15.03.2018

Kartellrecht Q1/2018

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Datenschutz und Kartellrecht: Konkretisierung des Vorwurfs des Marktmachtmissbrauchs im Fall Facebook

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Nachdem das Bundeskartellamt Anfang März 2016 ein Ver­fahren gegen die Facebook Inc., USA, die irische Tochter des Unternehmens sowie die Facebook Germany GmbH eingeleitet hat (wir berichteten im Newsletter 3.Q/2016), hat das Bundes­kartellamt Ende 2017 den Vorwurf des Marktmachtmissbrauchs konkretisiert. Nach vorläufiger Auffassung des Bundeskartellamtes missbraucht Facebook seine marktbeherrschende Stel­lung, indem die Nutzung des sozialen Netzwerks von der unbegrenzten Sammlung und Verwertung von Daten abhängig gemacht wird, die außerhalb des sozialen Netzwerks generiert werden, obwohl dies gegen zwingende datenschutzrechtliche Wertungen verstößt. Dieses Marktmissbrauchsverfahren stellt dabei nicht nur eines der ersten Verfahren dar, die auf der vielfach diskutierten Schnittstelle zwischen Datenschutz und Kartellrecht liegen, sondern auch ein Praxisbeispiel für die Anwendung im Rahmen der 9. GWB-Novelle neu in Kraft getretener Regelungen (§ 18 Abs. 2a, Abs. 3a GWB).

Marktabgrenzung – Unentgeltliche Märkte seit 9. GWB-Novelle erfasst

Jede Feststellung von Marktmacht setzt zunächst das Bestehen und die Abgrenzung eines Marktes voraus. Im Fall Facebook soll der deutsche Markt für soziale Netzwerke betroffen sein.

Die Tatsache, dass die Erbringung von sozialen Netzwerkdiensten für die Nutzer einer Plattform unentgeltlich erfolgt, steht der in der Vergangenheit diskutierten und von der tradierten Kartellrechtspraxis kritisch beurteilten Annahme eines Marktes nicht mehr entgegen. Denn seit Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle steht fest, dass ein wettbewerbsrechtlich relevanter Markt auch im Fall einer unentgeltlichen Leistungsbeziehung vorliegen kann (§ 18 Abs. 2a GWB).

Entscheidend für die Annahme eines Marktes ist allein das Bestehen einer Austauschbeziehung, die nicht durch die Zahlung eines Entgeltes geprägt sein muss. Auch wenn durch die Nutzer von Facebook keine monetäre Gegenleistung erbracht wird, erbringen diese durchaus eine Gegenleistung, indem sie mit ihren Daten „bezahlen", die einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor für Facebook darstellen.

Marktbeherrschung – Neue Kriterien seit 9. GWB-Novelle

Das Bundeskartellamt geht davon, dass Facebook auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke marktbeherrschend ist. Dabei soll nicht nur der hohe, eine quasi-monopolartige Stellung begründende Marktanteil auf eine Marktbeherrschung hinweisen. Diese soll sich vielmehr auch aus weiteren Faktoren ergeben, die im Rahmen der 9. GWB-Novelle Einzug in das Gesetz gefunden haben und auf ein Netzwerk wie Facebook „zugeschnitten" sind: Direkte und indirekte Netzwerkeffekte, die einen Markteintritt neuer Wettbewerber erschweren und zu Größenvorteilen in Form von Skaleneffekten und Kostenersparnissen führen, kein festzustellendes paralleles Nutzungsverhalten durch die Nutzer sowie der Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten der Nutzer (§ 18 Abs. 3a GWB).

Insbesondere der Zugang zu Daten stellt für ein Unternehmen wie Facebook den Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg und somit den Motor für die gesamte Unternehmenstätigkeit dar, da die Daten monetarisiert und im Rahmen digitaler Geschäfts­modelle zum Zwecke der Produktdifferenzierung genutzt werden können. Dabei werden nach den Nutzungsbedingungen von Facebook, mit deren Geltung sich ein Nutzer bei der Registrierung einverstanden erklären muss, nicht nur Daten aufgrund des Nutzerverhaltens innerhalb des sozialen Netzwerks gesammelt und verwertet, sondern auch Daten, die aus Drittquellen generiert werden (sog. Off-Facebook). Dies sind Daten, die aus kon­zerneigenen Diensten (Instagram, WhatsApp) stammen, aber auch Daten, die durch die Nutzung von Websites und Apps dritter Unternehmen entstehen, die über Schnittstellen mit Facebook verfügen (z.B. durch Integration des „Like-Buttons") oder in denen Analysedienste (z.B. „Facebook Analytics") eingebunden sind.

Konditionenmissbrauch

Der Fokus im Verfahren Facebook liegt dabei auf diesen, aus Drittquellen stammenden Daten und auf der Untersuchung eines damit zusammenhängenden Konditionenmissbrauchs (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB).

Dadurch dass die Nutzung des sozialen Netzwerks von der Einwilligung zur Sammlung und Verwertung von aus Drittquellen generierten Daten abhängig gemacht wird und die Nutzer vor die Wahl gestellt werden, die umfassende und für den einzelnen Nutzer nicht überschaubare Datensammlung und -verwertung zu akzeptieren oder sich nicht zu registrieren, missbraucht Facebook nach vorläufiger Auffassung des Bundeskartellamtes seine marktbeherrschende Stellung. Denn das Ausmaß und die Ausgestaltung der Sammlung und Verwertung der Daten soll gegen europäische Datenschutzwertungen verstoßen.

Die vom Bundeskartellamt gewählte Formulierung lässt offen, ob dieser Verstoß gegen europäische Datenschutzwertungen zwingend mit einem Verstoß gegen das europäische Daten­schutz­recht einhergeht. Anzumerken ist, dass eine Gesetzeswidrigkeit der Konditionen keine unerlässliche Voraussetzung für einen Konditionenmissbrauch darstellt, da auch die Verwendung gesetzlich nicht unzulässiger Bedingungen missbräuchlich sein kann, wenn die Konditionen unter Verstoß gegen § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB vereinbart werden.

Datenschutz im Fokus des Kartellrechts

Auch wenn im Rahmen des Konditionenmissbrauchs eine neben das Vergleichsmarktkonzept tretende, wertende inhaltliche Analyse von Konditionen nicht neu ist, zeichnet sich doch ein Perspektivenwechsel im Sinne einer bislang so nicht in Erscheinung getretenen Interdisziplinarität ab, die durch eine Beachtung von Schnittstellen zu anderen Rechtsbereichen im Rahmen des Kartellrechts gekennzeichnet ist.

Während die Europäische Kommission in ihrem Facebook/Whatsapp-Beschluss im Jahr 2014 darauf verwies, dass sich die Untersuchung nur auf eine potentielle Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem Markt für Online-Werbung konzentriert habe und datenschutzspezifische Bedenken nicht in den Anwendungsbereich des europäischen Wettbewerbsrechts fielen, wird im vorliegenden Verfahren offensichtlich, dass das Bundekartellamt Aspekte des Datenschutzes im Rahmen der kartellrechtlichen Würdigung in den Mittelpunkt rückt.

Auch wenn das Bundeskartellamt in der umfassenden Sammlung und Verwertung von Daten durch Facebook letztlich auch einen wettbewerblichen Schaden für die Werbekunden sieht, für die sich die Nutzung von Facebook als Werbeplattform aufgrund der Datenmacht als zunehmend unverzichtbar darstellt, ist festzustellen, dass der Fokus des Bundeskartellamtes erkennbar auf dem Verbraucherschutz liegt, der traditionell nur eine mittelbare Folge – einen indirekten Reflex – der Offenhaltung von Märkten durch das Wettbewerbsrecht darstellt.

