit der Muttergesellschaft bei der ausländischen Bank:


Über diese Konstruktion erfolgt der Zahlungsfluss tatsächlich derart, dass das FIE den Geldbetrag bei einer Bank im Inland „einzahlt“ und das ausländische verbundene Unternehmen den Geldbetrag im Ausland „abhebt“. Eine derartige Transaktionsstruktur ist nicht rechtswidrig. Die erforderlichen Registrierungen hat die ausländisch investierte Bank vorzunehmen.

Ausländische Finanzierung der FIE

Wie bereits oben erläutert, wird bei eingehenden Sicherheiten die Höhe der (übergegangenen) Forderung des Sicherungsgebers im Ausland gegenüber dem FIE mit der Höhe des zum Ende des Vorjahres geprüften Nettovermögens des FIE verrechnet. Wenn die Forderung dieses nicht übersteigt, dann erfolgt auch kein Abzug von der möglichen Gesamtverschuldenssumme. Ansonsten erfolgt ein Abzug als kurzfristige Auslandschuld.

Dies eröffnet FIE die Möglichkeit, eine weitere ausländische Finanzierung außerhalb des Rahmens der möglichen Gesamtverschuldung zu erhalten. Durch eine inländische Kreditaufnahme mit eingehender Sicherheit und anschließende Leistung durch den Sicherungsgeber erfolgt praktisch eine zusätzliche ausländische Finanzierung, die bis zur Höhe des geprüften Nettovermögens ausgenutzt werden kann. Insbesondere für FIE, bei denen die mögliche Gesamtverschuldenssumme nur wenig übrig lässt oder die diese bereits ausgeschöpft haben, kann eine solche Finanzierung hilfreich sein.

Fazit

Die dargestellten Regelungen haben die Anwendung grenzüberschreitender Sicherheiten auf dem chinesischen Markt seit der Reform im Jahr 2014 extrem aktiviert und sind dabei auf positive Resonanz gestoßen. Die fortschreitende Liberalisierung des RMB eröffnet insbesondere FIE stets neue Möglichkeiten. Eine Entwicklung, die wir auch weiterhin aufmerksam für Sie verfolgen werden.

QUAN Wei, LL.M. (ECUPL)
Luther Law Office
Shanghai
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Philipp Baron von Drachenfels
Luther Rechtsanwaltsgesellschafts mbH
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Die Arbeitszeitregelung im chinesischen Arbeitsrecht

Im Rahmen des chinesischen Arbeitsrechts gibt es neben der Standardarbeitszeit zwei Sonderarbeitszeitmodelle: die „umfassend berechnete Arbeitszeit“ (auch „pauschale Arbeitszeit“ genannt) und „nichtperiodische Arbeitszeit“ (auch „flexible Arbeitszeit“ genannt). Für einige spezielle Arbeitsstellen darf der Arbeitgeber diese Sondermodelle einführen. In der Praxis findet sich die flexible Arbeitszeit häufig in Arbeitsverträgen mit führenden Angestellten, oder es wird die Regelung vereinbart, wonach Überstunden bereits mit der vereinbarten Vergütung als abgegolten fingiert werden. Dabei werden jedoch oft zwingende gesetzliche Vorschriften außer Acht gelassen oder die Klauseln ungünstig gestaltet, was insbesondere bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses häufig zu Streit oder zu hohen Schadensersatzkosten führen kann.

Wir haben 2011 einen Fall begleitet, in dem der als Wache beschäftigte Mitarbeiter einen Anspruch auf Überstundenvergütung in Höhe von ca. RMB 600.000 (ca. EUR 81.500) für den Zeitraum 1996 - 2011 gegen unsere Mandantin gerichtlich geltend gemacht hat. Das Gericht hat letztendlich den Anspruch des Mitarbeiters in Höhe von ca. RMB 250.000 (ca. EUR 34.000) anerkannt. Ein wichtiger Grund für das teilweise Unterliegen der Mandantin lag darin, dass die Gestaltung und Durchführung des Arbeitszeitmodells für diese spezielle Stelle nicht rechtmäßig und angemessen war.

Überblick

Für die meisten Stellen gilt die Standardarbeitszeit, sodass Überstunden im Rahmen der Standardarbeitszeit entsprechend der gesetzlichen Regelung zu vergüten oder abzubauen sind. Die zwei Sonderarbeitsmodelle - „pauschale Arbeitszeit“ und „flexible Arbeitszeit“ dürfen nur unter besonderen gesetzlichen Voraussetzungen für bestimmte Stellen eingeführt werden.

Standardarbeitszeit

Gemäß des chinesischen Arbeitsgesetzes von 1995 darf der Arbeitnehmer im Durchschnitt täglich nicht mehr als 8 Stunden und wöchentlich nicht mehr als 44 Stunden arbeiten. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer mindestens einen Erholungstag pro Woche gewähren. Kurz nach Erlass des Arbeitsgesetzes hat der chinesische Staatsrat eine Bestimmung verkündet, welche die wöchentliche Arbeitszeit von „nicht mehr als 44 Stunden“ auf „nicht mehr als 40 Stunden“ verkürzt hat. Seitdem beträgt die Standardarbeitszeit 8 Stunden pro Tag und 40 Stunden pro Woche.

Im Rahmen der Standardarbeitszeit muss der Arbeitgeber vor der Verlängerung der Arbeitszeit aufgrund des Betriebsbedarfs zunächst die Gewerkschaft oder den Arbeitnehmer konsultieren. Zudem müssen die geleisteten Überstunden wie folgt entlohnt bzw. ausgeglichen werden:

 

Überstunden anLohnausgleich
Arbeitstagen150 % des üblichen Stundenlohns
RuhetagenFreizeitausgleich oder 200 % des üblichen Stundenlohns
Feiertagen300 % des üblichen Stundenlohns

Zudem darf ein Arbeitgeber die Arbeitnehmer nicht überfordern. Erlaubt sind maximal drei Überstunden pro Arbeitstag und 36 Überstunden pro Monat.

In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass als Ausgleichsmaßnahme für Überstunden nur die Gewährung zusätzlicher Freizeit vorgesehen ist. Nach den obigen gesetzlichen Vorgaben dürfen jedoch nur Überstunden an Ruhetagen auf diese Weise ausgeglichen werden. Daher könnte die entsprechende innerbetriebliche Vorschrift oder vertragliche Vereinbarung als unwirksam bewertet werden, und der Arbeitgeber müsste im Endeffekt doch den Überstundenzuschlag zahlen, den er durch die Gewährung von Freizeitausgleich gerade vermeiden wollte.

Oft erhalten wir Anfragen wie „kann Samstag als Arbeitstag vereinbart werden?“ oder „entspricht das 3-Schichtsystem der Standardarbeitszeitregelung?“. Im Rahmen der Standardarbeitszeit werden gesetzlich nur die maximale tägliche (8 Stunden) und wöchentliche Arbeitszeit (40 Stunden) sowie die Mindestanzahl von Ruhetagen (1 Tag / Woche) vorgeschrieben. Weder die Verteilung der Arbeitszeit unter der Woche noch der Ruhetag an einem bestimmten Wochentag sind geregelt. Daher ist die Anordnung, dass der Arbeitnehmer 6 Tage/Woche und 6 Stunden/Tag arbeitet, zwar unüblich, aber nicht rechtswidrig. Gleiches gilt für das 3-Schichtsystem, solange die gesetzlichen Mindestanforderungen eingehalten werden.

Sonderarbeitszeit

Nach dem chinesischen Arbeitsgesetz kann ein Unternehmen, in dem die Durchführung der Standardarbeitszeit wegen betrieblicher Besonderheiten nicht möglich ist, mit Genehmigung der Arbeitsbehörde andere Arbeits- und Ruhezeiten anordnen. Dies wird als Sonderarbeitszeit bezeichnet. Zurzeit gibt es zwei Modelle der Sonderarbeitszeit: das pauschale Arbeitszeitmodell und das flexible Arbeitszeitmodell. Ein wichtiger Unterschied zur Standardarbeitszeit ist das Fehlen eines Überstundenausgleichs innerhalb des gesetzlichen Rahmens.

Bei pauschaler Arbeitszeit besteht kein Bezug zum Tag als entscheidende Zeiteinheit. Die Arbeitszeit wird in einer bestimmten Zeiteinheit wie Woche, Monat, Quartal oder Jahr berechnet. Sie gilt vor allem für Arbeitnehmer in Unternehmen, die fortdauernd betrieben werden müssen, wie etwa bei Verkehr, Eisenbahn, Post und Fernmeldewesen, Wassertransport, Lufttransport, Fischerei, oder in Unternehmen, die von Jahreszeiten und Naturkonditionen abhängig sind, wie etwa bei Salzraffinieren, Zuckerraffinieren, Tourismus.

Bei flexibler Arbeitszeit kann der Arbeitnehmer aufgrund der Produktionsbesonderheit des Unternehmens, der besonderen Arbeitsbedürfnisse oder des Aufgabenbereichs in der Regel nicht im Rahmen der Standardarbeitszeit arbeiten. Seine Arbeitszeit ist unbestimmt und muss flexibel gestaltet werden. Dieses Modell gilt insbesondere für folgende Arbeitnehmergruppen: (i) Führungskräfte, Außendienstler, Vertriebsmitarbeiter, Wächter (teilweise) sowie andere Angestellte, deren Tätigkeit nach der Standardarbeitszeit nicht bemessen werden kann; (ii) Fernfahrer, Taxifahrer, einen Teil der Verladearbeiter bei Eisenbahn, Häfen, Lagern. In der Praxis beantragen Unternehmen häufig für ihre Führungskräfte, Vertriebsmitarbeiter sowie die nichtproduktiv tätigen Wächter die flexible Arbeitszeit bei der Arbeitsbehörde, um ihre Personalkosten zu kontrollieren.

Besonderheiten bei der Durchführung der Sonderarbeitszeitmodelle

Behördliche Genehmigung

Nach chinesischem Recht ist für die Einführung eines Sonderarbeitszeitmodells die Genehmigung der Arbeitsbehörde erforderlich. Zur Konkretisierung des Genehmigungsverfahrens haben die lokalen Regierungen und Arbeitsbehörden einiger Provinzen und Städte, wie etwa Shanghai, Beijing, Shenzhen, Tianjin etc. die den örtlichen Umständen entsprechenden Durchführungsbestimmungen für die Genehmigung ausgearbeitet, die beim Antrag zu beachten sind.

Die wirksame Einführung eines Sonderarbeitszeitmodells setzt die Genehmigung der Arbeitsbehörde voraus. Dies wird jedoch in der Praxis oft vom Unternehmen übersehen. Häufig wird lediglich im Arbeitsvertrag eine Klausel zur Anwendung der „pauschalen Arbeitszeit“ oder „flexiblen Arbeitszeit“ vereinbart, ohne dass ein Antrag auf die Genehmigung bei der Arbeitsbehörde gestellt wird. Bei späteren Streitigkeiten, insbesondere über Überstundenlohn, wird das Gericht in der Regel diese Klausel in der Regel als ungültig ansehen und dem Arbeitnehmer den nach der Standardarbeitszeit berechneten Überstundenlohn zusprechen. Nach unserer Kenntnis wird zurzeit nur in der Stadt Xiamen eine vertragliche Vereinbarung als ausreichend für die Einführung der Sonderarbeitszeitmodelle zugelassen. Eine Genehmigung der lokalen Arbeitsbehörde in Xiamen ist mithin nicht zwingend erforderlich.

Im Übrigen ist zu beachten, dass die genehmigte Sonderarbeitszeitregelung zeitlich begrenzt gültig ist. Die Gültigkeitsdauer wird von der Arbeitsbehörde entsprechend dem Antrag des Unternehmens bestimmt und beträgt in der Regel ein oder zwei Jahre. Wenn das Unternehmen nicht rechtzeitig eine Verlängerung bei der Arbeitsbehörde beantragt, wird mit Ablauf der Gültigkeitsdauer für die betroffene Arbeitsstelle die Standardarbeitszeit gelten. Für die Gültigkeitsdauer und das Verlängerungsverfahren gelten lokale Bestimmungen, die zu beachten sind. Beispielsweise muss ein Unternehmen in Shanghai mindestens 15 Tage vor Ablauf der Gültigkeitsdauer der Genehmigung einen Verlängerungsantrag stellen, sofern das Unternehmen die Genehmigung verlängern möchte. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer tritt die Genehmigung außer Kraft und es gilt dann die Standardarbeitszeit.

Überstunden und Überstundenlohn

Nach chinesischem Recht gilt die Arbeitszeit, die die gesetzliche Arbeitszeit für das jeweilige Arbeitszeitmodell übersteigt, als Überstunde und der Arbeitnehmer hat darauf einen Überstundenausgleichsanspruch.

Unter der „pauschalen Arbeitszeit“ orientiert sich die Frage, ob der Arbeitnehmer Überstunden geleistet hat, an der gesamten Arbeitszeit innerhalb des maßgeblichen Berechnungszeitraums. Es wird nicht zwischen Arbeits- und Ruhetagen unterschieden. Gezählt wird nur die Gesamtarbeitszeit in dem einschlägigen Berechnungszeitraum. Ordnet der Arbeitgeber hingegen Arbeit an einem gesetzlichen Feiertag an, gilt dies als Überstunde und der Arbeitgeber muss einen Überstundenlohn von nicht weniger als 300 % zahlen. Generell wird die gesetzliche Arbeitszeit unter der Regelung der „pauschalen Arbeitszeit“ mit unterschiedlichen Berechnungszeiträumen wie folgt berechnet:

BerechnungszeitraumGesetzliche Arbeitszeit
KalenderwocheMax. 40 Stunden
KalendermonatMax. 166,64 Stunden
QuartalMax. 500 Stunden
HalbjahrMax. 1000 Stunden

Die die gesetzliche Arbeitszeit überschreitenden Arbeitsstunden, die aber nicht an einem gesetzlichen Feiertag angefallen sind, werden mit 150 % (weniger als 8 Stunden) oder 200 % (je 8 Stunden) des üblichen Stundenlohns vergütet.

Ausgehend davon sollte der Arbeitgeber eine entsprechende Anwesenheits- und Arbeitszeitordnung für die Arbeitnehmer des pauschalen Arbeitszeitmodells ausarbeiten. Dadurch können künftige Streitigkeiten bereits im Vorfeld vermieden werden.

Unter dem Modell der „flexiblen Arbeitszeit“ hat der Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf Überstundenausgleich. Auch Arbeit, die an einem gesetzlichen Feiertag geleistet wird, gilt nicht als Leistung von Überstunden, da die Arbeitszeit eben unbestimmt und flexibel ist und es grundsätzlich keine klare Grenze zwischen Arbeitstag, Ruhetag und Feiertag gibt. Allerdings gibt es auf lokaler Ebene abweichende Regelungen für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen. Zum Beispiel sieht die entsprechende Regelung in Shanghai vor, dass auch im Rahmen des flexiblen Arbeitszeitmodells Arbeit an gesetzlichen Feiertagen mit 300 % des üblichen Tages- oder Stundenlohns zu entschädigen ist. Eine ähnliche Bestimmung gibt es auch in der Stadt Shenzhen. Daher sollten auch hier die lokalen Regelungen immer berücksichtigt werden.

TIAN Yibing, LL.M. (Mannheim)
Luther  Law Offices
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Dr. SHEN Yuan, LL.M. (Köln)
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Die umfassende Anwendung der Mehrwertsteuer in China

Am 23. März 2016 veröffentlichten das chinesische Finanzministerium und das staatliche Steuerhauptamt eine „Mitteilung über die umfassende Förderung der Pilotprogramme über die Erhebung der Mehrwertsteuer an Stelle der Unternehmenssteuer („Circular Caishui [2016] Nr. 36, nachfolgend bezeichnet als „Circular 36“). Circular 36 erweitert vor allem den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer auf die restlichen Gebiete, welche bisher noch der Unternehmenssteuer unterlagen, etwa auf die Baubranche, den Immobiliensektor, Finanzdienstleistungen und auf Lifestyle Dienstleistungen wie z.B. das Gastgewerbe, die Nahrungsmittelindustrie, das Gesundheitswesen und die Unterhaltungsbranche. Weiterhin wurden die Bestimmungen über die Erhebung der Mehrwertsteuer in der Transportindustrie, modernen Dienstleistungsbranche, sowie Post- und Telekommunikationsbranche durch Circular 36 geändert. Alle Bereiche, die bisher der Unternehmenssteuer unterlagen, unterliegen damit seit dem 1. Mai 2016 der Mehrwertsteuer.

Hintergründe

Im Januar 2012 führte Shanghai als erste Provinz das Pilotprogramm über die Erhebung der Mehrwertsteuer anstelle der Unternehmenssteuer ein. Zunächst wurde diese nur in den Bereichen der Transport- und modernen Dienstleistungsindustrie angewandt. Das Pilotprogramm wurde danach in allen anderen Provinzen nach und nach eingeführt. Seit Januar 2014 umfasste die Umstellung der Unternehmenssteuer auf die Mehrwertsteuer auch die Bereiche Bahntransport, sowie Post und Telekommunikation. Nicht davon erfasst waren bislang allerdings die Baubranche, der Immobiliensektor, die Finanzbranche und die Lifestyle Dienstleistungsbranche.

Mit der jetzigen Einbeziehung der noch übrigen Branchen trat das vierjährige Pilotprogramm über die Erhebung der Mehrwertsteuer an Stelle einer Unternehmenssteuer in seine Schlussphase ein. Die Unternehmenssteuer ist damit komplett abgeschafft worden und auch die unterschiedliche Bemessung der Umsatzsteuersätze für die Erbringung verschiedener Dienstleistungen und bei dem Verkauf von Waren hat damit sein Ende gefunden. Als Ergebnis kann jedes steuerpflichtige Unternehmen in jeder Phase des Verkaufs von Dienstleistungen, Immobilien oder immateriellen Vermögenswerten bei der Berechnung der Mehrwertsteuer die Vorsteuer abziehen.

Anmerkungen

Circular 36 enthält aber nicht nur Bestimmungen über die mehrwertsteuerliche Behandlung der vier neu einbezogenen Branchen, sondern auch Anleitungen für steuerpflichtige Unternehmen aller anderen Branchen. Die wichtigsten Änderungen:

Erweiterung und genaue Bestimmung des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer
Mit der Umstellung auf die Mehrwertsteuer wurden deren Steuergegenstände neu festgelegt und klassifiziert. Durch die Praxiserfahrungen, die in den Pilotprogrammen gesammelt wurden, hat Circular 36 die Steuergegenstände, die der Mehrwertsteuer unterliegen, ausführlich und umfassend geregelt und auch bei der Klassifizierung der Steuergegenstände auf die Bedürfnisse der Praxis abgestellt.

Ein Paradebeispiel dafür ist die mehrwertsteuerliche Behand-lung der Dienstleistungen eines Investment Management Unternehmens, welches Teil einer Unternehmensgruppe ist und den Mitgliedsunternehmen Managementdienstleistungen, einschließlich des Finanz-, Rechts- und Personalmanagements, anbietet. Während der Pilotprogramme in den unterschiedlichen Provinzen gab es viele Auffassungen zur mehrwertsteuerlichen Behandlung solcher Dienstleistungen. Es tauchten beispielsweise Fragen auf, ob diese überhaupt zum Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer gehören und in welchen Mehrwertsteuergegenstandskatalog diese eingeordnet werden können. Zur Beantwortung dieser Fragen fügt Circular 36 dem Hauptkatalog „Moderne Dienstleistungen“ einen Unterkatalog namens „Handelsunterstützende Dienstleistungen“ hinzu. In dem Unterkatalog sind auch die „Managementdienstleistungen eines Unternehmens“ mit inbegriffen. Zudem ergänzt Circular 36 einige Kataloge mit einer Auffangklausel. Diese Klausel findet dann Anwendung, wenn innerhalb der einzelnen Kataloge keine Regelungen für spezielle Situationen getroffen wurden. Sollten daher Situationen auftreten, für die keine Regelungen geschaffen worden sind, so werden diese von der Auffangklausel erfasst.

