22.05.2017

Gesellschaftsrecht Ausgabe Q2 2017

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Neues Prospektrecht

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Erweiterte Ausnahmen von der Prospekt­pflicht, EU-Wachstumsprospekt und vereinfachte Offenlegungsregelung für Se­kundäremissionen

Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben sich im Dezember 2016 auf neue Vorschriften zur Überarbeitung des Prospektrechts verständigt. Ausgangspunkt für das neue Prospektrecht war die Konsultation der EU-Kommission in 2015 zur Schaffung einer Kapitalmarktunion, das sogenannte Grünbuch. Ziel ist unter anderem eine effizientere Gestaltung der Unternehmensfinanzierung durch Erschließung von kapitalmarktbasierten Finanzierungsquellen. Speziell für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen Erleichterungen beim Kapitalmarktzugang geschaffen werden. Die USA und Asien dienen hier als Vorbild – dort finanzieren sich die Unternehmen – anders als in Europa - deutlich stärker über die Kapitalmärkte. Während sich in den USA lediglich 27 % der Unternehmen über Banken finanzieren und 73 % über die Kapitalmärkte, ist das Verhältnis in Europa noch umgekehrt – 76 % der Unternehmen finanzieren sich über Banken und nur 24 % über die Kapitalmärkte. Dies soll sich durch die Kapitalmarktunion zukünftig ändern.

Die neue Prospektverordnung sieht Erleichterungen und Kosteneinsparungen bei der Kapitalaufnahme von KMU vor – nach Einschätzung der Kommission würden jährlich 320 KMU-Prospekte hiervon profitieren, was im Jahr unionsweit zu Einsparungen von EUR 45 Mio. führen würde. Die vorgesehenen Erleichterungen für Sekundäremissionen würden jährlich sogar 700 von 935 Dividendenprospekten (z.B. Aktien) betreffen und damit unionsweit gar zu Einsparungen von EUR 130 Mio. im Jahr führen.

Die Prospektverordnung wird wahrscheinlich noch im ersten Halbjahr dieses Jahres in Kraft treten. Einige wenige Regelungen werden dann unmittelbar gelten. Einige neu vorgesehene Schwellenwerte als Ausnahmen von der Prospektpflicht sollen nach zwölf Monaten gelten, während das Gros der Regelungen erst 24 Monate nach Inkrafttreten Anwendung finden wird.

Erweiterte Ausnahmen von der Prospektpflicht

Das neue Prospektrecht sieht erweiterte und auch neue Ausnahmen von der Prospektpflicht vor. So ist die neue Prospektverordnung nicht anwendbar auf öffentliche Angebote von Wertpapieren mit einem Gesamtgegenwert in der Union von weniger als EUR 1 Mio. (über einen Zeitraum von zwölf Monaten) - bisher sah das Wertpapierprospektgesetz lediglich eine Schwelle von EUR 100.000 vor. Darüber hinaus wird den Mitgliedsstaaten nun auch erstmals für nationale öffentliche Angebote von Wertpapieren bis zu einem Gesamtgegenwert von EUR 8 Mio. in der Union (über einen Zeitraum von zwölf Monaten) die Möglichkeit eröffnet, diese von der Prospektpflicht auszunehmen. Diese Ausnahme hat primär KMU im Blick, für die die Kosten und der Aufwand der Prospekterstellung im Vergleich zu der geringen Höhe der Kapitalaufnahme unverhältnismäßig erscheinen. Auch die Ausnahme von der Prospektpflicht für die Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem geregelten Markt wird erheblich erweitert. Nach dieser Ausnahme für sog. „Kleinstemissionen“ war es bisher möglich Aktien, die weniger als 10 % der bestehenden zugelassenen Aktien ausmachten, prospektfrei zum Handel zuzulassen. Zukünftig wird diese Ausnahme allgemein auf Wertpapiere erweitert und soll sich nunmehr auf ein Volumen von weniger als 20 % der Zahl der bereits zugelassenen Wertpapiere erstrecken.

