22.09.2025
Gut ein Jahr lang erschien es vergleichsweise ruhig für die im- und exportierenden Unternehmen: Während das 14. Sanktionspaket zur Verschärfung des Russland- und Belarus-Embargos vom 24. bzw. 29.06.2024 noch so „exotische“ und weitreichende Neuerungen wie z.B. eine „Best-Efforts-Obligation“ und eine „Due-Diligence-Obligation“ mit sich brachte oder Erweiterungen bei der „No-Russia-Clause“ vorsah bzw. eine „No-Belarus-Clause“ erstmals einführte, enthielten die folgenden Sanktionspakete Nr. 15, 16 und 17 – jedenfalls für den Handel – keine großen Überraschungen oder wesentlichen Neuerungen: Die Namens- und Güterlisten wurden erwartungsgemäß erweitert, die Best-Efforts- und Due-Diligence-Obligation und die bereits bekannten Dienstleistungs- und Software-Verbote wurden nochmals ausgedehnt und das Belarus-Embargo noch mehr an das Russland-Embargo angeglichen. Im Fokus der Embargo-Verschärfungen standen aber eher die „Schattenflotte“, die weitergehende Beschränkung des Zugangs zu Flughäfen, Häfen und Schleusen oder Maßnahmen gegen die russische Erdöl- und Erdgasexploration und -produktion. Welche Neuerungen bringt nun das 18. Sanktionspaket vom 18.07.2025 für die im- und exportierenden Unternehmen?
Das von der EU Anfang Juni 2025 angekündigte 18. Sanktionspaket wurde in den einschlägigen Medien als eine besonders einschneidende und harte, wenn nicht gar die schärfste Maßnahme seit Februar 2022 angekündigt. Im Wesentlichen wolle man vor allem auf zwei Bereiche abzielen: den russischen Energiesektor und den Bankensektor. Das neue EU-Sanktionspaket sehe Maßnahmen zur Verhinderung der Wiederinbetriebnahme von Nord Stream 1 und 2 sowie ein Importverbot für russisches Gas vor; die Ölpreisobergrenze solle gesenkt werden; weitere Schiffe der Schattenflotte würden gelistet werden; es solle ein Einfuhrverbot für auf der Grundlage von russischem Rohöl raffinierte Produkte verhängt werden. Ferner würden Banken sanktioniert werden, die sich an der Umgehung von bestehenden Sanktionen beteiligen; das Verbot der Nutzung des SWIFT-Systems solle ausgeweitet und auf weitere russische Banken ausgedehnt sowie Sanktionen gegen den russischen Direktinvestitionsfonds verhängt werden. In der Befürchtung einer völligen Einstellung der Lieferungen von Gas, Öl und Kernbrennstoffen aus Russland drohte daraufhin die Slowakei mit einem Veto gegen das vorbereitete Sanktionspaket und auch Malta, Griechenland und Zypern meldeten Bedenken an, da im Falle einer zu hohen Senkung des Ölpreisdeckels Nachteile für heimische Schifffahrtsunternehmen befürchtet wurden.
Handels- und Vertriebsunternehmen konnten sich angesichts dieser Ankündigungen veranlasst sehen, von dem 18. Sanktionspaket nicht wesentlich betroffen zu sein. Über die Diskussion rund um den Energiesektor ist allerdings in den Hintergrund geraten, dass die EU auch weitere Exportverbote in Bezug auf Dual-Use-Güter, kritische Technologien und Industriegüter mit Fokus auf Maschinen, Metalle, Kunststoffe und Chemikalien im Wert von mehr als 2,5 Milliarden Euro sowie ergänzende Maßnahmen zur Verhinderung der Umgehung der Sanktionen angekündigt hatte, die mit dem (am 20.07.2025 in Kraft getretenen) 18. Sanktionspaket vom 18.07.2025 dann auch tatsächlich umgesetzt wurden.