Ein anderes Paradebeispiel ist die Auslegung des Begriffs der immateriellen Vermögenswerte. Nach den bisherigen Regelungen zur Unternehmenssteuer war dieser sehr eng auszulegen. Es handelte sich bei den immateriellen Vermögenswerten um Landnutzungsrechte, Markenrechte, Patentrechte, nicht patentierte Technologien, Urheberrechte, Firmenwerte und Nutzungsrechte an natürlichen Ressourcen. Ob auch der Verkauf der neu entstehenden immateriellen Vermögenswerte (wie Netzwerk-Domain, Mitgliedschaft usw.) besteuert werden sollte, war in der Praxis umstritten. Aus diesem Grund hat Circular 36 einen neuen Katalog namens „andere aktienbasierte immaterielle Vermögenswerte“, hinzugefügt. Dieser Katalog wird sehr weit ausgelegt, was wiederum zur Folge hat, dass der Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erneut erweitert wird.

Investitionsförderung durch Steuerentlastung
Circular 36 enthält einige Maßnahmen zur Verringerung der Steuerbelastung, sowie Bestimmungen , um den Übergang der Unternehmenssteuer zur Mehrwertsteuer so fließend wie möglich zu gestalten.

Die Verringerungen der Steuerbelastung werden vor allem an zwei Beispielen deutlich. Zum einen an den Regelungen der Mehrwertsteuer in der Baubranche, zum anderen im Immobiliensektor. Vor der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer lag für diese beiden Bereiche ein Unternehmenssteuersatz von 3 % oder 5 % vor, seitdem beträgt der Steuersatz 11 %. Dies stellt auf den ersten Blick eine höhere steuerliche Belastung dar, was bei näherer Betrachtung aus folgenden Gründen jedoch nicht der Fall ist: Zum einen schreibt Circular 36 vor, dass das steuerpflichtige Unternehmen in der Baubranche und im Immobiliensektor zur Berechnung des Verkaufsbetrages die von ihm an den Subunternehmer bezahlten Beträge und die Landübertragungsgebühren abziehen kann. Zum anderen enthält Circular 36 für Immobilienentwicklungsunternehmen ein spezielles System in Bezug auf die Art und Weise der Mehrwertsteuerzahlung. Danach kann die Mehrwertsteuer zu einem bestimmten Steuersatz im Voraus bezahlt werden, wenn das Immobilienentwicklungsunternehmen die Gebäude bereits vor dem Bauprojektabschluss verkauft hat. Nach dem Bauprojektabschluss wird dann die tatsächliche Mehrwertsteuer abgerechnet. Entweder wird die zu viel bezahlte Mehrwertsteuer zurückgezahlt oder im Falle von zu wenig gezahlter Mehrwertsteuer muss der Fehlbetrag nachgezahlt werden. Dieses System ermöglicht die genaue Berechnung von Vor- und Mehrwertsteuer.

Ein weiterer Vorteil ist, dass das steuerpflichtige Unternehmen bei sogenannten „alten Bauprojekten“ während der Übergangsperiode ein Wahlrecht genießt. So kann es die Mehrwertsteuer nach der bisher gültigen, sogenannten „einfachen Steuerberechnungsmethode“ oder nach der neuen „allgemeinen Steuerberechnungsmethode“ berechnen. Letztere Methode hat allerdings den Nachteil, dass die Besteuerung durch Mehrwertsteuer in der Baubranche und im Immobiliensektor erst am 1. Mai 2016 begann, sodass das steuerpflichtige Unternehmen während dieses Wirtschaftsjahres keine Rechnungen mit Mehrwertsteuerbetrag von seinen Subunternehmern aus der Baubranche und dem Immobiliensektor bekommen kann. Ohne die Rechnungen ist wiederum kein Vorsteuerabzug möglich, sodass der Betrag der zu zahlenden Mehrwertsteuer höher ist. Die „einfache Steuerberechnungsmethode“ bietet dem steuerpflichtigen Unternehmen in diesen Fällen während der Übergansperiode die günstigere Methode an.

Nach der Mehrwertsteuererweiterung liegt der Mehrwertsteuersatz in der Finanzbranche und in der Lifestyle Dienstleistungsbranche bei 6 %. Im Vergleich zum zuvor geltenden Unternehmenssteuersatz, der bei 3 % oder 5 % lag, ist der Unterschied damit nicht so groß. Obwohl die Unternehmenssteuer komplett abgeschafft wurde, sind doch einige Prinzipien der Unternehmenssteuerbefreiung auf die Mehrwertsteuer übertragen worden. Circular 36 übernahm z.B. die Steuerbefreiung des „Zinsertrages eines Finanzunternehmens bei Transaktionen zwischen Banken“ oder die „Besteuerung der Unternehmenssteuer nach der Differenzmethode“ (balance taxation oder Balance Collection of Business Tax). Die Steuerbemessungsgrundlage der „balance taxation“ bewirkt, dass sich die Höhe der Mehrwertsteuer bei dem Finanzprodukthandel aus der Differenz des Verkaufspreises abzüglich des Kaufpreises ergibt. Zudem regelt Circular 36 auch für diese beiden Branchen, dass das steuerpflichtige Unternehmen bei der Berechnung der Mehrwertsteuer zum Abzug der Vorsteuer berechtigt ist. Daran lässt sich erkennen, dass sich die Steuerbelastung der Steuerzahler in der Finanzbranche und in der Lifestyle Dienstleistungsbranche nicht erhöht hat. Anzumerken gilt es noch, dass die Steuerberechnung in den beiden Bereichen nur nach der „allgemeinen Steuerberechnungsmethode“ erfolgt.

Eine der attraktivsten steuerlichen Verbesserungen durch Circular 36 erfolgt im Bereich des Immobilienerwerbs. Bei dem Erwerb einer Immobilie nach dem 1. Mai 2016 kann die gezahlte Mehrwertsteuer innerhalb von zwei Jahren verrechnet werden. Im ersten Jahr nach dem Erwerb liegt die Verrechnungsquote bei 60 %, im zweiten Jahr bei 40 %. Experten hatten vor der Veröffentlichung des Circular 36 lediglich eine Verrechnung von jährlich 5 % prognostiziert. Dieser erhebliche Unterschied zeigt deutlich, dass die Auswirkungen bei der Steuerentlastung sehr groß sind, was mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen wird, dass sich die Investitionen in der Immobilienbranche steigern werden.

Fazit

Die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer sowie die vorherige umfassende Förderung des Pilotprogramms über die Erhebung der Mehrwertsteuer an Stelle der Unternehmenssteuer sind generell gesehen eine positive Entwicklung. Bei jeder umfassenden Reform ist jedoch zu beachten, dass sich erst bei Anwendung der Bestimmungen in der Praxis herausstellt, welche positiven und negativen Konsequenzen damit verbunden sind. Gerade in Anbetracht der Komplexität und dem stetigen Wandel, dem die Wirtschaft
Chinas unterliegt, wird man erst zukünftig sehen können, welche Auswirkungen die Mehrwertsteuer-Reform auf die Praxis haben wird.

DING Qiran /丁琦然
LL.M. (University of Warwick)
Luther Law Offices
Shanghai
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dingqiran@cn.luther-lawfirm.com

Dr. Saskia Albert, LL.M. (Hong Kong)
Luther Law Offices
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Commercial Intelligence: Wie kommt man in China an verlässliche Unternehmensdaten?

Informationsbeschaffung in China ist schwierig. Viele ausländische Investoren und Geschäftspartner haben aber ein vitales Interesse, über unabhängige und zuverlässige Kanäle Auskunft über chinesische Unternehmen und damit verbundene Personen zu erhalten. Nicht selten geraten sie oder von diesen beauftragte Agenturen jedoch in „Grauzonen“ oder nehmen das Risiko mangelnder Rechtsicherheit bewusst hin.

Der „ChinaWhys-Fall“ illustriert die Problematik gut. Hier hatte das Pharmaunternehmen GSK Untersuchungen dahingehend angestellt, ob bestimmte Personen in China bereits in der Vergangenheit strafrechtlich relevante Taten begangen hatten. Diese Untersuchungen des Unternehmens wurden jedoch wegen illegaler Sammlung persönlicher Daten als strafbar verurteilt. Die Entscheidung im „ChinaWhys-Fall“ wird als ein wichtiges Signal der chinesischen Regierung gesehen, um die Beschaffung bzw. Lieferung und den Erwerb von Informationen durch unerwünschte „unabhängige“ Informationsagenturen einzudämmen.

Die generellen Richtlinien zur Gewährung öffentlichen Zugangs zu Unternehmensinformationen, die nach den Grundprinzipien eines Rechtsstaats einer Veröffentlichungspflicht unterliegen, wurden erst kürzlich neu aufgestellt. Trotzdem ist die Verletzung unternehmerischer und insbesondere persönlicher Daten Alltag im chinesischen Geschäftsverkehr. Dies rührt auch daher, dass trotz klarer Rechtslage nicht immer Zugang zu Unternehmensunterlagen durch das Handelsregister erteilt wird, da landesweit keine einheitlichen Implementierungsvorschriften für die neu aufgestellten Richtlinien gelten. Der Schutz persönlicher Daten wird insoweit zwar als Selbstverständlichkeit betrachtet, demgegenüber ist jedoch der gesamte Mechanismus des Sozial- und Wirtschaftslebens so ausgestaltet, dass vielfach nur durch den Rückgriff „auf Grauzonen“ zur Informationsbeschaffung ein eigentlich gesetzlich verbrieftes Recht durchgesetzt werden kann.

 

Welche Informationen sollten Unternehmen der Handelsregisterstelle vorlegen und veröffentlichen lassen?

Die chinesischen Handelsregisterstellen (Administration of Industry and Commerce – „AIC“) sind verpflichtet, bestimmte Daten des Unternehmens öffentlich zugänglich zu machen. Diese Daten umfassen vor allem die Unternehmensbasisdaten, Belastungen von beweglichem Vermögen, Anteilsverpfändungen und Eintragungen von gegen das Unternehmen verhängten behördlichen Sanktionen. Das Unternehmen ist darüber hinaus selbst verpflichtet, im Laufe seines Betriebs bestimmte Aktivitäten innerhalb von 20 Werktagen der AIC zu melden und über das AIC-Portal veröffentlichen zu lassen. Dies kann z.B. die tatsächliche Einzahlung des gezeichneten Stammkapitals, eine Anteilsübertragung, der Erhalt bzw. die Änderung aller behördlichen Genehmigungen, die Bestellung einer Sicherheit an ihren gewerblichen Schutzrechten, sowie die Verhängung einer behördlichen Sanktion gegen das Unternehmen sein.

Ferner haben die Unternehmen selbst jährlich einen Bericht bei der AIC vorzulegen, mit welchem die Öffentlichkeit sich ein aktuelles Bild über die Unternehmenslage, die Finanzdaten, die Stammkapitaleinzahlung, neu getätigte Anteilsübertragungen und Beteiligungen, die Anzahl der Mitarbeiter und die Basis- und Kontaktdaten verschaffen soll. Die Veröffentlichung der Finanzdaten und der Anzahl der Mitarbeiter erfolgt dabei ausschließlich auf eigenen Wunsch des Unternehmens.

Die Kontrolle der Richtigkeit der durch das Unternehmen gemachten Angaben erfolgt durch die AIC stichprobenartig. Versäumt ein Unternehmen seine Pflicht zur Jahresberichterstattung, so droht ihm die Eintragung in eine öffentlich zugängliche „schwarze Liste“.

Einer Pflicht zur Veröffentlichung von Daten außerhalb der Eintragung und Veröffentlichung durch die AIC unterliegt das Unternehmen nicht. Lediglich für börsennotierte Unternehmen gelten zusätzliche Veröffentlichungspflichten.

Welche Informationen sind als Unternehmensgeheimnisse schutzfähig?

Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen ist im chinesischen Recht relativ klar geregelt. So sind alle technischen und betriebsbezogenen Informationen eines Unternehmens, die der Öffentlichkeit nicht bekannt, für den Besitzer von wirtschaftlichem Interesse und Gegenstand betrieblicher Schutzmaßnahmen sind, als Unternehmensgeheimnisse anzuerkennen. Jeglicher Zugriff auf solche Unternehmensgeheimnisse oder deren Nutzung, Weitergabe und Veröffentlichung auf illegale Weise, gilt als Verletzung der Unternehmensgeheimnisse und kann je nach Schweregrad bestraft werden. Ein Einbezug von Unternehmensgeheimnissen kann daher nur dann problemlos erfolgen, wenn der Beziehende diese Informationen entweder über eine freiwillige Herausgabe durch den Besitzer erhalten hat oder wenn die Informationen bereits veröffentlicht sind. Erlangt der Beziehende die Informationen von Dritten, welche die Informationen auf rechtswidrige Art und Weise bezogen haben, so dürfte er selbst ebenfalls für eine Verletzung der Unternehmensgeheimnisse haftbar zu machen sein, es sei denn, er kann seine Gutgläubigkeit gegenüber dem Dritten nachweisen.

Es empfiehlt sich demnach, vor der Beauftragung einer externen Agentur zur Informationsbeschaffung, deren Zuverlässig-keit bzw. Rechtstreue in Bezug auf die von ihr in Anspruch genommenen Informationsquellen zu prüfen. Wie eine solche Prüfung vorgenommen werden kann, wird in der Tabelle auf S. 22-23 dargestellt.

Veröffentlichung von Informationen durch die nationale und die lokalen Regierungen

Die chinesischen Registrierungsbehörden sind auf allen Ebenen gesetzlich verpflichtet, öffentlich zugängliche Informationen (sogenannte „public information“) entweder von sich aus oder auf Antrag eines (chinesischen) Bürgers oder Unternehmens bzw. einer (chinesischen) Organisation zu veröffentlichen. Die Veröffentlichungspflicht einer lokalen Regierung bezieht sich dabei vorwiegend auf Informationen über Planungen, statistische Daten sowie auf Berichte über die Regionalentwicklung, die Ausübung der eigenen Verwaltungstätigkeit und öffentliche Ausschreibungen. Von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen sind potenziell sensible Informationen, wie etwa Staatsgeheimnisse und Unternehmensgeheimnisse von Fremdunternehmen.

Die praktische Implementierung der Veröffentlichungspflicht bzw. der rechtmäßige Bezug von Informationen wird jedoch nicht selten bemängelt. Behinderungen hierbei gibt es trotz der klaren Verpflichtung zur Publizierung aus verschiedenen Gründen. Zu diesen zählen Korruption, lokale Protektion und mangelnde Erfahrung der behördlichen Sachbearbeiter. Auch Staatsgeheimnisse sind oftmals auf unklare Weise definiert, so dass eine politische Einmischung in die Informationsbeschaffung bzw. -veröffentlichung nur schwer für eindeutig rechtswidrig befunden werden kann. Daneben gibt es auch Behörden – insbesondere in Regionen mit nur schwach ausgeprägten rechtlichen Strukturen –, die sich abweichend von den allgemeinen Richtlinien weigern, Auskünfte zu erteilen, obwohl diese ordnungsgemäß beantragt worden sind.

Sonderthema: Schutz von persönlichen Daten

Der Standard beim Schutz von persönlichen Daten in China erfüllt bei Weitem nicht die dem westeuropäischen Verständnis zugrunde liegenden Kriterien eines Rechtsstaates. Selbst die grundlegende Gesetzgebung ist vielfach bereits hinter diesen Kriterien zurückgeblieben, so dass es bis heute nur grobe Vorschriften zu den Grundsätzen des Schutzes persönlicher Daten gibt und eine genaue und praktikable Rechtspraxis hierzu noch nicht verwirklicht wurde. Das hat u.a. zu dem Phänomen geführt, dass die Grenze zu „Grauzonen“ oder sogar zur Rechtswidrigkeit oft nicht leicht erkennbar ist und der Zugriff auf persönliche Daten in der Praxis regelmäßig vorkommt. Diese rechtswidrige Praxis wird allerdings nur in sehr schwerwiegenden Fällen geahndet. Im Umkehrschluss fehlt zudem ein geeigneter Mechanismus, um zumindest einen Teil der persönlichen Daten Fremder auf legalem Wege zugänglich zu machen. So ist es beispielsweise nicht möglich, Daten einer anderen Person von der Einwohnermeldebehörde (in China durch die Polizei) zu erhalten, selbst wenn es sich nur um Angaben zum Wohnsitz der Person handelt. Paradoxerweise gab es jedoch Gerichte, die auf die Einreichung eines Personalausweises des Beklagten bestanden haben, um überhaupt die Klage des Klägers anzunehmen. Widersprüche in Bezug auf die Herausgabe von persönlichen Daten sind also in der Praxis an der Tagesordnung.

Vor diesem Hintergrund besteht letztendlich kaum eine Möglichkeit, persönliche Daten zu beschaffen, wenn die betroffene Person diese nicht freiwillig herausgibt oder wenn die Daten nicht bereits über vorhandene Veröffentlichungen verfügbar sind. Dementsprechend kann gefolgert werden, dass grundsätzlich jeder Bezug von Personendaten rechtswidrig und in schwerwiegenden Fällen sogar strafbar sein kann.

Wie sicher ist es, eine Agentur zur Informationsbeschaffung zu beauftragen?

Grundsätzlich kann Rechtssicherheit nur erreicht werden, wenn eine Agentur beauftragt wird, welche auch tatsächlich ausschließlich im oben erläuterten Rahmen Auskünfte einholt oder Informationen im Einverständnis mit dem Zielunternehmen erhält. Die eher strenge Überwachung der Informationsdienstleistungsbranche in China erkennt man u.a. am geregelten Marktzugang für ausländische Investoren: Die Erbringung von Marktforschungsleistungen durch hundertprozentige Tochtergesellschaften ausländischer Investoren ist beispielsweise nicht zulässig. Auch die Einrichtung bzw. die Tätigkeit von Agenturen zur Erstellung einer Untersuchung zur Kreditwürdigkeit von Unternehmen oder von Ratingagenturen unterliegt beschränkenden Auflagen. Dienstleistungen im Bereich der Privatdetekteien sind als Geschäftsfeld bereits de facto nicht gestattet.

Es sind auf dem chinesischen Markt trotz alledem zahlreiche Anbieter tätig, die Informationen von Fremdpersonen und -unternehmen erwerben und verkaufen. Bei Inanspruchnahme dieser „Dienstleistungen“ ist insbesondere darauf zu achten, dass die von der Agentur erworbenen Informationen, welche sich zwar (in Folge der bisher nur sehr gering ausgebildeten Datenschutz-Standards) als wahr und zuverlässig erweisen können, nicht auf unrechtmäßige Weise beschafft wurden. Darunter fallen beispielsweise Bestechung oder der illegale Zugriff auf Computerdaten. Stellt sich die Beschaffung der Informationen als unrechtmäßig dar, kann die Nutzung und Verwertung dieser Daten, z.B. bei Einbringung als Beweis vor Gericht, beschränkt sein. Handelt es sich daneben um eine illegale Informationsbeschaffung hinsichtlich der Personendaten, so kann sich die Person, die die Informationen und Daten auf diese Weise eingeholt hat, selbst strafbar machen und ihr kann in schwerwiegenden Fällen eine Freiheitsstrafe drohen.

LIAO Yuhui, LL.M. (Zhongshan)
Partner (China)
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Shanghai
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Grossbritannien

Brexit – eine Einordnung

Das Verhältnis der Briten zu Europa war schon immer geprägt von Höhen und Tiefen. 1975 votierte die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs zum ersten Mal in einem Referendum über den Verbleib in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Damals stimmten die Briten eindeutig für den Verbleib. Diesen Sommer hat das Vereinigte Königreich erneut die Möglichkeit über seinen Platz in Europa zu entscheiden. Der Termin für das Referendum über den Verbleib in der Europäischen Union hat die britische Regierung auf den 23. Juni festgelegt. Premierminister David Cameron hatte für den Fall seines Wahlsieges bereits im Vorfeld der britischen Parlamentswahlen 2015 angekündigt, ein solches durchführen zu lassen.