EU-Wachstumsprospekt

Eine Erleichterung für KMU wird über den EU-Wachstumsprospekt geschaffen, der als neues Prospektformat für KMU EU-weit eingeführt wird. Der EU-Wachstumsprospekt soll darüber hinaus auch von Unternehmen genutzt werden können, bei denen es sich nicht um KMU handelt, sofern deren Wertpapiere an einem KMU-Wachstumsmarkt gehandelt werden oder gehandelt werden sollen und ihre durchschnittliche Marktkapitalisierung auf der Grundlage der Notierungen zum Jahresende in den letzten drei Kalenderjahren weniger als EUR 500 Mio. betrug. Gleiches gilt für Unternehmen, deren öffentliches Angebot von Wertpapieren einem Gesamtgegenwert in der Union von höchsten EUR 20 Mio. (über einen Zeitraum von zwölf Monaten) entspricht, sofern keine Wertpapiere dieser Emittenten an einem multilateralen Handelssystem gehandelt werden und die durchschnittliche Beschäftigtenzahl im Geschäftsjahr bis zu 499 betrug. Mit diesen beiden weiteren Ausnahmen erstreckt sich der Anwendungsbereich des EU-Wachstumsprospekts deutlich über den KMU-Begriff hinaus. Die neue Prospektverordnung sieht für den EU-Wachstumsprospekt ein Dokument in standardisierter Aufmachung vor, das in leicht verständlicher Sprache abgefasst und für die Emittenten leicht auszufüllen ist. Der EU-Wachstumsprospekt soll einen nur verkürzten Inhalt haben und aus spezieller (verkürzter) Zusammenfassung und Emittenten- und Wertpapierbeschreibung bestehen. Die genauen Details sollen noch in delegierten Rechtsakten der Kommission festgelegt werden. Bei der Präzisierung der delegierten Rechtsakte soll die Kommission unter anderem sicherstellen, dass die Kosten für die Erstellung eines Prospekts in einem angemessenen Verhältnis zur Größe des Unternehmens stehen. Hierbei soll berücksichtigt werden, dass der EU-Wachstumsprospekt unter dem Aspekt der Verwaltungslasten und der Emissionskosten signifikant einfacher sein muss als der Standardprospekt.

Vereinfachte Offenlegungspflichten für Sekundäremissionen

Neu in die Prospektverordnung wurden zudem vereinfachte Offenlegungspflichten für Sekundäremissionen aufgenommen. Dies betrifft Folgeemissionen von Emittenten, deren Wertpapiere mindestens während der letzten 18 Monate ununterbrochen zum Handel an einem geregelten Markt oder an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen waren und deren Wertpapiere im Volumen erhöht werden sollen (Aufstockung) oder deren Aktien mindestens während der letzten 18 Monate ununterbrochen zum Handel an einem geregelten Markt oder an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen waren und die nun Anleihen begeben. Für diese ist zukünftig ein vereinfachter Prospekt vorgesehen. Der vereinfachte Prospekt soll verkürzte Angaben enthalten. Die Angaben im vereinfachten Prospekt sollen in leicht zu analysierender, knapper und verständlicher Form präsentiert werden. So sollen sich z.B. die Finanzinformationen nur noch auf die letzten zwölf Monate erstrecken. Diese Vereinfachung ist durchaus sachgerecht, da die Anleger mit dem Prospekt der Erstemission wesentliche Informationen bereits vorfinden und der Emittent darüber hinaus über mindestens die letzten 18 Monate ununterbrochen alle Folgepflichten nach der Marktmissbrauchsverordnung erfüllt hat. Die Kommission wird binnen 18 Monaten nach Inkrafttreten der neuen Prospektverordnung delegierte Rechtsakte erlassen, die die verkürzten Informationen für vereinfachte Offenlegungsregelungen präzisieren. Bei der Präzisierung der verkürzten Informationen soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Mittelbeschaffung über die Kapitalmärkte erleichtert werden muss und dass es wichtig ist, die Kapitalkosten zu senken.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die neue Prospektverordnung erhebliche Erleichterungen für KMU (und auch darüber hinaus) und Sekundäremissionen vorsieht.

Die praktische Ausgestaltung dieser beabsichtigten Erleichterungen wird jedoch erst noch von der Kommission festgelegt. Erst wenn diese im Detail feststeht, wird man sehen können, ob die Änderungen tatsächlich erhebliche Erleichterungen für die betroffenen Marktteilnehmer darstellen.