Dies wird durch den Hinweis des Bundeskartellamtes deutlich, dass gesetzliche Generalklauseln (§ 19 GWB) ausgleichend eingreifen müssen, wenn ein marktbeherrschendes Unterneh­men ansonsten über grundrechtlich verbürgte Positionen wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das im Rahmen der Sammlung und Verwendung umfassender Daten im Raume steht, verfügen könnte.

Folgen für die Praxis

Auch wenn eine abschließende Entscheidung des Bundes­kar­tell­amts noch aussteht, ist festzustellen, dass es für Unter­neh­men in Zukunft immer wichtiger wird, im Rahmen ihrer (digita­l­en) Geschäftsmodelle die Schnittstellen zwischen verschiedenen Rechtsbereichen – insbesondere zwischen Kartellrecht und Da­ten­schutzrecht – verstärkt in den Blick zu nehmen. Dies gilt umso mehr als die Neigung der Kartellbehörden, eine Verhaltenskontrolle auszuüben, sich auch auf Unternehmen erstrecken könnte, die im Rahmen der Fusionskontrolle mit Blick auf die Dynamik der Märkte eher großzügig behandelt werden.

Die abschließende Entscheidung, die sich auf Grundlage der vorläufigen Auffassung nicht nur im Hinblick auf die in praktischer Hinsicht bislang wenig relevante Fallgruppe des Kondi­tionen­missbrauchs, sondern auch vor dem Hintergrund einer erstmaligen Herstellung von Synergien zwischen dem Kartell- und Datenschutzrecht als „Meilenstein" abzuzeichnen scheint, ist daher mit Spannung zu erwarten.

Hinzuweisen bleibt darauf, dass die Frage des Zugangs zu und der Verarbeitung von Daten – neben anderen Aspekten – Gegenstand einer jüngst durch das Bundeskartellamt eingeleiteten Sektoruntersuchung „Online-Werbung" sein wird.

Dr. Guido Jansen
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf
Telefon +49 211 5660 24844
guido.jansen@luther-lawfirm.com


Cosima Hippel
Associate
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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Der Koalitionsvertrag 2018

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Nach einem langen Anlauf zur Regierungsbildung ist er nun endlich unterzeichnet: Der Koalitionsvertrag der Großen Koalition. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die hiernach zu erwartenden Änderungen im Bereich des Kartellrechts und der Unternehmenssanktionen gegeben werden.

Viele Vorschläge, Forderungen und Gesetzesideen sind indes – typisch für Formulierungen in einem Koalitionsvertrag – sehr allgemein gehalten; vereinzelt gibt es aber auch konkretere Aussagen.

Anpassung an die zunehmende Digitalisierung

Zunächst soll eine Modernisierung des Kartellrechts erfolgen, um zur Verbesserung der regulatorischen Rahmenbedingungen für die (deutsche und europäische) Digitalwirtschaft und zur Entwicklung der Plattformökonomie im Rahmen der Globalisierung beizutragen. Konkret genannt werden als Maßnahmen hierfür eine „Verfahrensbeschleunigung“, eine „Neufassung der Marktabgrenzung“ und die Intensivierung der Marktbeobachtung durch „spezialisiertes Personal“. Für letzteres plant die künftige Bundesregierung die wettbewerbsbehördliche Weiterentwickelung, um speziell Missbräuche von Plattformunternehmen auf den dynamischen, digitalen Märkten schneller aufdecken zu können.

Bezogen auf eine Beschleunigung möglicher kartellrechtlicher Verfahren wird konkret die „Stärkung des Instrumentariums der einstweiligen Maßnahmen“ genannt. So soll insbesondere „für die Wettbewerbsbehörde (…) ein vorläufiges Einschreiten schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens erleichtert werden, damit irreparable Schäden für den Wettbewerb verhindert werden“ können.

Zusätzlich soll die Entstehung von Digitalkonzernen durch die Schaffung eines entsprechenden Rechtsrahmens unterstützt und begleitet werden. Hierzu ist unter anderem die Einsetzung einer Kommission „Wettbewerbsrecht 4.0“ geplant, deren Aufgabe es ist, zur Harmonisierung und Zusammenführung der rechtlichen Grundlagen im Digitalbereich beizutragen und Eckpunkte für Reformen zu entwickeln.

Ebenfalls in Betracht ziehen CDU/CSU und SPD die Einrichtung einer Digitalagentur, die der Bundesregierung untersteht und diese beispielsweise bei Maßnahmen der Telekommunikations- und Plattformregulierung unterstützt.

Neue Bereichsausnahmen für Mobilfunkanbieter und Genossenschaften?

Des Weiteren plant die künftige Bundesregierung unter der Überschrift „An die Weltspitze im Bereich der digitalen Wirtschaft“ eine kartellrechtliche Bereichsausnahme bezogen auf die Mobilfunkversorgung. So sollen den Mobilfunkanbietern, um einen wirtschaftlichen Ausbau der Mobilfunkversorgung in bisher unterversorgte Gebiete voranzutreiben, diesbezügliche Absprachen erlaubt werden.

Ebenfalls beabsichtigt ist der Ausbau und die Stärkung des Ge­nossenschaftswesen als krisenfeste und nachhaltige Unternehmensform. Für die Vereinbarkeit der Genossenschaften mit den kartellrechtlichen Regelungen sollen gegebenenfalls „entsprechende Bedingungen“ geschaffen und Leitlinien entwickelt werden.

Neuregelungen im Bereich „Unternehmenssanktionen“

Einen grundlegenderen Wandel lassen die geplanten Änderungen im Bereich Unternehmenssanktionen erwarten. Hier sieht der Koalitionsvertrag unter dem Titel „Keine Toleranz bei Wirtschaftskriminalität“ eine komplette Neuregelung des entsprechenden Sanktionsrechts vor, die ggf. auch erheblichen Einfluss auf das Kartellbußgeldrecht haben könnte.

Explizites Ziel dieser Neuregelung ist zunächst die Sicher­stel­lung einer wirksamen Verfolgung und Ahndung der Wirtschaftskriminalität, die insbesondere die Sanktionierung der profitierenden Unternehmen bei Fehlverhalten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfassen soll. Um eine bundesweit einheitliche Rechtsdurchsetzung zu gewährleisten, soll die Sanktionierung nicht wie bislang auf der Basis des im Ordnungswidrig­kei­ten­recht geltenden Opportunitätsprinzips erfolgen, da es danach grundsätzlich im Ermessen der Behörde steht, ob sie bei Vorliegen der notwendigen Tatbestandvoraussetzungen eingreift bzw. Sanktionen verhängt. Stattdessen ist die Schaffung spezifischer Regelungen zu Verfahrenseinstellungen geplant, die der „Justizpraxis die notwendige Flexibilität in der Verfolgung einräumen“ sollen. Die Einführung klarer Verfahrensregelungen soll zudem zu mehr Rechtssicherheit bei den betroffenen Unter­nehmen führen.

In diesem Rahmen ist die Ausweitung der Sanktionsmöglichkeiten geplant: Die Bußgeldobergrenze von bis zu zehn Millionen Euro wird von der (künftigen) Bundesregierung für kleine Unter­nehmen als zu hoch und für große Unternehmen als zu niedrig empfunden. Die Höhe der Bußgelder soll sich daher in Zukunft an der Wirtschaftskraft des Unternehmens orientieren. So soll bei Unternehmen, die einen Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro erwirtschaften, die Höchstgrenze bei zehn Prozent des Umsatzes liegen – eine Grenze die im nationalen und europäi­schen Kartellrecht bislang bereits unabhängig von der Unternehmensgröße Anwendung findet.

