27.05.2021

Ölkonzern gerichtlich zu mehr Klimaschutz verpflichtet

Hintergrund

Sieben Organisationen und über 17.000 Bürger hatten vor einem niederländischen Gericht von einem der weltgrößten Ölkonzerne weitergehende Maßnahmen gegen den Klimawandel gefordert. Die Kläger machten geltend, die Unternehmensführung ergreife nur unzureichende Maßnahmen, handele rechtswidrig und sei verpflichtet, größere Anstrengungen zur Reduzierung ihres CO2-Ausstoßes zu unternehmen.

Entscheidung des niederländischen Gerichts

Das Gericht in Den Haag erklärte die Klagen der einzelnen Bürger zwar für unzulässig, da ihrem Interesse bereits durch die Verbandsklage Rechnung getragen werde, folgte ansonsten in weiten Teilen aber den Ausführungen der Umweltschutzorganisationen.

Der Ölkonzern sei dafür verantwortlich, die CO2-Emissionen seiner Unternehmensgruppe, seiner Lieferanten und Kunden zu reduzieren. Das Gericht stellte fest, dass die CO2-Emissionen der Unternehmensgruppe, die zu den weltweit größten Produzenten und Lieferanten von fossilen Brennstoffen zählt, die Emissionsmengen vieler Länder übersteige. Damit trage der Konzern erheblich zur globalen Erwärmung bei. Durch den Klimawandel drohten schwerwiegende Risiken für die Menschenrechte, wie das Recht auf Leben und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Diese in Art. 2 und Art. 8 der EMRK verankerten Menschenrechte müsse das Unternehmen wahren und schützen. Der Ölkonzern sei aus diesem Grund verpflichtet, hinreichende Maßnahmen zu ergreifen, um eine Menschenrechtsverletzung durch den Klimaschutz zu verhindern.

Das Unternehmen verletze momentan nicht seine eigenen Verpflichtungen zur Verringerung der CO2-Emissionen. Allerdings befand das Gericht, die von der Unternehmensführung vorgegebene Klimapolitik sei nicht hinreichend konkret, um die Reduktionsziele in der Zukunft zu erreichen. Aus diesem Grund drohe in Zukunft ein Verstoß gegen die Reduktionsverpflichtung.

Das Gericht ordnete deshalb an, der Konzern sei verpflichtet, bis 2030 um 45 Prozent gegenüber dem Jahr 2019 zu verringern. Dieser Prozentsatz biete die besten Erfolgsaussichten, die schwerwiegenden Konsequenzen des Klimawandels zu verhindern, befanden die Richter.

Dabei folgt das Gericht im Kern derselben Argumentation wie das Bundesverfassungsgericht mit dessen wohl historischen zum deutschen Klimaschutzgesetz. Laut dem Gericht erstreckt sich der Verantwortungsbereich des Unternehmens auch auf seine Lieferanten und Endabnehmer. Der Ölkonzern müsse seinen Einfluss durch die Unternehmenspolitik auf die Unternehmensgruppe geltend machen, indem er zum Beispiel in seiner Einkaufspolitik Anforderungen an Lieferanten stelle, so die niederländischen Richter.

Der Konzern hat angekündigt, Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen.

Bedeutung der Entscheidung

Wiederholt sich Rechtsgeschichte? Knapp einen Monat nach dem Paukenschlag aus Karlsruhe folgt das nächste bemerkenswerte Urteil für mehr Klimaschutz – und zwar wieder aus den Niederlanden.

Erstmals wurde ein international tätiger Konzern gerichtlich zur Änderung seiner Klimapolitik verpflichtet. Die Ausführungen der Richter sind insbesondere bemerkenswert, da dem Ölkonzern konkrete Minderungsziele vorgegeben werden. Zudem treffen das Unternehmen weitreichende Verpflichtungen nicht nur im eigenen Geschäftsbereich, sondern auch im Verhältnis zu seinen Lieferanten und sogar zu seinen Endabnehmern.

Es bleibt spannend.

Luther wird zeitnah die Einladung für eine Veranstaltung zu den aktuellen Klimaklagen verschicken. Dabei wird es insbesondere darum gehen, die Entscheidungen für die Industrie einzuordnen und einen Blick in die Zukunft zu werfen.

Autor/in
Dr. Gernot-Rüdiger Engel

Dr. Gernot-Rüdiger Engel
Partner
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