Auf einem Workshop der Europäischen Kommission am 29. März 2017 in Brüssel zur Umsetzung des neuen Prospektformats – auf dem kein KMU vertreten war - schlug beispielsweise eine Teilnehmerin des Expertenpanels vor, dass zukünftig für KMU-Prospekte aufgrund der besseren Vergleichbarkeit ausschließlich International Financial Reporting Standards (IFRS) vorgesehen werden sollten und nationale Rechnungslegungsstandards wie Jahresabschlüsse nach HGB nicht mehr zugelassen werden sollen. Sollten KMU zukünftig nach IFRS in ihren Wertpapierprospekten bilanzieren müssen, wäre dies für viele Mittelständler mit erheblichen Mehr- und Umstellungskosten verbunden. Damit würde genau das Gegenteil erreicht werden, was die Initiative zur Kapitalmarktunion eigentlich bezweckt hat: Die Kosten für die KMU zu minimieren und den Zugang zu den Kapitalmärkten zu erleichtern.

Hinweis
Um die Belange des kapitalmarktorientierten deutschen Mittelstands in Brüssel zu vertreten, gründet die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft einen Interessenverband. Derzeit schafft Luther den rechtlichen Rahmen für die Gründung des neuen Verbandes. Eine Satzung ist in Vorbereitung. Interessierte Unternehmen können sich schon jetzt Informationen über eine Mitgliedschaft zusenden lassen: Interessenverband-KMU@luther-lawfirm.com.

Ingo Wegerich
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Frankfurt a.M.
Telefon +49 69 27229 24875
ingo.wegerich@luther-lawfirm.com

René Krümpelmann
LL.M. (University of Sydney)
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Frankfurt a.M.
Telefon +49 69 27229 24873
rene.kruempelmann@luther-lawfirm.com

Änderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) in Kraft getreten

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Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hat am 7. Februar 2017 die DCGK-Änderungen für dieses Jahr beschlossen, die mit ihrer Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 24. April 2017 in Kraft getreten sind. Dem Beschluss über die diesjährigen Änderungen war wie bei den letzten Kodexüberarbeitungen ein Konsultationsverfahren vorausgegangen, in dessen Rahmen rund 80 Stellungnahmen aus Praxis und Wissenschaft zu der Entwurfsfassung vom 13. Oktober 2016 bei der Regierungskommission eingingen. Die aktuelle Überarbeitung des Kodex soll nach dem Willen der Regierungskommission u.a. zu mehr Transparenz für eine bessere Beurteilung der gelebten Unternehmensgovernance durch die Stakeholder beitragen und zudem internationale Best Practice in den DCGK integrieren.

I. Kodexänderungen

Die wesentlichen Änderungen des DCGK werden nachfolgend dargestellt.

1. Präambel

Die Regierungskommission hat die Präambel des DCGK um den Zusatz erweitert, dass die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, an denen sich gute Unternehmensführung orientiert, nicht nur Legalität, sondern auch ethisch fundiertes, eigenverantwortliches Verhalten verlangen (Leitbild des ehrbaren Kaufmanns). Angesichts zahlreicher Skandale in der jüngeren Vergangenheit handelt es sich hierbei auf den ersten Blick um einen wichtigen und berechtigten Appell. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass es kein allgemeines Verständnis dazu gibt, wie sich ein „ehrbarer Kaufmann“ zu verhalten hat. Die genannte Ergänzung der Präambel dürfte daher zu zahlreichen (zusätzlichen) Fragen und Diskussionen im Rahmen künftiger Hauptversammlungen führen.

In der Präambel des Kodex wird nunmehr zudem festgehalten, dass institutionelle Anleger für die Unternehmen von besonderer Bedeutung sind und von ihnen erwartet wird, dass sie ihre Eigentumsrechte aktiv und verantwortungsvoll auf der Grundlage von transparenten und die Nachhaltigkeit berücksichtigenden Grundsätzen ausüben. Mit dieser Ergänzung hat sich die Regierungskommission im Rahmen der Debatte um die besondere Verantwortung institutioneller Investoren positioniert. Von der ursprünglichen Idee, diesen Punkt im Kodex selbst aufzugreifen, wie es noch in der Entwurfsfassung vorgesehen war, hat die Regierungskommission richtigerweise Abstand genommen, da Investoren nicht zu den Adressaten des DCGK gehören.