Wesentlicher Unterschied zu 1975 ist, dass es sich bei der EWG um ein hauptsächlich wirtschaftliches Projekt handelte. Die heutige EU befindet sich aber in einer stark weiterentwickelten Rolle. Viele Briten fürchten durch diesen Verlauf um die Souveränität ihrer Nation.

Bisherigen Umfragen zufolge liegen beide Lager eng beieinander. Auf Grund des offenen Ausgangs des Referendums ist eine politische und wirtschaftliche Unsicherheit im Vereinigten König­ reich festzustellen. Es ist nun an David Cameron, die Bevölkerung von den Vorteilen einer Mitgliedschaft in der Union zu überzeugen. Hierbei sieht er sich einem starken und prominenten Lager von Brexit-Befürwortern gegenüber. So befürwortet z.B. Boris Johnson, ehemaliger Bürgermeister von London und einflussreicher Politiker in Camerons eigener Partei, einen Austritt. Auch das Kabinett steht nicht geschlossen hinter David Cameron. Fünf Minister der Regierung haben sich gegen ihren Premierminister gestellt. Dies zeigt, wie gespalten die Nation in dieser wichtigen Frage ist.

Europarechtliche Ausgangssituation

Noch gibt es keine Erfahrungswerte zu einem EU-Austritt. Grönland trat 1985 aus der Vorgänge­ rorganisation der EU, der EWG, aus. Aus der Europäischen Union ist hingegen noch kein Staat ausgetreten. Die Rechtsgrundlage für einen Austritt wurde daher noch nie angewandt.

Der Austritt aus der EU ist in Artikel 50 des Vertrages über die EU (EUV) geregelt. Dieser Norm zufolge kann jeder Mitgliedstaat aus der EU austreten. Dafür muss der Staat dem Europäischen Rat, Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs, diese Absicht mitteilen. Auf Grundlage der Leitlinien des Europäischen Rates handelt die Union mit diesem Staat im Anschluss ein Ab­ kommen über die Einzelheiten des Austritts aus.

Das Abkommen wird nach Artikel 218 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ausgehandelt. Die Kommission legt dem Europäischen Rat Empfehlungen für diese Verhandlungen vor. Der Europäische Rat erlässt dann einen Beschluss über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen und über die Benennung des Verhandlungsführers.

Das Abkommen wird vom Rat, im Folgenden „Ministerrat“ genannt, im Namen der Union geschlossen. Dies muss mit qualifizierter Mehrheit, nach Zustimmung des Europäischen Parlaments, geschehen. Qualifizierte Mehrheit bedeutet, dass eine Mehrheit der Mitglieder des Rates zustimmen muss. Zudem müssen die zustimmenden Ratsmitglieder EU-Staaten repräsentieren, welche zusammen mindestens 65 % der Bevölkerung ausmachen. Selbstredend ist im Laufe dieser Verhandlungen das Mitglied des Europäischen Rates und des Ministerrates, das den austretenden Mitgliedstaat vertritt, von den entsprechenden Beschlussfassungen der beiden Organe ausgeschlossen.

Die Europäischen Verträge finden auf den betroffenen Staat ab dem Tag des lnkrafttretens des Austrittsabkommens keine Anwendung mehr. Kommt es innerhalb von zwei Jahren nach der Mitteilung der Austrittsabsicht zu keinem Abkommen, finden die Verträge ebenfalls keine Anwendung mehr. Die Zwei-Jahresfrist kann vor Ablauf verlängert werden. Hierauf müssen sich der Europäische Rat und der betroffene Mitgliedstaat verständigen. Die Mitglieder des Europäischen Rates müssen sich im Vorhinein einstimmig auf eine Verlängerung geeinigt haben.

Ein solches Szenario erscheint jedoch eher unwahrscheinlich. Zunächst bildet das Erfordernis einer einstimmigen Entscheidung von 27 Staaten ein großes Hindernis, zudem dürfte eine solche Verlängerung der britischen Bevölkerung nur schwer zu vermitteln sein. Es könnte als eine Umgehung der Abstimmung interpretiert werden und die Regierung innenpolitisch noch stärker unter Druck setzen.

Wie könnten mögliche Abkommen zwischen der EU und Großbritannien aussehen?

Sollte die Mehrheit der britischen Bevölkerung für den Austritt stimmen, ist fraglich wie zukünftig die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU geregelt werden. Hierfür gibt es mehrere mögliche Varianten:

Keine Einigung auf neues Abkommen innerhalb von zwei Jahren
Kommt es innerhalb von zwei Jahr zu keiner Einigung, und auch zu keiner Verlängerung der Zwei-Jahresfrist, finden die Europäischen Verträge keine Anwendungen mehr. Damit tritt das gesamte primäre und sekundäre Unionsrecht für das Vereinigte Königreich automatisch außer Kraft. Gleichzeitig fallen sämtliche Kompetenzen, die auf die EU übertragen wurden, wieder an das Vereinigte Königreich zurück.

Das vom britischen Gesetzgeber in nationales Recht umgesetzte europäische Recht behält hin­gegen weiterhin seine Gültigkeit. Allerdings wäre das Vereinigte Königreich nun berechtigt, dieses Recht einseitig abzuändern. Zudem muss bei dessen praktischer Umsetzung nicht mehr auf eine europafreundliche Auslegung geachtet werden. Die nationalen Gerichte und die Verwaltung sind nicht mehr an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gebunden. Dies betrifft nationales Recht, welches eine EU-Richtlinie umsetzt. So muss bei einem Austritt z.B. der vom EuGH konkretisierte unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff nicht mehr angewendet werden.

Sollte es Großbritannien nicht gelingen, mit der EU ein Abkommen zu schließen und sich einen gesonderten Zugang zum EU-Binnenmarkt zu vereinbaren, werden seine Handelsbeziehungen durch die WTO Regeln bestimmt. Diese sind aber nicht auf die besondere Beziehung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zugeschnitten.

Norwegen (EWR und EFTA)
Großbritannien könnte Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes, EWR, werden. Hierfür bedarf es jedoch der Zustimmung der EFTA Staaten, Norwegen, Island und Liechtenstein, sowie der dann verbleibenden 27 EU-Staaten.

In einem solchen Fall wäre das Vereinigte Königreich weiterhin an einen Großteil der Regeln der EU gebunden, hätte aber keinen Einfluss mehr auf die Erstellung dieser Regeln. Damit hätte das Vereinigte Königreich aber nicht Freiheiten im politischen und wirtschaftlichen Bereich wiedergewonnen, sondern die Abhängigkeit vielmehr nur verstärkt. Aus diesem Grund dürfte ein solcher Weg dem Austrittswunsch eher wiedersprechen und der britischen Bevölkerung nur schwer zu vermitteln sein.

Schweiz
Großbritannien könnte bilaterale Abkommen mit der EU aushandeln, ähnlich wie das Schweizer Modell. Die Schweiz hat eine Vielzahl von Abkommen mit der EU abgeschlossen, in welchen sie EU­ Recht teilweise übernommen hat. Insgesamt haben die Schweiz und die EU über 120 Abkommen geschlossen. Hierdurch wurde ein komplexes und teilweise zusammenhangloses Netzwerk an Regeln geschaffen.

Der Nachteil dieses Modells ist, dass es keinen adäquaten institutionellen Rahmen gibt um sicherzustellen, dass sämtliche Abkommen im Einklang mit den sich ständig ändernden EU­ Rechtsvorschriften bleiben. Dieses Modell wird von Seiten der EU für seine Starrheit kritisiert. Es könnte jedoch von dem Vereinigten Königreich favorisiert werden, da in diesem Fall mehr Einfluss auf die einzelnen Abkommen genommen werden kann. Allerdings dürfte nicht zu erwarten sein, dass die EU sich einer solchen Lösung gegenüber offen zeigt.

Südkorea
Die Beziehung zwischen Südkorea und der EU beruht auf einem umfassenden Freihandelsabkommen. In der Theorie ist dies eine recht flexible Lösung, allerdings dürfte es einen längeren Zeitraum brauchen um diese zu verhandeln. Der Zugang zum Binnenmarkt dürfte mehr eingeschränkt sein als zurzeit. Allerdings hätte das Vereinigte Königreich einen besseren Einfluss auf den Inhalt eines Abkommens als beim Norwegen-Model.

Unserer Meinung nach ist auch diese Lösung nicht ideal. Ein solches Freihandelsabkommen zu verhandeln ist sehr zeitaufwendig. Es könnte jedoch der kleinste gemeinsame Nenner sein, falls die EU und das Vereinigte Königreich sich nicht auf ein Sondermodell einigen können.

Auswirkungen des Brexits auf international tätige Unternehmen

Die genauen Auswirkungen eines möglichen Brexits lassen sich nicht vorhersagen. Im Moment ist das EU-Recht Bestandteil des englischen Rechts. Dies wäre bei einem Austritt aus der EU nicht mehr der Fall. Ausgenommen ist davon jenes europäische Recht, welches das Vereinigte Königreich in nationales Recht umgesetzt hat.

Rechtliche Änderungen sind z.B. bei Zöllen und Steuern zu erwarten. Dies gilt aber auch für Kapitalmarktregelungen, das Handelsrecht, das Wettbewerbsrecht, Regeln über Geistiges Eigentum, Datenschutz, das Arbeitsrecht und Umweltrecht Die Folgen lassen sich im Einzelnen je­ doch nicht vorhersagen, da diese komplett von den Austrittsverhandlungen im Anschluss an das Referendum abhängen. Bezüglich dessen sollten sich Unternehmer auch nicht von verschiedenen Szenarien irritieren oder verleiten lassen, die bereits jetzt in der Beraterbranche skizziert werden. Hinsichtlich der Folgen lässt sich eine seriöse Beratung noch nicht gewährleisten. So sollten sich Unternehmer nicht von selbsternannten „Brexit-Experten“ zu voreiligen Schlüssen verleiten lassen. Auch diese können keine verlässlichen Vorhersagen geben.

Allerdings haben Unternehmen bereits jetzt die Möglichkeit, für den Fall eines Brexits Vorkehrungen zu treffen. Bei neu zu schließenden Verträgen lassen sich z.B. Sonderkündigungsrechte o­ der Übergangsvorschriften vereinbaren. Bei bestehenden Verträgen kann· dies auch noch nachträglich getan werden. Auf diesem Wege werden rechtliche Unsicherheiten vermieden oder zumindest beschränkt. Sinnvoll ist es auch die Anwendung deutschen Rechts zu vereinbaren. Natürlich ist es abhängig von der eigenen Verhandlungsposition, ob sich diese Punkte gegenüber dem Vertragspartner durchsetzen lassen.

Gegebenenfalls können sich die Vertragsparteien bei einem EU-Austritt auch auf Grund von Force-Majeure oder Material-Adverse-Change-Klauseln vom Vertrag lösen oder eine Anpassung verlangen.

Fazit

Unabhängig vom Ausgang der Abstimmung am 23. Juni werden die EU und Großbritannien weiterhin wirtschaftlich und politisch eng zusammenarbeiten. Auf beiden Seiten besteht hieran nach wie vor ein großes Interesse. Dafür stehen zu viele politische und ökonomische Errungenschaften auf dem Spiel.

Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung vom 15. Februar 2016, wünschen sich 79 % der befragten Unternehmer, Geschäftsführer und leitenden Angestellten, deutsche und britische, dass das Vereinigte Königreich in der EU bleibt. Sollte es aber doch zu einem Austritt des Vereinigten Königreichs kommen, besteht natürlich auf beiden Seiten des Kanals weiterhin das Interesse an der Fortsetzung des Handels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. So wird sich auch hierfür eine Lösung finden. Es ist aber zu wünschen, dass es David Cameron und den EU-Befürwortern noch gelingt, die britische Bevölkerung von den Vorteilen der Europäischen Union zu überzeugen.

York-Alexander von Massenbach
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Torsten Groß
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Indien

Haushalt 2016/17 mit wenig neuen Impulsen

Im Februar 2016 legte Indiens Finanzminister Arun Jaitley den Haushaltsplan für das kommende Finanzjahr 2016/17 vor. Es ist der zweite Haushaltsplan unter der durch Premierminister Narendra Modi geführten BJP-Regierung. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem landwirtschaftlichen Sektor und den Bedürfnissen der ländlichen Bevölkerung. Wesentliche neue Reformen fehlen und es wird auf die Weiterentwicklung und Ausgestaltung bereits angestoßener Initiativen gesetzt, etwa in den Bereichen Investment, Infrastruktur und Steuern.

Nachfolgend wird kurz auf die aus Sicht ausländischer Investoren bedeutenden Punkte des Haushaltsplans 2016/17 eingegangen.

Infrastruktur

Um die fortschreitende Industrialisierung Indiens weiter voranzutreiben, sieht der Haushaltsplan Investitionen von insgesamt ca. 29 Mrd. Euro in den Ausbau von Verkehrsnetzen und der Elektrizitätsversorgung vor. Die Regierung strebt hier insbesondere die verstärkte Einbindung und Begünstigung von öffentlichen Versorgungsbetrieben in Form von Public-Private-Partnerships an.

Ausländische Direktinvestitionen

Zur weiteren Öffnung der Wirtschaftssektoren für Auslands-investitionen beabsichtigt die Regierung eine Anhebung der Obergrenze für ausländische Direktinvestitionen (Foreign Direct Investments) im Versicherungs- und Rentenversicherungssektor auf 49 % sowie die Erhöhung der Anlagegrenze an der indischen Börse von 5 % auf 15 %. Für die Vermarktung von in Indien produzierten und hergestellten Lebensmitteln ist vorgesehen, Investitionen ohne Obergrenze nach staatlicher Genehmigung des Foreign Investment Promotion Board zuzulassen.

Startup-Unternehmen

Die Regierung plant die Schaffung verbesserter Rahmenbedingungen für Startup-Unternehmen durch Änderungen im Gesellschaftsrecht (Companies Act 2013). Insbesondere soll eine Registrierung der Unternehmen zukünftig innerhalb eines Tages möglich sein.

Patentanmeldungen sollen erheblich vergünstigt werden; außerdem werden Startups Steuererleichterungen eingeräumt (dazu gleich).

Steuern

Im Bereich Steuern fallen besonders die Erleichterungen für nach dem 1. März 2016 gegründete, in der Produktion tätige Unternehmen, sowie Startup-Unternehmen ins Auge. Neu gegründete Produktionsunternehmen zahlen fortan einen um 5 % reduzierten Steuersatz von 25,6 %. Für Startup-Unternehmen ist eine Steuerbefreiung in den ersten drei Jahren der Geschäftstätigkeit vorgesehen.

Die erwartete Einführung einer einheitlichen Mehrwertsteuer (Goods and Services Tax) blieb ebenso aus wie die allgemeine Absenkung der Unternehmenssteuer (Basic Corporate Tax) von 30 % auf 25 %.

Bekämpfung von Steuerumgehung / Schwarzgeld

Schließlich sieht der Haushaltsplan ein Gesetzesvorhaben zur Bekämpfung von Steuerumgehungsmodellen durch Einführung der General Anti Avoidance Rules für den 1. April 2017 vor. Steuerbehörden dürfen Steuervorteile künftig verweigern, die aus allein der Steuerumgehung dienenden Transaktionen resultieren.

Darüber hinaus beabsichtigt die Regierung die Einführung des „Country by Country Reporting“, das multinationale Konzerne zur Offenlegung aller Aktivitäten von Tochterunternehmen nach Ländern getrennt verpflichtet. Zudem ist die Umsetzung einer Ausgleichsabgabe (Equalisation Levy) für indische Unternehmen auf digitale Dienstleistungen im Bereich E-Commerce geplant, die durch in Indien nicht besteuerbare ausländische Internetplattformen erbracht werden. Die Ausgleichsabgabe soll 6 % des Dienstleistungsentgelts betragen und die Besteuerung von E-Commerce Transaktionen bewirken.

Zur Bekämpfung von Schwarzgeld wird ein Anreiz für Besitzer von geheim gehaltenem Vermögen zur Zahlung von Steuern gesetzt. Bei Offenlegung von Schwarzgeldbesitz und einer Besteuerung dieses Vermögens mit 45 % erhalten die betroffenen Personen Immunität gegen Strafverfolgung.

Fazit

Der Haushaltsplan 2016/17 beinhaltet insgesamt keine wesentlichen wachstumsorientierten Reformen. Es werden bereits bestehende Initiativen vertieft und gefestigt – nach dem Stillstand der vergangenen Jahre und der innenpolitischen Widerstände ist auch dies nicht selbstverständlich.

Hintergrund der Priorisierung des landwirtschaftlichen Sektors mögen die bevorstehenden Wahlen in einigen indischen Bundesstaaten sein sowie der Umstand, dass der überwiegende Teil der indischen Bevölkerung in bäuerlichen Strukturen lebt und das Einkommen aus der Landwirtschaft bezieht. Dennoch sendet die indische Regierung auch Signale zur Stärkung des Vertrauens ausländischer Investoren und bekräftigt, dass ihr die weitere Verbesserung des Investitionsklimas trotz verlangsamten globalen Wirtschaftswachstums und der angestrebten Senkung des Haushaltsdefizits (im Finanzjahr 2016/17 auf 3,5 %) am Herzen liegt. Ingesamt bleibt aber zu konstatieren, dass die versprochenen großen Wirtschaftsreformen noch ausstehen.

Thomas Weidlich, LL.M. (Hull)
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Ausländische Direktinvestitionen im E-Commerce Sektor

Der E-Commerce Sektor in Indien entwickelt sich rasant und wird für Investitionen ausländischer Konzerne immer interessanter. Im Jahr 2014 wurden im Online-Einzelhandel in Indien rund 6 Mrd. US-Dollar umgesetzt und in diesem Jahr sollen es rund 25 Mrd. werden. Indiens größter Onlinehändler Flipkart beabsichtigt für die Geschäftserweiterung ca. 2,5 Mrd. US-Dollar zu investieren. Die Wettbewerber Snapdeal, Yebhi und Shopclues haben ähnliche Wachstumsziele. Prog-nosen zufolge soll die Internetnutzung von ca. 40 Mio. im Jahr 2014 und 158 Mio. im Jahr 2016 auf über 200 Mio. Nutzer bis im Jahr 2019 steigen. Es ist daher nicht überraschend, dass ausländische Unternehmen ebenfalls mit wachsendem Interesse auf den indischen E-Commerce Sektor blicken. Amazon plant beispielsweise Investitionen von rund 5 Mrd. US-Dollar und ist überzeugt, dass Indien der zweitgrößte Markt hinter den USA wird. Aktivitäten ausländischer Unternehmen im indischen E-Commerce Sektor bergen aber eine Reihe rechtlicher Fallstricke und gestalten sich schwierig.

In der Vergangenheit beschäftigten sich die Gerichte in Indien vermehrt mit Streitfragen bzgl. ausländischer Investitionen im E-Commerce Sektor (z.B. All India Footwear Retailers & Manufacturers Association ./. Union of India [W.P. (C.) 7479/2015]). Das indische Ministerium für Wirtschaft und Industrie hat am 29. März 2016 nun eine Pressemitteilung (Press Note No. 3 of 2016) zur Klarstellung der Regelung über ausländische Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, „FDI“) im E-Commerce Sektor herausgegeben [abrufbar unter:
 http://dipp.nic.in/English/acts_rules/Press_Notes/pn3_2016.pdf, zuletzt abgerufen am 06.06.2016]. Mit dieser Pressemitteilung versucht die indische Regierung, wieder mehr Rechtssicherheit für Ausländische Investitionen in diesem Bereich zu schaffen. Durch die in der öffentlichen Mitteilung getroffenen Definitionen und die Segmentierung von „Online-Marktplätzen“ sollen bestehende Unklarheiten beseitigt werden und potenziellen Investoren klare Leitlinien an die Hand gegeben werden.

