23.05.2016

IP / IT Ausgabe 2 / 2016

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Die Reform des EU-MarkenrechtsSafe Harbor 2.0 – EU-US Privacy ShieldAnforderungen an Einwilligung zur Telefonwerbung und Cookie-NutzungAnwendbares Datenschutzrecht und zuständige Behörde bei grenzüberschreitenden SachverhaltenTK-Dienstleister als Überwacher?Keine öffentliche Wiedergabe bei Hintergrundmusik im Wartezimmer

Die Reform des EU-Markenrechts

Im Dezember 2015 wurden die europäische Markenrichtlinie (2015/2436/EU) und die Gemeinschaftsmarkenverordnung (2015/2424/EU) reformiert. Ziel der Reform war die weitergehende Harmonisierung nationaler Markenrechtssysteme. Die neue Unionsmarkenverordnung („UMV“) trat am 23. März 2016 in Kraft und gilt seitdem unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten. Nachfolgend stellen wir die wesentlichsten Änderungen im Überblick dar.

Auf den Punkt.

Im Dezember 2015 wurden die europäische Markenrichtlinie (2015/2436/EU) und die Gemeinschaftsmarkenverordnung (2015/2424/EU) reformiert. Ziel der Reform war die weitergehende Harmonisierung nationaler Markenrechtssysteme. Die neue Unionsmarkenverordnung („UMV“) trat am 23. März 2016 in Kraft und gilt seitdem unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten. Nachfolgend stellen wir die wesentlichsten Änderungen im Überblick dar.

Umbenennung

Die bisher bekannte Gemeinschaftsmarke wird fortan als „Unionsmarke“ bezeichnet. Das bisherige „Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt“ wird umbenannt in „Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum“ („EUIPO“).

Neue Gebührenstruktur

Teil der Reform ist die Neuordnung der Gebührenstruktur. Die Gebühren waren bislang in einer eigenen Kommissions-Verordnung geregelt. Die neue Gebührenordnung ist nun als Anhang I unmittelbar Teil der neuen UMV und folgt dem Aufbau eines Ein-Klassen-Systems (vorher drei Klassen). Bisher betrug die Gebühr für eine Marken-Anmeldung in bis zu drei Klassen EUR 900,00, für jede weitere Klasse wurde eine zusätzliche Gebühr in Höhe von EUR 150,00 erhoben. Fortan beträgt die Anmeldegebühr nur noch EUR 850,00, bezieht sich aber auch nur noch auf die erste Waren- bzw. Dienstleistungsklasse. Für die Eintragung in die zweite Klasse fallen weitere EUR 50,00 und für jede zusätzliche Klasse fallen jeweils EUR 150,00 an. Durch diese Neuregelung soll verhindert werden, dass ein Markenanmelder weitere Klassen ohne tatsächlichen Bedarf beansprucht, weil sie keine zusätzlichen Kosten verursachen. Für eine Anmeldung in einer Klasse sinken daher die Kosten, für die Anmeldung in mehr als zwei Klassen steigen sie geringfügig.

Die gleichen Gebührensätze entstehen mit jeder Verlängerung der Unionsmarke (also z.B. EUR 850,00 für eine Klasse, EUR 1.050,00 für drei Klassen), wenn der Antrag elektronisch gestellt wird (für Anträge auf Papier oder Fax beträgt die Grundgebühr der Verlängerung EUR 1.000,00) – dies stellt eine deutliche Reduktion gegenüber den bislang fällig gewordenen Verlängerungsgebühren in Höhe von EUR 1.350,00 für drei Klassen sowie je EUR 400,00 für jede weitere Klasse dar. Des Weiteren reduziert sich die Widerspruchsgebühr von EUR 350,00 auf EUR 320,00, die Beschwerdegebühr von EUR 800,00 auf EUR 720,00 und die Gebühr für den Löschungsantrag wegen Verfalls schließlich von EUR 700,00 auf EUR 630,00.

Waren- und Dienstleistungsverzeichnis

Der Europäische Gerichtshof hatte am 22. Juni 2012 in seinem sog. „IP-Translator“-Urteil (Az.: C 307/10) entschieden, dass einige der eher abstrakten Oberbegriffe der Klassenüberschriften der Nizza-Klassifikation nicht konkret seien, die zugehörigen Waren bzw. Dienstleistungen zu erfassen. Seit diesem Urteil ist bei der Abfassung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses zu berücksichtigen, dass ein Begriff nur diejenigen Waren/Dienstleistungen umfasst, die von der wörtlichen Bedeutung gedeckt sind. Diese Rechtsprechung wird nun kodifiziert, indem Art. 28 Abs. 2 UMV nun verbindliche Klassifizierungsvorgaben vorsieht. Darüber enthält Art. 28 Abs. 8 UMV eine Übergangsregelung, wonach Inhaber von Unionsmarken, die vor dem 22. Juni 2012 angemeldet wurden und welche in Bezug auf die gesamte Überschrift einer Nizza-Klasse eingetragen sind, nachträglichen Schutz auch für solche Waren bzw. Dienstleistungen beanspruchen können, die nicht wortwörtlich von der Bedeutung der entsprechenden Klassifizierungsüberschrift erfasst werden, aber die im zum Zeitpunkt der Anmeldung geltenden Verzeichnis der Nizza-Klassifikation aufgeführt sind. Ein derartiger Antrag eines Markeninhabers sollte bis zum 24. September 2016 beim EUIPO eingereicht werden. Ein entsprechendes Online-Formular wird auf der Seite des EUIPO unter der Rubrik „Formulare und Anmeldungen“ zur Verfügung gestellt. Im Übrigen ist auch eine Antragsstellung in Papierform möglich.