Änderungen der VO (EU) Nr. 833/2014, und dort insbesondere der güterbezogenen Maßnahmen, wurden mit der Verordnung (EU) 2025/1494 vom 18. Juli 2025 vorgenommen:
Exportverbote: Änderung Güterlisten
Art. 2a Abs. 1 und Art. 3k Abs. 1 der VO (EU) Nr. 833/2014 verbieten den Verkauf, die Ausfuhr, Lieferung oder anderweitige Verbringung der in Anhang VII bzw. Anhang XXIII aufgeführten Güter und Technologien, jeweils unmittelbar oder mittelbar, an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland oder zur Verwendung in Russland. Beide Anhänge wurden nun erneut erweitert. In dem Anhang VII wurde in Teil A Kategorie VIII ein neuer Abschnitt X.C.VIII.005 eingefügt, der verschiedene chemische Bestandteile für Treibstoffe enthält. In Teil B wurde die Tabelle 5 „Werkzeugmaschinen, Ausrüstung für die additive Fertigung und verwandte Waren“ neu gefasst und um Güter der KN-Codes 8456 30 und 8456 50 ergänzt. Ausnahmen in Bezug auf bereits abgeschlossene Verträge sind nicht vorgesehen.
Der Anhang XXIII wurde komplett neu gefasst. Welche Güter neu hinzugekommen sind, ergibt sich aus den neu angefügten Anhängen XXIIIE und XXIIIF. Für diese Güter gelten gemäß Art. 3k Abs. 3ah und Abs. 3ai zeitlich befristete „Altvertragsausnahmen“ für vor dem 20.07.2025 geschlossene Verträge bis zum 21.10.2025 bzw. 21.01.2026. Für Güter des KN-Codes 3402 90 kann gemäß Art. 3k Abs. 5i zudem eine Genehmigung erteilt werden, wenn die Güter für die Erfüllung von vor dem 01.01.2025 geschlossenen Verträgen erforderlich sind. Ferner kann gemäß Art. 3k Abs. 5h in Bezug auf Güter des KN-Codes 8422 30 eine Genehmigung erteilt werden, wenn die Güter für die Verpackung von Lebensmitteln, Getränken und Pharmazeutika erforderlich sind.
Art. 3k Abs. 1a der VO (EU) Nr. 833/2014 verbietet die Durchfuhr von in Anhang XXXVII aufgeführten Gütern und Technologien, die aus der Union ausgeführt werden, durch das Hoheitsgebiet Russlands. Auch dieser Anhang wurde neu gefasst. Neu hinzugekommen sind Güter der KN-Codes 7308 90, 8419 50, 8419 89, 8419 90, 8479 82, 8701 21, 8716 39 und 8716 90.
Exportverbote: Sonstiges
In dem Erwägungsgrund (7) der Verordnung (EU) 2025/1494 vom 18. Juli 2025 wird klargestellt, dass das Verbot mittelbarer Ausfuhren gerade und insbesondere auch Lieferungen über Drittländer erfasst. Um Umgehungen der Embargomaßnahmen in derartigen Fällen entgegenzuwirken, wurde – zunächst einmal nur in Bezug auf die Güter gemäß Anhang VII – ein bereits aus der Dual-Use-VO bekannter „Catch-All-Mechanismus“ eingeführt (neuer Art. 2a Abs. 1aa der VO (EU) Nr. 833/2014): So bedarf die Ausfuhr von in Anhang VII aufgeführten Gütern und Technologien in andere Drittländer als Russland ab sofort einer Genehmigung, wenn der Ausführer von der zuständigen Behörde darüber unterrichtet wurde, dass die Güter und Technologien ganz oder teilweise für natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland oder zur Verwendung in Russland bestimmt sind oder bestimmt sein könnten. Anders als in Art. 4 Abs. 2 der Dual-Use-VO wurde aber keine Verpflichtung des Ausführers aufgenommen, wonach umgekehrt er die Behörde zu unterrichten hat, falls er anderweitig von einer Endverwendung in Russland Kenntnis erlangt hat. Einer solchen Regelung bedarf es auch nicht, denn einerseits wurde klargestellt, dass das Verbot der mittelbaren Ausfuhr unberührt bleibt, das heißt der Ausführer bleibt (auch ohne Unterrichtung durch die Behörde) unverändert selbst dafür verantwortlich, einen Re-Export nach Russland auszuschließen. Andererseits besteht gemäß Art. 6b der VO (EU) Nr. 833/2014 sowieso eine „Jedermannspflicht“, der Behörde alle Informationen zukommen zu lassen, die die Umsetzung der Embargomaßnahmen erleichtern, und mit der Behörde bei der Überprüfung solcher Informationen zusammenzuarbeiten.
