28.07.2025
Mit Urteil vom 6. März 2025 – IX ZR 209/23 hat sich der BGH zur sekundären Darlegungslast im Anfechtungsprozess geäußert. Im Ergebnis war es besonders verdächtig, dass die Anfechtungsgegner – als der Schuldnerin nahestehende Personen – zu einer Kaufpreiszahlung nicht näher vorgetragen haben. Ihre Nichterklärung führte dazu, dass der diesbezügliche Vortrag der Kläger (Gläubiger) im Prozess als zugestanden zu werten war und der BGH deshalb das Urteil der Vorinstanz aufhob.
Sachverhalt
Die Kläger begehrten von den Beklagten die Duldung der Zwangsvollstreckung in ihre jeweiligen Miteigentumsanteile an zwei Grundstücken in Baden-Baden. Sie waren Inhaber von zwei vollstreckbaren Forderungen gegen die Schuldnerin, in Höhe von rund EUR 1,76 Mio. und in Höhe von rund TEUR 700. Die Forderungen basierten auf Bürgschaften der Schuldnerin zur Sicherung von Forderungen aus Leasinggeschäften.
Bei der Schuldnerin handelte es sich um die Mutter der Beklagten zu 1) und Schwiegermutter des Beklagten zu 2). Im Oktober 2016 veräußerte die Schuldnerin ein vermietetes Grundstück an die Beklagten zu je hälftigem Miteigentum für TEUR 650. Im Jahr 2017 veräußerte sie zudem ein selbst genutztes Wohnhaus an die Beklagte zu 1) für TEUR 600. Diese übertrug einen hälftigen Eigentumsanteil an den Beklagten zu 2).
Nach Auffassung der Kläger haben die Beklagten ihre jeweiligen Miteigentumsanteile an den Grundstücken in anfechtbarer Weise erlangt. Die Zahlung der notariell vereinbarten Kaufpreise wurde von den Klägern bestritten.
Die Vorinstanzen hatten die Anfechtbarkeit der Eigentumsübertragungen nach dem Anfechtungsgesetz jedoch verneint. Die Klageabweisung wurde insbesondere damit begründet, dass die Kläger nicht den Nachweis geführt hätten, dass die Beklagten bei der Eigentumsübertragung den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin kannten. Zwar könne das persönliche Näheverhältnis der Beklagten zur Schuldnerin gerade bei einem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ein gewichtiges Beweisanzeichen für die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz sein. Die Beklagten seien einer etwaigen sekundären Darlegungslast zum Hintergrund der beiden Grundstückskäufe jedoch nachgekommen. Weitergehendes Vorbringen – etwa zu den Kaufpreiszahlungen – sei von ihnen im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht zu verlangen gewesen. Dies sah der BGH anders.
Zur Stellung als „nahestehende Person“ (auch juristische Person) im Überblick
§ 138 InsO definiert den Begriff der „nahestehenden Person“. Gemeint sind damit Personen, die aus persönlichen, gesellschaftsrechtlichen oder ähnlichen Gründen eine besondere Informationsmöglichkeit über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners haben. Ist der Schuldner eine juristische Person (z.B. GmbH, KG, AG, SE) erfasst die Norm nicht nur die Mitglieder der Vertretungs- und Aufsichtsorgane, sondern auch persönlich haftende Gesellschafter, Anteilseigner mit einer Beteiligung von mehr als 25 % sowie etwaige Mittelspersonen. Für nahestehende Personen im Sinne von § 138 InsO gelten besondere Beweislastregeln, die in prozessualer Hinsicht eine Verteidigung gegen Anfechtungsansprüche deutlich erschweren (aber nicht unmöglich machen).
Das Urteil
Die Beklagten hätten näher zur Zahlung der in den notariellen Kaufverträgen vereinbarten Kaufpreise vortragen müssen. Sie waren aber nicht gehalten, die Zahlungen auch zu belegen.
Eine sekundäre Darlegungslast treffe den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung habe, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar sei, nähere Angaben zu machen. Dem Bestreitenden obliege es im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Nachforschungen zu unternehmen, wenn ihm dies zumutbar sei. Die sekundäre Darlegungslast führe jedoch weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des in Anspruch Genommenen, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Genüge der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gelte die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 ZPO als zugestanden.
Die Auferlegung einer sekundären Darlegungslast zu Vorgängen, die außerhalb des Wahrnehmungsbereichs der anderen Partei liegen, komme in Betracht, wenn die darlegungs- und beweisbelastete Partei greifbare Anhaltspunkte für die Richtigkeit der von ihr aufgestellten Behauptung liefere. So lag die Sache hier.
Die Kläger hatten behauptet, dass die Beklagten die in den Kaufverträgen vereinbarten Kaufpreise tatsächlich nicht gezahlt hätten und hierzu greifbare Anhaltspunkte vorgetragen. Dazu gehörte, dass die Schuldnerin 2021 in einem anderen Rechtsstreit erklärt hatte, über kein nennenswertes Vermögen mehr zu verfügen. Das ziehe eine entgeltliche Veräußerung der Grundstücke wenige Jahre zuvor in Zweifel. Die Kläger haben damit der Sache nach eine unentgeltliche Leistung behauptet, die insbesondere unter dem Gesichtspunkt eines zum Schein vorgeschobenen Verkehrsgeschäfts für die subjektiven Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 3 Abs. 1 AnfG sprechen würde. Gerade bei Verträgen zwischen nahestehenden Personen besteht die Gefahr, dass sie bloße Scheingeschäfte darstellen, um Gegenstände vor dem Zugriff der Gläubiger zu schützen. Vor diesem Hintergrund war es den Beklagten zumutbar, nähere Angaben zu den tatsächlichen Zahlungsflüssen zu machen und darzulegen, ob und in welcher Höhe die vereinbarten Kaufpreise gezahlt wurden.
Fazit
Vermögensübertragungen an nahestehende Personen sind stets „besonders verdächtig“. Die Anforderungen an die Verteidigung gegen Anfechtungsansprüche sind in materiellrechtlicher und prozessualer Hinsicht hoch.
Auf Unternehmensebene wird nicht selten verkannt, dass (auch mittelbaren) Gesellschaftern und handelnden Organen als „nahestehende Personen“ ein Anfechtungsrisiko drohen kann. Dieses Risiko kann jedoch durch die konsequente Einhaltung der Anforderungen an ein Bargeschäft reduziert werden. Der Leistungsaustausch muss demnach wertmäßig einem Drittvergleich stand halten und in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgen. Dies ist im Streitfall darzulegen und zu beweisen.
Christiane Kühn, LL.M. (Hong Kong)
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