Neue Anforderungen an die Eintragung einer Marke

Die UMV sieht weiterhin auch verfahrensrechtlich wesentliche Neuerungen vor. So wird es zukünftig nicht mehr möglich, aber auch aufgrund des sogenannten „e-filings“ nicht mehr nötig sein, eine Unionsmarkenanmeldung bei einem der nationalen Markenämter einzureichen. Zudem war es bislang zur Vertretung vor dem Amt erforderlich, dass der Anmelder entweder selbst einen Sitz in der EU hat oder einen entsprechenden Vertreter benannt hat, auf den diese Voraussetzung zutrifft. Nunmehr wird aufgrund der neuen Regelung der Parteisitz oder der Sitz des Vertreters auf den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum erstreckt. Nach Art. 137a UMV soll ein Mediationszentrum des EUIPO eingerichtet werden, welches von Parteien eines streitigen Amtsverfahrens in Anspruch genommen werden kann. Weiterhin erstellt das EUIPO den bisher in der Praxis üblichen Recherchebericht in Bezug auf entgegenstehende Drittmarken nur noch auf ausdrücklichen Antrag bei der Anmeldung gegen die Errichtung einer Gebühr in Höhe von EUR 12,00 pro Bericht. Zudem stellt die Verordnung klar, dass sämtliche Ursprungsbezeichnungen und geographischen Angaben, die durch Unionsrecht oder nationales Recht besonders geschützt sind, nicht als Marke eingetragen werden können.

Unionsgewährleistungsmarke

Darüber hinaus wurde infolge der Reform eine Unionsgewährleistungsmarke eingeführt (Art. 74a ff. UMV). Danach werden als Garantie- oder Gewährleistungsmarke solche Marken bezeichnet, für die der Inhaber der Marke das Material, die Art und Weise der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen, die Qualität, Genauigkeit oder andere Eigenschaften (mit Ausnahme der geographischen Herkunft) gewährleistet. Der Kunde soll sich bei solchen Marken gerade darauf verlassen können, dass die Ware oder Dienstleistung tatsächlich auch vom Inhaber stammt und diese auch die festgelegten Qualitätskriterien erfüllen.

Geruchsmarken, Klangmarken, Geschmacksmarken

Nach der alten Fassung des Art. 4 GMV war die grafische Darstellbarkeit der Marke Eintragungsvoraussetzung. In der Neufassung des Art. 4 UMV wurde nunmehr auf das Erfordernis der grafischen Darstellung verzichtet. Dies hat zur Folge, dass auch nicht traditionelle Markenformen, wie etwa die Geruchsmarke, Klangmarke oder die Geschmacksmarke erfasst sein können. Das einzutragende Zeichen muss demnach nur geeignet sein, in einer Weise dargestellt zu werden, so dass sein Schutzbereich klar und eindeutig bestimmt werden kann, Art. 4b UMV (vgl. Präambel 9).

Markenrechtliche Abwehransprüche

Wenn eine Ware eine Unionsmarke verletzt, dann ist es ab sofort nicht nur untersagt, ein solches Produkt in dem Land anzubieten oder zu vertreiben, sondern es darf auch nicht durch die EU durchgeliefert werden. Dies ist eine Konsequenz des „Diesel“-Urteils des EuGH (Urt. v. 9. November 2006, Az.: C-281/05). Die ununterbrochene Durchfuhr oder eine Lagerung im Zollverschlussverfahren im Inland stellte bisher nämlich keine rechtsverletzende Markennutzung dar.

Außerdem ist klargestellt, (i) dass die Nutzung eines identischen oder ähnlichen Handelsnamens oder Unternehmenskennzeichens in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen untersagt werden kann und (ii) dass die Verwendung einer Marke in der vergleichenden Werbung verboten ist, wenn diese Verwendung gegen die Werbungs-Richtlinie der EU - (RL 2006/114/EG) verstößt.

Letztlich können sogar Vorbereitungshandlungen zu einer Markenverletzung untersagt werden, wie etwa das Anbringen eines identischen oder ähnlichen Zeichens auf Verpackungen, Etiketten, Anhängern etc. sowie das Anbieten, Inverkehrbringen oder Besitzen solcher Materialien.

Neuberechnung der Frist bei Einrede der Nichtbenutzung

Das Ende der Fünf-Jahres-Frist bei Einrede der Nichtbenutzung wird vorverlegt: Die Nutzung muss nun innerhalb der fünf Jahre vor der Anmeldung bzw. Priorität der jüngeren Marke vorliegen, nicht mehr nur vor ihrer Veröffentlichung. Hintergrund ist, dass die elektronischen Datenbanken bereits häufig kurz nach Eingang der Anmeldung recherchierbare Informationen bereithalten, und es bis zur Veröffentlichung dauern kann. Eine erst in diesem Zeitraum aufgenommene Nutzung genügt daher nicht mehr.

Unser Kommentar

Trotz vieler Neuerungen aufgrund einer fortschreitenden europäischen Harmonisierung bleiben einige nationale Besonderheiten bestehen. So können Mitgliedsstaaten auch weiterhin eine amtliche Prüfung auf ältere Drittrechte vorsehen. Zudem konnte sich der Vorschlag der Kommission, die Amtsprüfung auf absolute Hindernisse zu beschränken, nicht durchsetzen. Markeninhabern, die über Unionsmarken verfügen, in deren Waren- und Dienstleistungsverzeichnissen in einer Klasse jeweils die Überschrift einer Nizza-Klasse eingetragen sind, ist zu raten, diese bis zum 24. September 2016 dahingehend zu überprüfen, ob eine Schutzerklärung nach der Übergangsregelung des Art. 28 Abs. 8 UMV erforderlich ist. Im Zweifelsfall sollte eine solche Erklärung in Bezug auf konkrete Waren und Dienstleistungen abgegeben werden. Abzuwarten bleibt, ob zukünftig aufgrund der Aufgabe des Erfordernisses der grafischen Darstellbarkeit einer Marke „neue“ Markenformen entstehen werden.

Safe Harbor 2.0 – EU-US Privacy Shield

Die Übermittlung personenbezogener Daten aus der EU in die USA kann seit der Entscheidung des EuGH vom 6. Oktober 2015 nicht mehr auf Grundlage des sog. Safe Harbor Abkommens stattfinden. In seinem Urteil hatte der EuGH die Entscheidung der EU-Kommission (2000/520/EG) aus dem Jahre 2000 verworfen, mit welcher die Kommission US-amerikanischen Unternehmen ein angemessene Datenschutzniveau attestierte, wenn sich diese freiwillig zur Beachtung der zwischen der Kommission und dem US-Handelsministerium ausgehandelten Datenschutzstandards verpflichtet hatten. Um der mit dem Wegfall des Safe Harbor Abkommens einhergehenden Rechtsunsicherheit zu begegnen, haben sich die Europäische Kommission und das US-Handelsministerium unmittelbar im Anschluss an die Entscheidung des EuGH auf den Abschluss eines Nachfolgeabkommens, das EU-US Privacy Shield, verständigt. Der Entwurf wird derzeit von den Aufsichtsbehörden beraten.