Status quo ante

Ausländische Investitionen im E-Commerce Sektor sind in Indien nur beschränkt zulässig. Im Grundsatz galten bisher folgende Regeln:

  • FDI war erlaubt, (1) wenn ein Hersteller seine eigenen Produkte online verkaufte oder (2) wenn ein Händler mit einem (physischen) Ladenlokal, in dem nur eine Marke vertrieben wird (single-brand retail), online Produkte verkaufte.
  • Direktinvestitionen aus dem Ausland in einen Online-Marktplatz mit Produkten verschiedener Marken (multi-brand retail) waren nicht erlaubt.
  • FDI im Bereich Business-to-Business (B2B) war unter Bedingungen erlaubt.

Neues FDI-Regime im Bereich E-Commerce

E-Commerce betrifft zunächst Kauf- und Verkaufsaktivitäten über ein elektronisches Netzwerk. Fraglich war bisher, ob nur Kauf- und Verkaufsaktivitäten von Waren erfasst werden sollten oder auch das Anbieten und die Inanspruchnahme von Dienstleistungen. Die oben genannte Pressemitteilung definiert nun E-Commerce wie folgt:

E-Commerce meint den Kauf und den Verkauf von Waren und Dienstleistungen einschließlich digitaler Produkte über digitale und elektronische Netzwerke, einschließlich Computer, TV und mobile Netzwerke sowie jede andere netzwerkbasierte Internet Applikation.

Besonders interessant für Investitionen wird der E-Commerce Sektor, wenn über ein elektronisches Netzwerk mit mehreren Marken Handel getrieben wird. Bei dem Versuch den indischen FDI-Regularien zu entsprechen wurden verschiedene „Marktplatz-Modelle“ ausprobiert. Die Pressemitteilung versucht mit der Definition und Unterscheidung von Warenbestandsmodell (inventory based model of e-commerce) und Marktplatzmodell (marketplace based modell of e-commerce) bestehende Unklarheiten zu beseitigen.

Bei dem Warenbestandsmodell ist der Händler Eigentümer an dem Bestand von Waren die über die Online-Plattform verkauft werden, bzw. Anbieter von Dienstleistungen.
Bei dem Marktplatzmodell agiert der Onlinehändler hingegen als Vermittler, indem er Händler und Kunden ein elektronisches Netzwerk für den Kauf und Verkauf von Waren bzw. Dienstleistungen zur Verfügung stellt, selber aber nicht Eigentümer der verkauften Waren bzw. Anbieter der Dienste ist.

 

E-Commerce Rechtsträger (E-Commerce Entities)

Als E-Commerce Rechtsträger wurden folgende Gesellschaftsformen definiert:

  • Gesellschaften, die gemäß dem Companies Act 1956 oder dem Companies Act 2003 gegründet wurden.
  • Ausländische Gesellschaften die unter Section 2(42) Companies Act 2013 fallen.
  • Die in Section 2(v)(iii) Foreign Exchange Management Act 1999 genannten Büros, Zweigniederlassungen oder Agenturen in Indien, die von einer Person außerhalb von Indien beherrscht werden.

Investitionsleitlinien
Als Leitlinien für Investitionen in E-Commerce, die Waren zum Gegenstand haben, legt die Regierung folgendes fest:

  • Beteiligungen bis zu 100 % FDI sind auf dem Wege der automatic Route erlaubt (d. h. es bedarf lediglich einer Anmeldung und Registrierung bei der Zentralbank, der Reserve Bank of India), wenn es sich um das Marktplatzmodell handelt.
  • Beim Warenbestandsmodell sind FDI grundsätzlich nicht erlaubt.

Für ausländische Player im E-Commerce Sektor bedeutet dies, dass die Gesellschaft, die Ziel der Investition sein soll, nicht selbst Eigentümer der Waren sein darf, die über die elektronische Verkaufsplattform verkauft werden. Eigentümer muss bis zum finalen Verkauf an den Kunden der Verkäufer bzw. Hersteller sein, der auf der elektronischen Verkaufsplattform registriert ist. Eine ausländische Beteiligung an einer Gesellschaft, die ihren eigenen Warenbestand begründet und die Ware online an den Kunden verkauft (B2C), ist nicht erlaubt.

Dienstleistungen / B2B-Geschäfte

Beteiligungen an E-Commerce Gesellschaften, die Dienstleistungen anbieten, sind ohne Beschränkungen möglich. Ebenso sind Investitionen aus dem Ausland ohne Obergrenze möglich, wenn es um online B2B-Geschäfte handelt. Dies gilt ohne Unterscheidung zwischen Marktplatz- und Warenbestandsmodell.

Weitere Bedingungen
Die indische Regierung hat einige zusätzliche Kriterien für FDI im Bereich E-Commerce aufgestellt:

  • E-Commerce Gesellschaften ist es verboten, die Verkaufspreise der Waren direkt oder indirekt zu beeinflussen.
  • Beim Marktplatzmodell darf nicht mehr als 25 % des Verkaufsvolumens von einem Käufer oder dessen Konzerngesell-schaften generiert werden.
  • Die Verkäufer und nicht die E-Commerce Gesellschaften selbst sind beim Marktplatzmodell verantwortlich für Gewährleistung / Garantie bzgl. Waren und die Erfüllung von Dienstleistungen. Letztere können die Verkäufer logistisch dabei unterstützen.
  • Beteiligungen an Herstellern, die Handel nur mit einer Marke betreiben, ist auch bei Vorliegen des Warenbestandsmodells unter spezifischen Bedingungen erlaubt.

Fazit

Das indische Ministerium für Wirtschaft und Industrie strukturiert die Regelungen zum FDI im E-Commerce Sektor neu, kann aber nicht vollends für Klarheit auf diesem Sektor sorgen. Unklar ist insbesondere, ob auch Limited Liability Partnerships („LLP“), die E-Commerce betreiben, von den Regelungen erfasst werden. Es spricht viel dafür, dass es sich nur um einen Redaktionsfehler handelt, dass diese nicht als E-Commerce Rechtsträger genannt werden. Anderenfalls wären FDI in LLPs die E-Commerce betreiben, immer zulässig.

Außerdem wird versucht, die Umgehung der Vorgaben des FDI-Regimes zu unterbinden. Dafür wird das maximale Verkaufsvolumen an einen Käufer auf 25 % begrenzt. Damit soll wohl verhindert werden, dass Verkäufe über einen Zwischenhändler, der nicht mit ausländischem Kapital ausgestattet ist, an einen Privatkunden weitergeleitet werden. Der Bestimmung fehlt allerdings ein Bezugspunkt. Mit anderen Worten: Es ist nicht klar, ob sich die Obergrenze auf Monate, Quartale oder Jahre bezieht. Daher ist die Regelungswirkung fraglich.

Darüber hinaus sollen die Online-Marktplätze keinen Einfluss auf die Preise nehmen dürfen. Damit werden die E-Commerce Gesellschaften dazu verpflichtet, die Verkäufer gleich zu behandeln. Die Verkäufer sollen die Preise selbst bestimmen können. Diese Schutzbestimmung liegt im besonderen Interesse der Inhaber von (physischen) Ladenlokalen.
Die Pressemitteilung kann nicht alle Zweifelfragen klären und es bleibt abzuwarten, ob weitere ausländische Investoren überzeugt werden in Indien mit E-Commerce Aktivitäten zu starten.

Thomas Weidlich, LL.M. (Hull)
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Entwicklung der indischen Rechtsprechung zu Fragen der Begründung und Besteuerung von Betriebsstätten durch Entsendungen und Outsourcing (Januar 2014 – März 2016)

Vielfach benötigen neu gegründete indische Tochtergesellschaften oder auch auswärtige indische Dienstleister zu Beginn ihrer Tätigkeit erhebliche Unterstützung um das Know-How und die Prozesse zu erlernen, die erforderlich sind um den Qualitätsansprüchen der ausländischen Geschäftspartner zu genügen. Nicht selten erfordert der Erwerb dieser Kenntnisse die Unterstützung durch eine ausländische Gesellschaft (sei es eine Gruppengesellschaft oder einen Geschäftspartner), die sich nicht allein auf den Austausch von Informationen über das Internet oder die kurzfristige Anwesenheit von Mitarbeitern der ausländischen Gesellschaft vor Ort beschränken lässt. Von daher ist oftmals die Anwesenheit ausländischer Mitarbeiter für einen Zeitraum von mehreren Monaten oder sogar mehr als einem Jahr in Indien erforderlich.

Hintergrund

Eine längere Entsendung von Mitarbeitern, die in einem Anstellungsverhältnis zur ausländischen Gesellschaft stehen, führt regelmäßig zur automatischen Begründung einer steuerlichen Betriebsstätte. Eine solche kann insbesondere in Indien steuerlich nachteilig sein, da der Steuersatz für durch eine Betriebsstätte generierte Gewinne (oder auch Einkünfte, welche auf arm´s length Basis als generiert angesehen werden, auch wenn keine tatsächlichen Zahlungsflüsse vorliegen) bei über 40 % liegt. Hinzu kommt, dass vielfach für jede Zahlung eine entsprechende Quellensteuer auf Höhe der gesamten Zahlung einbehalten wird und die Kosten der Betriebsstätte erst später geltend gemacht werden können. Letzteres Verfahren kann mitunter mehrere Jahre in Anspruch nehmen und ist mit nicht unwesentlichen Kosten verbunden.

Um im Rahmen eines konzerninternen Know-How Transfers bzw. der Schulung eines externen Dienstleisters diese nachteiligen steuerlichen Folgen zu umgehen, wird i.d.R. der Weg über die Entsendung eines oder mehrerer Arbeitnehmer gewählt.

Üblicherweise wird zwischen einer sog. „unechten Entsendung“ und einer „echten Entsendung“ unterschieden. Bei einer unechten Entsendung wird das ausländische Arbeitsverhältnis des zu entsendenden Arbeitnehmers ruhend gestellt und ein neues Arbeitsverhältnis mit der indischen Gesellschaft begründet. Dieses hat zwar den Vorteil, dass die Gefahr der Begründung einer Betriebsstätte i.a.R. ausscheidet. Allerdings wird der Mitarbeiter vielfach zu einer solchen Strukturierung nicht bereit sein, da er mit den arbeitsrechtlichen Normen des Gastlandes nicht vertraut ist und Wert auf den Fortbestand seiner Sozialversicherung und Schutz- und Bezugsrechte nach dem Recht des Heimatlandes legt.

Der Regelfall ist eine „echte Entsendung“. Bei der echten Entsendung bleibt aus juristischer Sicht der Arbeitsvertrag mit der ausländischen Gesellschaft bestehen. Der Arbeitnehmer wird aber aufgrund einer Entsendungsvereinbarung zwischen seinem ausländischen Arbeitgeber, der indischen Gesellschaft und ggf. ihm selbst für den Zeitraum der Entsendung in die indische Gesellschaft integriert. Soweit dieses in einer Weise erfolgt, welche – zwar nicht zu einer Übertragung des Arbeitsverhältnisses auf die indische Gesellschaft aus juristischer Sicht – aber zu einer Übertragung auf die indische Gesellschaft aus wirtschaftlicher Sicht führt, betrachtet das internationale Steuerrecht in Form der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vielfach den Mitarbeiter als Arbeitnehmer der indischen Gesellschaft. Entsprechend begründet die ausländische Gesellschaft, die zwar noch juristischer Arbeitgeber, aber aus Sicht des Steuerrechts nicht mehr wirtschaftlicher Arbeitgeber ist, durch die Anwesenheit des Mitarbeiters in Indien keine Betriebsstätte.

Ein weiterer wichtiger Faktor der Zusammenarbeit mit indischen Unternehmen ist das Outsourcing von Dienstleistungen – nicht selten zu Beginn der Zusammenarbeit auch unter Einbeziehung von Entsendungen zur Sicherung von Qualitätsstandards. Sowohl in den Bereichen Entsendung als auch zu Outsourcing im Allgemeinen hat es in der Rechtsprechung zum indischen Steuerrecht mit Blick auf Betriebsstättenbegründung und Besteuerung in den vergangenen zwei Jahren mehrere Entwicklungen gegeben, die von ausländischen auf dem indischen Markt engagierten Unternehmen im Rahmen der Strukturierung ihrer Geschäftsaktivitäten beachtet werden sollten.

Urteil des Delhi High Court – April 2014

Der Delhi High Court hat durch ein im April 2014 gefälltes Urteil [TS-237-HC-2014(DEL)], die Anforderungen, unter denen eine Verlagerung des Arbeitsverhältnis im Rahmen eines secondments auf die indische Gesellschaft aus wirtschaftlicher Sicht anzunehmen ist, erheblich verschärft.

Sachverhalt
In dem dem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt lag eine (vermeintlich) echte Entsendung von Mitarbeitern durch eine britische und eine kanadische Gesellschaft („ausländische Gesellschaft“ bzw. „ausländische Gesellschaften“) zu einer indischen zum gleichen Konzern gehörenden Tochtergesellschaft („indische Gesellschaft“) vor.

Die Mitarbeiter – die nach wie vor bei der ausländischen Gesellschaft rechtlich angestellt waren – wurden durch eine Entsendungsvereinbarung operativ in die indische Gesellschaft integriert. Die indische Gesellschaft hatte die alleinige Verantwortung für die Arbeitsleistung und Arbeitsergebnisse des entsandten Mitarbeiters. Wie in Fällen einer beabsichtigten echten Entsendung häufig der Fall, sollte zwar aus Gründen der Praktikabilität das Gehalt des Mitarbeiters weiterhin durch die ausländische Gesellschaft auf das ausländische Bankkonto des Mitarbeiters überwiesen werden, diese Zahlungen wurden allerdings an die indische Gesellschaft weiterverrechnet, die die entsprechenden Aufwendungen an die ausländische Gesellschaft zu erstatten hatte.

Die mit dem Fall befasste indische Steuerbehörde – Authority of Advance Rulings - war im vorliegenden Fall zu der Auffassung gelangt, dass durch die Entsendung der Mitarbeiter eine Betriebsstätte der ausländischen Gesellschaft begründet worden war und entsprechend die Erstattungen der Gehaltszahlungen als Vergütung der ausländischen Gesellschaft zu betrachten sind und die indische Gesellschaft somit Quellensteuer einzubehalten hatte. Soweit dieses nicht erfolgt ist, war die indische Gesellschaft selbst für den Quellensteuerbetrag haftbar.

Entscheidung
Der Delhi High Court folgte im Ergebnis der Entscheidung der Steuerbehörde. Entscheidend war aus Sicht des Gerichts, dass im vorliegenden Fall keine Übertragung des Arbeitsverhältnisses auf die indische Gesellschaft aus wirtschaftlicher Sicht anzunehmen war.

Das Gericht gelangte zu dieser Auffassung, obwohl:

  • Die Arbeitnehmer in die betrieblichen Abläufe der indischen Gesellschaft integriert wurden und unter der Weisungsbefugnis des Managements der indischen Gesellschaft standen;
  • Die indische Gesellschaft für den Zeitraum der Entsendung sowohl das Risiko als auch die aus der Arbeitsleistung der entsandten Arbeitnehmer entstehenden Vorteile trug; und
  • Die Gehälter durch die ausländischen Gesellschaften ohne Marge / mark up an die indische Gesellschaft weiter verrechnet wurden.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass:

  • Die Arbeitnehmer weiterhin für den Zeitraum der Entsendung berechtigt waren, an der betrieblichen Altersvorsorge der ausländischen Gesellschaft und der im Heimatland geltenden Sozialversicherung teilzuhaben;
  • Die Pflicht zur Zahlung der Gehälter im Verhältnis zu den Arbeitnehmern ausschließlich bei der ausländischen Gesellschaft lag und nur diese – nicht aber die Arbeitnehmer direkt – einen Anspruch auch gegen die indische Gesell-schaft hatte; und
  • Die indische Gesellschaft zwar die Möglichkeit hatte die Entsendung der Arbeitnehmer zu beenden, nicht aber das Arbeitsverhältnis zwischen den Arbeitnehmern und der ausländischen Gesellschaft zu beenden oder dieses abzuändern.

Kommentar

Das Urteil bedeutet eine erneute Ausweitung der im Rahmen einer echten Entsendung eine Betriebsstätte begründenden Umstände. Bereits zuvor hatte die indische Praxis der Steuerbehörden und Rechtsprechung einen im internationalen Vergleich eher weiten Ansatz verfolgt.

Die Annahme einer Betriebsstätte unter den gegebenen Umständen – insbesondere mit Blick auf die Beurteilung der mangelnden wirtschaftlichen Verknüpfung mit der indischen Entsendungsgesellschaft trotz operativer Kontrolle und wirtschaftlicher Verantwortlichkeit für die Gehälter der Arbeitnehmer – verschärft die bereits zuvor gegebene Unsicherheit, welchen Kriterien eine echte Entsendung genügen muss, um nicht Gefahr der Annahme der Gründung einer Betriebsstätte durch die indischen Steuerbehörden zu laufen.

Zwar ist grundsätzlich möglich, dass das Gericht zu einer anderen Auffassung gelangen könnte, wenn in zukünftigen Fällen zwar einige aber nicht alle Punkte, die aus Sicht des Gerichtes für eine fortbestehende wirtschaftliche Arbeitgebereigenschaft der ausländischen Gesellschaft sprechen, entfallen. Zunächst einmal aber steht die Feststellung im Raum, dass ein Fortbestehen der Berechtigung zur Teilhabe an der betrieblichen Altersvorsorge sowie an der Sozialversicherung des Heimatlandes auf Grundlage der rechtlichen Beziehung zur ausländischen Gesellschaft die Annahme eines wirtschaftlichen Arbeitsverhältnisses zur indischen Gesellschaft auszuschließen scheint oder zumindest ein gewichtiges Argument dagegen ist. Hinzu kommt die Forderung, dass für die Annahme einer wirtschaftlichen Übertragung des Arbeitsverhältnisses es der indischen Gesellschaft möglich sein müsse, das rechtliche Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer zur ausländischen Gesellschaft abzuändern oder gar zu beenden.

Gerade dieser Punkt führt die häufig hinter einer echten Entsendung stehende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer am Fortbestand einer Absicherung ihrer Beschäftigung und Sozialversicherung nach den Standards des Heimatlandes ad absurdum. Auch werden nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die ausländische Gesellschaft nur in den seltensten Fällen bereit sein, der indischen Gesellschaft die Entscheidungsgewalt über Änderungen oder eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses der ausländischen Gesellschaft zu den Arbeitnehmern einzuräumen.

Das Urteil des Delhi High Court mag somit dazu führen, dass echte Entsendungen nach Indien in der Mehrzahl der Fälle nicht mehr als praktikabel erscheinen und aus Gründen der Rechtssicherheit – trotz ggf. nachteiliger steuerlicher Folgen - von Anfang an bewusst der Weg über die Begründung einer Dienstleistungsbetriebsstätte und einen Dienstvertrag zwischen der ausländischen und der indischen Gesellschaft gegangen wird.

Urteil des Mumbai Income Tax Appellate Tribunal – Dezember 2014

Das Mumbai Income Tax Appellate Tribunal („ITAT”) hat einige wichtige Fragen die sich in der Folge der Entscheidung des Delhi High Court ergeben im Rahmen einer Entscheidung im Dezember 2014 behandelt [TS-775-ITAT-2014(Mumbai Bench)].

Sachverhalt
Erneut ging es um die sich aus einer fehlgeschlagenen (vermeintlich) echten Entsendung - die nach den Auffassungen der indischen Gerichtsbarkeit nicht den Merkmalen einer wirtschaftlichen Übertragung des Arbeitsverhältnisses auf die indische Gesellschaft genügte - ergebenden steuerlichen Folgen.

