18.03.2020

Das Coronavirus und die materielle Ausschlussfrist im EEG

Unternehmen, die die Besondere Ausgleichsregelung im EEG in Anspruch nehmen, müssen bei der Antragstellung die strengste aller verwaltungsrechtlichen Fristen einhalten – die materielle Ausschlussfrist. Wird diese von dem antragstellenden Unternehmen nicht eingehalten, erfolgt im nächsten Jahr grundsätzlich keine Begrenzung der EEG-Umlage. In Zeiten des Coronavirus könnte es für viele Unternehmen schwierig werden, den Begrenzungsantrag fristgerecht einzureichen. Das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sollten im Interesse der stromkostenintensiven Unternehmen schnellstmöglich eine Lösung finden.

Hintergrund

Um eine Begrenzung der EEG-Umlage zu erlangen, müssen Unternehmen bis spätestens zum 30. Juni eines Jahres oder, wenn es sich um neugegründetes Unternehmen handelt, bis spätestens zum 30. September einen Antrag beim BAFA einreichen. Bei diesen Fristen handelt es sich jeweils um besagte materielle Ausschlussfristen. Diese Fristen sind also zwingend einzuhalten ist, eine Verlängerung ist nicht möglich. Kann die Frist nicht eingehalten werden, erfolgt im nächsten Jahr keine Begrenzung der EEG-Umlage – unabhängig davon, aus welchen Gründen die Frist versäumt wurde.

Angesichts des Coronavirus dürfte die Einhaltung der Frist für viele Unternehmen zum Problem werden. Breitet sich das Virus auch in Deutschland weiter aus – was nach der aktuellen Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation befürchtet werden muss – so ist auch hierzulande bald mit weitreichenden Schutzmaßnahmen zu rechnen.

Welche Einschränkungen dies mit sich bringen kann, zeigt das Nachbarland Italien. Dort ist das öffentliche Leben größtenteils zum Erliegen gekommen. Bildungseinrichtungen, Geschäfte und Restaurants sind geschlossen, zahlreiche Personen arbeiten nur noch im Home-Office, haben ihre Arbeit niedergelegt oder fallen krankheitsbedingt aus.

Das Einhalten der Antragsfrist könnte in einem solchen Fall so gut wie unmöglich werden. Denn zusammen mit dem Begrenzungsantrag muss die Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers und der Nachweis des Betriebs eines Energiemanagementsystems vorgelegt werden. Doch wie sollen diese Erfordernisse eingehalten werden, wenn Mitarbeiter und Wirtschaftsprüfer nicht mehr zuverlässig verfügbar sind?

Die Lösung – Ein Fall von höherer Gewalt?

Eine Lösung des Problems könnte sein, wenn eine mögliche Fristversäumnis durch das Coronavirus einen Fall höherer Gewalt darstellen würde.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist anerkannt, dass sich Behörden unter bestimmten außergewöhnlichen Umständen nicht auf den Ablauf einer gesetzlichen Ausschlussfrist berufen können. Dies betrifft insbesondere Fälle höherer Gewalt.

Von höherer Gewalt spricht man bei einem Ereignis, das auch durch größte nach den Umständen des konkreten Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen zu erwartende und zumutbare Sorgfalt unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung nicht abgewendet werden konnte.

Es gibt gute Gründe dafür, dass diese Maßstäbe auf den Ausbruch des Coronavirus zutreffen. Denn staatlich veranlasste Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung einer Epidemie und die damit einhergehenden Einschränkungen des Arbeitslebens sind für die antragstellenden Unternehmen sowie die unterstützenden Wirtschaftsprüfer nicht abwendbar. Auch unter Anwendung der größtmöglichen Sorgfalt ist keine Wirtschaftsprüferbescheinigung zu erlangen, wenn aufgrund von Schutzmaßnahmen kein Wirtschaftsprüfer handlungsfähig ist.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt an, dass in Fällen höherer Gewalt die handelnde Behörde verpflichtet ist, dem Antragsteller Nachsicht zu gewähren und einen nach dem Gesetz eigentlich verspäteten Antrag zu berücksichtigen. Eine Verhinderung der sich ankündigenden Fristversäumnisse wäre demnach – beispielsweise durch eine vorweggenommenen Nachsichtgewährung – möglich. Hinzu kommt, dass das BAFA auch nicht das erste Mal so handeln würde. Erinnert sei an das Antragsverfahren im Jahr 2014.

Wenn sich die maßgeblichen Akteure dazu entschließen würden, die materielle Ausschlussfrist angesichts der außergewöhnlichen Umstände einmalig zu verlängern, würde das den Unternehmen erheblich mehr Rechtssicherheit bringen.

Dem Vernehmen nach gibt es bereits solche Überlegungen. Eine Verlängerung bis zum 30. September 2020 für Bestandsunternehmen beziehungsweise bis zum 30. November 2020 für neu gegründete Unternehmen wäre sicher sinnvoll, um die Schwierigkeiten der Unternehmen abzuwenden und gleichzeitig noch eine Bescheidung durch das BAFA bis Ende des Jahres zu ermöglichen. Ohne eine rechtzeitige verbindliche Entscheidung des Bundeswirtschaftsministeriums dazu droht eine erhebliche Unsicherheit wegen der – von Tag zu Tag wahrscheinlicheren – unabwendbaren Fristversäumung.

Denkbar wäre auch eine entsprechende Änderung des EEG durch den Gesetzgeber. Sicherlich wäre das eine außergewöhnliche Maßnahme. Aber was ist in diesen Tag schon normal. Sollte der Gesetzgeber handeln, wäre es ratsam, gleichzeitig weitere umweltenergierechtlichen Fristen (z.B. den 31. Mai für an Dritte weitergeleitete Strommengen) anzupassen.

Autorenzitate

Dr. Gernot-Rüdiger Engel:

Wir befinden uns in einer absoluten Ausnahmesituation. Jetzt sollten BMWi, BAFA, Übertragungsnetzbetreiber und der IDW an einem Strang ziehen, um eine praktikable Lösung für die Unternehmen zu finden. Denn in Anbetracht des sich verbreitenden Coronavirus und den damit einhergehenden staatlichen Maßnahmen wird es vielen betroffenen Unternehmen nicht möglich sein, die Antragsfrist einzuhalten. Eine fehlenden EEG-Umlagebegrenzung für 2021 dürfte für die Unternehmen existenzbedrohende Folgen haben und das möglicherweise zu einem Zeitpunkt, wenn sich die Wirtschaft von der Coronakrise wieder erholt.

Ekkehard Hübel:

Es sollten schnellstmöglich die erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden, damit Unternehmen, die aufgrund des Coronavirus die Antragsfrist nicht einhalten können, keinen Rechtsverlust erleiden und nicht in massive wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.

Autor/in
Dr. Gernot-Rüdiger Engel

Dr. Gernot-Rüdiger Engel
Partner
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Ekkehard Hübel

Ekkehard Hübel
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