01.03.2021

Keine Formsache – BGH-Urteil zur Wirksamkeit der Einigung über eine Schiedsklausel nach dem CISG

Autoren: Stephanie Quaß und Laura Peters

Hintergrund

Im Internationalen Privatrecht (IPR) dreht sich alles um die Frage des anwendbaren Rechts. Die dabei bislang noch offen gelassene Frage, ob das CISG (UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf) auf den Prüfungspunkt der materiellen Einigung der Parteien auf eine Schiedsvereinbarung Anwendung findet, hat der BGH nun kürzlich geklärt.

In seinem Urteil vom 26. November 2020 (I ZR 245/19) wendete der BGH das CISG auf die Frage der materiellen Einigung auf eine Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien an und verneint eine wirksame Einigung im Ergebnis. Die formelle Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung hingegen fällt laut BGH auch in einem Vertragsverhältnis, auf das das CISG Anwendung findet, unter die einschlägigen Spezialvorschriften wie das New Yorker Übereinkommen (New Yorker Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche) oder § 1031 ZPO. Was für den Laien unverständlich klingen mag, ergibt sich jedoch aus einer konsequenten Prüfung des IPR.

1. Der Sachverhalt

Ein niederländisches Unternehmen belieferte ein deutsches Unternehmen mit sog. Macisblüten, dem Samenmantel der Muskatnuss. Die streitgegenständliche Blütenlieferung war angeblich verunreinigt und so verklagte die deutsche Käuferin die niederländische Lieferantin auf Schadensersatz.

Wie die meisten im internationalen Handel tätigen Akteure, hatte auch die hiesige Beklagte für den Streitfall vorgesorgt und Verweise auf Klauseln zum anwendbaren Recht und zum Gerichtsstand in ihr Bestätigungsschreiben aufgenommen. An sich ließe sich der Streit also schnell lösen, wären bei den Vertragsverhandlungen nicht gleich mehrere Fehler passiert: So fehlte auf dem Bestätigungsschreiben zum einen die vorgesehene Unterschrift der Klägerin. Zum anderen verwies das Bestätigungsschreiben in einer Fußzeile auf die Bedingungen der Nederlandse Vereniging voor de Specerijhandel (im Folgenden: NVS-Bedingungen), welche eine Schiedsklausel enthalten. In den allgemeinen Verkaufs- und Lieferungsbedingungen der Beklagten hingegen fand sich eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte am Sitz der Beklagten. Weder die NVS-Bedingungen noch die Verkaufs- und Lieferungsbedingungen waren dem Bestätigungsschreiben beigefügt.

Nach einem Teil-Versäumnisurteil des Landgerichts Bremen vom 9. Februar 2016 erhob die Beklagte die Schiedseinrede. Mit der Revision erstrebte die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, welches die Klage unter Verweis auf die Schiedseinrede eingangs abgewiesen hatte.

2. Die Entscheidung des BGH

In dem am 26. November 2020 entschiedenen Verfahren musste sich der BGH damit auseinandersetzen, ob die Schiedsvereinbarung wirksam zu Stande gekommen und damit die Einrede nach § 1032 Absatz 1 ZPO erhoben werden konnte. Interessant waren dabei insbesondere die zwei folgenden Aspekte.

a.  Materiell-wirksame Einigung über Schiedsklausel

Zentrale Frage war, ob die Einigung über die Schiedsklausel materiell wirksam zustande gekommen war. Hierfür setzt das New Yorker Übereinkommen in Artikel II Absatz 2 grundsätzlich eine schriftliche Vereinbarung voraus. Dieser Voraussetzung genügte das nur einseitig unterzeichnete Bestätigungsschreiben der Beklagten jedoch nicht.