Die Konstellation der Entsendung entsprach im Wesentlichen derjenigen, die dem Urteil des Delhi High Court zugrunde lag. Weiter wurde im Rahmen der Entscheidung näher behandelt, welche steuerlichen Folgen sich aus der „fehlgeschlagenen“ Entsendung nach indischem Recht unter Berücksichtigung der nach „Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung“ („DBA“) üblicherweise geltenden Regeln ergeben. Hierbei ging es u.a. um die Frage, ob die Besteuerung der Zahlungen durch die indische Gesellschaft für die (vermeintliche) Erstattung der Gehaltszahlungen durch die ausländische Gesellschaft den Regeln der Besteuerung für sog. „technical services“ folgt und/oder aber der Betriebsstättenbesteuerung.

Der Unterschied ist sowohl im Hinblick auf die Höhe des Steuersatzes, als auch die Bemessungsgrundlage erheblich. Während die Besteuerung von „technical services“ auf Grundlage eines Steuersatzes von 20 % nach nationalem indischen Recht erfolgt (ggf. nach vielen DBA auf 10 % ermäßigt), liegt der Steuersatz für Betriebstätten bei über 40 %. Allerdings ist die Bemessungsgrundlage des Steuersatzes für „technical services“ das Brutto der gesamten Zahlung, wohingegen die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung als Betriebsstätte lediglich das Netto, also der Gewinn ist, und somit z.B. die Gehälter der Arbeitnehmer in Indien in Abzug gebracht werden können.

Entscheidung
Zunächst ist das ITAT unkritisch der Entscheidung der Delhi High Court gefolgt und hat mit Blick auf die im Ausland erfolgenden Gehaltszahlungen und lediglich die gegebene Erstattung durch die indische Gesellschaft im Verhältnis zur ausländischen Gesellschaft eine wirtschaftliche Übertragung des Arbeitsverhältnisses auf die indische Gesellschaft verneint. In der Folge hat die ausländische Gesellschaft in Indien eine Betriebsstätte begründet. Somit ist in diesem Punkt in der Entscheidung des ITAT eine Bestätigung der Rechtsprechung des Delhi High Court zu sehen.

Darüber hinaus hat das ITAT entschieden, dass das Bestehen einer Betriebsstätte eine Besteuerung auf technical services Basis ausschließt und allein eine Besteuerung auf Betriebsstättenbasis erfolgen kann.

Kommentar
Mit Blick darauf, dass unter den verschärften Voraussetzungen für die Anerkennung einer wirtschaftlichen Übertragung des Arbeitsverhältnisses nur noch selten eine auch steuerlich anzuerkennende echte Entsendung gelingen wird, bedeutet die Entscheidung des ITAT ein erhebliches Mehr an Rechtssicherheit. Auch wenn eine nähere Prüfung und kritische Betrachtung der im Urteil des Delhi High Court entwickelten Maßstäbe wünschenswert gewesen wäre, haben ausländische Unternehmen nunmehr zumindest die Rechtssicherheit, auf Basis einer Netto Besteuerung planen zu können.

Ein Punkt, der in diesem Zusammenhang noch offen geblieben ist, ist inwiefern die Verrechnung der Gehaltskosten ohne Marge Transferpreisvorgaben widerspricht. De fakto liegt somit zunächst einmal kein Gewinn vor und die Besteuerung der Betriebsstätte würde ins Leere gehen. Es erscheint aber denkbar, dass die indischen Steuerbehörden in Zukunft die Möglichkeit einer Besteuerung der Betriebsstätte auf Grundlage eines fiktiven nach Transferpreisrichtlinien errechnete Gewinnes prüfen werden. Da die Besteuerung eines Betriebsstättengewinnes momentan um etwa 10 % höher liegt als die Besteuerung des entsprechend um die Marge geschmälerten Gewinnes der indischen Gesellschaft, erscheint ein solches Vorgehen aus Sicht der indischen Steuerbehörden attraktiv. Mit Blick auf die allgemeine Gültigkeit des Transferpreis Gedankens wäre das Vorgehen letzten Endes auch konsequent.

Urteil des Delhi Income Tax Appellate Tribunal – März 2016

Das ITAT – diesmal die Delhi Bench - hatte im März diesen Jahres zu entscheiden, ob die bereits im internationalen Vergleich sehr weite Auslegung des Begriffes der Betriebsstätte in Indien auch noch Fälle erfassen sollte, in denen lediglich ein Outsourcing von Dienstleistungen an eine indische Gesellschaft unter teilweiser Nutzung konzerneigener Infrastruktur erfolgt.

Sachverhalt
Der zur Entscheidung stehende Sachverhalt betraf eine britische Gesellschaft die an eine zum gleichen Konzern gehörende indische Gesellschaft die gegenüber Kunden zu erbringenden Dienstleistungen ausgelagert hatte.

Die ausländische Gesellschaft hatte zwecks Erbringung der Dienstleistungen durch die indische Gesellschaft letzterer die Möglichkeit zur Nutzung von außerhalb Indiens befindlicher technischer Gerätschaften ermöglicht. Für diese Nutzung wurde zum einen durch die ausländische Gesellschaft gegenüber der indischen Gesellschaft eine Lizenzgebühr in Rechnung gestellt. Zum anderen wurden durch die indische Gesellschaft zu tragenden Kosten durch die ausländische Gesellschaft bezahlt und der indischen Gesellschaft weiterverrechnet. Eine Anwesenheit von Mitarbeitern der ausländischen Gesellschaft in Indien war im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Dennoch war die zuständige Steuerbehörde zu dem Ergebnis gekommen, dass die ausländische Gesellschaft durch das Outsourcing Arrangement eine Betriebsstätte in Indien begründet habe und somit der aus der Betriebsstätte resultierende Gewinn festzustellen und in Indien zu versteuern sei.

Hiergegen legte die betroffene Gesellschaft zunächst Wider-spruch beim Commissioner of Income Tax (Appeals) ein. Den Punkt der Betriebsstätte betreffend war dieser Widerspruch nicht erfolgreich, erneut wurde eine Betriebsstätte, diesmal in der Form einer sog. „fixed place of business“ Betriebsstätte angenommen.

Gegen diese Entscheidung wurde Klage beim Delhi ITAT erhoben.

Entscheidung
Das Delhi ITAT folgte im Ergebnis die Frage der Betriebsstätte betreffend in seiner Entscheidung der Argumentation der ausländischen Gesellschaft und verneinte das Bestehen [IT-3759-DEL-2013].

Die Entscheidungsgründe behandelten neben der Frage eines „fixed place of business“ Betriebsstätte ebenfalls auch die Möglichkeit einer sog. „dependant agent“ Betriebsstätte sowie einer „service“ Betriebsstätte. Die beiden letzteren wurden auf Grundlage einer Detailprüfung nach den bereits zuvor durch die Rechtsprechung entwickelten Richtlinien verneint.

Die Hauptbedeutung der Falles lag jedoch darin, inwiefern durch das fortlaufende Outsourcing Verhältnis zu einer Konzerngesellschaft durch die ausländische Gesellschaft eine „fixed place of business“ Betriebsstätte begründet wird.

Das Delhi ITAT prüfte hierbei die international anerkannten Kriterien. Kernpunkt war die Frage, inwiefern das konstitutive Merkmal der „Verfügbarkeit der Betriebsräumlichkeiten“ gegeben war. Abzustellen war hierbei auf die Verfügbarkeit der Büroräumlichkeiten der indischen Gesellschaft für die ausländische Gesellschaft. Im Ergebnis lies das ITAT keinen Zweifel daran, dass eine „Verfügbarkeit“ i.S.e. Möglichkeit des Betretens durch Mitarbeiter der ausländischen Gesellschaft nach Zustimmung durch die indische Gesellschaft für Arbeitstreffen etc. auch im Rahmen einer auf Dauer angelegten Outsourcing Vereinbarung nicht genügt. In der Folge wurde das Bestehen einer „fixed place of business“ Betriebsstätte korrekterweise abgelehnt.

Kommentar
Die Annahme einer Betriebsstätte allein auf Grundlage einer klassischen Outsourcing Konstellation ohne weitere Besonderheiten wäre einem Erdbeben gleichgekommen. Auch die selten um eine weite Auslegung der Besteuerungsbefugnisse verlegene indische Gerichtsbarkeit wollte eine solche, der internationalen Steuerpraxis klar widersprechende Auslegung der Regeln des fraglichen DBA nicht vornehmen. Zumindest insofern wurde einer erneuten Ausweitung der Besteuerung in Indien auf Basis weitreichender (und möglicherweise nicht im Einklang mit internationaler Praxis stehender) Auslegung der Voraussetzungen für eine Betriebsstätte Einhalt geboten. Eine andere Entscheidung hätte mit Blick auf die nach wie vor große Bedeutung des Outsourcing von Dienstleistungen für die indische Wirtschaft weitreichende negative Folgen gehabt, mit Sicherheit für die ausländischen Geschäftspartner, wahrscheinlich aber auch für den Standort Indien selbst.

Fazit

Das indische Steuerrecht bleibt auch im Bereich der Betriebsstättenbesteuerung weiter in Bewegung. Leider führen die erneuten Verschärfungen der Rechtsprechung in diesem Bereich zu neuen Komplikationen für ausländische Investoren. Über unvorhergesehene Steuerbelastungen hinaus dürfte die Tatsache, dass echte Entsendungen de facto nicht mehr im Einklang mit international vielfach geübter Vertragspraxis möglich sind, negative Auswirkungen auf die Optionen zum Know-How Transfer nach Indien haben. Die Tatsache, dass einer unzweifelhaft rechtlich nicht mehr nachvollziehbaren Erweiterung der Betriebsstättenbesteuerung auf reine Outsourcing Geschäftsbeziehungen letzten Endes Einhalt geboten wurde, kann nicht darüber hinweg täuschen, dass aus der aggressiven Weiterentwicklung von Besteuerungskonstellationen in Indien nach wie vor ein wesentlichen Teil der Rechtsunsicherheit folgt, die immer wieder von Investoren bemängelt wird. Auch die Dauer, entsprechende Verfahren zum Abschluss zu bringen, bleibt nach wie vor problematisch. In beiden durch das ITAT ergangenen Entscheidungen ging es um rund ein Jahrzehnt zurückliegende Steuerjahre. Auch eine Beschleunigung der Verfahrensdauer vor der indischen Gerichtsbarkeit sollte somit weiter ein wichtiges Anliegen im Rahmen der Wirtschaftsreformen bleiben.
 

Alexander Koczian, LL.M.
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Indonesien

OJK reguliert Venture Capital Business neu

Am 28.12.2015 hat die indonesische Finanzaufsichtsbehörde „Otoritas Jasa Keuangan“ (OJK) neue Verordnungen zur Regelung von Venture Capital Gesellschaften erlassen. Zeitlich passend kündigte die indonesische Regierung Maßnahmen zur Förderung von Unternehmen im Bereich E-Commerce an.

Die Regulierung von Venture Capital Gesellschaften (VC Gesellschaften) oblag zuvor dem Finanzministerium. Mit den folgenden Verordnungen manifestierte die OJK ihre Zuständigkeit für diesen Sektor im Rahmen ihrer Kompetenz für sog. „non-banking financial institutions“:

  • Arrangement of Venture Capital Company Business (VO Nr. 35/POJK.05/2015)
  • Licensing and Organization of Venture Capital Companies (VO Nr. 34/POJK.05/2015)
  • Good Corporate Governance for Venture Capital Companies (VO Nr. 36/POJK.05/2015)
  • Direct Inspection of Venture Capital Companies (VO Nr. 37/POJK.05/2015)

(nachfolgend zusammengefasst “neue Regelungen”). Die neuen Regelungen enthalten neben generellen Vorschriften für die Zulassung und Betätigung von VC Gesellschaften auch solche zu Sonderformen, wie etwa VC Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung oder ausschließlich Sharia-konformen VC Gesellschaften.

Zulassungsvoraussetzungen

Um die Gründung einer VC Gesellschaft zu vollziehen und letztlich den Geschäftsbetrieb aufnehmen zu können, muss ein Unternehmen eine Zulassung bei der OJK beantragen. Die Antragsprüfung dauert laut Verordnung 30 Werktage (tatsächlich ist mit längeren Bearbeitungszeiten zu rechnen). Die Frist für die Aufnahme der Geschäftstätigkeit nach Erteilung der Zulassung durch die OJK beträgt 6 Monate.

Prinzipiell sind VC Gesellschaften in Form von Kooperativen (ähnlich den Genossenschaften), beschränkten Partnerschaften (ähnlich den Kommanditgesellschaften) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Perseroan Terbatas, PT) zulässig. Da Kooperativen und Partnerschaften ausschließlich indonesischer Beteiligung vorbehalten sind, stellt eine PT für ausländische Investitionen die einzige Alternative dar. Das Mindesteigenkapital einer VC Gesellschaft in Form einer PT beträgt 50 Mrd. IDR (ca. 3,3 Mio. EUR).

Das Höchstmaß direkter oder indirekter ausländischer Beteiligung an einer VC Gesellschaft beträgt 85 %. Dies stellt zugleich das Höchstmaß der an der Börse handelbaren Anteile an einer VC Gesellschaft dar. Gegenüber anderen Formen ausländischen Investments in Indonesien hat eine VC Gesellschaft den bedeutenden strategischen Vorteil, dass eine Investition in Gesellschaften durch Beteiligungen nicht dazu führt, dass diese unter das Regime der Negative Investment fällt. Beteiligt sich eine PT mit ausländischer Beteiligung, die keine Zulassung als VC Gesellschaft hält, an einer weiteren Gesellschaft in Indonesien, gilt die weitere Gesellschaft ebenfalls als ausländisch im Sinne des Investitionsrechts.

Organisation

Die Organisationsstruktur einer VC Gesellschaft muss folgende Bereiche abdecken:

  • Verwaltung und Buchhaltung;
  • Machbarkeitsstudie;
  • Risikomanagement, einschließlich interner Kontrollmechanismen;
  • Finanzmanagement, einschließlich eines Investment Portfolio Managements und
  • Anti-Geldwäsche Programme sowie Mechanismen zur Verhinderung von Terrorismusfinanzierung.

Die neuen Regelungen enthalten detaillierte Bestimmungen zur Good Corporate Governance (GCG) von VC Gesellschaften. Diese sind verpflichtet, GCG Prinzipien in ihre Geschäftsaktivitäten zu integrieren und gewisse Standards in Bezug auf Transparenz, Unabhängigkeit, Rechenschaftspflichten und Fairness zu erfüllen. Ziel ist es, den Wert und die Entwicklung der VC Gesellschaft zu erhöhen und dadurch einen erhöhten Beitrag zur nationalen Wirtschaft zu leisten. Um diese Prinzipien umzusetzen, sind geeignete Richtlinien zu erlassen. Darüber hinaus müssen VC Gesellschaften in Zukunft eine Selbstbewertung hinsichtlich der Umsetzung der GCG durchführen und hierüber regelmäßig einen Bericht bei der OJK einreichen.

Eine VC Gesellschaft muss u.a. mindestens zwei Geschäfts-führer bestellen. Bei Gesellschaften mit 100 % indonesischem Kapital muss die gesamte Geschäftsführung aus indonesischen Staatsbürgern bestehen. VC Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung müssen zumindest einen Geschäftsführer mit indonesischer Staatsbürgerschaft bestellen. Erforderlich ist allerdings, dass die gesamte Geschäftsführung in Indonesien ansässig ist. Die Pflichten der Geschäftsführung sind ebenfalls in den neuen Regelungen enthalten.

Eine VC Gesellschaft mit einem Anlagevermögen von mehr als IDR 500 Mrd. hat darüber hinaus mindestens

  • zwei Commissioners (in einer PT existiert zwingend neben dem Board of Directors ein Board of Commissioners, ein dem Aufsichtsrat in einer AG vergleichbares Organ mit prinzipiell mindestens einem Mitglied) zu bestellen, von denen zumindest einer seinen Wohnsitz in Indonesien hat und
  • einen unabhängigen Commissioner zu bestellen.

Betätigung

Während die unter dem Regime des Finanzministeriums geltende Verordnung die Aktivität von VC Gesellschaften auf Kapitalbeteiligungen, Quasi-Kapitalbeteiligungen (Convertible Bonds) und Finanzierungen gegen Gewinnbeteiligungen beschränkte, erweitern die neuen Regelungen den Aktionsradius von VC Gesellschaften um Finanzierungen gegen Schuldverschreibungen.
In Ausführung ihrer Geschäftsaktivitäten ist es VC Gesellschaften außerdem erlaubt, Unternehmensfonds zu verwalten (z.B. im Rahmen von Investitionsverträgen zwischen VC Gesellschaften und Depotbanken), sowie Schuldner und Venture Partner durch Mentoring zu unterstützen. Ferner ermöglichen die neuen Regelungen VC Gesellschaften die Erbringung entgeltlicher Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Investitionstätigkeit, welche jedoch einem Erlaubnisvorbehalt der OJK im Einzelfall unterliegen.

Zwar kann nach wie vor zur Finanzierung leistungsfähiger Gesellschaften im Rahmen des sog. „Channelling“ mit dritten Gesellschaften zusammen gearbeitet werden. Jedoch verlangen die neuen Regelungen, dass VC Gesellschaften in solchen Fällen geeignete Maßnahmen zur Risikominderung treffen.

Weitere Mindestvoraussetzungen und Eckpunkte für die Betätigung von VC Gesellschaften sind wie folgt:

  • ein Minimum von 15 % des Portfolios einer VC Gesellschaft ist in Form von Kapitalbeteiligungen oder Quasi-Kapitalbeteiligungen innerhalb der ersten 3 Jahre nach Erhalt der Zulassung zu investieren;
  • eine Investment and Financing to Asset Ratio (IFAR) von mindestens 40 % ist innerhalb der ersten 3 Jahre nach Erhalt der Zulassung zu erreichen;
  • ein Verhältnis von Beteiligung zu Eigenkapital in Höhe von 30 % ist aufrecht zu erhalten.

Investitionen einer VC Gesellschaft in ein einzelnes Beteiligungs-unternehmen sind auf 25 % des VC Gesellschaftskapitals beschränkt und innerhalb von 10 Jahren zu veräußern. Gemäß den neuen Regelungen kann die Veräußerung im Wege eines Börsengangs (IPO), einer Direktveräußerung an einen Dritten oder eines Anteilsrückkaufs durch das Beteiligungsunternehmen erfolgen.

Kontrolle

Eine der zentralen Änderungen der neuen gesetzlichen Regelungen ist die Einführung der direkten Überprüfung von VC Gesellschaften durch die OJK. Dabei kann die OJK auch dritte Prüfer einsetzen. Durch die direkte Überprüfung soll sichergestellt werden, dass die bei der OJK eingereichten Berichte den tatsächlichen Gegebenheiten der VC Gesellschaft entsprechen und die Gesellschaft sämtlichen gesetzlichen Vorgaben entspricht. Eine direkte Überprüfung der Gesellschaft kann alle drei Jahre bzw. je nach Erforderlichkeit zu jedem anderen Zeitpunkt durchgeführt werden. Die Überprüfung umfasst die Einsichtnahme der Geschäftsbücher, Berichte, Protokolle, sonstiger relevanter Unterlagen, sowie die Befragung von Angestellten und Dritten, die in einem Verhältnis zur VC Gesellschaft stehen  und ferner eine Bestandsaufnehme der Assets.

Roadmap zur Förderung von E-Commerce

Kurz im Anschluss an die Neuregelung von VC Gesellschaften wurde seitens der Regierung Indonesiens eine Roadmap zur Förderung von E-Commerce und somit einem maßgeblichen Betätigungsfeld von VC Gesellschaften angekündigt. Die Roadmap dient in erster Linie dazu, dem Vorhaben einen formellen Rahmen zu geben und sieht die Schaffung einer zentralen Managementstelle aus verschiedenen Ministerien und Regierungsstellen vor, welche die Umsetzung des Plans koordiniert. Der Umsatz von E-Commerce Transaktionen soll durch die geplanten Maßnahmen nach den Vorstellungen der Regierung bis 2020 in Indonesien 130 Mrd. USD erreichen.

