14.01.2021

Newsflash | 01.2021

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Healthcare & Life Science

LG Dortmund: Keine Aufnahmepflicht für Coronatest-Verweigerer

Ein Krankenhaus muss einen behandlungsbedürftigen Patienten nicht stationär aufnehmen, wenn dieser die Mitwirkung an einem Corona-Test verweigert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine akute Lebensgefahr vorliegt, entschied das Landgericht Dortmund mit Beschluss vom 4. November 2020 (Az.: 4 T 1/20).

Sachverhalt

Das Landgericht hatte über den Fall der Aufnahme einer schwangeren Patientin wegen starker Schmerzen in der linken Niere in der Notaufnahme eines Klinikums zu entscheiden. Die Erstuntersuchung verlangte nach einer Vorstellung in einem anderen Krankenhaus zwecks weiterführender diagnostischer Aufklärung, wo die Patientin stationär aufgenommen werden sollte. Die Krankenhausaufnahme verlangte von ihr, sich auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 testen zu lassen. Die Patientin lehnt dies ab unter Verweis darauf, dass sie dafür keine rechtliche Grundlage sehe und nach ihren aus dem Internet bezogenen Informationen die Testkits nicht in der Lage seien, eine Infektion sicher festzustellen. Das Krankenhaus verweigerte daraufhin die Aufnahme. Zwei Tage nach dem Vorfall überwies der behandelnde Arzt der Patientin diese erneut ins Krankenhaus. Die Patientin begehrte die Aufnahme im Wege einstweiligen Rechtsschutzes.

LG Dortmund: Keine unbeschränkte Aufnahmepflicht

Das LG Dortmund stellte fest, dass kein Anspruch auf Abschluss eines Behandlungsvertrages bestehe. Zwar folge der grundsätzliche Kontrahierungszwang und die damit einhergehende allgemeine Aufnahme- und Behandlungspflicht aus der Einbindung des Krankenhauses in ein öffentlich-rechtliches Planungs- und Finanzierungssystem, sofern bei einem Patienten eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit feststünde. Jedoch gelte die Aufnahmepflicht bzw. ein Kontrahierungszwang nicht uneingeschränkt. Dies folge bereits aus den gesetzlichen Grundlagen (§§ 630b, 626 Abs. 1 BGB). Danach seien auch Behandlungsverträge aus wichtigem Grund unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der beiderseitigen Interessen jederzeit fristlos kündbar.

Für die Phase der Vertragsanbahnung – also den Vorgang der Aufnahme – bedeute dies, so das Landgericht, dass für den Fall, dass bereits vor Vertragsschluss ein Recht zur Kündigung bestünde, der Behandlungsvertrag schon nicht geschlossen werden müsse. Das Gericht erkannte im vorliegenden Fall einen solchen wichtigen Grund, weil sich die Patientin weigerte, an Maßnahmen zur Testung auf SARS-CoV-2 oder auf eine Erkrankung an COVID-19 mitzuwirken.

Nach der Auffassung des Gerichts sei eine solche Testpflicht weder willkürlich noch sittenwidrig. Die abverlangte Testung verfolge in jeder Hinsicht nachvollziehbare und begründete Motive. Sie diene dem Schutz der Mitpatienten und der Mitarbeiter des Krankenhauses vor einer möglichen Infektion und diene somit der Aufrechterhaltung des Krankenhausbetriebes. Darüber hinaus sei das Verlangen des Krankenhauses auch durch die geltenden staatlichen Verordnungen zur Abwehr einer Verbreitung des sog. Coronavirus getragen. Danach hätten die Krankenhäuser die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Eintrag von Coronaviren zu erschweren und Patienten und Personal zu schützen.

Die Wirksamkeit dieser pandemiebedingten Strategie würde unterlaufen, wenn das Krankenhaus verpflichtet würde, die Patientin ohne Testung aufzunehmen. Die zivilrechtliche Anspruchsgrundlage für die verlangte Testung ergibt sich dabei aus §§ 630a, 241 Abs. 2 BGB bei bestehendem Behandlungsvertrag und vor dessen Abschluss aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB.

