08.05.2020

Zigaretten-Schockbilder: Müssen auch Ausgabeautomaten für Zigaretten Warnhinweise abbilden?

Autorinnen: Laura Kues und Julia Watson

Hintergrund

Laut einer Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH) wird der u. a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat am 14. Mai 2020 entscheiden, ob Zigarettenautomaten an Kassenbändern, auf denen keine gesundheitlichen Warnhinweise, sondern nur die Markenlogos zu erkennen sind, gegen die Verordnung über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (TabakerzV) verstoßen (Az. I ZR 176/19). Da diese Warenausgabeautomaten in einem Großteil der Supermärkte zu finden sind, könnte diese Entscheidung weitreichende Konsequenzen für den Einzelhandel haben. Der Entscheidung aus Karlsruhe kann daher mit Spannung entgegengesehen werden.

Der Beklagte betreibt in München zwei Supermärkte, in denen er diverse Tabakerzeugnisse zum Kauf anbietet. Die Zigaretten werden am Kassenband in einem Ausgabeautomaten bereitgestellt, wie er in vielen Supermärkten gängig ist: der Kunde, der Zigaretten erwerben möchte, wählt durch Drücken einer Taste die Zigarettenmarke aus. Die Zigarettenpackung der ausgewählten Marke wird daraufhin aus der Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert und sodann durch den Kunden an der Kasse bezahlt. Diese Funktionsweise soll unter anderem dem Jugendschutz und der Diebstahlsicherung dienen.

Auf den Auswahltasten des Ausgabeautomaten werden jedoch nur die Markenlogos und Geschmacksrichtungen bzw. Packungsgrößen der angebotenen Zigaretten abgebildet. Die gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweise, die sich auf den Zigarettenverpackungen befinden, werden durch den Automaten vollständig verdeckt und sind für den Kunden nicht mehr erkennbar. Diese Warnhinweise sind folglich erst ab dem Zeitpunkt unstreitig wahrnehmbar, in dem die ausgewählte Zigarettenpackung auf das Kassenband fällt. Dem Kunden verbleibt dann noch bis zum tatsächlichen Abkassieren durch die Kassierer Zeit, sich zu entscheiden, ob er die Zigaretten wirklich erwerben möchte.

Ein eingetragener Verbraucherverband rügte die vollständige Verdeckung der Warnhinweise und hat den Beklagten wegen Verstoßes gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 TabakerzV i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3a, 5a Abs. 2 Satz 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen

Bereits im Juni 2018 hatte sich das erstinstanzlich zuständige Landgericht (LG) München dieser Frage angenommen und hatte die ursrpüngliche Klage abgewiesen (Az. 17 HKO 17753/17). Nach Auffassung der Kammer seien die Warnhinweise durch den Automaten nicht unzulässig verdeckt.

Das in Rede stehende Kennzeichnungs- und Hinweisgebot der TabakerzV betreffe allein die Packungen und Außenverpackungen von Zigaretten. Dies ergebe sich sowohl aus der Verordnung selbst als auch aus der dieser Verordnung zugrundeliegenden Tabakproduktrichtlinie (Richtlinie 2014/40/EU). Die Richtlinie wolle nämlich die Verkaufsmodalitäten in den einzelnen Mitgliedsländern ausdrücklich nicht regeln. Der Verordnungsgeber sei nur zur Umsetzung dieser Richtlinie ermächtigt, weshalb ihm die Ermächtigung zu weitergehenden Regelungen fehle. Nur der Gesetzgeber sei ermächtigt, über diese Richtlinie hinaus auch einzelne Verkaufsmodalitäten zu regulieren. Selbst wenn mit der Verordnung also ein Verdeckungsverbot auch für die entsprechenden Verkaufsmodalitäten angestrebt worden sei, sei dies laut Einschätzung der Münchener Richter schlicht unwirksam.

