05.03.2024

Equal Pay Day: Entgeltgleichheit 2024 mit neuen Arbeitgeberpflichten

Hintergrund

Jedes Jahr legt die Initiative "Business and Professional Women Germany" (BPW Germany) den sog. „Equal Pay Day“ für den Tag im Jahr fest, bis zu dem Frauen statistisch gesehen ohne Entgelt arbeiten. Denn die Idee der klassischen ökonomischen Definition der Entgeltgleichheit ist: „Wenn Frauen und Männer gleiches Humankapital aufweisen und somit gleich produktiv sind, erhalten sie gleiches Entgelt.“ – Klingt einfach, wirtschaftlich vernünftig und vor allem: gerecht. In diesem Beitrag zeigen wir auf, warum Equal Pay auch losgelöst von Geschlechtergleichheit und Fragen der Gerechtigkeit,  jedes Unternehmen in Deutschland angeht und warum die Entgeltsysteme der Unternehmen (Thematik Entgeltgleichheit und -transparenz) insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie (Richtlinie (EU) 2023/970) auf den Prüfstand gestellt werden sollten.

Trotz Fortschritten in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen besteht auf dem deutschen Arbeitsmarkt nach wie vor eine signifikante Entgeltlücke zwischen den Geschlechtern. Wie das Statistische Bundesamt kürzlich berichtete, verdienten Frauen im vergangenen Jahr im Durchschnitt 18 Prozent weniger als Männer, dies entspricht 4,46 Euro pro Stunde. Diese Kluft hat sich zwar über die Jahre etwas verringert, stagniert jedoch bereits seit 2020 bei 18 Prozent.

Der Gender Pay Gap (GPG) von 18 Prozent ist der sog. „unbereinigte GPG“. Mit ihm werden die Durchschnittsverdienste von Frauen und Männern undifferenziert miteinander verglichen. Im Gegensatz dazu gibt der sog. „bereinigte GPG“ an, wie groß die Entgeltdifferenz zwischen Frauen und Männern wäre, wenn ansonsten die meisten Gegebenheiten für ihren Verdienst (Qualifikation, Tätigkeit, Beruf, Position, Berufserfahrung, Beschäftigungsumfang, Branche) gleich wären. Mithilfe von statistischer Methoden wird der ursprüngliche GPG um den Einfluss dieser Merkmale „bereinigt“. Allerdings bleiben auch bei dem bereinigten GPG beispielsweise Lücken in der Erwerbsbiographie (insbesondere Kindererziehungszeiten) unbereinigt. Für das Jahr 2023 betrug der bereinigte GPG rund 6 %. Bei dem bereinigten GPG, also dem Gehaltsunterschied, der nicht auf Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei den einkommensbestimmenden Merkmalen zurückzuführen ist, ist nicht auszuschließen, dass er zumindest teilweise auf der Diskriminierung von Frauen beruht.

Bereits das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (EntgTranspG) aus dem Jahr 2017 sollte das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchsetzen und das Verbot der Diskriminierung von Frauen durch die seinerzeit schon bestehenden Verbote, insbesondere durch den grundgesetzlich abgesicherten Gleichbehandlungsgrundsatz und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, speziell für das Entgelt weiter ausbauen. Im Sommer 2023 wurde die Wirkung des EntgTranspG bereits zum zweiten Mal nach 2019 – entsprechend des im Gesetz enthaltenen Auftrags – evaluiert. Die Evaluationsgutachten ergaben, dass die Instrumente des EntgTranspG sich bisher als wenig wirkungsvoll erwiesen haben. Die Bekanntheit des Gesetzes unter den Arbeitnehmern soll nach den Erkenntnissen des jüngsten Gutachtens gegenüber dem Berichtszeitraum des vorigen Gutachtens sogar deutlich zurückgegangen sein. Die Bundesregierung sieht nun Änderungsbedarf beim EntgTranspG – allerdings nun nicht nur auf Grund dieses Evaluationsberichtes.

Spätestens seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Februar 2023 (Az. 8 AZR 450/21) wissen wir, dass sich Arbeitgeber für die Rechtfertigung eines Gehaltsunterschieds zwischen Arbeitnehmern unterschiedlichen Geschlechts nicht ausschließlich darauf berufen können, dass Gehaltsverhandlungen individuell stattfanden und ein Arbeitnehmer durch Verhandlungsgeschick ein besseres Ergebnis für sich erzielen konnte als eine vergleichbare Arbeitnehmerin. Gehaltsunterschiede zwischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zu rechtfertigen ist für Unternehmen daher jetzt schon mit sehr hohem Begründungsaufwand verbunden.

Hinzu kommt: Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die am 6. Juni 2023 in Kraft getretene Entgelttransparenzrichtlinie (Richtlinie (EU) 2023/970) bis spätestens 7. Juni 2026 umzusetzen. Die sich aus der Umsetzung der Richtlinie absehbar ergebenden gesetzlichen Verpflichtungen für Unternehmen erhöhen die Anforderungen an diese deutlich gegenüber der jetzigen Rechtslage. So werden Unternehmen mit erhöhtem Aufwand sicherstellen müssen, dass Frauen und Männer für gleiche und gleichwertige Arbeit gleich bezahlt werden und Diskriminierung verhindert wird. Zu diesem Zwecke werden sie u.a. dazu verpflichtet sein, ihre Arbeitnehmer – und in einem gewissen Umfang sogar bereits die Bewerber – proaktiv und transparent über Gehaltsstrukturen und Entscheidungsprozesse im Unternehmen zu informieren. Zudem werden ihre Informations- und Auskunftspflichten ausgeweitet und Berichtspflichten begründet.

Auch wird der Kreis der Vergleichsarbeitnehmer im Rahmen von Auskunftsansprüchen deutlich erweitert. Nach der Richtlinie sollen nicht nur Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers, sondern alle Arbeitnehmer, die einer „einheitlichen Quelle“ der Entgeltregelung unterliegen (z.B. demselben Tarifvertrag), sowie in zeitlicher Hinsicht auch Arbeitnehmer, die nicht zur gleichen Zeit beschäftigt sind, als Vergleichsarbeitnehmer herangezogen werden. Bei Bedarf soll sogar ein Vergleich zu hypothetischen Vergleichsarbeitnehmer stattfinden. Unternehmen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, drohen neben empfindlichen Bußgeldern auch Zwangsmittel.

Das Verständnis von Entgeltgleichheit wird sich durch den stärker werdenden Bezug auf gleichwertige Tätigkeit verändern. Bislang anerkannte Vergütungssysteme können künftig in Frage gestellt werden. Unternehmen ist daher dringen zu raten, ihre Vergütungssysteme auf Equal-Pay-Risiken hin zu überprüfen und erforderlichenfalls zu korrigieren. Aufgrund der Konkretheit der Richtlinie ist jetzt schon absehbar, welche neuen Rechte und Pflichten das überarbeitete EntgTransG begründen wird. Unternehmen ist daher dringend zu raten, die Umsetzungsfrist nicht tatenlos verstreichen zu lassen, sondern aktiv zu werden. Handlungsbedarf besteht bereits jetzt. Die neuen Regelungen sind aber nicht nur Risiko – Equal Pay ist auch Chance im zunehmend umkämpften Fachkräftemarkt!

Gerne beraten wir auch Ihr Unternehmen hinsichtlich der neuen Arbeitgeberpflichten und unterstützen Sie bei der Umsetzung eines fairen und transparenten Entgeltsystems.

Autor/in
Dietmar Heise

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Ann-Marie Jüttner

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