02.10.2019

Totgeglaubte leben länger: EuGH rettet mit seinem Urteil zum Gerichtsstand die Unionsmarke (EuGH, Urt. v. 05.09.2019, Az. C-172/18)

Die Unionsmarke ist für Markeninhaber wieder attraktiv wie eh und je, da es nun nicht mehr zu Einschränkungen bei der Rechtsdurchsetzung kommt. Denn mit seinem Urteil im Vorlageverfahren „AMS Neve Ltd. / Heritage Audio SL“ hat der EuGH den Verletzungsgerichtsstand bei Unionsmarken wiederbelebt, nachdem dieser durch die BGH-Rechtsprechung nahezu zum Erliegen gekommen war. Damit wird die Position von Unionsmarkeninhabern deutlich gestärkt. Bei einer Unionsmarkenverletzung über das Internet können Inhaber nun in ihrem Heimatland gerichtlich gegen Verletzer vorgehen, sofern sich dort ebenfalls das Zielpublikum der Werbung befindet.

Hintergrund

Mit einem einheitlichen Markenschutz in gleich 28 Ländern empfiehlt sich die Unionsmarke als sinnvoller erster Schritt für den Eintritt in einen der weltweit wichtigsten Binnenmärkte. Der BGH hatte jedoch in der sogenannten Parfummarken-Entscheidung (BGH I ZR 164/15 vom 09.11.2017) den Verletzungsgerichtsstand durch seine Auslegung faktisch abgeschafft: Betroffen waren Markenverletzungen über das Internet, bei denen der Verletzer von einem anderen Mitgliedstaat aus tätig wird. Fraglich war, ob die Markeninhaber auch in ihrem Heimatland gerichtlich gegen die Verletzung vorgehen können, wenn die Produkte dort vertrieben werden. Dies ist für den Markeninhaber nicht nur einfacher und kostengünstiger, sondern ist auch weniger missbrauchsanfällig.

Alles steht und fällt mit der Frage, wie man den Ort der Verletzungshandlung definiert, der - neben dem Sitz des Beklagten - einen eigenen Gerichtsstand begründet. Der BGH stellte hierfür nicht auf die Auswirkung und Ausrichtung des Angebots ab (also wo die Website abgerufen werden kann und an welches Publikum sich das Angebot richtet), sondern darauf, von wo die Veröffentlichung des verletzenden Angebots in Gang gesetzt wurde - also in der Regel dort, wo das Angebot ins Internet gestellt wird.

Die Entscheidung

Zum großen Glück für deutsche Inhaber von Unionsmarken hat der EuGH diese Auffassung des BGH nun abgelehnt.

Der Ort des schadensbegründenden Ereignisses ist laut EuGH derjenige, an dem die Internetseite aufgerufen wird. Voraussetzung ist aber, dass das markenverletzende Angebot auf Verbraucher und/oder Händler im Heimatland der Klägerin ausgerichtet ist. Entscheidend ist also das Zielpublikum des Angebots und nicht der technische Vorgang der Veröffentlichung im Internet.

Für den EuGH entscheidend waren hierfür nicht zuletzt praktische Erwägungen: Denn die Auslegung des BGH hätte zur Folge, dass der Verletzer steuern könnte, wo er verklagt werden muss - unabhängig davon, an wen sich sein Angebot richtet. Insbesondere kann ein solcher technischer Vorgang auch problemlos außerhalb der Europäischen Union vorgenommen werden. Zusätzlich wäre der Markeninhaber gezwungen, zunächst herauszufinden, in welchem Land der Verletzer tätig geworden ist, bevor er gegen diesen gerichtlich vorgehen könnte. Auch dies kann mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein.

Nun steht Unionsmarkeninhabern durch diese zu begrüßende Entscheidung (wieder) die Möglichkeit der Klage im eigenen Land offen, sofern das Angebot im Internet dort abrufbar ist und auch auf das nationale Publikum ausgerichtet ist.

Unser Kommentar

Die Rechtslage seit der Parfummarken-Entscheidung des BGH im Jahr 2017 hatte die Rechtsdurchsetzung für Inhaber von Unionsmarken erschwert. Die Anmeldung einer deutschen Marke konnte insofern vorteilhafter sein, da bei einer Verletzung dieser nationale Gerichte unproblematisch zuständig sind. Durch die Abwertung des Verletzungsgerichtsstands wurden unionsweit geschützte Rechte durch den BGH somit schlechter gestellt als nationale Schutzrechte. Dieser Benachteiligung hat der EuGH mit dem nun ergangenen Grundsatzurteil eine Absage erteilt, die Unionsmarke dürfte dadurch wieder mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit potentieller Markeninhaber rücken. Das EUIPO in Alicante darf sich also wieder auf die bisher gewohnte Masse an Unionsmarkenanmeldungen aus Deutschland einstellen.


Dr. Silvia Hartmann
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