Die Implementierung der Roadmap erfolgt in Form einer Richtlinie der Regierung. Diese soll Regelungen zu Besteuerung, Logistik, Finanzierung, Verbraucherschutz, Kommunikationsinfrastruktur, Bildung, Arbeitsrecht und Cybersecurity enthalten. Ausländische Investitionen in E-Commerce Gesellschaften wurden weiter erleichtert. E-Commerce Einzelhändler stehen ausländischen Investitionen nunmehr unter gewissen Bedingungen offen. Auch große Plattformen sind nunmehr für ausländische Investitionen zugänglich. So ist bei Gesellschaften mit einer Bewertung unter 100 Mrd. IDR eine bis zu 49 %-ige und bei Gesellschaften mit einer Bewertung von mehr als 100 Mrd. IDR eine  ausländische Beteiligung von bis zu 100 % möglich.

Die Neuregelung des VC Bereichs gemeinsam mit der Arbeit an der E-Commerce Roadmap ist als Signal zugunsten einer Öffnung beider Sektoren für verhältnismäßig weit gehende ausländische Beteiligungen zu verstehen. Die kürzlich überarbeitete Negative Investment List spiegelt bereits Inhalte der angekündigten Roadmap wieder. Anders als in der Vergangenheit in vielen Bereichen insbesondere der Technologie möchte man es offenbar nicht verpassen, in den durch VC Gesellschaften typischerweise finanzierten Bereichen und speziell im E-Commerce in Indonesien eigene Kompetenzen zu entwickeln.

Philipp Kersting
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Annisa Ismail
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Erleichterungen für ausländische Investitionen in Indonesien

Am 11. Februar 2016 kündigte die indonesische Regierung eine überarbeitete Negative Investment List (NIL) an, die erhebliche Erleichterungen für ausländische Investitionen in Indonesien vorsah. Dies bedeutet eine Kehrtwende Indonesiens im Vergleich zu seiner bisherigen Tendenz zum Protektionismus, wie sie noch mit der letzten Überarbeitung der NIL im Jahr 2014 verfolgt wurde. Die angekündigte Überarbeitung wurde nach Verabschiedung der entsprechenden Verordnung, der Presidential Regulation Nr. 44 aus dem Jahr 2016, veröffentlicht und ist nunmehr in Kraft.

Die neue NIL erlaubt künftig ausländische Direktinvestitionen auch in einigen Geschäftsbereichen, die bisher für diese verschlossen waren. Insbesondere die Bereiche Gesundheitsfürsorge, Passagierverkehr an Land, Filmindustrie, Energieversorgung und Tourismus / Gastronomie / Hotellerie sind von den Änderungen betroffen. So haben ausländische Unternehmen nunmehr die Möglichkeit, im Bereich Dienstleistungen zur Unterstützung der Gesundheitsfürsorge bis zu 67 % der Gesellschaftsanteile zu halten. Dies gilt im Bereich Passagierverkehr an Land sowie für Installation/Montage von Hochspannungsanlagen bis zu einer Höhe von 49 % und in der Filmindustrie sogar bis zu einer Höhe von 100 %.

Folgende Sektoren, die vormals von der NIL erfasst waren, wurden im Rahmen der Überarbeitung von der Liste entfernt, wodurch in diesen Bereichen in Zukunft eine ausländische Beteiligung in Höhe von bis zu 100 % möglich ist:

  • Gummigranulat;
  • Kühlhäuser;
  • Tourismus / Gastronomie / Hotellerie (Restaurants, Bars,
  • Cafes, Vergnügungs-/ Erholungsparks, Sportcenter);
  • Filmindustrie;
  • E-Commerce und Online-Handel / Online Marketplaces
  • (bei einer Bewertung in Höhe von min. 100 Mrd. IDR, c.a.
  • 6,6 Mio. EUR);
  • Prüfstellen für Telekommunikationsanlagen;
  • Maut- und Straßenverwaltung;
  • Management ungefährlicher Abfälle;
  • Rohmaterialien für Arznei-/Heilmittel.

Erleichterungen wurden für folgende weitere Sektoren eingeführt:

  • Vertrieb und Warenlager;
  • Spedition;
  • Reisevermittlung im Sinne eines Reisebüros;
  • Betrieb von Golfplätzen;
  • Dienstleistungen zur Unterstützung des Luftverkehrs;
  • Management privater Museen;
  • MICE (Meeting, Incentive, Conference, and Exhibition);
  • Baudienstleistungen für Projekte mit einem Wert von mehr als 50 Mrd. IDR (ca. 3,3 Mio. EUR);
  • Telekommunikationsnetze, soweit diese mit Telekommunikationsdienstleistungen ein integriertes Angebot darstellen.

In diesen Bereichen können sich ausländische Investoren von nun an bis zu einer Höhe von 67 % beteiligen. Diese Erleichterung wirkt sich insbesondere im Bereich Vertrieb als typisches Betätigungsfeld ausländischer Investoren aus. Aufgrund der weiten Definition des Vertriebsbegriffes in Indonesien fällt in diese Kategorie auch der sich an den Import anschließende Weiterverkauf an den Einzelhandel, sowie an gewerbliche und nichtgewerbliche Endabnehmer. Durch die bisherige Begrenzung ausländischer Beteiligungen auf 33 % war es ausländischen Investoren somit verwehrt, eine Mehrheitsbeteiligung am Vertrieb ihrer im Ausland hergestellten und nach Indonesien eingeführten Güter zu halten. Dieser erhebliche Nachteil ist durch die Überarbeitung deutlich verringert worden.

Philipp Kersting
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Malaysia

FATCA in Malaysia

Zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung verabschiedete die US- Regierung im März 2010 den US Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA), welcher eine Meldepflicht US-amerikanischer Auslandskonten für Finanzinstitute statuiert. Während in Deutschland der FATCA bereits durch das am 1. Juli 2014 in Kraft getretene „Gesetz zu dem Abkommen vom 31. Mai 2013 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten und hinsichtlich der als Gesetz über die Steuerehrlichkeit bezüglich Auslandskonten bekannten US-amerikanischen Informations- und Meldebestimmungen“ implementiert wurde, steht dessen Umsetzung in Malaysia noch aus.

Grundsatzvereinbarung

Im Juni 2014 hat Malaysia auf Grundlage des Model 1 Intergovernmental Agreement (IGA), eine Grundsatzvereinbarung zur Implementierung des FATCA getroffen. Dabei schafft das Model 1 IGA Rahmenbedingungen für (US-)ausländische Finanzinstitute zur Übermittlung der Kontoinformationen an die jeweils entsprechende inländische Behörde, welche dann zur Weiterleitung der Daten an die Bundessteuerbehörde der Vereinigten Staaten, der US Internal Revenue Services, verpflichtet ist. Konkret bedeutet dies für Malaysia, dass dort niedergelassene Finanzinstitute, sog. „Malaysian-based Financial Institutions“ (MYFIs), angehalten sind, relevante Kontoinformationen von US-Personen an das Inland Revenue Board Malaysia zu übermitteln.

Leitlinien

Zur Erleichterung und im Hinblick auf die finale Umsetzung des FATCA, hat das Inland Revenue Board Malaysia im März 2015 Leitlinien veröffentlicht, welche nach einer Anhörung überarbeitet wurden. Die „Revised Guidance Notes“ wurden schließlich im September 2015 veröffentlicht. Sie bieten Finanzinstituten einen detaillierten Überblick, welchen neuen Sorgfalts- und Informationsverpflichtungen sie künftig unterliegen. Zudem verschaffen sie den Instituten Klarheit darüber, ob sie als (meldende) MYFI gelten und somit den Verpflichtungen des FATCA unterstellt sind.

Nach Section 6.1.2 der Revised Guidance Notes werden unter den Begriff MYFI Verwahrungsinstitute, Einlageninstitute, Anlagegesellschaften und näher spezifizierte Versicherungsgesellschaften gefasst. Ausgenommen von den Informationspflichten sind gem. Section 8.2. „Exempt beneficial owners“ (ausgenommene wirtschaftliche Berechtigte) wie beispielsweise die Zentralbank Bank Negara Malaysia sowie gem. Section 8.8 „Deemed-compliant“ MYFIs, also solche als FATCA-konform angesehene MYFIs.

Non-Financial Foreign Entity (NFFE)

Sofern ein Rechtsträger nicht als MYFI kategorisiert wird, wird er als Non-Financial Foreign Entity (NFFE) behandelt. Als solche unterliegt er keinen Registrierungs- und Informationsverpflichtungen gegenüber dem Inland Revenue Board Malaysia oder des US Internal Revenue Services. Jedoch müssen NFFEs ihren FATCA/IGA Status bestimmen und sich gegebenenfalls im Rahmen einer Selbstauskunft gegenüber dem MYFI klassifizieren, das ihre Finanzkonten führt (Sec. 7.1.2).

Die NFFEs werden in Active NFFEs und Passive NFFEs unterteilt, wobei sich letztere im Rahmen des IGA Due Diligence Prozesses auf beherrschende (US-) Personen oder meldepflichtige (US-) Konten hin überprüfen lassen müssen (Sec. 7.4.2). Dadurch soll eine Umgehung der Meldepflichten unter FATCA weitgehend ausgeschlossen werden.

Active NFFEs
Active NFFEs werden positiv durch den Kriterienkatalog der Sec. 7.2 definiert. So wird beispielsweise eine NFFE dann als aktiv eingestuft, wenn weniger als 50 % der Bruttoeinkünfte im vorangegangenen Kalenderjahr (oder einem anderen geeigneten meldepflichtigen Zeitraum) passive Einkünfte sind und zugleich weniger als 50 % der Vermögenswerte, die sich während des vorangegangenen Kalenderjahrs (oder einem anderen geeigneten meldepflichtigen Zeitraum) im Besitz des Rechtsträgers befanden, Vermögenswerte sind, mit denen passive Einkünfte erzielt werden oder erzielt werden sollen.

Passive NFFEs
Passive NFFEs werden negativ zu den Active NFFEs dahingehend abgegrenzt, als dass als passiv all jene NFFEs definiert werden, die nicht aktiv sind. Erfasst werden weiterhin einbehaltende ausländische Personengesellschaften oder Trusts nach den einschlägigen Ausführungsbestimmungen des Finanzministeriums der Vereinigten Staaten.

Verstoß gegen Meldepflichten

Verstößt eine (meldende) MYFI signifikant gegen ihre Verpflichtungen unter dem FATCA/IGA, so kann diese dann als Non-Participating Foreign Financial Institution (NPFFI) von der US Internal Revenue Services behandelt werden. Dies kann die Einbehaltung der Quellensteuer für alle US- steuerpflichtigen Transaktionen in Höhe von 30 % durch die US Internal Revenue Services nach sich ziehen. Zusätzlich kann das Inland Revenue Board Malaysia weitere Sanktionen verhängen. Wie diese im Einzelnen ausgestaltet werden, ist gegenwärtig noch nicht bekannt.

Registrierung

Nach Sec. 5.1. sind (meldende) MYFIs dazu verpflichtet, sich als Finanzinstitution innerhalb einer Model 1 IGA - Jurisdiktion bei der US Internal Revenue Services zu registrieren, um von dort eine GIIN (Global Intermediary Identification Number) zugewiesen zu bekommen.

Die technische Übermittlung der Daten erfolgt über das von der US Internal Revenue Services entwickelte und zur Verfügung gestellte International Data Exchange Service (IDES) System. IDES ist ein online System, das den Datenaustausch zwischen den Steuerbehörden ermöglicht.

In Malaysia erfolgt die Übermittlung der Daten durch die (meldenden) MYFIs via IDES an das Inland Revenue Board Malaysia, das dann die Weiterleitung an die US Internal Revenue Services autorisiert. Dementsprechend ist eine Registrierung der (meldenden) MYFIs bei IDES erforderlich.

Fazit

Mit dem Beitritt Malaysias zum Model 1 IGA wurde die Aufnahme in die US-Treasury Liste von Jurisdiktionen mit einem gültigen IGA vollzogen. Damit erlangte Malaysia eine den FATCA-Partnerländern entsprechende Stellung und MYFIs werden seit dem 30.06.2014 grundsätzlich nicht mehr als NPFFIs behandelt. Ein genereller Quellensteuerabzug für (steuerpflichtige) US-Transaktionen in Höhe von 30 % wurde somit ausgeschlossen.

Um Ihrer Verpflichtung aus dem IGA nachzukommen, hat die Malaysische Regierung kürzlich bekanntgegeben, dass die Frist für die MYFIs zur Übermittlung der Daten an das Inland Revenue Board Malaysia für die Jahre 2014 und 2015 am 30.06.2014 endet.

Unsicherheiten bestehen aktuell jedoch darüber, zu welchem Zeitpunkt die Informationspflichten vollständig in Kraft treten und in welchem Rahmen Sanktionierungen für die Nichteinhaltung von Meldepflichten seitens des Inland Revenue Board Malaysia begründet werden. Die endgültige Umsetzung des FATCA in Malaysia muss daher abgewartet werden.

Christina Becht
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Joerg Schmidt
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Die Goods and Services Tax (GST) – Ein Jahr im Rückblick

Am 1. April 2015 führte Malaysia ein neues Steuerregime ein – die Goods and Services Tax („GST“). Wie auch die Mehrwertsteuer ist sie eine auf mehreren Stufen der Wertschöpfungskette erhobene Steuer, die für steuerbare Warenlieferungen und Dienstleistungen erhoben wird. Ob das erklärte Ziel der Effizienzsteigerung und die Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit mehr als ein Jahr nach Einführung erreicht wurde, soll im Folgenden näher erörtert werden. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf solche Aspekte der Steuer gerichtet, mit denen sich ausländische Unternehmen und Investoren konfrontiert sehen.

Im März 2016 waren mehr als 400.000 Unternehmen zu GST-Zwecken angemeldet. Gemeinsam entrichteten sie im Jahr 2015 mehr als RM 27 Mrd. (ca. EUR 5,9 Mrd.) GST. Den neuesten Pressemitteilungen des Finanzministeriums und des malaysischen Zolls zufolge visiert die malaysische Regierung für das Jahr 2016 Einnahmen in Höhe von insgesamt
RM 39 Mrd. (ca. EUR 8,52 Mrd.) an.

Häufige Probleme

Registrierung
Um in den Genuss der Vorsteuerabzugsberechtigung zu kommen, muss ein Unternehmen für die GST registriert sein. Während die Registrierung für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als RM 500.000 (ca. EUR 110.000) zwingend ist, können sich Unternehmen mit einem niedrigeren Umsatz freiwillig registrieren. Da die freiwillige Registrierung im Ermessen der Behörde steht, bislang jedoch entsprechende Richtlinien fehlen und eine Begründung der Entscheidung bei Ablehnung der Registrierung nicht erforderlich ist, ist das Verfahren allerdings äußerst intransparent.

Die zwingende Registrierung erfolgt hingegen reibungslos. Das Verfahren dauert je nach Auslastung der zuständigen Behörden zwischen einem Tag und zwei Wochen.

GST-Rückerstattung
Laut aktuellen Zeitungsberichten kommt es bei der Steuerrückzahlung vermehrt zu Verzögerungen. Die malaysischen Zollbehörden erklären dies damit, dass häufig unvollständige bzw. mit unstimmigen Informationen versehene Steuererklärungen eingereicht würden. Da diese Verzögerungen mitunter zu erheblichen Cashflow-Problemen führen können, ist es ratsam auf eine sorgfältige Dokumentation zu achten. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass es in der jüngsten Vergangenheit vermehrt zu Betriebsprüfungen durch die Steuerbehörden gekommen ist.

Import durch ausländische Gesellschaften
Werden Waren nach Malaysia importiert, so wird zum Importzeitpunkt die GST für den Betrag des Warenpreises nebst der hierfür zu zahlenden Einfuhrzölle erhoben. Sofern ein Unternehmen für die GST registriert ist, kann die dort gezahlte GST anschließend als sog. Input Tax zurückgefordert werden. Ohne eine entsprechende Registrierung kann die GST nicht zurückgefordert werden und wird damit zum Kostenfaktor. Ausländische Unternehmen sollten daher schon frühzeitig Vorkehrungen treffen. Dies kann entweder durch

  • eine Umstrukturierung des Importvorgangs oder
  • durch die Beauftragung eines GST-Agents erfolgen.

Umstrukturierung des Importvorgangs
Da ein Importeur für die GST zum Zeitpunkt des Grenzübertritts aufkommen muss, sollten ausländische Unternehmen ohne registrierte Tochtergesellschaften über eine Umstrukturierung des Importvorgangs nachdenken. Anstatt die Produkte selbst zu importieren, kann der Vertrag einen Import durch den Kunden selbst vorsehen. Der Kunde kann dann, sofern er für die GST registriert ist, die von ihm zu zahlende GST als Input Tax zurückfordern.

Bestellung eines GST-Agents
Sofern das oben vorgesehene Verfahren nicht durchführbar ist, können sich ausländische Gesellschaften auch durch einen GST-Agent in Malaysia vertreten lassen. Sämtliche Güter, die so nach Malaysia eingeführt werden, gelten dann als von dem GST-Agent eingeführt. In diesem Fall haftet der GST-Agent vollumfänglich für die Steuerverbindlichkeiten des Auftraggebers bezüglich der von ihm eingeführten Waren. Gleichzeitig kann der GST-Agent die beim Import gezahlte GST als sog. Input Tax im Namen des Auftraggebers zurückfordern. Die GST wird damit nicht zum Kostenfaktor. Auf diese Weise ist ein ausländisches Unternehmen nach wie vor in der Lage wettbewerbsfähige Preise in Malaysia anzubieten, ohne dass es der Gründung einer Tochtergesellschaft oder der Umstrukturierung des Importprozesses bedarf.

Streckengeschäfte
Ein ähnliches Problem stellt sich auch bei Geschäften, bei denen ausländische Unternehmen Waren von lokalen Vertragsherstellern kaufen und diese im Anschluss an malaysische Kunden weiterverkaufen. Da die Waren zu keinem Zeitpunkt Malaysia verlassen, werden die Lieferungen als lokale Lieferungen angesehen und unterliegen damit in vollem Umfang der GST. Die Bestellung eines GST-Agents erlaubt es auch in diesem Fall ausländischen Unternehmen, die einen Jahresumsatz von mehr als RM 500.000 erwirtschaften, malaysischen Gesetzen zu entsprechen und gleichzeitig Kosten zu sparen. Wie auch in der oben geschilderten Konstellation kann der GST-Agent die bereits gezahlte GST als Input Tax geltend machen, was wiederum verhindert, dass die GST zum Kostenfaktor wird.

Ausschreibungen
Bei der Erstellung eines Angebots an einen potentiellen Kunden sollten Unternehmen darauf achten, dass das Angebot noch keine GST ausweist. Grund hierfür ist, dass alle steuerbaren Personen die GST zum Zeitpunkt der steuerpflichtigen Lieferungen abführen müssen. Der Zeitpunkt der steuerpflichtigen Lieferung bestimmt sich in Malaysia entweder nach dem Ausstellungsdatum der Steuerrechnung oder aber nach dem Zeitpunkt der Zahlung – je nachdem, was früher erfolgt. Um eine Prüfung des Unternehmens zu vermeiden, sollte das Angebot stets ohne Beifügung einer entsprechenden Steuerrechnung abgegeben werden. Erst wenn der Vertrag tatsächlich geschlossen wird, muss diese dann ausgestellt werden.

GST-Ausblick

In seiner Rede über die Anpassung des Haushalts 2016 hat Premierminister Najib angekündigt, den derzeitigen Steuersatz von 6 % trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten beibehalten zu wollen. Allerdings hat er ebenfalls angedeutet, dass neue Strafen für solche Unternehmen, welche trotz Steuerpflicht keine Steuer abführen, eingeführt bzw. bestehende Strafen und Bußgelder erhöht werden sollen. Auch in diesem Zusammenhang ist daher mit einer erhöhten Prüfungsaktivität der Behörden zu rechnen.

