27.06.2022

Das Hinweisgeberschutzgesetz kommt – Wen (be)trifft es und was ist arbeitsrechtlich zu beachten?

Hintergrund

Das Justizministerium hat einen neuen Entwurf für das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen vorgestellt. Wir fassen die wichtigsten Regelungen für Sie zusammen.

Historie

Bereits im Jahr 2020 legte die damalige Justizministerin Christine Lambrecht einen ersten Entwurf für ein deutsches Hinweisgeberschutzgesetz vor, das die sog. EU-Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937) umsetzen sollte, wozu die Bundesregierung bis zum 17. Dezember 2021 verpflichtet war. Nachdem die Bundesregierung die Frist zur Umsetzung hat verstreichen lassen und die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat, hat die Bundesregierung im April 2022 einen neuen Entwurf für das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (im Folgenden: HinSchG-E) vorgestellt. Es wird mit einem baldigen Beschluss des Gesetzes durch das Kabinett gerechnet.

Schutz vor Repressalien

Arbeitnehmer, die illegale Missstände im Unternehmen aufdecken, werden nicht nur häufig als Denunzianten stigmatisiert. Sie sehen sich zudem dem Risiko ausgesetzt, ihre Zukunft im Unternehmen zu gefährden, wenn sie den Verstoß melden.

Diesen Mangel soll das HinSchG-E beenden. Es soll hinweisgebende Personen vor Repressalien wie Kündigungen, Disziplinarmaßnahmen, Diskriminierung oder Mobbing schützen.

Bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot gilt prozessual eine Beweislastumkehr, so dass die hinweisgebende Person nicht durch die schwierige Beweisführung vor einem Prozess abgeschreckt wird. Die Partei, die die benachteiligende Maßnahme ergriffen hat, muss darlegen und beweisen, dass die Meldung bzw. die Offenlegung nicht kausal für das Ergreifen der Maßnahme war.

Wer ist geschützt?

Geschützt sind natürliche Personen, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld Informationen über Verstöße erlangt haben und diese über interne oder externe Meldestellen melden. Dieser weit gefasste persönliche Anwendungsbereich erfasst damit neben (ehemaligen) Arbeitnehmern auch Bewerber, Selbstständige, Freiwillige und Organmitglieder.

Darüber hinaus werden auch Personen geschützt, die Gegenstand einer Meldung sind oder von einer solchen betroffen sind. Der HinSchG-E erfasst mithin auch Zeugen und sogar diejenigen Personen, denen ein Fehlverhalten vorgeworfen wird.  

Sollten die Informationen eines Hinweisgebers an die Meldestelle ohne Rückmeldung bleiben oder der Hinweisgeber einen hinreichenden Grund für eine Gefährdung des öffentlichen Interesses sehen, können die Informationen offengelegt werden (z.B. über Presse, Medien und Social Media). Hinweisgebende sind daher beim Gang an die Öffentlichkeit u.U. ebenfalls durch das HinSchG-E geschützt.

Geschützt ist darüber hinaus nur, wer Informationen über Verstöße meldet oder offenlegt, die nach nationalem Recht strafbewährt oder bußgeldbewährt sind, oder über sonstige in § 2 Abs. 1 HinSchG-E abschließend aufgeführte Verstöße gegen nationales oder europäisches Recht (z.B. gegen das Geldwäschegesetz, das Kartellrecht, Finanzdienstleistungsaufsichtsrecht, Steuerrecht).  

Informationen über bußgeldbewährte Verstöße sind vom HinSchG-E nur erfasst, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Dies betrifft z.B. bußgeldbewährte Verstöße gegen die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns oder des Arbeitsschutzes.

Interne und externe Meldestellen

Das HinSchG-E legt interne und externe Hinweisgebersysteme als gleichwertige Meldestellen fest.

Arbeitgeber sind verpflichtet, interne Meldestellen zu errichten. Diese sollen durch geschultes Personal geführt werden, was auch durch Dritte, wie Rechtsanwälte als sog. Ombudspersonen erfolgen kann. Es soll möglich sein, eine einheitliche interne Meldestelle für mehrere Konzernunternehmen zu errichten. Zusätzlich können auch mehrere private Beschäftigungsgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten eine einheitliche interne Meldestelle errichten.

Zudem ist die Errichtung externer Meldestellen durch den Bund vorgesehen, deren Aufgaben vom Bundesamt für Justiz wahrgenommen werden und zusätzlich auf Landesebene errichtet werden können. In speziellen Zuständigkeitsbereichen sollen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und das Bundeskartellamt (BKartA) mit ihren bereits etablierten Hinweisgebersystemen als externe Meldestelle fungieren.

Hinweisgebende Personen können frei entscheiden, ob sie interne Meldungen oder Hinweise über die externe Meldestelle abgeben möchten; internen Meldestellen kommt daher kein Vorrang gegenüber den externen Meldestellen zu.

Verpflichtete Unternehmen

Das HinSchG-E sieht eine Verpflichtung für alle Beschäftigungsgeber und Organisationseinheiten mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten vor, wobei für private Beschäftigungsgeber mit weniger als 250 Beschäftigten eine Übergangsfrist bis zum 17. Dezember 2023 gelten soll. Gemäß § 12 Abs. 3 HinSchG-E werden darüber hinaus ausgewählte Arbeitgeber unabhängig von der Beschäftigtenzahl verpflichtet, vor allem im Finanzdienstleistungssektor.

Ausblick

Unternehmen ist zu empfehlen, sich rechtzeitig mit dem Thema Hinweisgeberschutz auseinanderzusetzen und ein sicheres internes Meldesystem zu installieren, um eine Alternative zu externen Meldesystemen zu schaffen und die interne Aufklärung und Abwicklung von Meldungen zu ermöglichen. Zudem sollten sich Unternehmen darauf einstellen, dass Betriebsräte bei der Einführung von Meldesystemen ihre Mitbestimmungsrechte geltend machen.

In unserem Webinar "Der HinweisgeberschutzG-E aus arbeitsrechtlicher Perspektive" informieren wir Sie am 7. Juli 2022 von 12:30 Uhr bis 13:15 Uhr vertieft über den Inhalt des Gesetzesentwurfs sowie über die relevanten Auswirkungen des HinSchG-E bei Kündigungen und der Mitbestimmung des Betriebsrates. Wie laden Sie herzlich ein, an dem Webinar teilzunehmen.

Autor/in
Sandra Sfinis

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