21.09.2023

Neue Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung

Hintergrund

In der sich kontinuierlich wandelnden Welt der Unternehmensführung und Finanzberichterstattung gewinnt die Einhaltung der ESG-Standards (Environmental, Social und Governance) zunehmend an Bedeutung. Dieser Paradigmenwechsel wurde durch die EU-Richtlinie 2013/34/EU (CSR-Richtlinie) eingeleitet, die Unternehmen dazu verpflichtet, Informationen zu Nachhaltigkeitsaspekten in ihren Lageberichten zu veröffentlichen. Die Anstrengungen zur Förderung von Transparenz in Bezug auf Umweltauswirkungen und soziale Verantwortung sollen durch die Überarbeitung der CSR-Richtlinie weiter intensiviert werden. Ein bedeutender Schritt ist die Änderung und Ergänzung der CSR-Richtlinie durch Richtlinie 2022/2464 (CSRD-Richtlinie), mit der insbesondere der Anwendungsbereich ausgeweitet wurde. Die Änderungen sind im Januar 2023 in Kraft getreten und setzen den Weg für eine verstärkte Einbindung von ESG-Standards in die Unternehmenspraxis fort.

Flankiert werden diese Regelungen durch den Erlass eines delegierten Rechtsakts. Der Entwurf für die delegierte Verordnung wurde bereits am 31. Juli 2023 veröffentlicht, ist aber noch nicht in Kraft getreten. Sie soll ab dem 1. Januar 2024 gelten.

Die delegierte Verordnung geht einen bedeutenden Schritt voran, indem europäische Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) festgelegt wurden. Die Standards sind verpflichtend und gelten sektorenübergreifend für alle Unternehmen, die unter den Anwendungsbereich der CSR-Richtlinie fallen.

Sinn und Zweck

Die europäische Entwicklung der Nachhaltigkeitsberichterstattung zielt darauf ab, die Er-stellung öffentlich zugänglicher Berichte zu fördern, um so einen Beitrag zur Entstehung einer nachhaltigen Wirtschaft zu leisten. Zukünftig wird von den berichtspflichtigen Unter-nehmen erwartet, ihre Unternehmensführung entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette ihrer Produkte und Dienstleistungen transparent zu dokumentieren. Dies ermöglicht, eine umfassende ökologische Bilanz des Unternehmens abzuleiten, um Maßnahmen zu etwaigen Verbesserungen effizient planen zu können. Anstatt Nachhaltigkeitsaspekte in den Jahresberichten unbeachtet zu lassen, streben die eingeführten ESG-Standards an, diese in einem eigenständigen Bericht innerhalb des Lageberichts transparent darzustellen. 

Die Unternehmen sind verpflichtet, Informationen darzulegen, die nicht nur das Verständnis für Umweltauswirkungen und Nachhaltigkeitsaspekten fördern, sondern darüber hin-aus verdeutlichen, wie diese Aspekte den Geschäftsverlauf und die finanziellen Ergebnisse beeinflussen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Investoren, Stakeholder und die breite Öffentlichkeit über die Auswirkungen eines Unternehmens auf die Umwelt und die Gesellschaft umfassend informiert werden.

Die Berichte müssen sämtliche relevanten Aspekte gemäß der festgelegten Normen abdecken, um sicherzustellen, dass die bereitgestellten Informationen vergleichbar und verlässlich sind. Dies schließt insbesondere die Themen des European Sustainability Reporting Standards (ESRS) ein. Dabei geht es nicht allein um die Dokumentation der tatsächlichen Auswirkungen, sondern auch um die Berücksichtigung potenzieller Effekte. Die relevanten Bereiche erstrecken sich unter anderem auf die Unternehmenspolitik sowie die Fähigkeiten der Verwaltungsorgane, sich effektiv mit Nachhaltigkeitsfragen auseinanderzusetzen. Die Europäische Kommission wird die Einhaltung dieser Standards überwachen und in diesem Rahmen sicherstellen, dass sie zu relevanten, verlässlichen und vergleich-baren Informationen führen.

Das Ziel besteht darin, die europäischen Bestrebungen im Sinne des europäischen Green Deals zu verwirklichen, der eine tiefgreifende ökologische Transformation anstrebt. Auf der Grundlage des Green Deals soll die Europäische Union bis 2050 Klimaneutralität erreichen. Die Offenlegung von unternehmensspezifischen Informationen soll es daher den Nutzern ermöglichen, die Auswirkungen, Chancen und Risiken im Zusammenhang mit Umwelt- und Sozialaspekten besser zu verstehen. Dies unterstützt eine fundierte Entscheidungsfindung und fördert den Übergang zu einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft.

Das Ergebnis dieser Neuerungen soll eine europaweite Standardisierung und die Schaffung einer gewissen Transparenz in der Nachhaltigkeitsberichterstattung darstellen. Unternehmen werden dazu angehalten, ihre Bemühungen zur Nachhaltigkeit aufzuzeigen. 
 

Wer wird zukünftig erfasst?