Fazit

Die Einführung der GST ist im Großen und Ganzen ein voller Erfolg. Die ständige Überarbeitung und Anpassung der GST Richtlinien deutet darauf hin, dass sich die Behörden über die Kinderkrankheiten der GST im Klaren sind und diese Probleme angehen wollen. Insgesamt kann daher von einer Verbesserung der Verwaltungspraxis sowie einer Steigerung der Transparenz ausgegangen werden. Dadurch dürfte Malaysia dem Ziel, ein international konkurrenzfähiges Steuermodell einzuführen, ein ganzes Stück näher gekommen sein.

Joerg Schmidt
Luther Corporate Services Sdn Bhd
Kuala Lumpur
Telefon +60 3 21660085
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Thinakaran Thangavelloo
Luther Corporate Services Sdn Bhd
Malaysia
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Myanmar

Das Condominium Law 2016

Mehr als drei Jahre nach Veröffentlichung des ersten Entwurfs hat das Parlament Myanmars am 29. Januar 2016 das Wohnungseigentumsgesetz (The Condominium Law, Union Parliament Law No. 24/2016) verabschiedet. Nachdem Ausländern Immobiliareigentum bislang rechtlich grundsätzlich untersagt war, können sie nach dem neuen Gesetz nun erstmals Eigentum an Wohnungen in sogenannten Condominiums erwerben. 

Myanmars Immobiliarsachenrecht wird durch zahlreiche Gesetze und Verordnungen geregelt. Neben allgemeinen Bestimmungen gibt es spezielle Vorschriften, die den Erwerb, die Nutzung (zum Beispiel durch Miete oder Pacht) und die Veräußerung von Immobilien beschränken. Beschränkungen können sowohl in sachlicher – in Bezug auf die Immobilie oder Landkategorie selbst – als auch in personeller – in Bezug auf einzelne Personengruppen – Hinsicht greifen.

Gesetzliche Bestimmungen zum Grundeigentum für Ausländer

Der Erwerb und die Nutzung von Immobilien durch Ausländer sowie die Veräußerung von Immobilien an Ausländer wird im Wesentlichen durch das Transfer of Immovable Property Restriction Law 1987 beschränkt. Danach darf niemand einem Ausländer oder einer ausländischen Gesellschaft Eigentum an einer Immobilie übertragen (§ 3 Transfer of Immovable Property Restriction Law 1987). Weiterhin dürfen Ausländer und ausländische Gesellschaften kein Eigentum an einer Immobilie erwerben (§ 4 Transfer of Immovable Property Restriction Law 1987).

Auch Miet- und Pachtverträge mit Ausländern bzw. ausländischen Gesellschaften sind ausdrücklich geregelt. Gemäß § 5 a Transfer of Immovable Property Restriction Law 1987 darf niemand einem Ausländer oder einer ausländischen Gesellschaft eine Immobilie für mehr als ein Jahr überlassen, und Ausländer und ausländische Gesellschaften dürfen keine Miet- und Pachtverträge abschließen, deren Laufzeit die Dauer eines Jahres übersteigt (§ 5 b Transfer of Immovable Property Restriction Law 1987).

Zwar gibt es schon länger gesetzliche Ausnahmen von diesen Beschränkungen wie den Erwerb und die dauerhafte Nutzung von Immobilien durch diplomatischen Vertretungen und internationalen Organisationen (§ 14 Transfer of Immovable Property Restriction Law 1987) sowie durch Gesellschaften, die nach dem Special Company Act 1950 gegründet wurden und rechtlich wie myanmarische Unternehmen behandelt werden.

Die wichtigsten Sonderregelungen fanden sich bisher jedoch im Foreign Investment Law 2012 sowie im Special Economic Zone Law 2014, die für Großinvestoren jeweils Mietverträge über eine Laufzeit von 50 Jahren mit Verlängerungsoptionen von zweimal zehn Jahren bzw. einmal 25 Jahren vorsehen. Darüber hinaus kann die Myanmar Investment Commission, die für die Registrierung von ausländischen Investitionsprojekten nach dem Foreign Investment Law 2012 zuständig ist, in Ausnahmefällen auch Miet- und Pachtverträge mit einer Laufzeit von mehr als 50 Jahren bewilligen.

Condominium Law 2016

Durch das neue Condominium Law 2016 hat sich die Rechtslage für Wohnungseigentum in bestimmten Wohnanlagen (Condominiums) erheblich geändert, so dass Ausländer nunmehr Apartments erwerben können.

Ziele des Gesetzes
Die Ziele des Condominium Laws 2016 sind die Förderung der Stadtentwicklung in Myanmar, die Entwicklung eines internationalen Wohnungsmarktes, die Sicherung von Eigentumsrechten und die Förderung der Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Organisationen bei der Entwicklung von Bebauungsplänen, § 3 Condominium Law 2016.

Begründung des Wohnungseigentums
Unter den Begriff Condominium fallen gemäß § 2 a Condominium Law 2016 Gebäude, die im gemeinschaftlichen Eigentum stehen, mindestens sechs Stockwerken haben, auf einem Grundstück errichtet wurden, das ebenfalls im gemeinschaftlichen Eigentum steht und die nach dem Condominium Law 2016 registriert wurden. Umfasst sind sowohl Apartments als auch Gemeinschaftsflächen, die von allen Eigentümern genutzt werden können. Jede abweichende Nutzung bedarf der besonderen Genehmigung durch das Präsidium.

Gemeinschaftliches Eigentum umfasst nach 2 b Condominium Law 2016:

  • den gemeinschaftlichen Grundbesitz, der unter dem Condominium Law 2016 registriert ist;
  • Teile des Condominiums, einschließlich der Anlagen und Einrichtungen, die sich auf dem gemeinschaftlichen Grundstück befinden (mit Ausnahme der einzelnen Apartments); und
  • Gebäude und Anlagen, die dem Allgemeinwohlinteresse oder sozialen Zwecken dienen wie zum Beispiel Bildung, Gesundheit und Wasserversorgung.

Das Gesetz räumt sowohl dem Projektträger als auch den Eigentümern das Recht ein, bis zu 40 % der Apartments eines Condominums an Ausländer zu veräußern, §§ 15 b und 26 d Condominium Law 2016. Der Erwerb der restlichen Apartments bleibt weiterhin myanmarischen Staatsangehörigen und myanmarischen Gesellschaften vorbehalten.

Projektträger im Sinne des § 2 e Condominium Law 2016 sind lizensierte Unternehmen, Organisation oder Personen, die in die Entwicklung von Condominiums investieren. Begrifflich ausgenommen sind Banken, Finanzinstitutionen und Versicherungsgesellschaften. Eigentümer im Sinne des Gesetzes ist jede Person, die Eigentum an mindestens einem Apartment in dem Condominium erworben hat. Der Begriff umfasst auch Erben oder Rechtsnachfolger, § 2 f Condominium Law 2016.
Der Begriff des Ausländers wird durch das Condominium Law 2016 legal definiert, § 2 d Condominium Law 2016. Ein Ausländer ist demnach jede Person, die nicht Staatsbürger Myanmars ist.

Eigentumsrecht
Käufer von Apartments in einem Condominium erlangen legales Eigentum an der jeweiligen Wohnfläche, § 26 b Condominium Law 2016, und haben die folgenden Rechte:

  • Verkauf;
  • Tausch;
  • Verzicht;
  • Vermietung;
  • Verpfändung;
  • Vererbung; oder
  • schlichte Überlassung.

Bau und Registrierung eines Condominiums
Kapitel 5 des Condominium Law 2016 regelt die Registrierung eines Condominiums. Voraussetzung ist zunächst, dass jedes Condominium auf einem im Kollektiveigentum stehenden und unter dem Condominium Law 2016 registrierten Grundstück errichtet werden muss, § 9 Condominium Law 2016.

Weitere Voraussetzungen wie die Mindestanzahl der Stockwerke und Apartments, Parkplätze sowie Gemeinschaftsflächen können gemäß § 11 Condominium Law 2016 durch das Union Government Ministry of Construction festgelegt werden. Auch bestimmte bauliche Spezifikationen, insbesondere im Hinblick auf Bautechnologie und Sicherheit der Gebäude und Anlagen, sind einzuhalten, um ein Gebäude als Condominium zu registrieren.

Ausblick

Die in dem früheren Entwurf des Condominium Laws vorgesehene Beschränkung, dass Ausländer nur Apartments ab dem sechsten Stockwerk erwerben dürfen, wurde zwar aufgegeben. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie das neue Gesetz in der Praxis angewendet wird. Mangels entsprechender Verordnungen bleibt ebenfalls unklar, wie die Beschränkung des Verkaufs an Ausländer umgesetzt wird, welche nur bis zu 40 % der Apartments erwerben dürfen.

Trotz der noch offenen Fragen stellt der Erlass des Gesetzes eine positive Entwicklung hin zur Öffnung des myanmarischen Immobilienmarktes dar, indem es Ausländern erstmals den Erwerb von Grundeigentum gestattet.

Nicole Schwiegk
Luther Law Firm Limited
Yangon, Myanmar
Telefon +95 1 230 1609
nicole.schwiegk@luther-lawfirm.com



Fabian Lorenz, M.A.
Luther Law Firm Limited
Yangon, Myanmar
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Schiedsgerichtsbarkeit in Myanmar

Am 5. Januar 2016 hat das myanmarische Parlament das lang erwartete Schiedsgerichtsbarkeitsgesetz (The Arbitration Law, Union Parliament Law No. 5/2016) erlassen. Es ersetzt den Arbitration Act 1944 und dient insbesondere der nationalen Umsetzung der New York Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards von 1958 (kurz „New York Convention“), so dass nunmehr auch der formelle rechtliche Rahmen für die Anerkennung und Durchsetzung internationaler Schiedssprüche geschaffen wurde.

Vor Erlass des neuen Arbitration Law 2016 war die Durchführung von Schiedsverfahren in Myanmar problematisch und insbesondere die Durchsetzung internationaler Schiedssprüche praktisch unmöglich. Der Arbitration Act 1944 galt lediglich für innerstaatliche Schiedsverfahren und gewährte den ordentlichen Gerichten umfangreiche Befugnisse und sogar das Recht, Schiedssprüche zu widerrufen oder Schiedsrichter ihres Amtes zu entheben.

Schon lange entsprach der Arbitration Act 1944 damit nicht mehr den internationalen Standards. Zwar wurde Myanmars Unterzeichnung der New York Convention im April 2013 gemeinhin als wesentlicher Schritt zur Anerkennung und Durchsetzbarkeit internationaler Schiedssprüche gewürdigt. An einer Umsetzung in nationales Recht fehlte es jedoch bis
Januar 2016, was stets Zweifel an der Zulässigkeit internationaler Schiedsverfahren und der Durchsetzbarkeit internationaler Schiedssprüche bestehen ließ.

Das Arbitration Law 2016

Drei Jahre nach Unterzeichnung der New York Convention hat das Parlament mit dem Erlass des Arbitration Law 2016 dieses internationale Abkommen in innerstaatliches Recht umgesetzt und das alte Arbitration Law 1944 ersetzt. Grundlage für das neue Gesetz war das UNCITRAL (United Nations Commission on International Trade Law’s) Model Law on International Commercial Arbitration 1985.

Überblick
Ziel des neuen Arbitration Law 2016 ist die faire und effektive Beilegung innerstaatlicher und internationaler kommerzieller Streitigkeiten, die Anerkennung und Durchsetzung ausländischer Schiedssprüche sowie die Förderung der Streitbeilegung im Rahmen des Schiedsverfahrens (§ 4 Arbitration Law 2016).

Ausländische Investoren haben nun die Möglichkeit, Streitigkeiten mit myanmarischen Parteien im Rahmen eines neutralen (internationalen) Schiedsverfahrens unter Anwendung ausländischen Rechts beizulegen. Das Gesetz enthält unter anderem Regelungen über die vertragliche Form der Schiedsvereinbarung (Kapitel 4), die Zusammensetzung
(Kapitel 5) und Zuständigkeit (Kapitel 6) des Schiedsgerichts, die Durchführung des Schiedsverfahrens (Kapitel 7) sowie Bestimmungen zum Schiedsspruch und die Beendigung von Verfahren durch Vergleich (Kapitel 8). Darüber hinaus sind die Befugnisse der myanmarischen Gerichte in nationalen Schiedsverfahren (Kapitel 9) sowie die Anerkennung und Durchsetzung ausländischer Schiedssprüche geregelt (Kapitel 10).

Anwendungsbereich
Eine Schiedsvereinbarung unterliegt dem Arbitration Law 2016, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens Myanmar ist (§ 2 a Arbitration Law 2016). Sofern der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Ausland liegt oder noch nicht bestimmt ist, gelten §§ 10, 11, 30, 31 oder Kapitel 10 des Gesetzes (§ 2 b Arbitration Law 2016).

Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
Der Begriff der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist in dem neuen Arbitration Law 2016 legal definiert, § 3 i Arbitration Law 2016. Danach finden die Bestimmungen zum internationalen Schiedsverfahren Anwendung, wenn:

  • zum Zeitpunkt der Schiedsvereinbarung eine Partei ihren Geschäftssitz in einem anderen Land als in Myanmar hat;
  • nach Vereinbarung der Parteien der Ort des Schiedsverfahrens außerhalb des Landes liegt, in welchem die Parteien ihren Geschäftssitz haben;
  • die wesentlichen geschäftlichen Beziehungen im Ausland ausgeführt werden; oder
  • die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, dass der schiedsrichterliche Streitgegenstand Verbindungen zu mehr als nur einem Land hat.

Liegen die oben genannten Voraussetzungen zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit vor, hat das Schiedsgericht die Streitigkeit nach dem Recht zu entscheiden, das von den Parteien gewählt wurde, § 32 a Abs. 2 aa Arbitration Law 2016. Wurde keine Rechtswahl getroffen, wird das anwendbare Recht durch das Schiedsgericht bestimmt, § 32 a Abs. 2 cc Arbitration Law 2016.

Kapitel 10 des Arbitration Law 2016 regelt die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche. Gemäß § 46 a Arbitration Law 2016 ist ein ausländischer Schiedsspruch wie ein Gerichtsurteil zu vollstrecken. Lediglich unter bestimmten Voraussetzungen kann die Vollstreckung des Schiedsspruches abgelehnt werden, § 46 b Arbitration Law 2016. Darüber hinaus hat das Gericht gemäß § 46 c Arbitration Law 2016 die Möglichkeit, die Vollstreckung auszusetzen, wenn es der Ansicht ist, dass

  • der Streit zwischen den Parteien in Myanmar nicht der Schiedsgerichtsbarkeit unterliegt; oder
  • die Vollstreckung des Schiedsspruches den nationalen Interessen Myanmars widerspricht.

Gegen einen entsprechenden Beschluss des Gerichts stehen den Parteien Rechtsbehelfe zur Verfügung, § 47 a3 Arbitration Law 2016.

Innerstaatliche Schiedsgerichtsbarkeit
Für den Begriff der innerstaatlichen Schiedsgerichtsbarkeit („domestic arbitration“) hat der myanmarische Gesetzgeber ebenfalls eine Legaldefinition geschaffen. Danach finden die Regelungen zur innerstaatlichen Schiedsgerichtsbarkeit auf alle Verfahren Anwendung, die nicht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit unterliegen.

Innerstaatliche Schiedsverfahren unterliegen grundsätzlich den Rechtsvorschriften Myanmars, § 32 a Abs. 1 Arbitration Law 2016. Anders als für internationale Schiedsverfahren gewährt das Arbitration Law 2016 den myanmarischen Gerichten weitergehende Befugnisse in Bezug auf innerstaatliche Schiedssprüche. Jede Partei kann bei den ordentlichen Gerichten einen Antrag auf Entscheidung einer Rechtsfrage stellen, sofern Bedenken gegen den innerstaatlichen Schiedsspruch bestehen und ein Rechtsbehelf vor den ordentlichen Gerichten nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, § 42 a Arbitration Law 2016.

Die Vollstreckung innerstaatlicher Schiedssprüche folgt den Regelungen über die Vollstreckung von Urteilen im Code of Civil Procedures 1909.

Aussichten

Auch wenn abzuwarten bleibt, wie die Vollstreckung internationaler Schiedssprüche in der Praxis ablaufen wird, stellt der Erlass des Arbitration Law 2016 eine willkommene und positive Entwicklung dar, die ausländische Investitionen in Myanmar weiter fördern wird.

Nicole Schwiegk
Luther Law Firm Limited
Yangon, Myanmar
Telefon +95 1 230 1609
nicole.schwiegk@luther-lawfirm.com



Fabian Lorenz, M.A.
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Singapur

Singapore Budget 2016

Schwächelnde Wirtschaft, steigende Kosten, Arbeitskräftemangel (vor allem in der Service Industrie) und volatile globale Märkte prägen den wirtschaftlichen Alltag in Singapur. Die Ökonomen haben zwar keine über das Jahr andauernde Rezession vorausgesagt, aber immerhin eine deutliche Verlangsamung des Wachstums. In diesem Umfeld war Singapur gefordert, ein geeignetes und dennoch ausgewogenes Budget zu verabschieden. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen („KMUs“) erwarten in einem schwierigen Marktumfeld erhebliche Erleichterungen, welche die Regierung dieses Mal allerdings schuldig blieb.

Unternehmensbesteuerung

Der Körperschaftssteuersatz verbleibt bei 17 %. Auf die ersten SGD 300.000 Profit wird nur knapp der halbe Betrag veranlagt. Außerdem wird ein weiterer Nachlass auf die Körperschaftssteuer von 50 % gewährt, allerdings bis zu einem Maximalbetrag von SGD 20.000.

Die Obergrenze der Mergers & Acquisition Allowance wurde auf SGD 40 Mio. angehoben. Auf diesen Betrag gibt es eine 25 % ige Abschreibungsmöglichkeit sowie eine Befreiung von der Stempelsteuer (Stamp Duty).

Die Klarstellungsregel zur Steuerbefreiung auf Gewinne aus der Veräußerung von Equity Investitionen wird bis 2022 verlängert. Die Bedingungen bleiben gleich: 20 % Anteile müssen für mindestens 2 Jahre gehalten werden, um die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen zu können.

Die doppelte Steuerabzugsfähigkeit von Ausgaben zwecks Geschäftsentwicklung außerhalb Singapurs sowie für Investitions- und Informationsreisen wird bis 2020 verlängert.

Unternehmen, welche eine Abschreibung für erworbenes geistiges Eigentum in Anspruch nehmen, müssen nunmehr entscheiden, ob sie einen Abschreibungszeitraum von 5, 10 oder 15 Jahren wünschen. Hinzu kommt, dass die Steuerbehörde nunmehr die Abschreibungen am Marktpreis adjustieren kann, wenn der vereinbarte Preis höher oder geringer war.

Die erheblichsten Änderungen werden im Bereich der Innovations- und Automatisierungsförderung stattfinden. Der Productivity und Innovation Credit (PIC) (bis 400 % steuerliche Berücksichtigung von Investitionen) wird nicht über das Jahr 2018 verlängert. Schon in diesem Jahr wird die Möglichkeit einer Barauszahlung von 60 % auf 40 % reduziert.
Immerhin können Unternehmen, die Investitionen unter dem Automation Support Package tätigen, 100 % ihrer Aufwendungen bis zu einem Maximalbetrag von SGD 10 Mio. pro Projekt abschreiben.