Vor diesem Hintergrund könne nach der Ansicht des Gerichts dahinstehen, ob noch Kapazitäten sowohl in räumlicher als auch personeller Hinsicht zur vorbeugenden Isolation der Patientin zur Verfügung stehen. Denn auch unter Abwägung der widerstreitenden Interessen bestehe zu Zeiten der aktuellen Pandemielage eine Pflicht zur Aufnahme ohne Test nicht bei jeder denkbar möglichen Behandlungsbedürftigkeit, sondern nur bei unmittelbar bestehender, also akuter Lebensgefahr. Ein solcher Zustand konnte im vorliegenden Fall nicht glaubhaft gemacht werden.

Ebenso stelle der PCR-Test zum Nachweis des Coronavirus, welcher im Abstrichverfahren durchgeführt werde, keinen derartig schweren Eingriff in die körperliche Integrität dar, so dass auch im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen Abwägung die Interessen der Patienten hinter den Interessen des Krankenhauses (und dessen Schutzauftrag) zurückstünden.

Fazit

Die Entscheidung des Landgerichts Dortmund greift eine akute Problematik in der aktuellen Beratungspraxis auf und beseitigt die aktuelle Rechtsunsicherheit vieler Krankenhäuser in Deutschland.

Der grundsätzlich bestehende Kontrahierungs- und Behandlungszwang für allgemeine Krankenhausleistungen bei den für die GKV-Versorgung zugelassenen Krankenhäusern gilt – insbesondere in Zeiten der Pandemie – nicht unbegrenzt. Bereits grundsätzlich wird der Kontrahierungszwang schon dadurch begrenzt, dass bspw. fehlende Behandlungskapazitäten im Hinblick auf die Art der Erkrankung oder die aktuelle Belegungssituation eine sichere Behandlung nicht zulassen. Ebenso anerkannt ist die Ablehnung einer Aufnahme in Fällen des gestörten Vertrauensverhältnisses zum Patienten, zum Beispiel aufgrund wiederholt querulatorischen Verhaltens oder aufgrund von Angriffen auf das Krankenhauspersonal.

Gerade in der aktuellen Situation sehen sich viele Kliniken damit konfrontiert, dass Patienten das Tragen eines Mund- Nasen-Schutzes (MNS) verweigern. Auch in dieser Konstellation stellt sich die Frage, ob eine Behandlung im Krankenhaus dann abgelehnt werden kann. Zieht man die Argumentation des Landgerichts heran, spricht viel dafür – die akute Notfallversorgung oder das Vorliegen eines medizinischen Grundes einmal ausgeklammert. Denn auch in diesem Fall erscheinen die Interessen des Krankenhauses (Schutz der Patienten und Mitarbeiter, die Aufrechterhaltung des Krankenhausbetriebes) zu überwiegen, insbesondere da das Tragen eines MNS einen weitaus geringeren Eingriff in die körperliche Integrität der Patienten darstellt als bspw. ein Test. Für das Tragen des MNS streiten im Übrigen auch die meisten derzeit in den Ländern geltenden Verordnungen zum Schutz vor Infektionen mit COVID-19.

Die Entscheidung des Landgerichts Dortmund entlastet die Krankenhäuser aufgrund ihrer überzeugenden Klarheit. Auch nimmt sie den Kliniken die Last, in anderen Fällen als bei akuter Lebens- und Gesundheitsgefahr aufwendige Maßnahmen einer prophylaktischen isolierten Unterbringung der sich einer Testung verweigernden Patienten zu prüfen und hierfür wertvolle Raum- und Personalkapazitäten zu binden.

Ihr/e Ansprechpartner
Dr. Hendrik Bernd Sehy

Dr. Hendrik Bernd Sehy
Counsel
Hannover
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