Auf den Punkt.

Die Übermittlung personenbezogener Daten aus der EU in die USA kann seit der Entscheidung des EuGH vom 6. Oktober 2015 nicht mehr auf Grundlage des sog. Safe Harbor Abkommens stattfinden. In seinem Urteil hatte der EuGH die Entscheidung der EU-Kommission (2000/520/EG) aus dem Jahre 2000 verworfen, mit welcher die Kommission US-amerikanischen Unternehmen ein angemessene Datenschutzniveau attestierte, wenn sich diese freiwillig zur Beachtung der zwischen der Kommission und dem US-Handelsministerium ausgehandelten Datenschutzstandards verpflichtet hatten. Um der mit dem Wegfall des Safe Harbor Abkommens einhergehenden Rechtsunsicherheit zu begegnen, haben sich die Europäische Kommission und das US-Handelsministerium unmittelbar im Anschluss an die Entscheidung des EuGH auf den Abschluss eines Nachfolgeabkommens, das EU-US Privacy Shield, verständigt. Der Entwurf wird derzeit von den Aufsichtsbehörden beraten.

Das neue „EU-US Privacy Shield“

Am 2. Februar 2016 wurde das neue EU-US Privacy Shield vorgestellt. Nach Aussage der EU-Kommission seien mit diesem Abkommen die Kritikpunkte des EuGH gegenüber dem Safe Harbor Abkommen ausreichend berücksichtigt. Der EuGH hatte die fehlende Kontrolle der Selbstverpflichtung zur Einhaltung der Datenschutzstandards, die praktisch schrankenlose Massenüberwachung durch US-Behörden und die unzureichende Beachtung der Betroffenenrechte angeprangert.

Auch das neue Abkommen sieht vor, dass US-Unternehmen diesem beitreten können, indem sie sich im Wege der Selbstzertifizierung verpflichten, die im Privacy Shield niedergelegten Prinzipien des Datenschutzes zu beachten. Die Einhaltung dieser Standards durch ein selbstzertifiziertes Unternehmen soll zukünftig jedoch effektiv durch die US-Behörden überwacht und bei festgestellten Verstößen sanktioniert werden. Bei vermuteten Verstößen soll dem EU-Bürger ein unabhängiger Ombudsmann im US-Außenministerium zur Verfügung stehen. Zur kontinuierlichen Überwachung der Vereinbarung soll zudem eine jährliche Überprüfung stattfinden. Weiterhin sieht die neue Vereinbarung nun unter anderem vor, dass die betroffenen Personen über den Grund der Datenerhebung sowie ihre Entscheidungsmöglichkeiten bei über den Erhebungsgrund hinausgehender Datenverarbeitung informiert werden. Unternehmen sind angehalten, verschärfte Sicherungsmaßnahmen gegen den unbefugten Zugriff Dritter zu ergreifen. Eine Weitergabe der personenbezogenen Daten an Dritte wird nur ermöglicht, wenn hierbei ein vergleichbares Datenschutzniveau sichergestellt wird. Die Umsetzung des Privacy Shields soll genau wie das Safe Harbor Abkommen durch einen Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission gemäß Art. 25 Abs. 6 RL 95/46/EG erfolgen, welcher bereits als Entwurf vorgelegt wurde.

Ob das neue Privacy Shield den Anforderungen des EuGH jedoch gerecht werden und tatsächlich für ein angemessenes Datenschutzniveau im Empfängerland USA sorgen kann, ist jedoch zweifelhaft. Datenschützer bemängeln insbesondere das Fehlen einer effektiven Begrenzung der massenhaften Überwachung personenbezogener Daten von EU-Bürgern durch US-Sicherheitsbehörden. Auf der Grundlage US-amerikanischer Gesetze bestehe nach wie vor die Möglichkeit zur Massenüberwachung; es fehle jegliche Begrenzung im Sinne einer strengen Zweckbindung und der Wahrung des Verhältnismäßigkeits- und Transparenzgrundsatzes. Zudem erfolge die Überwachung der Selbstzertifizierung weiterhin ausschließlich durch die US-Behörden, welche bereits im Rahmen des Safe Harbor Abkommens dieser Aufgabe nicht in ausreichendem Maße nachgekommen seien. Auch die Einführung eines Ombudsmanns erhöhe den Schutz für die EU-Bürger nicht nachhaltig, da dessen Unabhängigkeit nicht gewährleistet sei und er keine ausreichenden Befugnisse zur Rechtsdurchsetzung habe.

Aus diesen Gründen hat auch der sog. Art. 31-Ausschuss (ein EU-Ausschuss, der Vertreter der Mitgliedstaaten umfasst, die gemeinsame Entscheidungen treffen, wenn – wie bei Angemessenheitsentscheidungen der Kommission – die Zustimmung der Mitgliedsstaaten erforderlich ist), der am 19. Mai 2016 eigentlich grünes Licht für das neue Abkommen geben sollte, bislang keine Freigabe erklärt.

Unser Kommentar

Auf das neue Privacy Shield kann bis zur Angemessenheitsentscheidung der EU-Kommission noch nicht zurückgegriffen werden. Es ist daher (zumindest vorerst) weiterhin erforderlich, im Rahmen des internationalen Datentransfers alternative Garantien zur Herstellung eines angemessenen Datenschutzniveaus heranzuziehen. Hierbei kommen insbesondere der Abschluss der EU-Standardvertragsklauseln oder (für den Datenaustausch im Konzern) Binding Corporate Rules in Betracht.

Anforderungen an Einwilligung zur Telefonwerbung und Cookie-Nutzung - OLG Frankfurt, Urt. v. 17. Dezember 2015 Az.: 6 U 30/15

Das OLG Frankfurt wertete das „Opt-Out“-Verfahren zur Einholung der erforderlichen Einwilligung in die Cookie-Nutzung als zulässig. Das bedeutet, dass auch durch eine vorformulierte und bereits mit einem Häkchen voreingestellte Erklärung wirksam eine Einwilligung erteilt werden kann. Zudem reicht es aus, wenn sämtliche erforderlichen Informationen über Cookies erst in einem verlinkten Text zugänglich gemacht werden. Hingegen bestehen für die Einwilligung in Telefon- oder E-Mail-Werbung aufgrund des hohen Belästigungspotentials weiterhin strenge Anforderungen.