Ebenso betonen CDU/CSU und SPD im Rahmen der angedachten Unternehmenssanktionen, die Schaffung zusätzlicher Sanktionsinstrumente (ohne weiterer Detailangaben) und „konkreter und nachvollziehbare[r] Zumessungsregeln für Unternehmensgeldsanktionen.“ Eine öffentliche Bekanntmachung der erteilten Sanktionen soll „auf geeignetem Weg“ ebenfalls erfolgen (sog. „naming and shaming“).

Offen bleibt die Frage, welche Auswirkungen diese Änderungen letztlich auf das Kartellrecht haben werden. Dies hängt wahrscheinlich maßgeblich davon ab, ob nur Straftaten oder auch Ordnungswidrigkeiten in den Bereich der Unternehmenssanktionen fallen werden. Bisherige Vorhaben (wie z.B. der aus dem Jahr 2013 stammende nordrheinwestfälische Entwurf zu einem Verbandsstrafrecht oder der Entwurf der Forschungsgruppe „Verbandsstrafrecht – Praktische Auswirkungen und theoretische Rückwirkungen“ von 2017) beinhalteten ausschließlich Delikte, die bei natürlichen Personen Straftaten darstellen – erfassten also gerade keine Ordnungswidrigkeiten. Ob und inwieweit diese Begrenzung ebenfalls für die im Koalitionsvertrag geplanten Unternehmnessanktionen zutrifft, ist unklar. Sofern auch hier Ordnungswidrigkeiten ausgeklammert werden, würde sich bezogen auf das Kartellrecht eine Änderung einzig im Bereich des Submissionsbetrug ergeben. Zudem ist natürlich fraglich, ob das Unternehmensordnungswidrigkeitenrecht bei einer generellen Neuregelung der Unternehmenssanktionen im Übrigen vollständig unberührt bleibt.

Rechtliche Vorgaben für „Internal Investigations“

Ein weiteres Vorhaben, das Auswirkungen auch auf die kartellrechtliche Praxis haben könnte, ist die beabsichtigte Schaffung rechtlicher Vorgaben für sog. „Internal Investigations“, insbesondere mit Blick auf beschlagnahmte Unterlagen und Durchsuchungsmöglichkeiten. In diesem Rahmen ist auch geplant, gesetzliche Anreize zur Aufklärungshilfe und zur anschließenden Offenlegung der daraus gewonnenen Erkenntnisse zu setzen – ein Ansatz der im Kartellrecht in Form der Bonusregelung bereits seit langem etabliert ist.

Dr. Guido Jansen
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf
Telefon +49 211 5660 24844
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ASICS darf Nutzung von Preisvergleichsportalen nicht pauschal verbieten

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BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2017 (KVZ 51/17)

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ASICS seinen Händlern nicht pauschal verbieten darf, Preissuchmaschinen als Vertriebsmittel zu nutzen. Damit hat er eine Entscheidung des Bundeskartellamts aus dem Jahr 2015 bestätigt.

Das Vertriebssystem 1.0

ASICS hatte beabsichtigt, ein selektives Vertriebssystem – das „Vertriebssystem 1.0“ – einzuführen. Die Verträge, die ASICS hierzu mit Händlern schloss, schränkten deren Möglichkeiten zum Vertrieb über das Internet ein. So untersagte ASICS ihnen, einem Dritten (z.B. Google) die Verwendung von ASICS-Markenzeichen zu erlauben, um Kunden auf die Internetseite des Händlers zu leiten („Suchmaschinenverbot“). Den Händlern wurde zudem verboten, Preissuchmaschinen etwa durch Bereitstellung anwendungsspezifischer Schnittstellen zu unterstützen („Preisvergleichsportalverbot“). Die Händler durften also ihre eigene Website nicht mit der Preisvergleichsmaschine verknüpfen bzw. eine Verknüpfung zulassen; das hatte zur Folge dass ihre Produktangebote nebst Preisangabe bei Suchanfragen von Endkunden nicht erschienen. Schließlich durften Händler die Vertragswaren nicht über den Internetauftritt eines Dritten bewerben oder verkaufen (also etwa über eBay oder Amazon Marketplace) („Marktplatzverbot“), es sei denn, Name und Logo des Plattformbetreibers würden nicht abgebildet.

Ansicht des Bundeskartellamts

Das Bundeskartellamt hatte 2011 begonnen, das Vertriebssys­tem 1.0 zu untersuchen. ASICS änderte daraufhin sein Ver­trags­werk. 2015 stellte das Bundeskartellamt per Beschluss fest, die Anwendung des Vertriebssystems 1.0 gegenüber deutschen Händlern sei rechtswidrig gewesen. Die Voraussetzungen des Kartellverbots (Art. 101 AEUV) seien erfüllt gewesen, eine Freistellung nach der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung „vertikal-GVO“ nicht in Betracht gekommen.

Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO stellt gewisse vertikale Vereinbarungen vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV frei, also Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die auf unterschiedlichen Stufen der Produktions- oder Vertriebskette stehen. Da das Ver­triebs­system 1.0 das Verhältnis von ASICS zu seinen Händlern betraf, handelte es sich um eine vertikale Vereinbarung, für die eine Freistellung nach Art. 2 Vertikal-GVO somit grundsätzlich in Betracht gekommen wäre. Allerdings regelt Art. 4 Vertikal-GVO, dass eine Gruppenfreistellung bei Vorliegen einer sog. Kernbeschränkung ausscheidet. Der Grund dafür ist, dass Kernbeschränkungen zu schwerwiegenden wettbewerbswidrigen Auswirkungen führen können und daher einer vertieften Prüfung bedürfen. Eine solche Kernbeschränkung ist zum Beispiel gemäß Art. 4. c Vertikal-GVO „die Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher durch auf der Einzelhandelsstufe tätige Mitglieder eines selektiven Vertriebs­systems“. Eine solche Kernbeschränkung nahm das Bundeskar­tellamt für das Preisvergleichsportalverbot und das Suchmaschinenverbot an, sodass eine Freistellung entfiel. Ob das Marktplatzverbot eine Kernbeschränkung darstellte, ließ das Bundeskartellamt hingegen ausdrücklich offen.

Entscheidung des OLG Düsseldorf

Gegen den Beschluss des Bundeskartellamts legte ASICS Rechtsmittel – das in diesem Zusammenhang „Beschwerde“ heißt – zum OLG Düsseldorf ein. Die Beschwerde wurde vom OLG Düsseldorf zurückgewiesen (Beschluss vom 5. April 2017 –VI-Kart 13/15 (V)). Das OLG Düsseldorf entschied nur über das Preisvergleichsportalverbot, denn die Frage, ob auch das Suchmaschinenverbot kartellrechtswidrig sei, bedürfe keiner Erörterung und Entscheidung. Für die Feststellung, dass die Anwendung des Vertriebssystems 1.0 rechtswidrig war, genüge es, wenn zumindest das Preisvergleichsportalverbot rechtswidrig gewesen sei. Die Rechtsbeschwerde – die mit einer Revision vergleichbar ist – ließ das OLG Düsseldorf nicht zu. ASICS erhob daraufhin Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH. ASICS wollte durch den BGH höchstrichterlich geklärt wissen, ob sein Vertriebssystem 1.0 eine Kernbeschränkung nach Art. 4 Buchst. c Vertikal-GVO enthielt.

Keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung

Der BGH wies die Nichtzulassungsbeschwerde jedoch zurück. Nach § 74 Abs. 2, § 75 Abs. 1 GWB ist eine Rechtsbeschwerde unter anderem dann zuzulassen, „wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist“. Laut dem BGH kommt der Frage, ob ein pauschales Verbot, Preisvergleichsportale zu nutzen, eine Kernbeschränkung im Sinne von Art. 4 Buchst. c Vertikal-GVO darstellt, jedoch keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Unzweifelhaft, dass Preisvergleichs­portalverbot Kernbeschränkung ist

Laut dem BGH stellt ein Preisvergleichsportalverbot unzweifelhaft eine Kernbeschränkung nach Art. 4 Buchst. c Vertikal-GVO darstelle. Zwar sei höchstrichterlich noch nicht entschieden worden, ob es einem Händler pauschal verboten werden dürfe, Preisvergleichsportale zu unterstützen. Allerdings sei nicht zweifelhaft, dass durch ein solches Verbot zumindest der passive Verkauf an Endverbraucher beschränkt werde und somit eine Kernbeschränkung nach Art. 4 Buchst. c Vertikal-GVO vorliege. Denn ein Preisvergleichsportalverbot führe zu einer wesentlichen Beschränkung des Einzelhändlers im Online-Handel. Auch vom Bundeskartellamt, der Europäischen Kom­mission, der Rechtsprechung und der Literatur würden keine anderen Auffassungen vertreten.

Auch aus der jüngst ergangenen Entscheidung des EuGH in der Sache Coty (Urteil vom 6. Dezember 2017 – C-230/16, siehe unseren Newsletter Q4/2017 sowie Janssen, Disruption durch Digitalisierung, WuW 2017, 525) ergebe sich nichts anderes. Dort hatte der EuGH entschieden, dass es keine Wettbewerbsbeschränkung und keine Kernbeschränkung darstelle, wenn Händlern in einem selektiven Vertriebssystem für Luxuswaren verboten werde, beim Verkauf von Vertragswaren im Internet nach außen erkennbar nicht autorisierte Drittunternehmen einzuschalten. Der EuGH hatte seine Entscheidung damit begründet, dass Händlern durch die Coty nicht pauschal verboten worden sei, Vertragswaren im Internet zu verkaufen. Vielmehr hatten die Händler nach wie vor die Möglichkeit, Vertragswaren über ihre eigene Website oder über Drittplattformen abzusetzen, sofern für den Verbraucher die Plattform nicht als die eines Dritten erkennbar war.

Der BGH sah jedoch in der Sache ASICS Unterschiede zum Fall Coty: Zunächst würden mit dem Vertriebssystem 1.0 keine Luxuswaren verkauft. Zudem habe ASICS drei Beschränkungen kombiniert: das Verbot der Nutzung von Preisvergleichsportalen, Suchmaschinen sowie von Werbung und Verkauf über Marktplätze. Das Gericht meinte, bei einer solchen Kombination von Beschränkungen sei – anders als im Fall Coty – nicht gewährleistet, dass Kunden in praktisch erheblichem Umfang Zugang zum Internet-Angebot der Vertragshändler hätten.

Bewertung und Praxisfolgen

Nach dem Beschluss des BGH und anderen Entscheidungen, die jüngst zum Online-Vertrieb ergangen sind, stellt sich die Rechtslage für Verbote von Preisvergleichsportalen, Suchmaschinen und Marktplätzen derzeit wie folg dar:

  • Preisvergleichsportale: Das Bundeskartellamt, das OLG Düsseldorf und nun auch der BGH haben im ASICS-Fall übereinstimmend entschieden, dass ein pauschales Verbot der Nutzung von Preisvergleichsportalen zum Verkauf von Nicht-Luxusgütern unzulässig ist, sofern nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen einer Einzelfreistellung vorliegen. Schön wäre gewesen, zu erfahren, ob der EuGH diese Auffassung teilt, denn im Coty-Urteil äußerte er sich nur zu Marktplatzverboten, nicht hingegen zu Preisvergleichsportalverboten. Unklar ist außerdem, ob ein Preisvergleichsportalverbot bei Luxusgütern zulässig ist. Hierbei kommt es auf die Frage an, inwieweit das Markenimage verloren ginge, wenn diese Produkte zum niedrigsten Preis beworben werden. Es bleibt abzuwarten wann, und wie sich die Rechtsprechung zum Preisvergleichsportalverbot bei Luxusgütern positionieren wird.
  • Suchmaschinen: Nach Auffassung des Bundeskartellamts im ASICS-Fall ist ein Verbot der Nutzung von Suchmaschinen für den Verkauf von Nicht-Luxusgütern i.d.R. unzulässig. Man wird davon ausgehen können, dass das Bundeskartellamt diese Ansicht auch auf den Vertrieb von Luxusgütern erstrecken und dies damit begründen wird, dass das Image von Luxusgütern in der Regel nicht darunter leide, dass sie über Suchmaschinen gefunden werden können.
  • Marktplätze: Nach dem Coty-Urteil des EuGH steht fest, dass Hersteller von Luxusgütern Händlern eines selektiven Vertriebssystems den Verkauf über nicht-autorisierte Drittplattformen verbieten dürfen, um das Markenimage zu schützen. Beim Vertrieb von Nicht-Luxusgütern oder bei denjenigen Vertriebsbeziehungen, denen kein selektives Ver­triebssystem zugrunde liegt, darf der Vertrieb über Drittplattformen nur bei einem Marktanteil von nicht mehr als 30 % ver­­boten werden. Bei einem darüber liegenden Marktanteil ist ein Marktplatzverbot unzulässig, wenn nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen einer Einzelfreistellung erfüllt sind.

Dr. Helmut Janssen, LL.M. (London)
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Tim Börker
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BGH erklärt Forde­run­gen von EDEKA nach „Hochzeitsrabatten“ für kartellrechtswidrig – OLG Düsseldorf insoweit aufgehoben

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BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – KVR 3/17

Ende 2008 hatte EDEKA rund 2.300 „Plus“-Filialen von Tengelmann übernommen, um sie in Netto, ihr aus ca. 2.000 Filialen bestehendes Discount-Netz, zu integrieren. Nach dieser Übernahme verglich EDEKA die Bezugskonditionen der beiden bislang konkurrierenden Discounter und forderte von vielen Lieferanten eine Neufestsetzung. Dieses Vorgehen untersuchte das Bundeskartellamt („BKartA“) exemplarisch an den Konditionen, die EDEKA mit den vier Sektkellereien Rotkäppchen-Mumm, Henkell, Freixenet und Schloss Wachenheim Ende März 2009 vereinbart hatte. Das BKartA erklärte diese „Hochzeitsrabatte“ in einer Grundsatzentscheidung im Jahr 2014 für verboten. Wie wir in unserem Newsletter Kartellrecht vom 1. Quartal 2016 berichteten, entschied die nächste Instanz, das OLG Düsseldorf, im Jahr 2015 anders: EDEKAs Forderungen seien nicht vom sog. „Anzapfverbot“ erfasst. Dieses Verbot besagt: Ein nachfragendes Unternehmen darf seine Marktstellung nicht dazu ausnutzen, von ihm abhängige Unternehmen dazu aufzufordern, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren (§§ 19 Abs. 2 Nr. 5, 20 GWB a.F., jetzt §§ 19 Abs. 2 Nr. 5, 20 Abs. 2 GWB). Während das BKartA annahm, dass den vielgestaltigen Forderungen nach einem „Hochzeitsrabatt“ jeweils keine Gegenleistung gegenüberstand, ging das OLG davon aus, dass das Verhalten von EDEKA wegen der ebenfalls erheblichen Marktstellung der vier Sekthersteller sachlich gerechtfertigt gewesen sei. Denn die Forderungen seien gerade nicht unter Ausnutzung der Marktstellung des nachfragenden Unternehmens erhoben worden, die erforderliche strenge Kausalität zwischen Marktstellung und Forderung liege mithin nicht vor. Das BKartA war mit dieser Auffassung des OLG nicht einverstanden und legte Rechtmittel zum Bundesgerichtshof („BGH“) ein, der dem BKartA in entscheidenden Punkten Recht gab: EDEKAs Forderungen nach einem „Bestwertabgleich“, einer pauschalen Anpassung der Zahlungsziele an die von „Plus“ sowie einer „Partnerschaftsvergütung“ seien sachlich nicht gerechtfertigt gewesen. Insbesondere begründete der BGH dies damit, dass eine erhebliche Marktstellung der vier Sekthersteller die geforderten „Hochzeitsrabatte“ grundsätzlich nicht rechtfertigen könne. Auch bedürfe es entgegen der Ansicht des OLG sowie des BKartA überhaupt keiner Kausalität zwischen Marktstellung und der Forderung eines Vorteils.

