18.02.2020

Gesundheits-Apps auf dem Vormarsch - Welche Hürden müssen digitale Gesundheitsanwendungen nehmen für eine Erstattungsfähigkeit bzw. Aufnahme in das „DiGA-Verzeichnis“?

Hintergrund

Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz wird ein Anspruch der GKV-Versicherten auf Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen begründet. Voraussetzung ist, dass die Anwendung in dem vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nach § 139e SGB V zu führenden Verzeichnis erstattungsfähiger digitaler Gesundheitsanwendungen gelistet ist.

Der Referentenentwurf des BMG der Digitale Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV) liegt inzwischen vor. Darin konkretisiert der Verordnungsgeber den Prozess für die Aufnahme von digitalen Gesundheitsanwendungen in das Verzeichnis nach § 139e SGB V.

Was sind digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)?

Für eine Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis kommen Medizinprodukte in Betracht, die über eine CE-Kennzeichnung verfügen und nach der der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) einer niedrigen Risikoklasse (Klasse I oder IIa) zuzuordnen sind. Außerdem muss die DiGA in ihrer Hauptfunktion wesentlich auf digitalen Technologien beruhen. Sie muss dazu bestimmt sein, die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung bzw. Kompensierung von Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen zu unterstützen. Der Gesetzesbegründung nach, muss die Hauptfunktion der DiGA durch digitale Technologien umgesetzt sein und darf nicht lediglich der Ergänzung oder Steuerung anderer Medizinprodukte dienen.

Der health innovation hub des BMG (hih) nannte im Rahmen einer Veranstaltung  folgende Beispiele für (ggf. aufnahmefähige) digitale Gesundheitsanwendungen: Eine „Depressions-DiGA“, die Daten erfasst (z.B. Feedback durch Versicherte, Sensoren) und Ärzten so ermöglicht, Anpassungen konkreter Interventionsschritte  vorzunehmen; eine „Heartbeat-App“, die Herzschläge erfasst und so Ärzten ein medikationsbegleitendes Monitoring ermöglicht; eine „Smartes Stethoskop, welches Herzfrequenz und Lungentätigkeit erfasst, und die Daten zur weiteren Diagnose weiterleitet; ein „Onko-Lotse“, welcher während ambulanter oraler Chemotherapie die  Einnahme, Vitaldaten und Nebenwirkungen erfasst und so  Ärzte bei der Datenauswertung unterstützt; eine „Ganganalyseanwendung“, welche auf Basis von Sensordaten den Gang bewertet so    Anpassungen der Pharmakotherapie unterstützt..

Ab dem 1. Januar 2021 soll das DiGA-Verzeichnis stehen. Ab dem 1. Juli 2021 sollen Daten aus der DiGA in die elektronische Patientenakte (ePA) überführt werden können. Sofern eine passende Interoperabilitätsfestlegung bereits veröffentlicht wurde oder als empfohlener Standard bzw. empfohlenes Profil registriert ist, muss diese nach einer Übergangszeit von einem Jahr verwendet werden. DiGAs müssen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) genügen und die Datenverarbeitung muss grundsätzlich innerhalb der EU stattfinden, in einem Drittstaat nur dann, wenn ein Angemessenheitsbeschluss vorliegt – zunächst ein Hindernis für Hersteller aus den USA oder China.

Anforderungen für die Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis

Das Verfahren beginnt mit dem Antrag des Herstellers, der eine dauerhafte Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis oder eine Aufnahme zur Erprobung (Fast Track) beantragen kann.

Voraussetzung für die Aufnahme ist zunächst die Erfüllung der Anforderungen an Datensicherheit, Datenschutz und Barrierefreiheit. Für den Beleg steht ein detaillierter Fragenkatalog von 120 Fragen als Checkliste zur Verfügung.

Darüber hinaus ist der Nachweis „positiver Versorgungseffekte“ bezogen auf die Zweckbestimmung der Anwendung durch den Hersteller und auf eine definierte Patientengruppe erforderlich. Positive Versorgungseffekte sollen unter Berücksichtigung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin in einer Vergleichsstudie belegt werden. Methoden und Verfahren wird das BfArM in einem Leitfaden weiter konkretisieren. Während die Gesetzesbegründung zum DVG für den Nachweis positiver Versorgungseffekte „Fallberichte, Expertenmeinungen, Anwendungsbeobachtungen, Studien oder sonstige valide Erkenntnisse“ vorsah, werden durch das Erfordernis der Vorlage einer Vergleichsstudie die Anforderungen an den Nutzenbeleg weiter erhöht.   

Beschleunigte Zulassung im Fast-Track

Hersteller, die einen Antrag auf Erprobung nach § 139e Absatz 4 SGB V stellen, müssen neben den allgemeinen Anforderungen (s.o. Sicherheit, Qualität, Funktionstauglichkeit, Datenschutz- und -sicherheit) erste Nachweise vorlegen, die plausibel machen, dass die digitale Gesundheitsanwendung für eine bestimmte Patientengruppe bestimmte positive Versorgungseffekte entfalten kann verbunden mit einem Evaluationskonzept. Allerdings ist auch hier der Aufwand nicht zu unterschätzen, denn nach dem Verordnungsentwurf ist jetzt die Vorlage von „mindestens einer Pilotstudie“ vorgesehen.

Über die vorläufige Aufnahme und die Dauer der Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis entscheidet das BfArM bei einer ausreichend plausiblen Begründung sowie eines Evaluationskonzeptes innerhalb von drei Monaten. Während dieser Erprobungsphase soll eine Verordnung durch Ärzte oder Genehmigung durch die Krankenkassen erfolgen. Den Preis legen die Hersteller fest, die eine einmalige Verlängerung der Erprobungsphase um bis zu weitere 12 Monate beantragen können. Nach der Erprobungsphase erfolgt eine Berücksichtigung und Prüfung ob und inwieweit der Nachweis positiver Versorgungseffekte (vollständig) erbracht worden ist sowie Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband, bei deren scheitern nach einem Jahr eine Schiedsstelle vorgesehen ist.

Fazit

Zwar steht die finale Version mit dem Entwurf der Rechtsverordnung sowie der angekündigte Leitfaden für das Prozedere der Fast-Track-Bewerbung noch aus. Mit Blick auf die nun konkretisierten, teils detaillierten Anforderungen, die der Entwurf an die Anforderungen zur Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis stellt, gilt es für Hersteller, sich frühzeitig zu wappnen und diese bei Entwicklung der digitalen Gesundheitsanwendungen mitzudenken.

Autor/in
Cornelia Yzer

Cornelia Yzer
Of Counsel
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