Auf den Punkt.

Das OLG Frankfurt wertete das „Opt-Out“-Verfahren zur Einholung der erforderlichen Einwilligung in die Cookie-Nutzung als zulässig. Das bedeutet, dass auch durch eine vorformulierte und bereits mit einem Häkchen voreingestellte Erklärung wirksam eine Einwilligung erteilt werden kann. Zudem reicht es aus, wenn sämtliche erforderlichen Informationen über Cookies erst in einem verlinkten Text zugänglich gemacht werden. Hingegen bestehen für die Einwilligung in Telefon- oder E-Mail-Werbung aufgrund des hohen Belästigungspotentials weiterhin strenge Anforderungen.

Der Fall

Die Beklagte bietet auf einer Internetplattform unter anderem Gewinnspiele an. Im Rahmen der Gewinnspielteilnahme verwendete die Beklagte vorformulierte Einwilligungserklärungen. In Bezug auf Werbung fand sich die folgende Einwilligungserklärung (Klausel 1):

Ich bin einverstanden, dass einige Sponsoren und Kooperationspartner mich [postalisch oder] telefonisch [oder per E-Mail/SMS] über Angebote aus ihrem jeweiligen Geschäftsbereich informieren. Dies kann ich hier selbst bestimmen, ansonsten erfolgt die Auswahl durch den Veranstalter. [Das Einverständnis kann ich jederzeit widerrufen. Weitere Infos dazu hier.]

Bei Anklicken des Links „Weitere Infos dazu hier“ gelangte man zu einer Unterseite, die eine Liste von insgesamt 59 Unternehmen mit Angaben zu deren Firma, Anschrift und Geschäftsbereich enthielt. Der Teilnehmer konnte nun durch Anklicken des bei jedem Unternehmen voreingestellten Häkchens entscheiden, von welchem Unternehmen er keine Werbung wünscht. Sollte der Nutzer dies nicht oder nicht ausreichend tun, sicherte die Beklagte zu, eine Auswahl von höchstens 30 Sponsoren und Partnern nach eigenem Ermessen zu treffen.

Auf derselben Angebotsseite befand sich die folgende zweite Erklärung, welche sich auf die Cookie-Nutzung bezog (Klausel 2):

Ich bin einverstanden, dass der Webanalysedienst ..... bei mir eingesetzt wird. Das hat zur Folge, dass der Gewinnspielveranstalter, die ..... GmbH, nach Registrierung für das Gewinnspiel Cookies setzt, welches eine Ausweitung meines Surf- und Nutzungsverhaltens auf Websites von Werbepartnern und damit interessengerichtete Werbung durch ..... ermöglicht. [Die Cookies kann ich jederzeit wieder löschen. Lesen Sie näheres hier.]

Hier war das Häkchen in dem der Erklärung vorangestellten Feld bereits von vornherein ausgewählt („Opt out“). Bei Anklicken des Links „Lesen Sie Näheres hier“ gelangte der Nutzer auf eine Unterseite mit weiteren Informationen über Cookies, bei der jedoch keinerlei Informationen zu denjenigen Unternehmen bereitgehalten wurden, die Zugriff auf die im Cookie gespeicherten Informationen erhalten.

Der Kläger, die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., hielt beide Erklärungen für unzulässig. Das Landgericht Frankfurt gab der Klage überwiegend statt. Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein.

Die Entscheidung

Die Berufung hatte teilweise Erfolg. Das OLG Frankfurt wertete die Klausel 1 (= Werbeklausel) als rechtswidrig, Klausel 2 (= Cookie-Klausel) hingegen als rechtmäßig.

Grundsätzlich ist Werbung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, gemäß § 7 Abs. 1 UWG unzulässig. Dies gilt insbesondere, wenn erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht. Deshalb bedarf es zur Werbung per E-Mail, Post oder Telefon in der Regel der Einwilligung des Betroffenen, welche im Internet regelmäßig über das sog. Double Opt-In Verfahren eingeholt wird. Dabei setzt der Teilnehmer zunächst aktiv ein Häkchen bei der entsprechenden Einwilligungserklärung und muss diese Einwilligung nach Erhalt einer entsprechenden E-Mail des Anbieters bzw. des Werbenden bestätigen. Vorliegend musste die Einwilligung, Werbemails zu erhalten, zwar aktiv durch das Setzen des Häkchens durch den Teilnehmer erteilt werden, jedoch bezog sich diese Einwilligung auf 30 Unternehmen, was für den Teilnehmer zunächst nicht ersichtlich war. Bei der sodann auf der Unterseite möglichen Auswahl der Unternehmen, von denen Werbung bezogen werden sollte, nutzte der Anbieter jedoch gerade nicht mehr das Opt-In, sondern das Opt-Out Verfahren, was das OLG Frankfurt als unzulässig bewertete. Voraussetzung für eine Einwilligung sei nämlich, dass diese für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erteilt wird. Diesen Anforderungen habe die angegriffene Klausel 1 jedoch nicht entsprochen. Das Merkmal der „Kenntnis der Sachlage“ erfordere, dass dem Einwilligenden die Möglichkeit einer realistischen Prüfung von Inhalt und Umfang der Einwilligungserklärung verbleibe und nicht die Gefahr einer vorschnellen Einwilligung begründet werde. Bei der angegriffenen Gestaltung musste der Einwilligende jedoch erst die Liste mit den 59 Unternehmen aufrufen, prüfen von welchem Unternehmen er keine Werbung wünscht und sodann jeweils das voreingestellte Häkchen entfernen. Schon der Aufwand eines solchen Abwählens stehe nach Ansicht des OLG Frankfurt außer Verhältnis zu der angestrebten Teilnahme an einem Gewinnspiel und würde deshalb von einem durchschnittlichen Internetnutzer nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden.