„Bestwertabgleich“

EDEKA hatte festgestellt, für welche Produkte Plus vor dem Zusammenschluss bessere Konditionen von seinen Lieferanten erhalten hatte als EDEKA und Netto („Bestwertabgleich“). Von drei der vier Sektlieferanten forderte EDEKA daraufhin die Anwendung der günstigeren Bezugskonditionen der Plus-Märkte auf die gesamte EDEKA-Gruppe: die Preise für die Zukunft seien zu senken, für die der Vergangenheit ein Ausgleich zu zahlen. Als Bezugspunkt wählte EDEKA Plus-Konditionen, die weit vor der Übernahme der 2.300 Filialen lagen. Darin hat nun der BGH einen Verstoß gegen das „Anzapfverbot“ und einen Missbrauch von EDEKAs Verhandlungsmacht gegenüber den von ihr abhängigen vier Sektherstellern gesehen. Die Forderung von EDEKA sei sachlich nicht gerechtfertigt gewesen. Entgegen der Ansicht des OLG spiele es für die Rechtfertigung keine Rolle, ob bei der Forderung Marktmacht ausgenutzt werde. Entscheidend sei vielmehr, ob der geforderten Leistung nach objektiver Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls eine Gegenleistung gegenüberstehe, die leistungsgerecht sei, d.h. die zur Leistung nicht im offensichtlichen Missverhältnis stehe. Ein solches Missverhältnis bejahte der BGH. So habe EDEKA keine erkennbar angemessene Gegenleistung für die Preisanpassung gewährt wie etwa Verpflichtungen zu erhöhten oder jedenfalls für eine bestimmte Dauer garantierten Abnahmemengen oder eine längerfristige Absicherung des Lieferantenstatus. Auch sei ein Herausgreifen lange vor der Übernahme der 2.300 Filialen vereinbarter Bestwerte ohne zugleich die im Zusammenhang mit diesen Bestwerten jeweils vereinbarten sonstigen Kondition zu berücksichtigen („Rosinenpicken“), ein unzulässiger rückwirkender Eingriff in laufende Vertragsbeziehungen. Denn eine solche Forderung ziele auf ein Gesamtkonditionenpaket, das die Sektlieferanten zuvor weder EDEKA noch Plus angeboten hatten und gehe damit weit über eine zulässige Anpassung von Kondition nach Übernahme eines Wettbewerbers hinaus.

Pauschale Anpassung der Zahlungsziele an die von „Plus“

Weiterhin hatte. EDEKA von den Sektherstellern verlangt, das bisher für Netto vereinbarte Zahlungsziel rückwirkend zum 1. Januar 2009 auf das für die Plus-Filialen vereinbarte Ziel zu verlängern. Diese Forderung wertete der BGH ebenfalls als Verstoß gegen das Anzapfverbot, da auch sie ein unzulässiges „Rosinenpicken“ früherer Bestwerte von „Plus“ ohne Berücksichtigung des auf diese Bestwerte abgestimmten Gesamtkonditionspakets darstelle. Während das OLG noch entschieden hatte, dass diese Forderung auch deswegen zulässig gewesen sei, weil EDEKA sie am Ende nicht durchsetzen konnte, stellte der BGH klar, dass das tatsächlich erzielte Verhandlungsergebnis unbeachtlich sei. Maßgebend sei vielmehr allein das Fordern sachlich nicht gerechtfertigter Vorteile.

Partnerschaftsvergütung für Renovierung und Modernisierung

Schließlich hatte EDEKA eine Partnerschaftsvergütung verlangt für die Renovierung und Modernisierung der Plus-Filialen als Folge ihrer Integration in das Netto-Netz. Das OLG hatte angenommen, dass eine verbesserte Warenpräsentation in einem renovierten und modernisierten Umfeld eine Gegenleistung sein könne, die Absatzchancen erhöhe. Dem entgegnete der BGH, dass auch dieser Forderung offensichtlich keine Gegenleistung gegenübergestanden habe. Denn die Renovierung und Modernisierung der Plus-Filialen sei bloß eine allgemeine langfristige Investition von EDEKA, die nicht (auch) im Interesse der Lieferanten erfolge. Sie sei keine Gegenleistung, die den Sektherstellern oder deren Waren(absatz) zu Gute komme. Die bloße Möglichkeit, dass die Renovierungen zu einer verbesserten Präsentation und damit zu erhöhtem Absatz der Waren der Sekthersteller führen könnten, sei kein gesicherter oder nur schwer kalkulierbarer Vorteil, der die Forderung nicht rechtfertige.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Der BGH nimmt den Fall der von EDEKA geforderten Hochzeitsrabatte zum Anlass, die Grenzen zwischen zulässigem harten Verhandeln und unzulässigem „Anzapfen“ abhängiger Nachfrager zu konkretisieren. Der Beschluss liefert einige wertvolle Handlungsanweisungen, die marktmächtige Unternehmen in Verhandlungen mit abhängigen Anbietern oder Nachfragern zu beachten haben: Sollte der Forderung eines solchen marktmächtigen Unternehmens nach einer Gesamtbetrachtung aller vereinbarter Konditionen offensichtlich keine Gegenleistung gegenüberstehen, ist es unbeachtlich, ob diese Forderung am Ende auch durchgesetzt werden kann. Allein das Fordern ist bereits kartellrechtswidrig. Unbeachtlich ist auch, ob die Forderung als (nicht) verhandelbar dargestellt wird. Grundsätzlich ist marktstarken Unternehmen daher zu raten, Forderungen erst dann zu benennen, nachdem der abhängigen Gegenseite die Gesamtheit aller Vorteile eröffnet worden ist. Dem verhandlungspsychologisch durchaus sinnvollen Einstieg mit einer (Maximal-)Forderung, die als Anker für die folgenden Verhandlungen dient, setzt der BGH jedenfalls für marktmächtige Unternehmen Grenzen.

 

Dr. Helmut Janssen, LL.M. (London)
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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Lukas Kienzle, LL.M. (Brügge)
Associate
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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Änderung im Akteneinsichtsrecht des Betroffenen in Kartell­bußgeldverfahren

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Zum 1. Januar 2018 sind im Rahmen des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs (vgl. BT-Drs. 18/9416) auch Änderungen im Akteneinsichtsrecht des Betroffenen (§ 49 OWiG) bzw. unverteidigten Beschuldigten (§ 147 StPO) in Kraft getreten, die auch im Rahmen kartellrechtlicher Bußgeldverfahren von Relevanz sind.