Importverbote
Mit dem 18. Sanktionspaket wurde ein neuer Art. 3ma in die VO (EU) Nr. 833/2014 aufgenommen. Danach ist es ab dem 21.01.2026 verboten, Erdölerzeugnisse des KN-Codes 2710 (diverse Öle und Ölzubereitungen, z.B. auch Schmieröle, Motorenöle, Kraftstoffe) unmittelbar oder mittelbar zu kaufen, in die Union einzuführen oder zu verbringen, wenn sie in einem Drittland aus Rohöl des KN-Codes 2709 00 mit Ursprung in Russland gewonnen wurden. Ergänzend gilt das übliche Verbot der Erbringung von technischer Hilfe, Vermittlungsdiensten, Finanzmitteln oder Finanzhilfen sowie Versicherungen und Rückversicherungen im Zusammenhang mit dem Einfuhrverbot. Die Einführer müssen zudem zum Zeitpunkt der Einfuhr einen Nachweis über das Ursprungsland des Rohöls, das für die Raffination des Erzeugnisses in einem Drittland verwendet wurde, vorlegen, es sei denn, das Erzeugnis wird aus einem in Anhang LI aufgeführten Partnerland (Kanada, Norwegen, UK, USA, Schweiz) eingeführt.
Rüstungsgüter
Eine Neuerung hat auch Art. 4 der VO (EU) Nr. 833/2014 erfahren, der bislang „nur“ ein Verbot der Erbringung von technischer Hilfe, Vermittlungsdiensten, Finanzmitteln oder Finanzhilfen im Zusammenhang mit den in der Gemeinsamen Militärgüterliste aufgeführten Gütern und Technologien vorsah, während das eigentliche Ausfuhrverbot in Bezug auf Rüstungsgüter auf nationaler Ebene in § 74 AWV geregelt ist, ebenso wie sich das entsprechende Einfuhrverbot in § 77 AWV findet. Art. 4 wurde nun neu gefasst und enthält in Abs. 1 lit. a) nun ebenfalls ein Ausfuhrverbot (Verkauf, Lieferung, Verbringung, Ausfuhr) sowie in lit. c) ein Einfuhrverbot (Kauf, Einfuhr, Beförderung) in Bezug auf Güter der Gemeinsamen Militärgüterliste.
Im Bereich der personenbezogenen Sanktionen wurde mit der Durchführungsverordnung (EU) 2025/1476 vom 18.07.2025 der Anhang I zu der VO (EU) Nr. 269/2014 um 14 natürliche Personen und 41 juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen erweitert. Darunter befinden sich (nicht zum ersten Mal) auch mehrere Unternehmen aus China bzw. Hongkong sowie aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, aber z.B. auch aus Indien und Singapur. Da all diesen sanktionierten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen gemäß Art. 2 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 269/2014 weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen (insbesondere Handelsgüter) zur Verfügung gestellt werden dürfen, beschränken sich die Sanktionen somit keineswegs nur auf Geschäftsbeziehungen mit einem wie auch immer gearteten Russlandbezug. Ein vorheriges „Screening“ des potentiellen Geschäftspartners ist in jedem Falle erforderlich.