Hingegen sah das OLG Frankfurt – anders als zuvor das Landgericht – die Einwilligung zur Cookie-Nutzung mittels „Opt-Out“-Verfahren, bei dem das Häkchen bei der Einwilligungserklärung voreingestellt ist, als zulässig an. Die Anforderungen an eine Einwilligung in die Cookie-Nutzung nach den insoweit maßgeblichen Vorschriften der §§ 4a, 28 Abs. 3a S. 2 BDSG sowie §§ 13 Abs. 2, 15 Abs. 3 TMG seien erfüllt. Den Vorschriften sei kein „Opt-In“-Erfordernis zu entnehmen. Auch die sog. Cookie-Richtlinie (2009/136/EG) schreibe kein „Opt-In“-Verfahren vor. Damit bestätigte das OLG Frankfurt zugleich die Auffassung der Bundesregierung zur Cookie-Richtlinie. Diese hatte die Cookie-Richtlinie nicht in deutsches Recht umgesetzt, weil sie die bereits bestehenden nationalen Gesetze für ausreichend hielt und die Auffassung vertrat, die europäischen Vorgaben erforderten keine „Opt-In“-Lösung. Im Übrigen verstoße die Gestaltung der Cookie-Klausel nicht gegen die Anforderungen an eine klare, umfassende und verständliche Information. Dass wesentliche Informationen nicht schon in der Erklärung selbst, sondern erst in der verlinkten Erläuterung gegeben werden, sei eine Frage der inhaltlichen Überprüfung der Einwilligung. Doch auch inhaltlich sei die angegriffene Einwilligungserklärung nicht zu beanstanden.

Unser Kommentar

Bezüglich der Unzulässigkeit der Werbeklausel bestätigt das Urteil die bisherige Rechtsprechung. Dank der Bestätigung der Verwendung des Opt-Out“-Verfahrens bei der Einwilligung in die Cookie-Nutzung und des Verzichts auf die Information über die Unternehmen, die auf die Cookie-Daten zugreifen können, führt das Urteil vorläufig zu Erleichterungen beim Einsatz von Cookies. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, da das Urteil im Schrifttum zum Teil auf erhebliche Kritik gestoßen und die Revision beim Bundesgerichtshof anhängig ist. Die weitere Entwicklung ist daher abzuwarten. Bleibt es bei dem Urteil, dürfte sich das Risiko, insoweit von Abmahnungen durch Wettbewerber und Verbraucherschutzverbände betroffen zu werden, erheblich reduzieren.

Anwendbares Datenschutzrecht und zuständige Behörde bei grenzüberschreitenden Sachverhalten - EuGH, Urt. v. 01. Oktober 2015, Az.: C-230/14

Das anwendbare Datenschutzrecht und die Zuständigkeit der Datenschutz-aufsichtsbehörden verschiedener Mitgliedsstaaten können auseinanderfallen. Sanktionsbefugnisse sind jedoch aufgrund des Territorialitätsprinzips der Datenschutzaufsichtsbehörde vorbehalten, innerhalb deren Hoheitsgebiet der für die Verarbeitung Verantwortliche niedergelassen ist.

Auf den Punkt.

Das anwendbare Datenschutzrecht und die Zuständigkeit der Datenschutz-aufsichtsbehörden verschiedener Mitgliedsstaaten können auseinanderfallen. Sanktionsbefugnisse sind jedoch aufgrund des Territorialitätsprinzips der Datenschutzaufsichtsbehörde vorbehalten, innerhalb deren Hoheitsgebiet der für die Verarbeitung Verantwortliche niedergelassen ist.

Der Fall

Der „Weltimmo“-Entscheidung des EuGH (Az.: C-230/14) liegt ein Rechtstreit der Weltimmo s.r.o., einer Gesellschaft mit Sitz in der Slowakei, gegen die Verhängung eines Bußgeldes durch die ungarische Datenschutzaufsichtsbehörde vor den ungarischen Gerichten zu Grunde. Die Weltimmo betreibt eine auf den ungarischen Markt ausgerichtete Website zur Vermittlung von Immobilien in Ungarn. Die Weltimmo erbrachte ihre Leistungen einen Monat lang kostenlos, löschte die Daten der Interessenten nach Ablauf des Probemonats jedoch nicht aus ihren Systemen, sondern stellte diesen die in den Folgemonaten erbrachten Leistungen in Rechnung. Bei Nichtbegleichung der Rechnungen übermittelte sie die personenbezogenen Daten der Inserenten an verschiedene Inkassounternehmen. Auf die Beschwerde der Inserenten erklärte sich die ungarische Datenschutzbehörde für zuständig und verhängte wegen Verstoßes gegen das ungarische Datenschutzrecht das streitgegenständliche Bußgeld. Hiergegen erhob die Weltimmo Klage. Der oberste Gerichtshof Ungarns setzte das Verfahren aus und legte den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Die Entscheidung

Das Vorabentscheidungsersuchen betraf die Auslegung der Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und 28 Abs. 1, 3, und 6 der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG.

Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Datenschutzrichtlinie bestimmt:

„Jeder Mitgliedstaat wendet die Vorschriften, die er zur Umsetzung dieser Richtlinie erlässt, auf alle Verarbeitungen personenbezogener Daten an, die im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung ausgeführt werden, die der für die Verarbeitung Verantwortliche im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats besitzt [...].“

Art. 28 Abs. 1, 3 und 6 der Datenschutzrichtlinie bestimmen:

„(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass eine oder mehrere öffentliche Stellen beauftragt werden, die Anwendung der von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften in ihrem Hoheitsgebiet zu überwachen. Diese Stellen nehmen die ihnen zugewiesenen Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahr.

(3) Jede Kontrollstelle verfügt insbesondere über:

  • Untersuchungsbefugnisse […];
  • wirksame Einwirkungsbefugnisse […];
  • das Klagerecht oder eine Anzeigebefugnis bei Verstößen gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie.