Neben dem unbeschränkten Akteneinsichtsrecht des Verteidigers über §§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. 147 Abs. 1 StPO a.F. bestand bislang ein Akteneinsichtsrecht des Betroffenen bzw. Nebenbetroffenen (im Folgenden: Betroffenen) unter Aufsicht nach § 49 Abs. 1 OWiG a.F., soweit nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstanden. Diese Vorschrift vermittelte dem Betroffenen indes keinen gebundenen Anspruch auf Akteneinsicht, sondern lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch. Daneben begründete § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 147 Abs. 7 StPO a.F. lediglich ein Recht auf Erteilung von Auszügen und Abschriften aus der Akte, und dies auch nur, soweit dies zu einer angemessenen Verteidigung erforderlich war, der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Strafverfahren, nicht gefährdet werden konnte und nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstanden.

Nunmehr hat der Gesetzgeber diese Ansprüche vereinheitlicht und gestärkt: § 49 Abs. 1 OWiG ist als ein gebundener An­spruch des Betroffenen auf Akteneinsicht ausgestaltet worden. Das Akteneinsichtsrecht des unverteidigten Betroffenen ist jetzt in § 147 Abs. 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG geregelt und wurde ausdrücklich als „echtes“ Akteneinsichtsrecht – und nicht mehr nur als Recht zur Erteilung von Auszügen und Abschriften – ausgestaltet. Anlass hierfür ist insbesondere, dass der einschränkende Wortlaut des § 147 Abs. 7 StPO a.F. den Anforderungen des Artikels 6 Absatz 1 und 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und des Artikels 103 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) nicht gerecht wurde. Im Unterschied zu dem – inhaltlich insofern unverändert – bestehenden umfassenden Akteneinsichtsrecht des Verteidigers bestehen beide Akteneinsichtsansprüche des (unverteidigten) Betroffenen allerdings nur soweit der Untersuchungszweck auch in einem anderen Strafverfahren nicht gefährdet werden kann und überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen.

Die Behörde hat zukünftig in eigener Verantwortung zu prüfen, inwieweit dem Akteneinsichtsbegehren eines unverteidigten Betroffenen überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen. Sie ist folglich gehalten, den Akteninhalt auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie den Untersuchungs­zweck gefährdende Inhalte zu untersuchen, im Fall von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eine Abwägungsentscheidung mit den berechtigten Interessen an einer effektiven Verteidigung zu treffen und auf dieser Basis ggf. Teile der Akte vor der Akten­einsicht zu schwärzen. Das Recht zur Akteneinsicht umfasst dabei – wie dasjenige des Verteidigers – auch die im Rahmen von Durchsuchungen als Asservate sichergestellten Dokumente.

Bislang hat sich das Bundeskartellamt regelmäßig auf den Stand­punkt gestellt, dass der zur umfassenden Akteneinsicht berechtigte Verteidiger vor der Weitergabe von Akteninhalt an seinen Mandanten den Akteninhalt darauf zu prüfen habe, ob dessen Mitteilung an den Mandanten „zur sachgerechten Verteidigung erforderlich“ sei, wobei das Amt hierbei offenbar der Vorstellung unterlag, die Mitteilung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von Wettbewerbern sei generell oder jedenfalls regelmäßig nicht „zur sachgerechten Verteidigung erforderlich“ und konnte so die Prüfung des Akteninhalts auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und das Treffen entsprechender Abwägungsentscheidungen weitgehend vermeiden bzw. auf die Verteidiger abwälzen. Dies wird in dieser Form vor dem Hintergrund der neuen Rechtslagen nicht mehr funktionieren.

Dr. Guido Jansen
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf
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Almuth Berger, LL.M. (Birmingham)
Senior Associate
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Der Vorbehalt „…. soweit rechtlich zulässig“ bewahrt nicht vor Kartellverstoß

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Der EuGH hatte in seiner Entscheidung vom 13. September 2017 die Vereinbarkeit eines Wettbewerbsverbotes mit europäischem Kartellrecht zu beurteilen. Es ging insbesondere um die Frage, ob durch einen allgemeinen Vorbehalt („soweit rechtlich zulässig“) eine an sich unzulässige Wettbewerbsabsprache dem Anwendungsbereich des Kartellverbots (Art. 101 AEUV) entzogen werden kann.

Hintergrund der Entscheidung

Die Telekommunikationsunternehmen Telefónica und Portugal Telecom (im Folgenden: PT) beherrschten über ein gemeinsames Tochterunternehmen (Brasilcel) das brasilianische Mobilfunkunternehmen Vivo. Am 6. Mai 2010 unterbreitete Telefónica ein feindliches öffentliches Übernahmeangebot über die Anteile der PT an der Brasilcel. In den Vertragsentwürfen wurde eine als „Wettbewerbsverbot“ überschriebene Klausel aufgenommen, die den Parteien die direkte oder indirekte Beteiligung an Vorhaben im Telekommunikationsgeschäft untersagte, die auf dem iberischen Markt mit der jeweils anderen Partei in Wett­bewerb stehen könnten. Im endgültigen Vertrag war dieses Wettbewerbsverbot um den Zusatz „soweit rechtlich zulässig“ erweitert worden. Die Kommission stellte in dem diesbezüglich von ihr eingeleiteten Bußgeldverfahren fest, dass die Klausel auch unter Berücksichtigung des einschränkenden Zusatzes „soweit rechtlich zulässig“ eine Marktaufteilungsvereinbarung darstelle, die unter Verstoß gegen Art. 101 AEUV eine Beschränkung des Wettbewerbs im Binnenmarkt bezwecke und verhängte Geldbußen in Höhe von insgesamt ca. EUR 80 Mio. gegen Telefónica und Portugal Telecom.

Gegen die Entscheidung der Kommission hatten die Parteien Rechtsmittel eingelegt. Sie hatten u.a. vorgebracht, der Einschub „soweit rechtlich zulässig“ stelle eine „Verpflichtung zur Selbstbewertung“ dar, von der das Inkrafttreten des Wettbewerbsverbots abhängig sei. Dies bringe zum Ausdruck, dass die Parteien durch die Klausel gerade nicht den Wettbewerb beschränken, sondern sich an Recht und Gesetz halten wollten.

Entscheidungen der europäischen Gerichte

Der EuGH bestätigte nun das erstinstanzliche EuG-Urteil wonach der Zusatz „soweit rechtlich zulässig“ den Kartellverstoß nicht heilt. Die Parteien haben nach Auffassung der euro­pä­i­schen Gerichte nämlich nicht hinreichend dargelegt, dass die Klausel – vor dem Hintergrund des Zusatzes „soweit rechtlich zulässig“ – tatsächlich eine der Geltung des Wettbewerbsverbotes vorgeschaltete – Verpflichtung zur Selbstbewertung durch die Parteien enthalte. Eine echte Verpflichtung zur Selbstbe­wertung sei dem bloßen Wortlaut nicht zu entnehmen. Vielmehr hätten die Parteien hierfür beispielsweise darlegen müssen, warum es ihnen nicht möglich war, die Frage der Rechtmäßigkeit des in Frage stehenden Wettbewerbsverbotes vor der Vertragsunterzeichnung oder jedenfalls vor Inkrafttreten des Vertrages zu klären, obwohl sie Zugang zu hochspezialisierter Rechts­beratung hätten. Zwar könne die Vornahme der Verpflichtung zur Selbstbewertung ggf. auch individuell durch die Parteien erfol­gen, allerdings ließen die von den Parteien angeführten Gesichtspunkte weder die Schlussfolgerung zu, dass die „Hinfälligkeit“ der Klausel ab einem bestimmten Zeitpunkt Konsens zwischen den Parteien gewesen sei, noch, dass die Klausel überhaupt eine Selbstbewertung vorgesehen habe oder dass diese behauptete Selbstbewertung irgendwelche Wirkungen gehabt habe.

