03.07.2019

Schiedsverfahren attraktiver denn je - Schweden modernisiert Schiedsverfahrensrecht

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Mit dem Ziel, Schiedsgerichtsverfahren in Schweden zu modernisieren und an die Entwicklung der internationalen Praxis anzupassen, hat Schweden sein Schiedsverfahrensgesetz novelliert. Das im März 2019 in Kraft getretene neue Schiedsverfahrensgesetz (Lag (1999:116) om skiljeförfarande) bringt eine Vielzahl von Neuerungen mit sich, die sowohl das Schiedsverfahren als auch die Rechtsbehelfe betreffen, die den Parteien vor den staatlichen Gerichten zur Verfügung stehen. Parteien, die ein Schiedsverfahren in Schweden anstreben, sollten sich dieses neuen Rechtsrahmens bewusst sein.

Hintergrund

Neuerungen

Um die Initiierung und Durchführung eines Ad-hoc-Schiedsverfahrens - also eines Schiedsverfahrens ohne Anrufung einer Schiedsinstitution (z.B. ICC oder SCC) - zu erleichtern, wurden unter anderem die Ernennung der Schiedsrichter, die Bestimmung des anwendbaren Rechts und die Voraussetzungen für eine Beendigung des Schiedsverfahrens neu geregelt. Wenn die Gegenseite einen vorgeschlagenen Schiedsrichter ablehnt oder dieser nach seiner Ernennung ausfällt, müssen sich die Parteien nicht mehr zwangsläufig an ein staatliches Gericht wenden. Vielmehr ist es nunmehr der Partei, die den betreffenden Schiedsrichter benannt hat, erlaubt, einen neuen Schiedsrichter zu bestimmen.

In dem neuen Schiedsverfahrensgesetz ist auch die Bestimmung des anzuwendenden Rechts neu geregelt: Vorrangig ist die Parteivereinbarung. Fehlt eine solche Vereinbarung, bestimmt das Schiedsgericht selbst, welches Recht zur Anwendung kommen soll. Welche Kriterien das Schiedsgericht bei seiner Entscheidung heranziehen soll, lässt das Gesetz allerdings offen.

Eine weitere interessante Neuerung betrifft die Beendigung des Schiedsverfahrens. Vor der Gesetzesnovelle bedurfte die Beendigung des Verfahrens stets eines Schiedsspruchs. In einigen Fällen, etwa bei einem Vergleich durch die Parteien oder wenn eine Partei es versäumt, den fälligen Vorschuss an das Schiedsgericht zu zahlen, führte der Umstand, dass ein Schiedsspruch erforderlich war, häufig zu überflüssigen Verzögerungen. Aus diesem Grund sieht das neue Schiedsverfahrensrecht diese Voraussetzung nicht länger vor. Das Schiedsgericht kann das Verfahren jetzt durch eine einfache Verfügung beenden.

Die wohl tiefgreifendsten Neuerungen betreffen allerdings die Rechtsbehelfe, die den Parteien im Hinblick auf ein Schiedsverfahren offenstehen. Zunächst ist die Überprüfung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts durch ein staatliches Gericht nicht mehr in jedem Stadium des Schiedsverfahrens möglich. Um parallele Verfahren vor einem staatlichen Gericht und dem Schiedsgericht zu vermeiden, ist die Zuständigkeitsprüfung grundsätzlich nur vor Beginn des Schiedsverfahrens möglich. Darüber hinaus ist eine Zuständigkeitsüberprüfung grundsätzlich ausgeschlossen, wenn das Schiedsgericht selbst eine Entscheidung über dessen Zuständigkeit getroffen hat. In diesem Fall kann sich eine Partei innerhalb von 30 Tagen an die staatlichen Gerichte wenden und die Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts anfechten.

Auch hinsichtlich der Rüge, das Schiedsgericht habe sein Mandat überschritten, setzt das neue Schiedsverfahrensgesetz engere Grenzen. Die rügende Partei hat jetzt darzulegen, dass das Überschreiten des Mandates Einfluss auf den Schiedsspruch hatte.

Aber auch das Anfechtungsverfahren für sonstige Einwände gegen den Schiedsspruch beim Landgericht (Hovrätt) hat der Gesetzgeber überarbeitet. Die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels ist von drei auf zwei Monate verkürzt worden. Sollte eine Partei gegen die Entscheidung des Landgerichts Rechtsmittel einlegen, hat der Oberste Gerichtshof  Schwedens (Högsta Domstol) nunmehr die Möglichkeit, die Zulassung des Rechtsmittels abzulehnen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken.

Darüber hinaus haben die Parteien nach dem neuen Schiedsverfahrensgesetz die Möglichkeit, die Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung in englischer Sprache durchzuführen. Zuvor war es zwingend notwendig, alle erheblichen Beweise und Informationen auf Schwedisch vorzutragen. Diese Neuregelung erspart den Parteien erheblichen Übersetzungs- und Kostenaufwand.

Fazit

Die neuen Regelungen machen Schiedsgerichtsverfahren in Schweden für die Parteien in der Tat erheblich attraktiver. Der Gesetzgeber hat die Einleitung und die Durchführung von Schiedsverfahren deutlich vereinfacht und den Parteien mehr Freiheiten bei der Gestaltung ihres Schiedsverfahrens zuerkannt.

Inwiefern sich die Regelungen hinsichtlich der Rechtsbehelfe im Rahmen eines Schiedsverfahrens bewähren, bleibt allerdings abzuwarten. Zwar dürften die verkürzten Fristen und die strengeren Anforderungen im Einzelfall zu Herausforderungen führen. Insgesamt sollte die Neuregelung aber noch dazu führen, dass unnötig lange Verfahren vermieden werden. Aus internationaler Sicht sind die Neuerungen insgesamt und der Umstand, dass das Anfechtungsverfahren nunmehr nahezu vollständig auf Englisch geführt werden kann, zu begrüßen. 
 

Autor/in
Dr. Christoph von Burgsdorff, LL.M. (Essex)

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Robert Burkert

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