[…]


(6) Jede Kontrollstelle ist im Hoheitsgebiet ihres Mitgliedstaats für die Ausübung der ihr gemäß Absatz 3 übertragenen Befugnisse zuständig, unabhängig vom einzelstaatlichen Recht, das auf die jeweilige Verarbeitung anwendbar ist. Jede Kontrollstelle kann von einer Kontrollstelle eines anderen Mitgliedstaats um die Ausübung ihrer Befugnisse ersucht werden. Die Kontrollstellen sorgen für die zur Erfüllung ihrer Kontrollaufgaben notwendige gegenseitige Zusammenarbeit, insbesondere durch den Austausch sachdienlicher Informationen.“

Das vorlegende Gericht wollte zunächst wissen, ob Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen seien, dass sie der Kontrollstelle eines Mitgliedstaats unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens erlauben, das nationale Datenschutzrecht dieses Mitgliedstaats auf einen für die Datenverarbeitung Verantwortlichen anzuwenden, dessen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat eingetragen ist und der eine Website zur Vermittlung von Immobilien betreibt, die sich im Staatsgebiet des ersten dieser beiden Staaten befinden (Frage 1).

Außerdem wollte das vorlegende Gericht wissen, ob für den Fall, dass die ungarische Kontrollstelle zu dem Schluss gelangt, dass das auf die Verarbeitung der personenbezogenen Daten anwendbare Recht nicht das ungarische Recht ist, sondern das Recht eines anderen Mitgliedstaats, Art. 28 Abs. 1, 3 und 6 der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen sei, dass diese Stelle nur die in Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie vorgesehenen Befugnisse gemäß dem Recht dieses anderen Mitgliedstaats ausüben und keine Sanktionen verhängen darf (Frage 2).

Wie eingangs dargestellt, hing die Beantwortung der ersten Vorlagefrage von dem Vorliegen einer Niederlassung in dem jeweiligen Mitgliedsstaat ab. Gemäß Erwägungsgrund 19 der Datenschutzrichtlinie setzt eine Niederlassung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats die effektive und tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung voraus. Die Rechtsform einer solchen Niederlassung, die eine Agentur oder eine Zweigstelle sein kann, ist in dieser Hinsicht nicht maßgeblich.

Der EuGH entschied, dass zur Beantwortung dieser Frage sowohl der Grad an Beständigkeit der Einrichtung als auch die effektive Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeiten in diesem anderen Mitgliedstaat unter Beachtung des besonderen Charakters dieser Tätigkeiten und der in Rede stehenden Dienstleistungen auszulegen sei. Das Vorhandensein eines einzigen Vertreters könne unter Umständen ausreichen, eine feste Einrichtung zu begründen, wenn dieser mit einem ausreichenden Grad an Beständigkeit mit den für die Erbringung der betreffenden konkreten Dienstleistungen erforderlichen Mitteln im fraglichen Mitgliedstaat tätig sei; die tatsächliche und effektive Tätigkeit, die mittels einer festen Einrichtung ausgeübt werde, könne auch nur geringfügig sein. Die von Weltimmo ausgeübte Tätigkeit des Betriebs einer oder mehrerer Websites zur Vermittlung von in Ungarn belegenen Immobilien, die in ungarischer Sprache verfasst seien und deren Inserate nach einem Monat kostenpflichtig werden, stelle eine tatsächliche und effektive Tätigkeit in Ungarn dar. Zudem verfüge Weltimmo über einen Vertreter sowie ein Bankkonto in Ungarn, und nutze zur Abwicklung ihrer laufenden Geschäfte ein Postfach im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats; dies könne das Vorliegen einer Niederlassung in dem jeweiligen Mitgliedsstaat begründen. Die Frage der Staatsangehörigkeit der von der Datenverarbeitung betroffenen Personen sei hingegen für die Bestimmung des anwendbaren Datenschutzrechts irrelevant.

Im Hinblick auf die zweite Vorlagefrage führte der EuGH aus, dass gemäß Art. 28 Abs. 6 der Datenschutzrichtlinie jede Kontrollstelle im Hoheitsgebiet ihres Mitgliedstaats für die Ausübung der ihr übertragenen Befugnisse unabhängig vom anwendbaren einzelstaatlichen Rech zuständig sei. Hieraus sei zu schließen, dass die Kontrollstelle eines Mitgliedstaats, an die sich natürliche Personen mit einer Beschwerde über die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten wenden, diese Beschwerde unabhängig vom anwendbaren Recht und daher selbst dann prüfen kann, wenn das auf die Verarbeitung der betreffenden Daten anwendbare Recht das eines anderen Mitgliedstaats ist. In diesem Fall umfassten die Befugnisse dieser Kontrollstelle jedoch nicht notwendigerweise sämtliche der ihr gemäß dem Recht ihres Mitgliedstaats übertragenen Befugnisse. Das Territorialitätsprinzip, der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und das Rechtsstaatprinzips stünden nämlich einer Ausdehnung der Sanktionsgewalt außerhalb der Grenzen des eigenen Hoheitsgebiets entgegen. Sofern der für die Verarbeitung Verantwortliche nicht im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats niedergelassen ist, muss die mit der Sache befasste Kontrollstelle die Kontrollstelle des Mitgliedstaats, dessen Recht anwendbar ist, ersuchen, einzuschreiten

Unser Kommentar

Mit dieser Entscheidung konkretisiert der EuGH den räumlichen Anwendungsbereich der Datenschutzrichtlinie und den Begriff der Niederlassung. Der Begriff der Niederlassung wird erneut weiter ausgedehnt und erfasst ggf. bereits das Vorhandensein eines dauerhaften Vertreters in dem jeweiligen Mitgliedsstaat. Neu sind die Ausführungen zu den Kontroll- und Eingriffsbefugnissen der Datenschutzaufsichtsbehörden verschiedener Mitgliedsstaaten. Der EuGH stellt klar, dass das anwendbare Recht und die Zuständigkeit der Datenschutzaufsichtsbehörden grds. unabhängig voneinander zu beurteilen sind und differenziert weiter zwischen der allgemeinen Befugnis zur Untersuchung der Einhaltung des Datenschutzrechts und der Inanspruchnahme von Eingriffsbefugnissen. Die Verhängung von Sanktionen ist aufgrund des Territorialitätsprinzips derjenigen Aufsichtsbehörde vorbehalten, in deren Hoheitsgebiet der für die Verarbeitung Verantwortliche niedergelassen ist

TK-Dienstleister als Überwacher? - BGH, Beschl. v. 20. August 2015, Az.: StB 7/15

Der BGH verbietet Ermittlungsbehörden, Überwachungsaufgaben auf TK-Anbieter abzuwälzen. TK-Dienstleister sollten im eigenen Interesse entsprechende Anordnungen durch Ermittlungsbehörden kritisch hinterfragen und ggf. vor ihrer Umsetzung gerichtlich überprüfen lassen.