Fazit

Die Entscheidung macht deutlich, dass die Bewertung einer Vereinbarung als unzulässige Wettbewerbsbeschränkung i.S.d. Art. 101 AEUV, wie z.B. die hier vorliegende Marktaufteilungsvereinbarung, nicht bereits dadurch vermieden werden kann, dass die entsprechende Klausel mit dem bloßen Zusatz „soweit rechtlich zulässig“ versehen wird. Dieses Ergebnis überrascht letztendlich nicht. Ein solcher Zusatz dürfte in vielen Fällen ohnehin eher eine Alibi-Funktion haben. Denn der Zusatz „soweit rechtlich zulässig“ hilft dem nicht kartellrechtlich vorgebildeten Rechtsanwender in der Regel nicht, zu beurteilen, ob er im Einzelfall von der Umsetzung der vertraglich immerhin vereinbarten Klausel Abstand nehmen soll. Der Umstand, dass die Klausel überhaupt aufgenommen wird, indiziert ihm aber, dass die Umsetzung in der Regel wohl zulässig sein müsse – ansonsten wäre es ja überflüssig gewesen, die Regelung aufzunehmen. Die Gefahr, dass die Regelung ohne die Einschränkung praktiziert wird, liegt daher auf der Hand.

Umgekehrt darf man dem Urteil aber wohl auch entnehmen, dass es unter besonderen Umständen durchaus die Möglichkeit geben könnte, eine Klausel, über deren Zulässigkeit bei Vertragsschluss keine Einigkeit zu erzielen ist, unter einen solchen Vorbehalt zu stellen. Der bloß einschränkende Wortlaut „soweit rechtlich zulässig“ belegt dies nach Auffassung der europä­ischen Gerichte jedoch nicht. Hierfür müsste vielmehr konkret dargelegt werden können, dass und warum tatsächlich eine (vorgeschaltete) Verpflichtung zur Selbstbewertung vereinbart ist – und zwar im Sinne einer klar definierten aufschiebenden Bedingung. Darüber hinaus müsste sichergestellt werden, dass die Klausel bis zum erfolgreichen Abschluss der Selbstbewertung auch tatsächlich nicht praktiziert wird. Eine solche Lösung wird in der Praxis aber nur im Ausnahmefalls gangbar sein. Denn häufig ist ein Wettbewerbsverbot ein wichtiger Aspekt des Vertrages. Wenn die Parteien vor Vertragsschluss nicht wissen, ob das Wettbewerbsverbot hält, kann das Ergebnis der Prüfung über die „Zulässigkeit“ – das Äquivalenzverhältnis im Rückblick massiv stören. Dieses Risiko, letztendlich „die Katze im Sack“ zu kaufen, werden die Parteien in der Regel nicht eingehen wol­len.

Für die Praxis taugt die Lösung über den Vorbehalt der rechtlichen Zulässigkeit daher in der Regel nicht. Vor diesem Hintergrund sollten potentiell wettbewerbsbeschränkende Vertrags­klauseln stets beizeiten (und nicht erst am Vorabend des Notar­termins) auf ihre kartellrechtliche Unbedenklichkeit geprüft werden. Der Rückzug auf nur vermeintlich weniger aufwändige, pauschale „soweit rechtlich zulässig-Formulierungen“ dürfte in der Praxis entweder zu von den Parteien nicht gewünschten Ergebnissen oder aber zu einem Kartellverstoß führen.

Anne Caroline Wegner, LL.M. (European University Institute)
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf
Telefon +49 211 5660 18742
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Almuth Berger, LL.M. (Birmingham)
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Nachrichten in Kürze

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Gerichtshof der Europäischen Union: UPS erhebt Schadensersatzklage gegen Europäische Kommission

Das US-Logistikunternehmen UPS hat eine Klage auf Ersatz des Schadens erhoben, der durch den von der Europäischen Kommission untersagten Zusammenschluss zwischen UPS und TNT entstandenen ist. 2013 hatte UPS beabsichtigt, den niederländischen Wettbewerber TNT zu übernehmen und dies bei der Kommission angemeldet. Diese gab den Zusammenschluss allerdings nicht frei, denn hierdurch hätte sich die Zahl der Anbieter für globale Expresslieferungen von vier auf drei, nämlich UPS, FedEx und DHL reduziert. UPS erhob daraufhin Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss der Kommission und bekam vom Gerichtshof der Europäischen Union Recht: Das Gericht hob den Kommissionsbeschluss auf, weil die Kommission die Verteidigungsrechte von UPS verletzt habe. Die Kommission habe zur Beurteilung der Wettbewerbssituation ein ökonometrisches Modell angewandt, das von dem Modell abgewichen sei, das im Verwaltungsverfahren zwischen UPS und der Kom­mission erörtert worden war. Den durch diese rechtswidrige Untersagung entstandenen Schaden will UPS nun von der Kommission ersetzt haben.

Europäische Kommission: Bußgeld in Höhe von EUR 997 Mio. gegen Qualcomm verhängt

Die Europäische Kommission hat gegen den US-Chiphersteller Qualcomm ein Bußgeld in Höhe von EUR 997 Mio. wegen Missbrauchs dessen marktbeherrschender Stellung verhängt. Qualcomm habe mehr als fünf Jahre lang Kunden dafür bezahlt, LTE-Basisband-Chipsätze nur bei Qualcomm und nicht bei der Konkurrenz einzukaufen. So soll eine Vereinbarung mit Apple beispielsweise vorgesehen haben, dass Qualcomm mehrere Milliarden US-Dollar an Apple zahle, diese Zahlungen aber einstelle, wenn Apple ein Gerät auf den Markt bringe, das Chipsätze von Qualcomm-Konkurrenten verwende. Hierdurch habe Qualcomm die Konkurrenz vom Markt ausgeschlossen, was weniger Auswahl auf Seiten der Verbraucher zu Folge gehabt hätte.

Europäische Kommission: Freigabe des Zusammenschlusses zwischen Lufthansa und LGW

Die Europäische Kommission hat den geplanten Zusammenschluss der Fluggesellschaften Lufthansa und der Air-Berlin-Tochter LGW unter Bedingungen genehmigt. Die Kommission untersuchte hierbei insbesondere, welche Folgen Lufthansas Erwerb von Slots der LGW an verschiedenen Flughäfen auf den Wettbewerb im Passagierflugverkehr haben würde. Bei Slots handelt es sich um Zeitnischen, während derer eine Fluggesellschaft Landungen und Starts auf einem Flughafen durchführen darf. Laut dem Bundeskartellamt hätte ein hoher Bestand an Slots an einem Flughafen es der Lufthansa erlaubt, Wettbewerber daran zu hindern, Routen von und zu diesen Flughäfen abzufliegen. Solche Eintrittsbarrieren hätten dann zu höheren Preisen und weniger Auswahl der Passagiere führen können. Insbesondere am Flughafen Düsseldorf sah die Kommission die Wettbewerbssituation kritisch. Sie machte es daher für die Freigabe des Zusammenschlusses zur Bedingung, dass Lufthansa nur einen Teil der Slots in Düsseldorf von der LGW erwerben würde.

