29.04.2024

Solarpaket – Paket oder Päckchen?

Hintergrund

Bundestag und Bundesrat haben am letzten Freitag, den 26. April 2024, den Gesetzesentwurf zum sog. „Solarpaket“ beschlossen. Ziel des Solarpaketes ist es, Hemmnisse beim Ausbau der Solarenergie zu beseitigen und die Ausbau-Dynamik im Bereich der Photovoltaik beizubehalten.

Mit dem Solarpaket sollen Netzanschlussverfahren vereinfacht und beschleunigt werden, Betriebs- und Vergütungsmodelle flexibilisiert und vereinfacht sowie ein weiterer Zubau von PV-Anlagen angereizt werden. Nach einem PV-Rekordjahr 2023 ein von der Branche sehnsüchtig erwarteter Impuls für ungebrochenen Zuwachs?

Bereits im August des vergangenen Jahres hatte das Bundeskabinett den Gesetzesentwurf zum damaligen sog. „Solarpaket I“ in Anknüpfung an die Photovoltaik-Strategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aus Mai 2023 beschlossen. Mit dem Gesetzesentwurf sollten weitere Hemmnisse beim Ausbau der Solarenergie beseitigt und die Ausbau-Dynamik im Bereich der Photovoltaik gesteigert werden. Angesichts der Zielvorgaben des EEG 2023 eine vielfach geforderte Maßnahme. Um bis 2030 eine installierte Leistung von 215 Gigawatt und bis 2040 von 400 Gigawatt nur im Solarsektor zu erreichen, bräuchte es selbst gegenüber dem Ausbau-Rekordjahr 2023 (ca. 14 GW Zubau!) noch einmal erhebliche Steigerungen.

Statt jedoch das Gesetz schnell durch Bundestag und Bundesrat zu bringen, verzögerte sich die Verabschiedung des Solarpaketes aufgrund von Meinungsverschiedenheiten in der Regierungskoalition auf zunächst unbestimmte Zeit. Erst im Frühjahr 2024 wurde das Verfahren mit einigen Änderungen vorangetrieben. Am Ende ging es mit der Verabschiedung in beiden Gesetzgebungskammern noch am selben Tag dann ganz schnell.

Zeit, das Paket zu öffnen und einen Blick hineinzuwerfen.

Was steht drin?

Das beschlossene „Solarpaket“ enthält eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen, mit denen der Ausbau der Photovoltaik (weiter) vorangetrieben werden soll.