Auf den Punkt.

Der BGH verbietet Ermittlungsbehörden, Überwachungsaufgaben auf TK-Anbieter abzuwälzen. TK-Dienstleister sollten im eigenen Interesse entsprechende Anordnungen durch Ermittlungsbehörden kritisch hinterfragen und ggf. vor ihrer Umsetzung gerichtlich überprüfen lassen.

Der Fall

Ein TK-Anbieter war auf Antrag des Generalbundesanwalts in einem gegen Unbekannt geführten Ermittlungsverfahren per gerichtlicher Anordnung verpflichtet worden, für einen befristeten Zeitraum den Ermittlungsbehörden die dynamischen IP-Adressen der Personen zu melden, die eine spezifische Sub-URL einer Internetseite mittels einer bestimmten Version eines in der Anordnung benannten Browsers aufriefen. Zur Erfüllung dieser Anordnung wurde dem TK-Anbieter ein konkretes Prozedere vorgegeben. So sollte dieser alle Anfragen, die bei von ihm betriebenen DNS-Servern eingehen und sich auf die Hauptseite beziehen, auf einen speziell einzurichtenden Proxy-Server umlenken, dort auf die beiden Merkmale „Anfrage auf die konkrete Sub-URL“ und „spezifischer Browser in benannter Version“ untersuchen. DNS-Server (kurz für Domain Name System Server) dienen der Umwandlung von Domains (also z.B. luther-lawfirm.com) in IP-Adressen, die zwingend notwendig ist, um die Anfrage (z.B. zur Darstellung einer bestimmten Internetseite) an den richtigen Rechner zu senden, auf dem die angefragten Daten gespeichert sind. Zu den derart ermittelten dynamischen IP-Adressen sollte jeweils schriftlich Auskunft über die vorhandenen Bestandsdaten erteilt werden.

Der TK-Anbieter wandte sich gegen diese gerichtliche Anordnung im Wege der Beschwerde und führte zur Begründung aus, die Anordnung verletzte ihn in seiner Berufsausübungsfreiheit und in seiner Rechtsstellung nach § 88 Abs. 2 TKG, der jeden Diensteanbieter zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichte.

Die Entscheidung

Der BGH gab der Beschwerde statt. Er führte aus, die Anordnung einer TK-Überwachung stelle nicht nur einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis der von der Maßnahme Betroffenen (d.h. der Personen, deren Telekommunikation überwacht wird) dar, sondern zugleich auch einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des hierzu in Anspruch genommenen TK-Anbieters. Die rechtliche Zulässigkeit beider Eingriffe sie getrennt voneinander zu prüfen.

Die durch die §§ 100a, 100b Strafprozessordnung (StPO) gestattete Überwachung und Aufzeichnung von Telekommunikation sei alleine den Ermittlungsbehörden gestattet. Die Filterung des über einen DNS-Server laufenden Verkehrs nach bestimmten Kriterien, wie „spezifischer Browser in bestimmter Version“ und „angefragte Sub-URL“, könne nicht dem Dienstleister aufgegeben werden. Der Gesetzgeber habe nämlich durch die §§ 100a, 100b StPO und die Verordnung über die technische und organisatorische Umsetzung von Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation (TKÜV) eine absolute Aufgabenverteilung vorgenommen, der zur Folge die Ermöglichung der Maßnahme von deren Durchführung zu trennen sei. Nur erstere obliege dem TK-Anbieter durch die technische Vorhaltungsverpflichtung. Anders formuliert: der TK-Anbieter ist verpflichtet, daran mitzuwirken, den Ermittlungsbehörden die Maßnahmen nach § 100a StPO zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation, mithin die Kenntnisnahme vom Inhalt der Mitteilungen, obliegt hingegen allein den Ermittlungsbehörden.

Weiterhin sei es dem TK-Anbieter nach § 88 Abs. 3 Satz 1 TKG untersagt, sich über das für die geschäftliche Erbringung erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. Dieses Verbot bleibe von der Verpflichtung des TK-Anbieters gemäß § 100b StPO, den Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf die Kommunikation zu gewähren, unberührt. Dementsprechend sei der Zugriff gem. TKÜV auch durch Bereitstellung einer vollständigen Kopie der Telekommunikation, die über seine Telekommunikationsanlage unter der zu überwachenden Kennung abgewickelte werde, zu gewähren und die Kopie auf der Ebene seiner geschäftsmäßigen Aufgabenerfüllung zu erstellen.

Im Falle des Aufrufs von Internetseiten durch Nutzer liege die geschäftsmäßige Aufgabenerfüllung des TK-Anbieters im Verbindungsaufbau zwischen der (dynamischen) IP-Adresse des Nutzers zu der aufgerufenen Internetseite, wobei durch den DNS-Server allein die Übersetzung des Seitennamens in eine (statische) IP-Adresse vorgenommen werde, um die Weiterleitung zu ermöglichen. Dabei komme es nicht auf die Sub-URL oder die genutzte Version des konkreten Browsers an. Folglich falle, so der BGH, die geforderte Filterung nach diesen Kriterien aus der Ebene der geschäftsmäßigen Aufgabenerfüllung heraus und sei Teil der alleine den Ermittlungsbehörden gestatteten Überwachung.

Unser Kommentar

Behördliche Ermittlungsbefugnisse werden durch diese Entscheidung nicht beeinträchtigt. Auch ist hierdurch nicht die Verpflichtung der TK-Anbieter eingeschränkt, die Telekommunikationsüberwachung durch Ermittlungsbehörden zu ermöglichen. Klargestellt ist aber, dass TK-Anbieter nicht verpflichtet sind, die Überwachung selbst durchzuführen. In der Praxis wird daher jeweils zu prüfen sein, was genau Gegenstand der eigenen geschäftsmäßigen Aufgabenerfüllung ist, auf deren Ebene eine vollständige Kopie der Telekommunikation zur Verfügung zu stellen ist. Zwar nimmt die Ermittlungsbehörde und der Ermittlungsrichter die entsprechende Prüfung vor, deren Ergebnis (d.h. die konkrete Anordnung) sollte der TK-Dienstleister jedoch im eigenen Interesse auch selbst überprüfen, um Risiken zu entgehen, die daraus entstehen können, dass eine rechtswidrige Anordnung zur TK-Überwachung den Eingriff in das sogar grundrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis nicht zu legitimieren vermag.