2. Vorstand

In Ziffer 4.1.3 DCGK wurde die Empfehlung aufgenommen, dass der Vorstand für angemessene, an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtete Maßnahmen (Compliance Management System) sorgen und deren Grundzüge offenlegen soll. Hiermit möchte die Regierungskommission es Investoren ermöglichen, sich ein eigenes Bild von den Compliance-Anstrengungen des Unternehmens zu machen.

Ziffer 4.1.3 DCGK empfiehlt in seiner neuen Fassung zudem, dass den Beschäftigten auf angemessene Weise die Möglichkeit eingeräumt werden soll, geschützt Hinweise auf Rechtsverstöße im Unternehmen zu geben. Im Rahmen einer Anregung sieht der Kodex darüber hinaus vor, dass auch Dritten diese Möglichkeit eingeräumt werden sollte. Es ist nicht auszuschließen, dass die vorgenannten Kodexregelungen zur Errichtung von Whistleblower-Systemen mit Hinweisgeberschutz dazu beitragen, dass zukünftig mehr Compliance-Verstöße bekannt werden. In jedem Fall werden sie börsennotierte Unternehmen veranlassen, die eigenen Compliance-Maßnahmen zu überprüfen.

In Ziffer 4.2.3 Abs. 2 DCGK wird die gesetzliche Regelung des § 87 Abs. 1 Satz 3 AktG, nach der variable Vergütungsbestandteile der Vorstandsmitglieder eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben sollen, um die Empfehlung ergänzt, dass der Bemessungszeitraum im Wesentlichen zukunftsbezogen sein soll.

3. Aufsichtsrat

Die in der Präambel hervorgehobene Bedeutung institutioneller Anleger wird flankiert durch die in Ziffer 5.2 DCGK aufgenommene Anregung, dass der Aufsichtsratsvorsitzende in angemessenem Rahmen bereit sein sollte, mit Investoren über aufsichtsratsspezifische Themen Gespräche zu führen. Zu aufsichtsratsspezifischen Themen zählen nach Ansicht der Regierungskommission Gegenstände, für die der Aufsichtsrat allein verantwortlich ist und die von ihm allein zu entscheiden sind. In der Entwurfsfassung des Kodex war diese Regelung noch als Empfehlung ausgestaltet. Die Entwurfsfassung sah zudem vor, dass bei Fragen, die nur gemeinsam von Vorstand und Aufsichtsrat zu entscheiden sind, die Gespräche entweder allein vom Vorstand oder vom Aufsichtsratsvorsitzenden zusammen mit dem Vorstand geführt werden sollen. Dies hatte im Rahmen des Konsultationsverfahrens zu massiver Kritik geführt, wobei insbesondere darauf verwiesen wurde, dass eine Zuständigkeit des Aufsichtsrates für die Kapitalmarktkommunikation mit dem Aktiengesetz nicht in Einklang zu bringen sei. In ihrer Begründung zu der nunmehr beschlossenen Kodexänderung führt die Regierungskommission aus, dass die Investorenkommunikation des Aufsichtsratsvorsitzenden „bereits gelebte internationale Praxis – auch in größeren Unternehmen in Deutschland“ sei. Dieser Umstand sowie das nachvollziehbare Interesse der Investoren an einem entsprechenden Austausch ändern jedoch nichts daran, dass das aktienrechtliche Kompetenzgefüge dem Aufsichtsratsvorsitzenden grundsätzlich keine aktive Rolle bei der Kommunikation mit den Aktionären einräumt und ein Dialog des Aufsichtsratsvorsitzenden mit bestimmten einzelnen Investoren auch vor dem Hintergrund des Gleichheitsgrundsatzes der Aktionäre höchst problematisch ist. Die von der Regierungskommission in der finalen Kodexfassung vorgenommene Ausgestaltung der Regelung als Anregung führt allerdings immerhin dazu, dass Abweichungen hiervon nicht in der jährlichen Entsprechenserklärung offengelegt werden müssen.

In Ziffer 5.4.1 DCGK hat die Regierungskommission die Empfehlungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Aufsichtsrates erneut angepasst und ergänzt. Der Aufsichtsrat soll für seine Zusammensetzung nicht nur konkrete Ziele benennen, sondern zukünftig auch ein Kompetenzprofil für das Gesamtgremium erarbeiten. Ferner soll jedem Vorschlag zur Wahl eines neuen Aufsichtsratsmitglieds an die Hauptversammlung ein Lebenslauf des Kandidaten beigefügt werden, der über relevante Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen Auskunft gibt; dieser soll durch eine Übersicht über die wesentlichen Tätigkeiten neben dem Aufsichtsratsmandat ergänzt und für alle Aufsichtsratsmitglieder jährlich aktualisiert auf der Website des Unternehmens veröffentlicht werden. Um den vorgenannten Empfehlungen zu genügen, werden sich Aufsichtsräte in vielen Fällen intensiver als bisher mit der geeigneten Zusammensetzung befassen und zukünftig deutlich mehr Informationen bekanntmachen müssen.