Im Kern soll der PIC durch das neue Industry Transformation Programme ersetzt werden. Dieses soll Unternehmen besser in die Lage versetzen zu modernisieren und zu internationalisieren. Die wesentlichen Elemente sind:

  • Um tatsächliche Hürden zu Förderungen und Subventionen zu reduzieren, ist beabsichtigt, im vierten Quartal dieses Jahres ein Portal aufzusetzen, welches die Zugänge zu allen vorhandenen öffentlichen Förderungen bündeln wird. Die Ansprache verschiedener Behörden soll dann nicht mehr notwendig sein.
  • Ein neues Programm zur Förderung von Automatisierung soll aufgelegt werden, bei welchem die Regierung bis zu 50 % der Kosten mit einer maximalen Höhe von SGD 1 Mio. übernimmt. Flankiert wird dieses Programm, wie oben erwähnt, durch eine 100 %ige Abschreibungsmöglichkeit von Investitionen in Automatisierungsausstattungen.
  • Um den Zugang zu notwendigen Finanzierungen zu vereinfachen, wird das Scheme zur Übernahme von Kreditrisiken ausgeweitet. Möglich ist nun die Übernahme von 50 % bis 70 % des Kreditrisikos von KMUs bei der Finanzierung von Automatisierungsprojekten.
  • Eine National Trading Plattform soll entwickelt werden, auf welcher Unternehmen und Behörden verfügbare Informationen frei austauschen können und sollen.
  • SGD 450 Mio. werden für das National Robotics Programme zur Verfügung gestellt.
  • Erwähnenswert ist ferner SG-Innovate: Diese neu zu gründende Organisation soll die Bereiche Smart Energy, Digital Manufacturing, Fintech, Digital Health und Internet of Things in Singapur fördern.

Nicht nur für Automatisierung, sondern auch die Vergabe von Krediten an KMUs zwecks Bestreitung der alltäglichen operativen Kosten soll durch ein neues Kreditprogramm gefördert werden. Hiernach würde der der Staat 50 % des Ausfallrisikos für derlei Kredite, bis hin zu einer maximalen Kreditsumme von SGD 300.000 übernehmen.

Auch wird die Land Intensification Allowance erweitert. Nunmehr werden auch Gebäude mit mehr als einem qualifizierten Geschäftsbereich erfasst.

Steuererklärungen müssen künftig in elektronischer Form abgegeben werden. Für Unternehmen mit einem Umsatz über SGD 10 Mio. gilt dies bereits für das Veranlagungsjahr 2017, für kleinere Unternehmen erst 2018.

Erwähnenswert ist ferner das IPC Partnership Programm (BIPS), bei dem Unternehmen 250 % der Kosten und Aufwendungen als Abzug steuerlich geltend amchen können, wenn sie Mitarbeiter wzecks Unterstützung gemeinnütziger Organisationen an selbige abstellen. Pro Organisation können pro Jahr maximal SGD 50.000 geltend gemacht werden, insgesamt jährlich nicht mehr als SGD 250.000.

Individualbesteuerung

Die progressiven Steuersätze für natürliche Personen verbleiben unverändert. Der Spitzensteuersatz steigt - wie bereits letztes Jahr angekündigt - auf 22 %.

Auch der letzte verbleibende Steuervorteil für ausländische Arbeitskräfte, die Steuervergünstigung auf vom Arbeitgeber gezahlte Heimflüge, wird aufgehoben.

Tax Incentives

Finanzsektor
Finance and Treasury Centre: Die bestehende Incentive wird bis 2021 verlängert. Der Steuersatz wurde sogar auf 8 % reduziert. Auch der Anwendungsbereich wird auf Zinszahlungen auf Einlagen von verbundenen Unternehmen erweitert.

Trust Gesellschaften: Die Förderung für Trust Gesellschaften wird künftig in der Financial Sector Incentive aufgehen. Der Steuersatz verbleibt bei 12 %.

Versicherungsgesellschaften: Die bestehenden Förderungen werden unter einem Scheme für Insurance Business Development (IBD) zusammengefasst.

Global Trader Programme (Structured Commodity Finance): Die begünstigten Aktivitäten werden wie folgt erweitert: Konsolidierung, Management und Distribution; M&A Beratung; Streaming und Finance.

Schifffahrt
Maritime Sector Incentive: Einkommen aus Schiffen zur Erforschung und Erhebung von Off-Shore Energie und Off-Shore Mineralien werden von nun an erfasst. Gleiches gilt, wenn solche Schiffe geleast sind. Qualifying Counterparties sind nicht mehr erforderlich.

Andere Incentives
Das Approved Investment Company Scheme wurde abgeschafft. Auch die Incentive für Commodities Trading via Consignment Arragements wurde abgeschafft.
Die Non – Profit Organisation Tax Incentive wurde bis 2022 verlängert.

Sonstiges
Special Employment Credit: Der Special Employment Credit wurde bis auf das Jahr 2019 velängert. Es handelt sich hier um einen staatlichen Zuschuss auf Gehälter von singapurischen Mitarbeitern, die älter als 55 Jahre sind und weniger als SGD 4.000 pro Monat verdienen. Der Zuschuss variiert zwischen 3 % und 8 %. Dabei gilt grundsätzlich, dass der Zuschuss umso höher ausfällt, je älter der Mitarbeiter ist. Bei der Anstellung von Personen mit Behinderungen wird ein Zuschuss von bis zu 16 % gewährt.

Die Erhöhung der Strafabgabe für die Anstellung ausländischer Arbeitnehmer wurde für den Schifffahrtsbereich um ein Jahr verschoben.

Dr. Knut Unger
Luther LLP
Singapur
Telefon +65 6408 8007
knut.unger@luther-lawfirm.com



Wesentliche Änderungen des Arbeitsrechts in Singapur

Seit dem 1. April 2016 sind Arbeitgeber in Singapur verpflichtet, den unter dem Arbeitsgesetz geschützten Arbeitnehmern eine detaillierte Gehaltsabrechnung sowie die wichtigen Parameter des Anstellungsverhältnisses in schriftlicher Form auszuhändigen. Arbeitgeber müssen ferner Personalakten führen und für bestimmte Dauer aufbewahren.

Das Arbeitsrecht wird in Singapur in erster Linie durch den Employment Act (nachfolgend das „Arbeitsgesetz“) geregelt. Bisher konnten Arbeitsverträge mündlich geschlossen werden und es gab keine Verpflichtung, den Angestellten detaillierte Lohnabrechnungen auszuhändigen. Das hat häufig zu Missverständnissen und ungerechter Behandlung von Arbeitnehmern geführt. Die neue Regelung soll nun helfen Missverständnisse zu vermeiden, Klarheit in Bezug auf die Konditionen des Arbeitsverhältnisses zu schaffen und die Arbeitnehmer mit der detaillierten Lohnabrechnung in die Position zu versetzen, die Lohnabrechnung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Die nun erfolgten Änderungen folgen einer Reihe anderer in den letzten Jahren, die ebenfalls den besseren Schutz von Arbeitnehmern zum Ziel hatten. Arbeitgeber sollten Vertragsmuster, Handbücher und andere Richtlinien sowie die Führung und Verwaltung der Personalakten prüfen, um die Einhaltung der gestiegenen Anforderungen sicherzustellen.

Neue Pflichten der Arbeitgeber

Arbeitgeber haben ab dem 1. April 2016 folgende neue Pflichten:

Detaillierte Gehaltsabrechnung
Die Gehaltsabrechnung gegenüber den Arbeitnehmern, die vom Arbeitsgesetz erfasst sind, muss mindestens einmal monatlich in Schriftform erfolgen. Sie kann elektronisch übermittelt oder physisch übergeben werden und kann auch handschriftlich erstellt sein. Die Gehaltsabrechnung muss zeitlich zusammen mit der Gehaltszahlung erfolgen, spätestens 3 Tage danach.

Die Lohnabrechnung muss folgende Bestandteile – soweit sie für das konkrete Arbeitsverhältnis relevant sind – enthalten:

  • Name des Arbeitgebers
  • Name des Arbeitnehmers
  • Datum der Gehaltszahlung
  • Grundgehalt und bei Stundenlohn oder anderen Spezialraten, der Stundenlohn oder andere Kriterien
  • Zuschüsse
  • Zusätzliche Zahlungen (z.B. Bonus)
  • Kompensation für Arbeit an Ruh- oder Feiertagen
  • Abzüge (z.B. „Central Provident Fund“ – das singapurische Äquivalent der BfA–, oder unbezahlter Urlaub)
  • Anzahl geleisteter Überstunden und Überstundentarif
  • Summe des ausbezahlten Gehaltes

Schriftform für „Key Employment Terms“ erforderlich
Bis vor kurzem war es noch möglich, Arbeitsverträge mündlich oder konkludent abzuschließen. Für Arbeitsverhältnisse, die ab dem 1. April 2016 für eine Dauer von mindestens 14 Tagen geschlossen werden, ist es erforderlich, die „Key Employment Terms“ (nachfolgend „KET“) schriftlich festzulegen. Die Festlegung kann im individuellen Arbeitsvertrag erfolgen, in Bezug auf KET die auf mehrere Mitarbeiter Anwendung finden aber auch in einem Mitarbeiterhandbuch oder Richtlinien, die an die Angestellten übergeben werden oder ihnen über das Intranet leicht zugänglich sind.

Folgende KET sind schriftlich festzuhalten, soweit sie für das Arbeitsverhältnis relevant sind:

  • Vollständiger Name des Arbeitgebers
  • Vollständiger Name des Arbeitnehmers
  • Tätigkeitsbezeichnung
  • Beschreibung des Aufgabenbereiches
  • Beginn des Arbeitsverhältnisses
  • Dauer des Arbeitsverhältnisses (bei befristeten Verträgen)
  • Arbeitszeiten, Ruhetage
  • Gehaltsabrechnungszeitraum
  • Grundgehalt
  • Zuschüsse
  • Abzüge
  • Für welchen Zeitraum Überstunden vergütet werden
  • Überstundenvergütung
  • Andere gehaltsrelevante Komponenten (z.B. Bonus)
  • Urlaubstage, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (letztere ist in Singapur nicht gesetzlich geregelt)
  • Medizinische Leistungen
  • Probezeit
  • Kündigungsfrist

Aufbewahrung von Personalunterlagen
Arbeitgeber sollen auch Personalakten schriftlich führen und verwahren. Dies kann elektronisch oder physisch (inklusive handschriftlich) erfolgen. Die Personalakte soll letztlich alles enthalten, was für die Lohnabrechnung erforderlich ist, sowie die folgenden Daten:

  • Wohnanschrift des Arbeitnehmers
  • Personalausweisnummer im Fall lokaler Mitarbeiter und „Foreign Identification Number (FIN)“ für ausländische Arbeitnehmer sowie Ablaufdatum
  • Geburtsdatum
  • Geschlecht
  • Start- und Enddatum des Arbeitsverhältnisses
  • Arbeitszeiten (inklusive Pausen)
  • Urlaubs- und Feiertagsdaten

Die Unterlagen müssen in Bezug auf andauernde Arbeitsverhältnisse jeweils für die letzten zwei Jahre aufbewahrt werden. Nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, müssen die Unterlagen der letzten zwei Jahre vor Beendigung für ein weiteres Jahr aufbewahrt werden.

Die Verpflichtung besteht in Bezug auf alle Arbeitnehmer, die vom Arbeitsgesetz erfasst sind.

Umsetzungsfrist

Die neuen Regelungen sind ab dem 1. April 2016 in Kraft. Dessen ungeachtet hat das singapurische Arbeitsministerium, das „Ministry of Manpower“ (nachfolgend “MOM”), eine einjährige „Schonfrist“ angekündigt. Insbesondere bei kleinen Betrieben, denen die Umsetzung schwer falle, wolle man bei Verstößen gegen die Regelungen nicht hart durchgreifen, sondern eher aufklären und die Umsetzung unterstützen. Auf eine solch schonende Behandlung sollte man sich aber nicht verlassen und stattdessen die neuen Anforderungen beachten.

Wer ist betroffen?

Die Änderungen gelten in Bezug auf Arbeitnehmer, die vom Arbeitsgesetz geschützt sind. Grundsätzlich sind sowohl lokale als auch ausländische Arbeitnehmer vom Arbeitsgesetz geschützt, mit Ausnahme von Angestellten in leitender Position mit einem monatlichen Grundgehalt von über SGD 4.500, sowie Seefahrern, Haushaltshilfen und von Staatsbediensteten. Einfache Büroangestellte mit geringem Gehalt sind zum Beispiel vom Arbeitsgesetz geschützt, gut ausgebildete Mitarbeiter in Führungspositionen mit einem monatlichen Gehalt über
SGD 4.500 nicht.

Folgen bei Verletzung der Pflichten

In der Vergangenheit wurden sämtliche Verstöße gegen das Arbeitsgesetz als Straftat mit teils hohen Strafen geahndet. Das Arbeitsgesetz sieht nun vor, dass weniger gravierende Verstöße als zivilrechtliche Verstöße behandelt werden. Liegt ein Verstoß vor, wird eine vergleichsweise geringe Verwaltungsstrafe fällig. Folgende Verstöße werden als zivilrechtliche Widerhandlung behandelt:

  • Versäumnis, Gehaltsabrechnungen an die vom Arbeitsgesetz geschützten Arbeitnehmer auszuhändigen
  • Versäumnis, die wesentlichen Vertragsbedingungen (KETs) schriftlich an die vom Arbeitsgesetz geschützten Arbeitnehmer auszuhändigen
  • Versäumnis, Personalakten zu führen und aufzubewahren
  • Falsche Informationen an den “Commissioner for Labour“ oder an untersuchende Beamte ohne betrügerische Absicht zu geben

Die Höhe der Verwaltungsstrafen betragen SGD 100 bis SGD 200 pro Mitarbeiter oder Vorfall. Arbeitgeber können darüber hinaus angehalten werden die Verstöße zu berichtigen. Bei Nichtbeachtung der Anweisungen wird die Widerhandlung zu einer Straftat, wobei Strafen bis zu SGD 10.000 oder Gefängnisstrafen bis zu 12 Monaten drohen.

Weitere wesentliche Änderungen im Arbeitsrecht

Beschwerde wegen ungerechtfertigter Kündigung
Bereits seit dem 1. April 2014 haben Arbeitnehmer in Singapur stark erweiterte Möglichkeiten, gegen eine ungerechtfertigte Kündigung vorzugehen. Vom Arbeitsgesetz geschützte Arbeit-nehmer können in Fällen ordentlicher sowie außerordentlicher Kündigungen aus wichtigem Grund beim MOM Beschwerde einreichen, wenn sie der Meinung sind, dass die Kündigung nicht gerechtfertigt war. Die Beschwerde muss innerhalb eines Monats ab der Kündigung beim MOM eingehen. Sofern der Minister davon überzeugt ist, dass es sich um eine ungerechtfertigte Kündigung handelt, kann er folgendes anordnen:

  • Wiedereinstellung des Mitarbeiters, oder
  • Zahlung einer Entschädigungssumme

Leitende Angestellte und Führungskräfte (mit einem Gehalt unter SGD 4.500 monatlich, andernfalls sind sie nicht vom Arbeitsgesetz geschützt) müssen seit mindestens 12 Monaten angestellt sein, um gegen eine ordentliche Kündigung vorgehen zu können. Bei fristlosen Kündigungen aus wichtigem Grund genießen Führungskräfte denselben Schutz wie andere vom Arbeitsgesetz geschützte Arbeitnehmer.

Vor dem 1. April 2014 hatten leitende Angestellte und Führungskräfte (sogenannte „Professionals, Managers and Executives”) keine Möglichkeit, eine solche Beschwerde gegen
ungerechtfertigte Kündigungen einzulegen. Für die  anderen vom Arbeitsgesetz geschützten Angestellten war eine Beschwerde nur bei fristloser Kündigung aus wichtigem Grund möglich.

Die Erweiterung der Beschwerdemöglichkeit auf ordentliche Kündigungen, die fristgerecht erfolgen, stellt eine erhebliche Änderung des Arbeitsrechts Singapurs dar. Während es noch immer nicht erforderlich ist, bei ordentlichen Kündigungen einen Kündigungsgrund zu nennen, sollte ein solcher aber vorliegen und entsprechend in der Personalakte dokumentiert sein. Sofern der Arbeitnehmer gegen die Kündigung Beschwerde einlegt, können Arbeitgeber dann den Grund darlegen und eben darstellen, dass die Kündigung gerechtfertigt war. Arbeitgeber sollten daher Unterlagen aufbewahren, die beweisen, dass die Kündigung gerecht und fair war. So sollten Verstöße des Arbeitnehmers gegen die Anstellungsbedingungen in der Personalakte festgehalten werden (z.B. wiederholte Verspätungen). Das Gleiche gilt für Verwarnungen des Mitarbeiters und Aufforderungen an den Mitarbeiter die Leistung zu verbessern.

Employment Claims Tribunal
Bis Mitte 2016 soll ein spezielles Arbeitsgericht errichtet werden (sogenanntes „Employment Claims Tribunal“ und nachfolgend “ECT”). Das ECT soll eine effiziente, günstige und schnelle Plattform für gehaltsrelevante Auseinandersetzungen bieten.

Aktuell liegt die Zuständigkeit für Streitigkeiten betreffend gehaltsrelevanter Klagen zwischen den vom Arbeitsgesetz geschützten Arbeitnehmern und Arbeitgebern beim „Labour Court“, das unter der Aufsicht des MOM steht. Arbeitnehmer, die nicht vom Arbeitsgesetz geschützt sind, können nur vor ordentlichen Zivilgerichten klagen, was länger dauert und vor allem sehr teuer ist.

Die genauen Eckdaten des ECT stehen noch nicht fest. Basierend auf dem entsprechenden Konsultationspapier, das vom MOM mit der Bitte um Feedback veröffentlicht wurde, darf folgendes vom ECT erwartet werden:

  • ECT wird nur gehaltsrelevante Streitigkeiten behandeln
  • ECT steht grundsätzlich sämtlichen Arbeitnehmern offen, auch solchen, die nicht unter den Schutzbereich des Arbeitsgesetzes fallen (ausgenommen sind aber Staatsbeamte, Haushaltshilfen und Seefahrer)
  • ECT steht auch Arbeitgebern offen, die einen Zahlungsanspruch gegen Arbeitnehmer geltend machen möchten
  • ECT wird Teil des normalen singapurischen Gerichtssystems und nicht mehr dem MOM unterstehen; es soll den „Labour Court“ des MOM ersetzen
  • Vor Erhebung einer Klage vor dem ECT muss zwingend ein Mediationsverfahren durchlaufen werden
  • Klagen sind möglich bei Streitwerten bis zu maximal SGD 20.000 bzw. SGD 30.000, je nachdem welches Mediationsforum durchlaufen wurde
  • Fristen: Klagen müssen innerhalb von 12 Monaten seit Entstehung der Streitigkeit eingereicht werden oder innerhalb von 6 Monaten seit Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Was ist zu tun?

Um Streitigkeiten zu vermeiden und gegen allfällige Klagen gerüstet zu sein, empfehlen wir die neuen Anforderungen zügig umzusetzen, sofern noch nicht geschehen. Wir raten auch dazu, Gehaltsabrechnungen sowie KETs an sämtliche Mitarbeiter auszugeben, ungeachtet der Tatsache, ob diese vom Arbeitsgesetz geschützt sind oder nicht. Derzeit genutzte Vertragsmuster, Mitarbeiterhandbücher und Lohnabrechnungsformulare sollten auf Vollständigkeit hin überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Zuletzt sollten Arbeitgeber die zuständige Personalabteilung instruieren, die erforderlichen Personalakten zu führen und aufzubewahren.

Auch im Hinblick auf den verbesserten Schutz gegen Kündigungen und die Einführung des ECT, die zu einer Zunahme an arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen führen werden, sollten die Personalakten gut geführt und aufbewahrt werden und die Verträge und Mitarbeiterhandbücher sorgfältig erstellt sein. Klare Regelungen im Vertrag und Mitarbeiterhandbuch schützen schließlich auch die Arbeitgeber vor unberechtigter Inanspruchnahme.

Birgitta von Dresky
Partnerin
Luther LLP
Singapur
Telefon +65 6408 8008
birgitta.von.dresky@luther-lawfirm.com

Nicole Huber, MLAW
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