Keine öffentliche Wiedergabe bei Hintergrundmusik im Wartezimmer - BGH, Urt. v. 18. Juni 2015, Az.: I ZR 14/14

Das Abspielen von Hörfunksendungen in Wartezimmern von (Zahnarzt-) Praxen stellt nur dann eine öffentliche Wiedergabe dar, wenn die Wiedergabe gegenüber einer unbestimmten Anzahl potenzieller Adressaten erfolgt, die zudem „recht viele“ sein müssen. Dies ist regelmäßig nicht der Fall.

Auf den Punkt.

Das Abspielen von Hörfunksendungen in Wartezimmern von (Zahnarzt-) Praxen stellt nur dann eine öffentliche Wiedergabe dar, wenn die Wiedergabe gegenüber einer unbestimmten Anzahl potenzieller Adressaten erfolgt, die zudem „recht viele“ sein müssen. Dies ist regelmäßig nicht der Fall.

Der Fall

Gegenstand der vorliegenden Entscheidung ist eine Klage der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) gegen einen Zahnarzt auf Zahlung der vereinbarten Vergütung für die Übertragung von Hörfunksendungen als Hintergrundmusik in dem Wartebereich seiner zahnärztlichen Praxis. Die Parteien hatten zuvor am 6. August 2003 einen Vertrag über die Nutzung des Repertoires der GEMA sowie der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) und der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) zur Wiedergabe von Hörfunksendungen in der Praxis des Beklagten gegen Zahlung einer bestimmten Vergütung geschlossen. Diesen Vertrag kündigte der Beklagte im Laufe des Rechtsstreits fristlos zum 17. Dezember 2012. Zur Begründung verwies er auf das Urteil des EuGH in Sachen „SCF/Del Corso“ vom 15. März 2012, wonach die Wiedergabe von Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen keine öffentliche Wiedergabe darstelle. Das angerufene Amtsgericht verneinte den Zahlungsanspruch der GEMA für den Zeitraum nach dem Wirksamwerden der Kündigung. Die dagegen gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgte die GEMA den Zahlungsanspruch für den Kündigungszeitraum weiter.

Die Entscheidung

Die Revision blieb größtenteils erfolglos. Der BGH führte aus, der Beklagte sei zur fristlosen Kündigung des Vertrages berechtigt, weil dessen Rechtsgrundlage mit dem Urteil des EuGH vom 15. März 2012 entfallen und dem Beklagten eine Fortsetzung des Vertrages bis zum Ende der Vertragslaufzeit nicht zumutbar sei. Dieses Urteil habe die in Deutschland bestehende Rechtslage dahingehend geändert, dass die Wiedergabe von Hörfunksendungen in Wartezimmern von Zahnarztpraxen im Allgemeinen nicht mehr als öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG angesehen werden könne.

Die in Rede stehenden Rechte der Urheber und Ansprüche der ausübenden Künstler wegen der öffentlichen Wiedergabe ihrer Werke beruhen auf Richtlinien der Europäischen Union und haben ihre Grundlagen in Art. 3 Abs. 1 RL 2001/29/EG (Urheberrechtsrichtlinie) und Art. 8 Abs. 2 Satz 1 RL 2006/115/EG (Vermiet- und Verleihrechtsrichtlinie). Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten vorzusehen, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten. Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Vermiet- und Verleihrechtsrichtlinie verpflichtet Mitgliedstaaten ein Recht vorzusehen, das bei Nutzung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers für drahtlos übertragene Rundfunksendungen oder eine öffentliche Wiedergabe die Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung durch den Nutzer und die Aufteilung dieser Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller gewährleistet. Nach dem Urteil des EuGH sei jedoch anzunehmen, dass eine öffentliche Wiedergabe in Sinne der vorgenannten Normen zwingend voraussetze, dass die Wiedergabe gegenüber einer unbestimmten Anzahl potenzieller Adressaten erfolge, die zudem „recht viele“ sein müssen. Diese Voraussetzung sei im Allgemeinen nicht erfüllt, wenn ein Zahnarzt in seiner Praxis für Patienten Hörfunksendungen als Hintergrundmusik wiedergibt. Da der Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten mit dem Sachverhalt in der Angelegenheit „SCF/Del Corso“ übereinstimmte und der BGH an die Entscheidung des EuGH gebunden sei, sei vorliegend entsprechend zu entscheiden gewesen.

Unser Kommentar

Auch wenn der BGH die Revision der GEMA letztlich zurückgewiesen hat, hat er damit im Ergebnis nicht für Rechtsklarheit gesorgt. Das Urteil lässt sich nämlich nicht ohne weiteres auf sämtliche (Zahn-) Arztpraxen oder vergleichbare andere Situationen übertragen; vielmehr muss im jeweiligen Einzelfall geprüft werden, ob die Kriterien des EuGH erfüllt sind. Dabei unterliegt die Auslegung des Begriffs der Öffentlichkeit erheblichen Schwierigkeiten, da die Anforderungen des EuGH, es müsse sich um eine “unbestimmte Zahl” potentieller Adressaten und zudem um “recht viele” Personen handeln, äußerst unbestimmt sind und einen großen Auslegungsspielraum eröffnen. Zur Herstellung eines einheitlichen Schutzniveaus bedarf es einer einheitlichen Auslegung des Begriffes der „öffentlichen Wiedergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie sowie in Art. 8 Abs. 2 der Vermiet- und Verleihrechtsrichtlinie. In diesem Zusammenhang bleibt insbesondere abzuwarten, ob und inwieweit der EuGH im Rahmen der anstehenden Entscheidung über die Vorlagefragen des LG Köln bzgl. der öffentlichen Wiedergabe von Fernsehsendungen über Fernsehgeräte in Aufenthalts- und Trainingsräumen eines Rehabilitationszentrums (Az.: 14 S 30/14) seine Rechtsprechung in Sachen „SCF/Del Corso“ anpassen bzw. konkretisieren wird.

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