Ziffer 5.4.1 DCGK wurde zudem um die Empfehlung ergänzt, dass der Aufsichtsrat über die nach seiner Einschätzung angemessene Zahl unabhängiger Mitglieder der Anteilseigener und die Namen dieser Mitglieder informieren soll. Bei der Beantwortung der Frage, wie viele unabhängige Mitglieder dem Gremium angehören sollen, soll der Aufsichtsrat nach Ziffer 5.4.2 DCGK auch die Eigentümerstruktur berücksichtigen. Die genannten Empfehlungen sind problematisch, da die gesteigerten Anforderungen zu einer erhöhten Zahl von Anfechtungsklagen führen könnten.

4. Rechnungslegung

In Ziffer 7.1.1 DCGK wurde die Empfehlung aufgenommen, dass auch solche Gesellschaften, die nicht zur Veröffentlichung von Quartalsmitteilungen verpflichtet sind, die Aktionäre unterjährig neben dem Halbjahresfinanzbericht in geeigneter Form über die Geschäftsentwicklung, insbesondere über wesentliche Veränderungen der Geschäftsaussichten sowie der Risikosituation, informieren sollen.

II. Hinweise für die Praxis

Die Empfehlungen des DCGK sind nicht verpflichtend. Börsen­notierte Gesellschaften müssen jedoch gemäß § 161 AktG in der jährlichen Entsprechenserklärung erklären, dass den Empfehlungen entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht. Vor diesem Hintergrund ist es aus Unternehmenssicht zu begrüßen, dass die Regierungskommission von ihrem ursprünglichen Vorhaben, Investorengespräche durch den Aufsichtsratsvorsitzenden zu empfehlen, Abstand genommen hat. Ungeachtet dessen hat die Regierungskommission den Kodex im Rahmen der diesjährigen Überarbeitung um einige neue Empfehlungen ergänzt, sodass für die kommende Abgabe der Entsprechenserklärung zu prüfen ist, inwieweit Anpassungen zu Einzelfragen der Corporate Governance im Unternehmen sinnvoll oder erforderlich sind, wenn den Empfehlungen Folge geleistet werden soll. Insbesondere in Bezug auf die Empfehlungen zur Offenlegung von Compliance-Maßnahmen sowie zur Zusammensetzung des Aufsichtsrates ist die bisherige Handlungsweise der Gremien zu reflektieren. Nicht zuletzt dürfte sich auch der in die Präambel aufgenommene Verweis auf das Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“ für die Unternehmen bemerkbar machen. Zwar berührt diese Ergänzung nicht den Inhalt der Entsprechenserklärung, allerdings dürfte in künftigen Hauptversammlungen mit zahlreichen Fragen zu diesem Punkt zu rechnen sein.

Dr. Marc Peters, LL.M. oec.
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Köln
Telefon +49 221 9937 24740
marc.peters@luther-lawfirm.com

Achtung ICC-Schiedsklausel

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Im internationalen Geschäftsverkehr inkl. Joint Ventures ist es eine Selbstverständlichkeit, Schiedsklauseln in die Verträge aufzunehmen. Häufig wird dabei auf die Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer Paris (ICC) verwiesen.

Für alle ab März 2017 neu abgeschlossenen Schiedsvereinbarungen der ICC gilt dabei folgende gravierende Neuerung: Sofern der Streitwert der konkret streitigen Auseinandersetzung nicht höher ist als USD 2 Mio., geht die ICC zukünftig davon aus, dass die Parteien ein sog. Beschleunigtes Verfahren wünschen, das von einem Einzelschiedsrichter durchgeführt wird. Dies gilt selbst dann, wenn die Parteien ein grundsätzlich aus drei Personen bestehendes Schiedsgericht vorgesehen haben. Diesem Einzelschiedsrichter stehen im Vergleich zum üblichen Schiedsverfahren erweiterte Befugnisse zur Verfahrensgestaltung zu, er kann die Feststellungen zum Sachverhalt begrenzen und ohne mündliche Verhandlung innerhalb von sechs Monaten entscheiden.