Landgericht Berlin: Klage gegen Banken wegen einheitlicher Händlerentgelte für EC-Kartenzahlungen

Der Tankstellenbetreiber Jet klagt auf Schadensersatz vor dem Landgericht Berlin gegen die Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft. Bis 2014 hatten diese Spitzenverbände gemeinsam festgelegt, welche Gebühren Händler zahlen müssen, deren Kunden mit EC-Karte bezahlen. Das Bundeskartellamt stellte nach einer vorläufigen Prüfung einen Kartellverstoß fest. Hierauf reagierten die Spitzenverbände mit der Zusage, zukünftig keine einheitlichen Händlerentgelte mehr zu erheben. Dies bewahrt sie möglicherweise aber nicht vor Schadens­ersatz­ansprüchen. Da die abgestimmten Händlerentgelte höher gewesen seien, als diejenigen, die Banken ohne die Absprache gefordert hätten, möchte Jet nun seinen Schaden in Höhe von EUR 34 Mio. von den Spitzenverbänden ersetzt haben.

Bundeskartellamt: Verfahren gegen die Molkerei DMK eingestellt

Das Bundeskartellamt hat das gegen die größte deutsche Molkerei, die Deutsche Milchkontor eG (DMK), geführte Muster­verfahren eingestellt. Das Bundeskartellamt hatte das Verfahren wegen der zwischen DMK und Landwirten vereinbarten Liefer­bedingungen eingeleitet. Diese sahen insbesondere Kündigungsfristen von 24 Monaten, Alleinbelieferungspflichten zugunsten von DMK und eine nachträgliche Preisfestsetzung vor. Das Bundeskartellamt fürchtete, dass es hierdurch zu einer Abschottung des Marktes zum Nachteil der Erzeuger kommen würde. DMK begegnete diesen Bedenken mit einer Änderung ihrer Lieferbedingungen und senkte die Kündigungsfrist auf 12 Monate ab. Das Bundeskartellamt äußerte, dass es zwar noch Zweifel habe, ob diese Vertragsänderung wettbewerbsrechtlich ausreichend sei. Es wolle allerdings zunächst abwarten, wie sich die neuen Lieferbedingungen auf den Wettbewerb auswirken würden.

Bundeskartellamt: Freigabe des Zusammenschlusses zwischen EnBW und MVV

Das Bundeskartellamt hat den Erwerb von 6,28 % der Anteile an der MVV durch EnBW freigegeben. EnBW hält bereits 22,48 % der Anteile an MVV und kann diese nun auf 28,76 % aufstocken. Durch den Zusammenschluss komme es auf den betroffenen Märkten der Abfallverwertung und Energieversorgung nicht zu einer erheblichen Behinderung wesentlichen Wettbe­werbs. Laut dem Bundeskartellamt würde EnBW zwar erstmalig eine aktienrechtliche Sperrminorität, nicht jedoch einen hinreichend großen Einfluss auf die von der Stadt Mannheim allein kontrollierte MVV erhalten. Satzungsmäßig seien die Vetorechte der EnBW auf den unabdingbaren gesetzlichen Aktionärsschutz beschränkt und es bestünden keine weitergehenden Unternehmensverflechtungen.

Bundeskartellamt: Zementhandelsplattform geprüft und für kartellrechtlich unbedenklich befunden

Das Bundeskartellamt hat die für Anfang 2018 geplante digitale Handelsplattform der eBau.pro Handelsplattformen GmbH geprüft und hält diese für kartellrechtlich unbedenklich. Über diese Plattform können Kunden neue Zementanbieter finden und anonyme Anfragen für die Zementbelieferung stellen. Die Preisfindung erfolgt mittels eines automatisierten Auktionsverfahrens. Ursprünglich war auch eine Bekanntgabe von Preisindices bzw. Preisbenchmarks an die Abnehmer vorgesehen. Das Bundes­kartellamt befürchtete aber, dass dies wie ein Marktinformationssystem den Wettbewerb beeinträchtigen könne. Denn ein vertikal integrierter Zementkunde (also ein solcher, der auch selbst Beton herstellt) könne Anfragen auf die Plattform einstellen und so über den Preisindex Informationen über die Preise seiner Wettbewerber erlangen.

Bundeskartellamt: Zusagen des Deutschen Olympischen Sportbunds und des Internationalen Olympischen Komitees im Kartellverfahren.

Das Bundeskartellamt führt derzeit ein Kartellverwaltungsverfahren gegen den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und das Internationale Olympische Komitee (IOC) wegen des Verdachts des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stel­lung. Konkret geht es dabei um Regel 40 der Olympischen Charta in Deutschland. Nach dieser Regel ist es Sportlern, die an Olympischen Spielen teilnehmen verwehrt, die Nutzung ihrer Person, ihres Namens, ihres Bildes oder ihrer sportlichen Leistungen während der Olympischen Spiele sowie einige Tage vor und nach den Spielen zu Werbezwecken zu gestatten. DOSB und IOC haben sich in Reaktion auf das Verfahren vor dem Bundeskartellamt gegenüber diesem bereit erklärt, die Regeln zu lockern: Es soll für Sportler einfacher werden, eine Ausnahmegenehmigung von Regel 40 vom DOSB und dem IOC zu bekommen, außerdem sollen Gruß- und Gratulationsbotschaften der Sponsoren an die Sportler unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein. Das Bundeskartellamt wird nun im Rahmen eines Markttests Verbände, Sportler und Sponsoren zu den vorgeschlagenen Änderungen befragen. Bis zum Ausgang des Markttests dürften die geänderten Regeln schon Anwendung finden, was insbesondere für die Winterspiele, die kürzlich in Pyeongchang stattfanden, von Bedeutung war.

Bundeskartellamt: Bußgeld in Höhe von EUR 13 Mio. gegen Hafenschlepperdienste verhängt

Das Bundeskartellamt hat gegen drei Hafenschleppdienstleister und deren Verantwortliche Geldbußen in Höhe von rund EUR 13 Mio. verhängt. Diese Unternehmen hätten im Zeitraum von 2002 bis 2013 Umsätze und Aufträge in mehreren deutschen Häfen untereinander aufgeteilt. Hierzu seien auf Umsätzen basierende Quoten festgelegt worden, an denen sich die Unternehmen orientiert hätten. Bei der Berechnung der Höhe der Bußgelder habe das Bundeskartellamt zugunsten der Kartellanten unter anderem auch die starke Position der Linienreeder als Marktgegenseite berücksichtigt sowie den Umstand, dass die Kartellanten mit dem Bundeskartellamt kooperiert und einvernehmliche Verfahrensabschlüsse (sog. Settlements) abgeschlossen hätten.

Bundeskartellamt: Sektoruntersuchung bei Online-Werbung

Das Bundeskartellamt hat eine Sektoruntersuchung im Bereich Online-Werbung eingeleitet, um zu untersuchen, welche Auswirkungen die gegenwärtige und absehbare technische Entwicklung auf die Marktstruktur und die Marktchancen verschiedener Akteure hat. Die Entscheidung hierzu traf das Bundeskartellamt aufgrund der großen wirtschaftlichen Bedeutung für Werbetreibende und aufgrund der Diskussionen um ein schwieriges wettbewerbliches Umfeld auf diesem Markt. Das Bundes­kartell­amt wird zunächst Gespräche mit verschiedenen Unternehmen führen, um deren Sichtweise zu erfassen und die Untersuchungsgegenstände weiter einzugrenzen. Ab Frühjahr 2018 sollen dann erste Fragebögen an Marktteilnehmer versandt werden. Am Ende der Sektoruntersuchung steht ein Abschlussbericht.

Termine & Literatur

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