06.02.2019

Urteilshagel für Amazon und die Folgen für den E-Commerce

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06.02.2019

Urteilshagel für Amazon und die Folgen für den E-Commerce

Markus Heins, LL.M. / Sharon Sitzer

Amazon setzt als Händler und als Marketplace-Anbieter in Deutschland etwa 26 Milliarden Euro im Jahr um und macht damit knapp die Hälfte des Online-Umsatzes deutschlandweit. Doch bereits zu Jahresbeginn herrscht Unmut im Hause Amazon. Gegen den Online-Shopriesen ergingen im Januar zwei Urteile mit gravierenden Konsequenzen. Das OLG München nahm sowohl den durch Amazon etablierten sog. Dash-Button, als auch die Ausgestaltung der Bestellabschlussseite in die Mangel.
 

Unzulässige Dash-Buttons

Einen kleinen WLAN-Knopf an die Kaffeemaschine kleben und Kaffee einfach per Knopfdruck nachkaufen, das geht mit den sog. Dash-Buttons, also Bestellknöpfe, welche Amazon seinen Kunden auf seiner Plattform seit 2016 anbietet. Diese Praxis findet nun voraussichtlich ein Ende: Das OLG München (OLG München, Urteil v. 10.1.2019, 29 U 1091/18) verurteilte Amazon am 10.01.2019 zur Unterlassung:

Die nur mit dem jeweiligen Hersteller-Logo versehenen Knöpfe führen nach Ansicht der Richter zu einem undurchsichtigen Bestellvorgang. Weder Informationen zu Inhalt und Preis der Ware, noch der klare Hinweis auf eine zahlungspflichtige Bestellung seien beim Bestellen per Dash-Button gegeben. Dadurch verstoße Amazon gegen das E-Commerce-Recht. Zwar habe der Kunde bei der Installation der Bestellknopf-App entschieden, welche Produkte er damit bestellen möchte, jedoch sei er sich nicht aller Details bewusst. Der Preis eines Produkts könnte sich zum Beispiel seit dem letzten Bestellvorgang geändert haben, ohne, dass sich der Kunde dessen bei erneuter Bestellung bewusst ist. Hinzu kommt, dass sich Amazon laut Richtern in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen Raum lasse, Elemente zu ändern. Auch fehle der notwendige klare Hinweis, dass jeder Knopfdruck eine zahlungspflichtige Bestellung nach sich zieht.

Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen aufgrund mehrfacher Beschwerden. Schon das LG München hatte Amazon zur Unterlassung verurteilt. Dem schloss sich nun das OLG an und ließ die Revision nicht zu. Amazon kündigte an, Widerspruch einlegen zu wollen.
 

Informationspflichten auf der Bestellabschlussseite

Nach diesem ersten herben Schlag folgte einige Tage später sogleich der nächste: Das OLG München hat mit Urteil vom 31.01.2019 (OLG München, Az. 29 U 1582/18) eine Entscheidung des LG München I vom 04.04.2018 (Az.: 33 O 9318/17) bestätigt, in welchem die Amazon verpflichtet wurde, auf seiner Bestellübersichtsseite vor dem Drücken des Bestellbuttons die wesentlichen Merkmale des verkauften Produkts anzuzeigen. Damit folgte das Gericht der herrschenden Rechtsprechung zur „Button-Lösung“. Auch ein bloßer Link auf die entsprechende Produktseite sei dafür nicht ausreichend. Diese ersetzt gerade nicht die notwendige unmittelbare Darstellung der wesentlichen Vertragsbedingungen bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt. Die wesentlichen Merkmale müssen direkt auf der finalen Bestellseite aufgeführt werden.
Die Entscheidung basiert auf § 312j BGB, der verlangt, dass der Unternehmer dem Verbraucher die Informationen gemäß Artikel 246a § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 4, 5, 11 und 12 EGBGB, unmittelbar vor Abgabe der Bestellung, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung stellt.

Diese Vorgaben sollen den Verbraucher vor allem vor missbräuchlichen Änderungen der Vertragsinhalte auf der Bestellabschlussseite durch die Händler schützen. Dieses Risiko bestehe auch bei einem bloßen Link. Der Verbraucher kann dabei gerade nicht auf einen Blick die wesentlichen Merkmale erfassen und seine Bestellung ohne mögliche Irreführung abgeben. Amazon handelte somit wettbewerbswidrig, so dass die Berufung vom OLG München zurückgewiesen wurde.
 

Konsequenzen für den Online-Shop

Beide Urteile monieren mangelnde Transparenz für den Verbraucher im Bestellprozess. Online-Händlern ist demzufolge zu raten, unmittelbar auf der Bestellabschlussseite sämtliche wesentlichen Merkmale des Produkts anzugeben. Ebenso müssen Plattformanbieter die entsprechenden technischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass dies bei allen von Dritten angebotenen Produkten möglich ist. Da wohl kaum ein Onlineshop diese strengen Vorgaben erfüllt, sollten die Shopbetreiber dringend nachbessern, da sonst teure Abmahnungen drohen. Dafür müssen nicht nur die wesentlichen Eigenschaften der von ihm angebotenen Produkte dargestellt werden, sondern auch Angaben zum Preis, zu den Versandkosten, zur Laufzeit und den Kündigungsbedingungen des Vertrags gemacht werden. Da eine Verlinkung nicht ausreicht, müssen diese Informationen vollumfänglich und unmittelbar auf der letzten Seite im Bestellprozess aufgeführt werden. Im Ergebnis muss die abschließende Bestellseite zu jedem einzelnen Produkt im Volltext nochmals eine Darstellung der wesentlichen Eigenschaften der Ware enthalten.
 

Überregulierung statt Verbraucherschutz

Beide Entscheidungen verdeutlichen die strengen und zum Teil ausufernden Regelungen des E-Commerce-Rechts. Ob die Entscheidungen tatsächlich im Interesse der Verbraucher getroffen wurden, ist letztlich eher zweifelhaft. Im Falle des Dash-Buttons sind dem Verbraucher die Folgen der Bestätigung des Buttons sehr wohl bewusst, sodass er in diesen Fällen nicht besonders geschützt werden müsste. Seine Interessen werden ausreichend durch das Widerrufsrecht gewährleistet. Die Urteile kommen daher einer Entmündigung des Verbrauchers gleich. Letztlich bleibt aus Sicht der Online-Händler und der Verbraucher nur die Hoffnung, dass die Gesetze nun durch den Gesetzgeber an die Realität angepasst werden.

 

 

Markus Heins, LL.M.
Wirtschaftsjurist
Associate
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Köln
Telefon +49 221 9937 25743
markus.heins@luther-lawfirm.com