Mit diesem Beschleunigten Verfahren soll der Kritik begegnet werden, dass Schiedsverfahren zu lange dauern und zu teuer sind. Ob dieses vereinfachte Verfahren stets den Interessen der Beklagten entspricht, ist indes fraglich.

Die Parteien haben allerdings die Möglichkeit von dieser Regelung abzuweichen, andere Streitwertgrenzen vorzusehen oder das Beschleunigte Verfahren völlig auszuschließen. Letzteres kann etwa sinnvoll sein, wenn von vornherein absehbar ist, dass es sich – sofern man sich denn streitet – in jedem Fall um komplexe Rechts- und Sachverhaltsfragen gehen wird. Dies kann allerdings nur durch ausdrückliche Regelung geschehen.

In Zukunft wird es daher darauf ankommen, bereits bei der Gestaltung der Schiedsklausel noch mehr Sorgfalt aufzubringen, als dies ohnehin schon erforderlich ist.

Dr. Volker Schulenburg
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Hamburg
Telefon +49 40 18067 24687
volker.schulenburg@luther-lawfirm.com

Neue Anforderungen an die Besetzung des Aufsichtsrats und die Auswahl des Abschlussprüfers

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Das Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG) und die EU-Prüferverordnung (EU) sowie erste Erfahrungen mit den neuen Regeln

Am 17. März 2016 hat der Bundestag das Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG) verabschiedet (BGBl. I 2016, S. 1142 ff.). Das Gesetz setzt die Vorgaben der überarbeiteten Abschlussprüferrichtlinie (Richtlinie 2014/56/EU) in deutsches Recht um und ändert u.a. im Aktienrecht die §§ 100 (Persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder) und 107 (Innere Ordnung des Aufsichtsrats).

1. Änderungen im Aktiengesetz, insbesondere „Sektorkenntnis“ des Aufsichtsrats:

a) Neue aktienrechtliche Bestimmungen

Das AReG dehnt zunächst den Anwendungsbereich des § 100 Abs. 5 AktG, wonach mindestens ein Mitglied im Aufsichtsrat über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung und Abschlussprüfung verfügen muss, aus. Diese Regelung bezog sich bisher nur auf kapitalmarktorientierte Gesellschaften i.S.v. § 264d HGB; nunmehr werden neben diesen auch Banken (CRR-Kreditinstitute i.S.v. § 1 Abs. 3d S.1 KWG mit Ausnahme der Bundesbank und der KfW) und Versicherungen einbezogen. Mit den drei genannten Gruppen von Unternehmen werden die sog. „Unternehmen im öffentlichen Interesse“ i.S.v. Art 2 Nr. 13 der o.g. überarbeiteten Abschlussprüferrichtlinie erfasst.

Darüber hinaus fordert § 100 Abs. 5 AktG n.F. nun zusätzlich, und das dürfte die interessanteste Neuerung sein, dass die Mitglieder (des Aufsichtsrates derartiger Unternehmen im öffentlichen Interesse) „in ihrer Gesamtheit“ mit dem Sektor, in dem die Gesellschaft tätig ist, vertraut sein müssen, und zwar unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines nach wie vor nur fakultativen Prüfungsausschusses. Nach § 107 Abs. 3 S. 2 AktG n.F. ist der fakultative Prüfungsausschuss  - neben seinen sonstigen Aufgaben - nunmehr nicht nur für die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers (wie bisher) sondern auch für seine Auswahl (mit-)zuständig. Ferner kann der Prüfungsausschuss nunmehr „Empfehlungen oder Vorschläge zur Gewährleistung der Integrität des Rechnungslegungsprozesses unterbreiten“. Überdies wurde das Kriterium der „Unabhängigkeit“ des in § 100 Abs. 5 AktG angesprochenen Aufsichtsratsmitglieds mit Sachverstand auf den Gebieten der Rechnungslegung und der Abschlussprüfung durch Streichung des Wortes „unabhängiges“ aufgegeben. Im Übrigen gilt das Erfordernis der Vertrautheit mit dem Sektor, in dem die Gesellschaft tätig ist, auch für Mitglieder des fakultativen Prüfungsausschusses in seiner Gesamtheit, § 107 Abs. 4 AktG n.F. Schließlich bezieht § 124 Abs. 3 S. 2 AktG n.F. – Stützen des Wahlvorschlags des Aufsichtsrats hinsichtlich des Abschlussprüfers auf die Empfehlung des Prüfungsausschusses – nunmehr auch Banken und Versicherungen ein.