Weiter prüfte der BGH den sog. Meistbegünstigungsgrundsatz, Artikel VII Absatz 1 New Yorker Übereinkommen, welcher Ausdruck des Interesses der Parteien ist, dass ihre individualvertraglichen Schiedsabreden wirksam sind und im Zweifel nicht an Formalitäten scheitern. Danach ist  eine Schiedsvereinbarung trotz Abweichung von der Formvorschrift des New Yorker Übereinkommen als formwirksam anzusehen, wenn sie nach dem anwendbaren nationalen Recht gültig sein sollte. Der BGH prüfte daher die Formwirksamkeit nach § 1031 Absatz 1 und 2 ZPO. Wie die in Absatz 2 enthaltene Bezugnahme zu verstehen ist, richte sich dabei wiederum nicht automatisch nach der ZPO, sondern nach dem eigens anwendbaren Recht – womit der BGH bei der Frage angekommen war, ob insoweit das CISG Anwendung findet. Ein Ausschluss des CISG in den NVS-Bedingungen war jedenfalls nicht zum Bestandteil des Vertrags geworden.

Die Frage der Anwendbarkeit des CISG auf Schiedsvereinbarungen war in der Vergangenheit umstritten. Gegner der Anwendbarkeit argumentierten vor allem mit der rechtlichen Eigenständigkeit von Schiedsvereinbarungen gegenüber den zugrundeliegenden Kaufverträgen. Das UN-Kaufrecht solle eben nur das Kaufrecht regeln. Nun stellte der BGH klar: Auch wenn die Formgültigkeit der Schiedsvereinbarung anderen Regeln unterliegen mag, kann sich die Frage der materiellen Einigung durchaus nach dem CISG richten. Immerhin handele es sich hierbei um ein vertragsrechtliches Problem und das CISG zeige sich in seinen Art. 19 Abs. 3 und Art. 81 Abs. 1 Satz 2 explizit offen für eine solche Anwendung. Dies gelte zumindest für Fälle, in denen die Formvorschriften des Artikel II Absatz 2 des New Yorker Übereinkommen nicht erfüllt sind.

Im Ergebnis lehnte der BGH eine wirksame materielle Einigung über die Schiedsklausel bzw. deren wirksame Einbeziehung auch nach Art. 8 CISG ab. Die Schiedseinrede der Beklagten griff damit nicht durch und die Revision blieb ohne Erfolg.

b.  Formelle Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung

Zum Schluss klärte der BGH noch die Frage nach dem auf die Formerfordernisse der Schiedsabrede anwendbaren Recht. Eine Anwendung der Rom-I-Verordnung sei nach dessen Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e explizit ausgeschlossen und auch in analoger Anwendung nicht möglich. Stattdessen richte sich das Formerfordernis nach dem von den Parteien gewählten Recht und hilfsweise dem Recht des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist bzw. ergehen würde (Artikel V Absatz 1 Buchstabe a New Yorker Übereinkommen). Im vorliegenden Fall führte dies dazu, dass auch die in den NVS-Bedingungen enthaltene Rechtswahlklausel unwirksam war. Ob die Schiedsvereinbarung nach dem anwendbaren niederländischen Recht formwirksam war, wurde vom BGH mangels einer wirksamen Einbeziehung nach dem CISG offengelassen.

3. Die Moral von der Geschicht‘

Aus dem Urteil lassen sich zwei Erkenntnisse ziehen: Erstens ist und bleibt das IPR ein Rechtsgebiet, welches bei der juristischen Prüfung volle Konzentration und Sorgfalt verlangt. Einzelne Rechtsfragen müssen stets gesondert auf ihr anwendbares Recht überprüft werden. Währenddessen treten Fälle mit grenzüberschreitendem Bezug tagtäglich auf. Das IPR ist damit nicht nur ein hochkomplexes, sondern auch höchst praxisrelevantes Rechtsgebiet. Weshalb das IPR im juristischen Examen auch heute noch so stiefmütterlich behandelt wird, ist daher nicht nachvollziehbar.

Zweitens können sich Unternehmen im Rechtsverkehr einige Probleme ersparen, indem sie bei der Vertragsverhandlung wachsam sind, Strukturen zur wechselseitigen Überprüfung schaffen und sich gut beraten lassen. Der besprochene Rechtsstreit wäre bei einer sorgfältigen Prüfung der Verträge, Unterschriften, Klauseln und Bezugnahmen vermeidbar gewesen.

Autor/in
Stephanie Quaß

Stephanie Quaß
Senior Associate
Frankfurt a.M.
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