  • Einführung der unentgeltlichen Abnahme: Die gerade für kleinere oder reine Überschusseinspeisungsanlagen vielfach als erhebliche Belastung empfundene Direktvermarktungspflicht soll durch Einführung einer neuen Veräußerungsform, die sog. unentgeltliche Abnahme flexibilisiert werden. Bisher sah das EEG 2023 eine Direktvermarktungspflicht für PV-Anlagen ab 100 kW vor. Um den mit der Direktvermarktung häufig einhergehenden finanziellen und organisatorischen Aufwand zu vermeiden, behalfen sich Anlagenbetreiber vielfach durch bewusste Unterdimensionierung von PV-Anlagen (unter die Schwelle von 100 kW). Durch die Gesetzesänderung sollen künftig insbesondere Überschussmengen von primär für einen Vor-Ort-Verbrauch konzipierten PV-Anlagen bis 200 kW installierte Leistung im Rahmen der sog. unentgeltliche Abnahme nicht direktvermarktet, sondern den Netzbetreibern unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Anlagenbetreiber vermeiden Kosten, erhalten aber auch – wie die Bezeichnung „unentgeltliche“ Abnahme vermuten lässt – keine Vergütung für die eingespeisten Strommengen. Interessant: Wenn Anlagenbetreiber keine andere Zuordnung zu einer Veräußerungsform vornehmen, werden Anlagen bis 200 kW automatisch der unentgeltlichen Abnahme zugeordnet.
  • Pflicht zur Duldung von Anbindungsleitungen: Im Solarpaket mit „Recht zur Verlegung von Leitungen“ überschrieben, von Kritikern aber auch als „Enteignungsparagraph“ verschrien, sah der neu eingefügte § 11a EEG ursprünglich weitgehende Duldungspflichten für (private) Grundstückeigentümer und Nutzer vor. Diese sollten zukünftig bis zur Grenze der Unzumutbarkeit verpflichtet sein, die Verlegung und den Betrieb von Anbindungsleitungen für EE-Anlagen über ihr Grundstück zu dulden; dies nicht nur für Anbindungsleitungen für PV-Anlangen, sondern für sämtliche EEG-Anlagen. Die nun beschlossene Gesetzesfassung beschränkt dieses Recht allerdings auf Grundstückeim Eigentum der öffentlichen Hand. Die praktischen Auswirkungen der Regelung reduzieren sich infolge dieser Änderungen voraussichtlich erheblich.
  • Anlagenzusammenfassung: Eine Neuregelung beinhaltet das Solarpaket in Bezug auf die sog. Anlagenzusammenfassung, die z.B. zu einer gemeinsamen Betrachtung der installierten Leistung von mehreren Gebäudeanlagen auf einem Gebäude oder Grundstücken, und in der Folge zur Überschreitung der Leistungsgrenze für die verpflichtende Direktvermarktung oder Ausschreibungsteilnahme führen kann. Künftig werden die Leistungen zumindest solcher PV-Anlagen nicht mehr zusammengefasst, die ausschließlich auf, an oder in einem Gebäude oder einer Lärmschutzwand angebracht sind und die nicht hinter demselben Netzverknüpfungspunkt betrieben werden. Die Betrachtung wechselt folglich von einer gebäude- bzw. grundstücksbezogenen Betrachtung hin zur Perspektive des Netzbetreibers, aus dessen Sicht die kumulierte Leistung „hinter“ dem Netzanschlusspunkt entscheidend ist. Bei Neubaukomplexen, die vielfach mit einem einzigen Netzanschluss geplant werden, wird die Neuregelung indes leerlaufen. PV-Anlagen auf den Dachflächen eines solchen Komplexes werden selbst dann zusammenzufassen sein werden, wenn sie auf verschiedenen Dachflächen, aber hinter dem Netzverknüpfungspunkt des Quartiers betrieben werden.
  • Ausschreibungspflicht (wieder) ab 750 kWp: So manche werden sich erinnern. Die Grenze für die verpflichtende Teilnahme an Ausschreibungen lag vor Inkrafttreten des EEG 2023 zum 1. Januar 2023 für Solaranlagen noch bei 750 kWp, wurde dann jedoch auf das beihilferechtliche Maximum von 1 MWp angehoben. Dies gilt künftig nur noch für Freiflächenanlagen, während für Gebäudeanlagen wieder die Grenze von 750 kWp gilt. Einerseits müssen, andererseits dürfen folglich künftig mehr Gebäudeanlagen an den mit deutlich vergrößerten Ausschreibungsmengen (1,4 GW in 2024) versehenen Ausschreibungen des zweiten Segments teilnehmen. Für Gebäudeanlagen unterhalb der Grenze von 750 kWp erhöht sich zugleich der gesetzliche anzulegende Wert für den Leistungsanteil ab 40 kWp um 1,44 Ct/kWh auf insgesamt 7,64 Ct/kWh, liegt damit aber noch immer deutlich unter dem für Ausschreibungen des zweiten Segment anwendbaren Höchstwert.
  • PV auf’s Dach im Außenbereich: Bisher konnten Gebäudeanlagen, die auf nach 2012 im Außenbereich errichteten Gebäuden installiert wurden, nur eine Vergütung als „sonstige“ PV-Anlage in Anspruch nehmen. Die Regelung diente der Vermeidung sogenannter „Solarstadl“, d.h. von Gebäuden im Außenbereich, die lediglich errichtet werden, um die erhöhten Vergütungssätze für Gebäudeanlagen zu erhalten. Der vorgesehene Stichtag lag jedoch mittlerweile unannehmbar weit in der Vergangenheit. Mit dem Solarpaket wird der 1. März 2023 als neuer Stichtag eingeführt.
  • Mehr Flächen für PV-Anlagen: Die Bundesländer mussten benachteiligte Gebiete bisher durch entsprechende Rechtsverordnungen für PV-Anlagen öffnen, damit Anlagenbetreiber an den Ausschreibungen der Bundesnetzagentur teilnehmen konnten (Opt-in). Künftig sind Gebote für PV-Anlagen in solchen Gebiete stets möglich, es sei denn, das jeweilige Bundesland erlässt eine dies ausschließende Rechtsverordnung (Opt-out). Mit dieser Neuerung soll die Flächenkulisse für Freiflächenanlagen erheblich ausgeweitet werden, ohne den Bundesländern die Option zu nehmen, durch Rechtsverordnung bestimmte Gebiete auszunehmen, falls erforderlich.
  • Vereinfachungen und Neuerungen für Kleinanlagen: Anlagen bis zu 30 kW installierter Leistung, die sich auf einem Grundstück mit bereits bestehendem Netzanschluss befinden, können künftig im Rahmen des vereinfachten Netzanschlussverfahrens auch ohne Rückmeldung des Netzbetreibers angeschlossen werden, wenn auf ein Netzanschlussbegehren eine Rückmeldung des Netzbetreibers ausbleibt. Für Steckersolargeräte (sog. „Balkon-PV“) wird vorübergehend die Verwendung von rückwärtsdrehenden Stromzählern gestattet. Der Messstellenbetreiber hat die Steckersolargeräte jedoch grundsätzlich mit einer modernen Messeinrichtung als Zweirichtungszähler oder einem intelligenten Messsystem auszustatten.
  • Startschuss für die „gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“: Mit § 42b EnWG 2023 wird die sog. „Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“ eingeführt. Gemeint ist eine Versorgung von Mietern, Gebäudeeigentümern oder sonstigen Nutzern eines Gebäudes aus einer sog. Gebäudestromanlage auf Basis eines mit dem Betreiber der Gebäudestromanlage zu schließenden Gebäudestromnutzungsvertrages. Der verbrauchte Strom darf jedoch nicht durch ein Netz durchgeleitet werden und muss in demselben Gebäude oder einer Nebenanlage dieses Gebäudes verbraucht werden, in, an oder auf dem oder in, an oder auf dessen Nebenanlagen die Gebäudestromanlage installiert ist. Die Erweiterung auf PV-Anlagen auf Nebenanlagen von Gebäuden, z.B. Garagen, erfolgte kurzfristig im Rahmen der Ausschussbefassung. Die durch die Gebäudestromanlage erzeugte elektrische Energie wird rechnerisch entsprechend eines zu vereinbarenden Aufteilungsschlüssels auf die teilnehmenden Letztverbraucher aufgeteilt. Chancen könnte das Modell dabei auch im B2B-Bereich bieten. Denn die im EnWG vorgesehenen Lieferantenpflichten im Rahmen der Rechnungsstellung und Vertragsgestaltung gelten im Rahmen der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung nur stark eingeschränkt. Zugleich ist im Gegensatz zum Mieterstrommodell keine Pflicht zur Übernahme der Vollversorgung der teilnehmen Letztverbraucher vorgesehen. Ebenso wenig können Anlagenbetreiber jedoch einen Anspruch auf den sog. Mieterstromzuschlag oder eine sonstige Vergütung nach dem EEG geltend machen.
Was steht nicht drin? Gibt es ein Solarpaket II?