In zeitlicher Hinsicht folgt aus § 12 Abs. 5 EGAktG n.F., dass die nunmehr geltenden persönlichen Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder erst bei der nächsten Nachbestellung nach dem 17. März 2016 und folglich i.d.R. beim darauffolgenden nächsten turnusgemäßen Wechsel eines der Mitglieder des Aufsichtsrats eines Unternehmens im öffentlichen Interesse anzuwenden sind; bei Nachrücken eines vor dem 17. Juni 2016 bestellten Ersatzmitgliedes besteht jedoch keine Verpflichtung, die neuen Vorgaben anzuwenden. Die neuen Anforderungen (Sektor- bzw. Branchenkenntnis) an die Mitglieder eines Prüfungsausschusses gelten nach der o.g. Bestimmung ebenfalls erst bei Bestellung nach dem 17. Juni 2016.

b) „Sektorkenntnis“ im Einzelnen

Sektorkenntnis bedeutet Branchenkenntnis. Branchenkenntnis wird durch praktische Erfahrungen und Tätigkeit in der Branche, z.B. als Mitglied der Geschäftsleitung oder leitender Angestellter erworben. Bei Aufsichtsratsmitgliedern, die bereits vor dem 17. Juni 2016 im Amt waren und an mehreren Sitzungen des betreffenden Organs derselben Gesellschaft teilgenommen haben, ist von Erwerb der geforderten Branchenkenntnis auszugehen. Nach der AReG-Gesetzesbegründung können auch bestimmte Berufsgruppen Branchenkenntnis erwerben: Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater, die eine Gesellschaft der betroffenen Branche nicht nur punktuell beraten haben, erwerben als Berater Branchenkenntnis. Mitarbeiter im Beteiligungsmanagement, d.h. meist die Mitglieder der Controlling-Abteilung der Muttergesellschaft eines Konzerns der betroffenen Branche, erlangen ebenfalls Branchenkenntnis. Auch durch „intensive Weiterbildung“ kann Branchenkenntnis erworben werden; hierbei dürfte jedenfalls das Selbststudium ausscheiden, sonst würde die Gesetzesbegründung nicht von „intensiven“ Weiterbildungen sprechen. In Betracht kommen aber professionelle Schulungen.

c) Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung des Erfordernisses der Sektorkenntnis

Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 105 Abs. 5 AktG n.F., also die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern ohne die jeweils erforderliche Sektorkenntnis, werden maßgeblich durch die Auslegung des o.g. Begriffes „in ihrer Gesamtheit“ determiniert. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/7219, 58)  lässt sich zwar so lesen, dass Sektorkenntnis bei allen Aufsichtsratsmitgliedern vorausgesetzt wird; dies kommt jedoch weder im Gesetzeswortlaut noch im Wortlaut der Abschlussprüferrichtlinie zum Ausdruck. Daher ist davon auszugehen, dass nur der Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit, nicht aber jedes einzelne Mitglied, über Sektorkenntnis verfügen muss. Belegt wird dies mit Blick auf vergleichbare Regelungen: Zum § 25d Abs. 2 S. 1 KWG mit vergleichbarem Wortlaut wird einheitlich vertreten, dass es auf eine Gesamtschau der Kenntnisse aller Mitglieder des Organs ankommt. Entsprechend wird Ziff. 5.4.1 DCGK verstanden, wonach der Aufsichtsrat „insgesamt“ über die erforderlichen Kenntnisse verfügen muss. Eine Anfechtung von Wahlbeschlüssen wird daher im Regelfall nicht in Frage kommen, weil das Absinken der Gesamtqualifikation des Aufsichtsrats unter die Erfordernisse des § 105 Abs. 5 AktG in der Praxis kaum einem einzelnen Wahlbeschluss zuzurechnen ist (vgl. Habersack zu § 100 Abs. 5 AktG a.F. in MünchKomm AktG. 4. Aufl. 2014, § 100 AktG Rn. 71f.). Will man dagegen das Anfechtungsrisiko wegen der zumindest auch möglichen Auslegung, dass alle Aufsichtsratsmitglieder entsprechende Sektorkenntnis aufweisen müssen, vollständig ausschließen, so müssen bis zu einer höchstrichterlichen Klärung dieser Frage alle neu zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieder von Unternehmen im öffentlichen Interesse über entsprechende Sektorkenntnis verfügen.

