28.03.2022

Rundholzkartell: Sammelklage gegen das Land Baden-Württemberg wegen RDG-Verstößen abgewiesen (LG Stuttgart, Urt. v. 20.01.2022 – 30 O 176/19)

Sachverhalt

Das Land Baden-Württemberg vermarktete zwischen 1978 und 2016, gebündelt mit dem Verkauf von Rundholz aus landeseigenen Waldbeständen, auch Rundholz aus Wäldern, die im Eigentum baden-württembergischer Kommunen oder Privater standen.

Diese Vermarktungspraxis war Anlass für ein vom Bundeskartellamt geführtes Kartellverfahren. 2008 hatte sich das Bundeskartellamt mit dem Land Baden-Württemberg auf die Einstellung des gebündelten Rundholzverkaufs für größere Forstbetriebe geeinigt.

Das 2012 vom Bundeskartellamt wiederaufgenommene Verfahren endete aus formalen Gründen ohne Entscheidung darüber, ob die praktizierte Rundholzvermarktung rechtlich zulässig ist.

Die Vermarktungspraxis des Landes Baden-Württemberg veranlasste bereits 95 Sägewerke zur Klageerhebung. Die Kläger sind der Auffassung, dass das kartellrechtswidrige Verhalten des Landes zu deutlich überhöhten Einkaufspreisen geführt habe. Für die daraus entstandenen Schäden hafte das Land Baden-Württemberg.

Für die Führung das vorliegenden Rechtsstreits vor dem Landgericht Stuttgart hatten 36 Sägewerke ihre etwaigen Ansprüche gegen das Land an eine eigens hierfür gegründete GmbH abgetreten („Sammelklage-Inkasso“). Diese gehört zu einem börsennotierten US-Amerikanischen Konzern, der auf die Prozessfinanzierung spezialisiert ist.

Das beklagte Land Baden-Württemberg ist der Auffassung, dass seine streitgegenständliche Vermarktungspraxis rechtlich zulässig war. Insbesondere habe diese nicht zu einem Preisanstieg geführt. Das beklagte Land ist zudem der Auffassung, dass die durch die Klägerin organisierte Sammelklage einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz darstellt.

 

Entscheidung

Das Landgericht Stuttgart hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das „Sammelklage-Inkasso“ im Bereich des Kartellrechts verstoße gegen §§ 3, 2 Abs. 1 RDG i. V. m. § 10 Abs. 1, § 2 Abs. 2, § 11 Abs. 1 RDG. Die Abtretung der Ansprüche der Sägewerke auf die Klägerin sei daher unwirksam. Folglich sei die klagende GmbH mangels wirksamen Übergangs der streitgegenständlichen Ansprüche nicht dazu berechtigt, die vorliegende Klage zu führen.  

Die Erbringung einer zulässigen Rechtsdienstleistung setze voraus, dass sich der Dienstleister bei Ausübung seiner Tätigkeit an den zulässigen Rahmen der ihm durch die Registrierung erteilten Inkassobefugnis hält. Eine auf Einziehung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche gerichtete Rechtsdienstleistung überschreite den zulässigen Rahmen der erteilten Rechtsdienstleistungserlaubnis. Im Vergleich zu üblichen Inkassodienstleistungen seien die sich im Zusammenhang mit kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen stellenden Rechtsfragen und die diesen zugrundeliegenden - oft detailreichen - Sachverhalte weitaus komplexer und umfangreicher. So seien in der überwiegenden Mehrheit der kartellrechtlichen Streitigkeiten umfangreiche ökonomische Feststellungen zum Marktgeschehen, der Eingrenzung des relevanten Marktes, der Preisbildungsmechanismen sowie zu den von den Kartellanten bewirkten oder bezweckten wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen erforderlich.

Ferner resultierten aus der Bündelung der Ansprüche, der Weisungsgebundenheit der Klägerin gegenüber dem Mutterkonzern sowie der Vergütungsregelung der Klägerin Interessenkonflikte, die eine ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gegenüber den Sägewerken gefährdeten. Solche Rechtsdienstleistungen verstießen gegen § 4 des Rechtsdienstleistungsgesetzes.

Das Abtretungsmodell kollidiere mit der Pflicht der Klägerin zur bestmöglichen Rechtsdurchsetzung gegenüber jedem einzelnen Sägewerk. Denn durch die Bündelung der Ansprüche gingen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art, die sich im Rahmen der Abtretung bei einzelnen Sägewerken stellen, zulasten aller Sägewerke.

Aus der rechtlichen und finanziellen Abhängigkeit der Klägerin von der Muttergesellschaft folge zudem die konkrete Gefahr des Einflusses sachfremder Entscheidungsgründe für die Art und Weise der Rechtsdurchsetzung.

Das Vergütungsmodell begünstige ferner eine kostenintensive Prozessführung zu Lasten der Sägewerke. Im Falle von etwaigen Zahlungen des beklagten Landes würde die Klägerin zunächst das Dreifache des eingegangenen Kostenrisikos als Vergütung erhalten.

Diese Wechselwirkung führe dazu, dass sich mit dem Anstieg der Rechtsverfolgungskosten auch der Gewinn der Klägerin entsprechend erhöht.

Fazit

Die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart verdeutlicht die nach wie vor bestehende Rechtsunsicherheit, die mit der rechtlichen Konstruktion von „Sammelklagen“ im deutschen Recht einhergeht. Nachdem der Bundesgerichtshof in dem Air-Berlin-Urteil (BGH, Urt. v. 13.07.2021, Az. II ZR 84/20, siehe unser Beitrag vom 22.09.2021) die Legal-Tech-Sammelklage-Inkasso-Modelle gestärkt hat, zeigt das Urteil des LG Stuttgart zum Rundholzkartell, dass dies für den Bereich Kartellschadensersatzverfahren wohl noch nicht als das letzte Wort aufgefasst wird. Da zudem beim LG München und dem OLG München verschiedene gebündelte Verfahren aus abgetretenem Recht im Kontext LKW-Kartell anhängig sind (zu nennen sind nur die Klage des Vehikels „DB Competition“ beim LG München, Az. 37 O 18602/17, sowie die Klage der financialright claims GmbH, nach Klageabweisung in der ersten Instanz nunmehr anhängig in der Berufung unter Az. 29 U 1319/20), bleibt die Entwicklung spannend.

 

Autor/in
Dr. Borbála Dux-Wenzel, LL.M.

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