17.01.2019

Beihilferecht erzwingt Einschränkung wichtiger Stromsteuerbefreiungen

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Hintergrund

17.01.2018

Beihilferecht erzwingt Einschränkung wichtiger Stromsteuerbefreiungen

Im Bereich des Umweltenergierechts ist der deutsche Gesetzgeber bereits mehrmals von der Europäischen Kommission mit Verweis auf europäisches Beihilferecht gezwungen worden, bestehende Förderungen nachträglich und sogar rückwirkend einzuschränken – oder ganz abzuschaffen. Das scharfe Schwert des Beihilferechts hat zuletzt im Erneuerbare-Energien-Gesetz, im Stromsteuer- und im Energiesteuergesetz sowie im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz tiefe Einschnitte hinterlassen.

Das jüngste Opfer dieser unheilvollen Entwicklung sind die Steuerbefreiungen für Strom aus

  • einem ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern gespeisten Netz nach § 9 Absatz 1 Nr. 1 StromStG (das sogenannte „Grünstromnetz“) und
  • Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu 2 Megawatt nach § 9 Absatz 1 Nr. 3 StromStG (die sogenannten „Kleinanlagen“).


Beiden Steuerbefreiungen kommt ökonomisch wie ökologisch herausragende Bedeutung zu. Und beide Stromsteuerbefreiungen stuft die Europäische Kommission als staatliche Beihilfe ein.

Infolge der nun beabsichtigten Anpassung dieser Steuerbefreiungen an das europäische Beihilferecht droht zahlreichen derzeit noch begünstigten Unternehmen eine wesentliche Mehrbelastung bei der Stromsteuer.

Um europäischem Beihilferecht zu genügen, beabsichtigt der Gesetzgeber (BR-Drs. 5/19 vom 4. Januar 2019), den bisherigen Anwendungsbereich dieser Stromsteuerbefreiungen erheblich zu beschränken. Gleichzeitig sieht der Gesetzentwurf eine Änderung der betreffenden Regelungen in der Stromsteuer-Durchführungsverordnung vor.

Strengerer Maßstab: Steuerbefreiung nur für Eigenstrom
So soll die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG-Entwurf künftig nur noch Strom umfassen, der in Stromerzeugungsanlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als zwei Megawatt aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt und zum reinen Eigen- beziehungsweise Selbstverbrauch des Betreibers der Stromerzeugungsanlage verwendet wird. Entsprechend soll nicht mehr auf die ausschließlich aus erneuerbaren Energieträgern gespeiste Netze oder Leitungen, sondern auf den Selbstverbrauch des Betreibers am Ort der Erzeugung des Grünstroms abgestellt werden. Die Regelung ist an der im Erneuerbare-Energien-Gesetz definierten Eigenversorgung und dem hierzu ergangenen Leitfaden der Bundesnetzagentur ausgerichtet.

Dies ist gerade im Bereich der Nutzung von Grünstrom aus Biogas-BHKWen an einem Unternehmensstandort mit mehreren rechtlich selbständigen Abnehmern – mögen diese auch wirtschaftlich zum selben Betreiber der Erzeugungsanlage „gehören“ – potenziell verhängnisvoll.
Ergänzend soll die Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG-Entwurf nicht mehr solche Strommengen erfassen, die in ein Netz der allgemeinen Versorgung mit Strom eingespeist werden. Dies betrifft ausdrücklich auch den Strom, der lediglich kaufmännisch-bilanziell weitergegeben und infolge dessen als eingespeist behandelt wird.

Diese Verschärfung zielt letztlich auf eine Verhinderung von Doppelförderungen unter dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und dem Stromsteuergesetz.

Höhere Hürden: Nur grüne oder hocheffiziente Kleinanlagen befreit
Weiter strecken müssen sich auch die Betreiber von Kleinanlagen mit einer elektrischen Nennleistung von weniger als zwei Megawatt: Die Stromsteuerbefreiung aus § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG-Entwurf soll künftig allein Strom zugutekommen, der aus erneuerbaren Energien oder mittels hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung (im Sinne von 53a Abs. 6 Satz 4 und 5 des Energiesteuergesetzes) erzeugt wurde.

Somit droht die Stromerzeugung aus zahlreichen Kleinanlagen künftig erstmals mit der Stromsteuer belastet zu werden. Falls hier der einzelne Betroffene keine Entlastungstatbestände geltend machen kann, werden 20,50 Euro Stromsteuer je Megawattstunde erzeugten Stroms fällig.

Zu schlechter Letzt: Aufweichung des Steuergeheimnisses
Damit aber nicht genug: Ferner plant der Gesetzgeber durch Einfügen von § 10a StromStG-Entwurf eine beträchtliche Aufweichung des Steuergeheimnisses. Denn mit § 10a StromStG soll ein „Ringtausch“ durch eine Weitergabe aller relevanten Erkenntnisse aus dem Besteuerungsverfahren an Übertragungsnetzbetreiber, Bundesnetzagentur oder Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ermöglicht werden.

Diese Neuregelung bestätigt einmal mehr die zwingende Notwendigkeit von Datenkonsistenz im gesamten Umweltenergierecht.

Wir empfehlen, das Schreiben des BAFA nicht unbeantwortet zu lassen. Ob die die Angaben zu selbst verbrauchten Strommengen im Begrenzungsantrag einer Änderung bedürfen, ist im Einzelfall gesondert zu prüfen.

 

 

Dr. Mathias Mailänder
Rechtsanwalt
Senior Associate
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Hamburg
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