Die nun beschlossenen Maßnahmen gehen in großem Umfang auf die „Photovoltaik-Strategie“ des BMWK aus Mai 2023 zurück, setzen dieses jedoch noch nicht vollständig um. Lange war daher ein „Solarpaket II“ angekündigt worden. Aus Regierungskreisen hieß es jedoch während der schleppenden Umsetzung der nun beschlossenen Neuerungen, ein zweites Paket sei nicht erforderlich und viele Maßnahmen ohnehin in anderer Form bereits umgesetzt worden. In der Unterrichtung des Bundesrates über das beschlossene Gesetzespaket fordert der Bundestag die Bundesregierung indes auf, im Rahmen eines „Solarpaket II“ weitere dringend benötigte Neuerungen anzugehen. Genannt werden u.a. die Schaffung von Anreizen für system- und marktdienliches Verhalten von PV-Anlagen, die Digitalisierung von Netzanschlussverfahren und die Umsetzung der EU-rechtlichen Anforderungen für „Energy Sharing“.

Ebenso gefordert werden angesichts der zunehmenden Dominanz chinesischer Unternehmen Maßnahmen zum Schutz der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Solarindustrie. Der zwischenzeitlich in der Öffentlichkeit leidenschaftlich diskutierte „Resilienzbonus“ für die deutsche Solarindustrie findet sich im beschlossenen Gesetzespaket nämlich nicht.

Wie geht es weiter?

Der beschlossene Gesetzentwurf tritt am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Für einige der beschlossenen Maßnahmen gilt jedoch noch ein beihilferechtlicher Genehmigungsvorbehalt, d.h. die Maßnahmen sind erst dann anwendbar, wenn die EU-Kommission grünes Licht gibt. Erfahrungsgemäß kann dies einige Wochen oder gar Monate in Anspruch nehmen.

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Autor/in
Benedikt Rechner

Benedikt Rechner
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David Steinschulte

David Steinschulte
Associate
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