Des Weiteren kommt ein Übernahmeverschulden neu bestellter Aufsichtsratsmitglieder bei Zugrundelegung der hier vertretenen Auslegung des Begriffes „in ihrer Gesamtheit“ ersichtlich nicht in Betracht, weil einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern die zutreffende Beurteilung der im Aufsichtsrat vorhandenen Sektorkenntnis bei Annahme der Wahl kaum möglich sein wird.

Im Einzelfall kann jedoch die Entlastung des mit der Vorbereitung der Wahlvorschläge befassten Aufsichtsrates anfechtbar sein, falls er nicht dafür Sorge trägt, dass auch nach der Wahl neuer Aufsichtsratsmitglieder die erforderliche Sektorkenntnis im Aufsichtsrat vorhanden sind.

2. Umgang mit einzelnen Neuerungen bezogen auf die Auswahl des Abschlussprüfers

a) Wahlvorschlag des Aufsichtsrats bei Fehlen eines Prüfungsausschusses

Nach Artikel 16 Abs. 2 der EU-Prüferverordnung (EU) Nr. 537/2014 legt der Prüfungsausschuss dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan des geprüften Unternehmens eine Empfehlung für die Bestellung von Abschlussprüfern oder Prüfungsgesellschaften vor. In Deutschland ist der Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat allerdings auch nach dem AReG nur eine fakultative Einrichtung, weil das AReG insofern von der in der überarbeiteten Abschlussprüferrichtlinie vorgesehenen Ausnahme Gebrauch macht. In einem Unternehmen von öffentlichem Interesse, das keinen Prüfungsausschuss eingerichtet hat, hat also der Aufsichtsrat zunächst an sich selbst die Empfehlung für die Bestellung des Abschlussprüfers zu richten und erst dann seinen Wahlvorschlag der Hauptversammlung zu unterbreiten. Ein derartiges „Insichgeschäft“ ist zulässig. Gestützt wird diese Beurteilung dadurch, dass der Aufsichtsrat nach allgemeiner Meinung auch bei Bestehen eines Prüfungsausschusses von einer vorangegangenen Beschlussempfehlung des Prüfungsausschusses hinsichtlich des Abschlussprüfers abweichen darf. In dem der Hauptversammlung nach § 124 Abs. 3 S. 2 AktG zu unterbreitenden Wahlvorschlag hinsichtlich des Abschlussprüfers hat der Aufsichtsrat allerdings auf dieses „Insichgeschäft“, zu dem es wegen Fehlen eines Prüfungsausschusses gekommen ist, hinzuweisen.

b) Auswahlverfahren in KMU

Abschließend ist auf eine Besonderheit des Auswahlverfahrens der Bestellung von Abschlussprüfern bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) hinzuweisen. Nach Artikel 16 Abs. 3 der EU-Prüferverordnung (EU) Nr. 537/2014  hat der Bestellung von Abschlussprüfern oder Prüfungsgesellschaften neben der genannten Empfehlung des Prüfungsausschusses ein Auswahlverfahren voranzugehen, das im Wesentlichen die in Art. 16 Abs. 3 näher beschriebene Ausschreibung umfasst. Zu beachten ist, dass dieses aufwendige Verfahren bei KMUs im Sinne von Art. 2 Abs. 1 f) der Richtlinie 2003/71/EG durch Art. 16 Abs. 4 der EU-Prüferverordnung deutlich vereinfacht wird: Börsennotierte Aktiengesellschaften und damit „Unternehmen im öffentlichen Interesse“ , die zugleich KMUs nach vorgenannter Definition sind, sind nicht zur Durchführung des in Art. 16 Abs. 3 genannten Auswahlverfahrens verpflichtet. Hier ist keine vollständige Ausschreibung erforderlich, hier sollte das Einholen von mindestens zwei Vorschlägen für den zu wählenden Abschlussprüfer ausreichen.

Prof. Dr. Notker Polley
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