01.09.2022

Vorgaben an die Verwirkung markenrechtlicher Ansprüche

I. Hintergrund

Der Inhaber einer prioritätsälteren Marke kann grundsätzlich nicht gegen die Benutzung einer prioritätsjüngeren Marke vorgehen, wenn er deren Benutzung während eines Zeitraums von fünf aufeinander folgenden Jahren in Kenntnis der Benutzung geduldet hat. In diesem Fall hat der Rechtsinhaber sein Recht durch Duldung verwirkt.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem aktuellen Urteil die Vorgaben an die Verwirkung markenrechtlicher Ansprüche konkretisiert.

II. Sachverhalt

Die Klägerin ist Inhaberin der prioritätsälteren Unionswortmarke „HEITEC“ sowie des gleichlautenden prioritätsälteren Unternehmensnamensbestandteils. Die Beklagte meldete im Jahr 2002 eine deutsche Wortbildmarke mit dem Wortbestandteil „heitech promotion“ an und firmiert seit 2003 unter der Bezeichnung „HEITECH Promotion GmbH“. Im Jahr 2008 meldete sie daneben eine Unionswortbildmarke mit dem Wortbestandteil „heitech“ an. Spätestens Ende 2004 erlangte die Klägerin von der Firmierung sowie der Benutzung der deutschen Marke der Beklagten Kenntnis. Im Juli 2008 erfuhr die Klägerin von der Anmeldung der Unionsmarke durch die Beklagte und hatte spätestens seit Mitte 2009 Kenntnis von der Benutzung dieses Zeichens.

Im Jahr 2009 mahnte die Klägerin die Beklagte u. a. wegen der Benutzung der Unionsmarke mit dem Wortbestandteil „heitech“ ab und reichte am 31. Dezember 2012 eine Verletzungsklage beim LG Nürnberg-Fürth ein. Die Klage konnte jedoch aufgrund mangelnder Sorgfalt der Klägerin bei der Prozessführung erst im Mai 2014 zugestellt werden.

Nach Durchlaufen des Instanzenzugs in Deutschland, legte der BGH dem EuGH die Angelegenheit im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vor. Letzteres ist regelmäßig der Fall, wenn in einem nationalen Gerichtsverfahren nicht klar ist, wie Gemeinschaftsrecht – hier Art. 9 der Richtlinie 2008/95/EG sowie Art. 54, 110 und 111 der Verordnung EG Nr. 207/2009 – auszulegen ist. Der BGH wollte u. a. wissen,

  • ob bereits eine Handlung wie etwa eine Abmahnung die Duldung beende,
  • ob im Fall eines zwar vor Ablauf der Verwirkungsfrist eingelegten, aber aufgrund mangelnder Sorgfalt des Rechtsinhabers erst nach Ablauf der Verwirkungsfrist zugestellten gerichtlichen Rechtsbehelfs, die Verwirkung verhindert werde,
  • ob sich die Verwirkung auch auf die Geltendmachung etwaiger Neben- oder Folgeansprüche wie z. B. Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft oder Vernichtung erstrecke.
III. Auf den Punkt: Die Entscheidung

In seiner Entscheidung stellte der EuGH Folgendes klar:

  • Allein eine Abmahnung, mit der sich der Inhaber einer prioritätsälteren Marke oder eines sonstigen prioritätsälteren Rechts der Benutzung einer prioritätsjüngeren Marke widersetzt, unterbricht nicht die fünfjährige Verwirkungsfrist. Vielmehr muss der Rechtsinhaber im Fall einer nicht zufriedenstellenden Reaktion auf die Abmahnung innerhalb einer angemessenen Frist weiter gegen die Verletzung seiner Rechte – ggfs. durch Einlegung eines behördlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs – vorgehen, um die Verwirkungsfrist zu unterbrechen.
  • Die Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs, mit dem der Inhaber einer prioritätsälteren Marke oder eines sonstigen prioritätsälteren Rechts die Nichtigerklärung einer prioritätsjüngeren Marke begehrt oder sich deren Benutzung widersetzt, reicht zur Unterbrechung der fünfjährigen Verwirkungsfrist nicht aus, wenn die Erhebung zwar vor Ablauf der Verwirkungsfrist erfolgte, aber die vom Rechtsinhaber verursachten Zustellungsmängelerst nach Ablauf der Verwirkungsfrist behoben werden konnten.
  • Die Verwirkung umfasst neben dem Anspruch auf Nichtigerklärung und Unterlassung auch Neben- oder Folgeansprüche (z. B. Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft oder auf Vernichtung von Waren).
IV. Unser Praxishinweis

Mit Blick auf das vorgenannte Urteil sollte der Rechtsinhaber, der gegen die Benutzung einer prioritätsjüngeren Marke oder eines sonstigen prioritätsjüngeren Rechts vorgehen möchte, sicherstellen, dass er dies hinreichend erkennbar zum Ausdruck bringt. Andernfalls besteht das Risiko, dass er sein Recht verliert, gegen die Benutzung vorgehen zu können.

Daneben sollte die Entscheidung, nicht gegen die Benutzung einer prioritätsjüngeren Marke oder eines sonstigen prioritätsjüngeren Rechts vorzugehen, wohl überlegt sein. Schließlich erstreckt sich die Verwirkung nicht nur auf die in der Vergangenheit liegenden Unterlassungsansprüche nebst etwaiger Neben- oder Folgeansprüche, sondern auch auf etwaige auf die Zukunft gerichtete Ansprüche.

Der Relevanz der Entscheidung steht dabei nicht entgegen, dass die Richtlinie 2008/95/EG sowie die Verordnung EG Nr. 207/2009 mittlerweile außer Kraft getreten sind. Die Entscheidung ist auch auf die derzeit geltende Richtlinie (EU) 2015/2436 und Verordnung (EU) 2017/1001 übertragbar.

Autor/in
Dr. Aline Mück

Dr. Aline Mück
Associate
Köln
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