Darüber hinaus würden dem Verbraucher auch keine wesentlichen Informationen vorenthalten oder nicht rechtzeitig bereitgestellt. Die Warnhinweise stellten zwar in jedem Fall wesentliche Informationen dar, dem Kunden bleibe aber noch genügend Zeit, die Zigarettenpackung auf dem Kassenband in den Momenten vor dem Kauf in Augenschein zu nehmen. Folglich könne er die Warnhinweise noch ausreichend in seine finale Kaufentscheidung einfließen lassen.

Des Weiteren stellte die Kammer fest, dass der Ausgabeautomat lediglich dem Jugend- und Diebstahlschutz diene und die abgebildeten Markenlogos der Identifizierung der Ware. Daher seien die Sortenwahltasten auf den Automaten auch keine unzulässigen Werbemaßnahmen, wie vom Kläger hilfsweise geltend gemacht.

In dem Berufungsverfahren hat sich das zweitinstanzlich zuständige Oberlandesgericht (OLG München in seinem Urteil vom 25. Juli 2019 (Az. 29 U 2440/18) dieser Argumentation angeschlossen und noch einmal ausführlich dargelegt, dass die Verdeckung der gesamten Verpackung durch die Zigarettenausgabeautomaten eine von der Richtlinie gerade nicht geregelte und somit auch von der Verordnung nicht regelbare Verkaufsmodalität darstelle.

Der Senat führte aus, dass die Warnhinweise nicht bereits vor der Wahl der Verpackung erkennbar sein müssten, sondern lediglich (wenn auch nur kurz) vor dem Abschluss des Kaufvertrages. Nicht ohne Seitenhieb in Richtung des Klägers legte er dar, dass schließlich andernfalls sämtliche in einem offen einsehbaren Regal, aber nicht an erster Stelle befindlichen (und damit von den anderen Zigarettenschachteln verdeckten) Packungen gegen das Verdeckungsverbot verstoßen würden.

Zudem äußerten sich die Richter auch kritisch darüber, ob die Warnhinweise überhaupt wesentliche Informationen seien. Die Frage könne jedoch dahinstehen - dem Verbraucher verbleibe in jedem Fall nach dem Auswurf auf das Kassenband noch genügend Zeit, die Hinweise in die Kaufentscheidung einzubeziehen.

Unser Kommentar

Interessant wird sein, wie sich der BGH vor dem Hintergrund der Einigkeit der Vorinstanzen zur Sache äußern wird. Der Einschätzung der Münchener Richter, der Warenautomat stelle eine bewusst nicht durch die Verordnung und Richtlinie geregelte Verkaufsmodalität dar, wird sich der BGH vermutlich anschließen. Sowohl die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Verordnung als auch die Tabakproduktrichtlinie ist insofern in ihrem Wortlaut grundsätzlich eindeutig. Abzuwarten bleibt jedoch, ob die Karlsruher Richter auch die Einschätzung teilen werden, die Wahrnehmung der Hinweise erst auf dem Kassenband und damit unmittelbar vor dem Abschluss des Kaufvertrages sei noch rechtzeitig.

Entgegen der Ausführungen des OLG München erscheint es naheliegend, dass sich die Mehrzahl der Verbraucher bereits durch das Betätigen einer Taste am Automaten zum Kauf der entsprechenden Zigarettenpackung entschieden hat. Nachdem die Absicht des Kaufes einer Zigarettenpackung derart bekannt gemacht wurde, ist es darüber hinaus möglich, dass sich einige Verbraucher nicht die vermeintliche Blöße geben wollen, sich allein wegen eines „Bildchens“ doch gegen den Kauf einer Zigarettenpackung, die bereits auf dem Kassenband liegt, zu entscheiden. Für diese Entscheidung hätte der Kunde darüber hinaus auch nur einige Sekunden Zeit. Dass die Warnhinweise noch rechtzeitig vor der Kaufentscheidung wahrgenommen werden können, könnte also kontrovers beurteilt werden.

Nicht zuletzt in Anbetracht der aktuellen gesundheitspolitischen Stimmung und der fortschreitenden erheblichen Einschränkung der Tabakindustrie erscheint ein von den Vorinstanzen abweichendes Urteil des BGH nicht ausgeschlossen.

Autor/in

Laura Katharina Kues