Änderungen in Bezug auf die güterbezogenen Maßnahmen gemäß der VO (EG) Nr. 765/2006 wurden mit der Verordnung (EU) 2025/1472 vom 18. Juli 2025 vorgenommen:
Analog zu den verschärften Maßnahmen gegen Russland wurde in Bezug auf Güter und Technologien der Gemeinsamen Militärgüterliste mit dem in die VO (EG) Nr. 765/2006 neu eingefügten Art. 1aa ein Importverbot und mit dem neuen Art. 1ab ein Exportverbot verhängt. Die nationalen Aus- und Einfuhrverbote in Bezug auf Rüstungsgüter gemäß §§ 74, 77 AWV bestehen weiterhin.
Der Anhang XVIII wurde um diverse Güter erweitert, deren Verkauf, Lieferung, Verbringung oder Ausfuhr nach Belarus oder zur Verwendung in Belarus gemäß Art. 1bb der VO (EG) Nr. 765/2006 nunmehr verboten ist. Altvertragsausnahmen finden sich in Art. 1bb Abs. 3a und 3b und ein überarbeiteter Genehmigungstatbestand (im Falle persönlicher Verwendung bestimmter Güter im Haushalt durch natürliche Personen in Belarus) in Art. 1bb Abs. 13 der VO.
Auch der Anhang Va wurde erweitert und wie bei den Russland-Maßnahmen mit dem neuen Art. 1f Abs. 1aa der VO (EG) Nr. 765/2006 eine Catch-All-Klausel in Gestalt einer Genehmigungspflicht eingeführt für den Fall, dass der Ausführer von der Behörde darüber unterrichtet wurde, dass die für die Ausfuhr in Drittländer vorgesehenen Güter gemäß Anhang Va ganz oder teilweise für natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Belarus oder zur Verwendung in Belarus bestimmt sein könnten.
Anhang XIVa enthält eine Auflistung der Güter, deren Durchfuhr durch Belarus gemäß Art. 1s Abs. 1a der VO (EG) Nr. 765/2006 verboten ist. In diesen Anhang wurden Güter des KN-Codes 8479 82 neu eingefügt. Zudem wurde der Anhang XIX, also die Liste der Güter, deren Durchfuhr durch Belarus nach Art. 1bb Abs. 2 der VO (EG) Nr. 765/2006 verboten ist, neu gefasst.
Anders als im Falle des Russland-Embargos finden sich die personenbezogenen Sanktionen gegen Belarus nicht in einer eigenständigen Verordnung, sondern sind Bestandteil der Embargo-Verordnung (EG) Nr. 765/2006, die darüber hinaus auch die güter- und sektorbezogenen sowie sonstigen Embargomaßnahmen beinhaltet. Art. 2 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 765/2006 verbietet die unmittelbare oder mittelbare Bereitstellung von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen an die in Anhang I aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen. Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2025/1469 vom 18.07.2025 wurden acht Unternehmen aus Belarus in diesen Anhang I der VO aufgenommen.
Nachdem das „Gipfeltreffen“ in Alaska vom 15.08.2025 – erwartungsgemäß – erfolglos geblieben ist und Russland den Angriffskrieg gegen die Ukraine stattdessen nicht nur unvermindert, sondern härter als je zuvor fortsetzt, wurden seitens der EU unverzüglich weitere Maßnahmen angekündigt und die Mitgliedstaaten um Vorschläge hierzu gebeten. Dass das in Kürze erwartete 19. Sanktionspaket bereits den von Präsident Trump geforderten vollständigen Verzicht auf russische Energie beinhalten wird oder die Verhängung hoher Zölle gegen russlandfreundliche Staaten wie China, darf bezweifelt werden. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen sprach zuletzt nur von einer Beschleunigung des Ausstiegs aus russischen fossilen Importen und legte den Schwerpunkt des 19. Sanktionspaketes neben dem Energiesektor (erneut) auch auf den Bankensektor sowie die Verhinderung der Nutzung von Kryptowährungen zur Sanktionsumgehung. Dies darf aber – wie das 18. Sanktionspaket gezeigt hat – nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die im- und exportierenden Handelsunternehmen wiederum von den neuen Maßnahmen betroffen sein können, auch wenn die Medien den Fokus eher auf die Energie- und Finanzbranche richten.
Ole-Jochen Melchior
Partner
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