Ab dem 1. Januar 2024 tritt die neue Berichterstattungspflicht in Kraft und betrifft Unternehmen (sog. EU-PIEs), die bereits der CSR-Richtlinie unterliegen und große Unternehmen von öffentlichem Interesse. Am 1. Januar 2025 wird sie auf große Unternehmen ausgeweitet, die derzeit nicht der CSR-Richtlinie unterliegen - unabhängig von ihrer Kapitalmarktorientierung. Große Unternehmen sind solche, die mindestens zwei der folgenden Kriterien überschreiten:

  • Bilanzsumme von EUR 20 Mio.
  • Nettoumsatzerlöse von EUR 40 Mio.
  • im Jahresdurchschnitt 250 Beschäftigte

Am 1. Januar 2026 werden KMU, mit Ausnahme der Kleinstunternehmen, sowie kleine und nicht komplexe Institute und firmeneigene Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen in die Pflicht genommen. Kleine und mittlere Unternehmen sind solche, die mindestens zwei der folgenden Kriterien überschreiten:

  • Bilanzsumme von EUR 350.000
  • Nettoumsatzerlöse von EUR 700.000
  • im Jahresdurchschnitt 10 Beschäftigte

Aktuell werden die Grenzwerte für die Bilanzsumme und die Nettoumsatzerlöse aufgrund der Inflation angehoben. Für große Unternehmen sind zukünftig eine Bilanzsumme von EUR 25 Mio. und Umsatzerlöse von EUR 50 Mio. maßgeblich. Für mittlere und kleine Unternehmen sollen eine Bilanzsumme von EUR 450.000 und Umsatzerlöse von EUR 900.000 die relevanten Grenzwerte sein. Von der Pflicht zur Berichterstattung sind nicht nur einzelne Unternehmen betroffen, sondern auch Unternehmensgruppen, die als Konzern die Grenzwerte überschreiten.

Ab dem 1. Januar 2028 werden Unternehmen aus Drittstaaten betroffen sein, sofern sie Zweitniederlassungen mit einem Nettoumsatz von über 40 Millionen Euro oder Tochterunternehmen mit Kapitalmarktbezug in einem EU-Mitgliedstaat besitzen. Spezielle Vorschriften gelten für Versicherungsunternehme und Kreditinstitute. Für KMU besteht während eines Übergangszeitraum bis 2028 die Möglichkeit, eine Ausnahmereglung („Opt-Out“) in Anspruch zu nehmen, die es ihnen unter bestimmten Bedingungen und mit einer angemessen Begründung gestattet, von der Berichterstattung abzusehen.

Es wird damit gerechnet, dass sich die Anzahl der berichtspflichtigen Unternehmen voraussichtlich verdreifachen wird. Neben den bereits genannten Unternehmen könnten auch andere Unternehmen mittelbar von den bevorstehenden Änderungen betroffen sein, die sich aus der Umsetzung der CSR-Richtlinie in nationales Recht ergeben werde.

Welche Änderungen sind vorgesehen?

Die betroffenen Unternehmen müssen im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung neben Informationen, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftser-gebnisses und der Lage des Unternehmens notwendig sind, auch über Informationen be-richten, die für das Verständnis der Auswirkungen der Tätigkeiten des Unternehmens im Hinblick auf Umwelt-, Sozial-, und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrech-te und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung erforderlich sind.

Eine wesentliche Neuerung ist die Einführung der doppelten Wesentlichkeit, die den Aus-gangspunkt für die Nachhaltigkeitsberichterstattung bietet. Ein Nachhaltigkeitsaspekt ist dann als wesentlich anzusehen, wenn eine Wesentlichkeit der Auswirkungen und eine fi-nanzielle Wesentlichkeit vorliegt. 

Über die Datenpunkte, die auf Grundlage einer Wesentlichkeitsanalyse ermittelt wurden, muss ein Unternehmen sodann berichten.

Die delegierte Verordnung benennt zahlreiche Nachhaltigkeitsaspekte, die für eine Be-richtspflicht in Betracht kommen. Im Umweltbereich werden Aspekte wie beispielweise Klimaschutzstrategien, die als Idee in Form einer Roadmap vorgelegt werden können, und der Bereich Ressourcen- sowie Energieeffizienz berücksichtigt, während unter dem Sozi-albereich Themen wie zum Beispiel faire Arbeitsbedingungen und Menschenrechte be-handelt werden. Der Governance-Bereich umfasst insbesondere das Thema Compliance sowie Informationen in Bezug auf Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung.

Falls ein Punkt als nicht wesentlich eingestuft wird, muss im Analysebericht erläutert wer-den, warum diese Schlussfolgerung gezogen wurde. Unternehmen sind verpflichtet, ihre Vorgehensweise bei der Erstellung ihrer Nachhaltigkeitserklärung offenzulegen – ein-schließlich der wesentlichen Merkmale ihres internen Kontrollsystems. Eine besondere Stellung nimmt hier der Aspekt des Klimawandels ein. Kommt ein Unternehmen zu dem Schluss, dass der Klimawandel nicht wesentlich für seine Geschäftstätigkeit ist, muss es diese Annahme ausführlich begründen. 

Die Europäische Kommission plant, in den kommenden Jahren voraussichtlich zusätzliche delegierte Rechtsakte, sektorspezifische sowie verhältnismäßige Standards für börsenno-tierte KMU und Standards für Nicht-EU-Unternehmen einzuführen.
 

Wertung

Die Einführung der neuen Berichtspflichten ist zweifellos auf verschiedenen Ebenen eine Herausforderung für Unternehmen. 

Künftig müssen Unternehmen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung tatsächli-che oder potenzielle negative Auswirkungen beschreiben, die mit ihrer Geschäftstätigkeit und ihrer gesamten Wertschöpfungskette einschließlich Produkte, Dienstleistungen, Ge-schäftsbeziehungen und Lieferkette, verbunden sind. Das Erarbeiten von Informationen zu Nachhaltigkeitsstandards entlang der gesamten Lieferkette wird sich als anspruchsvoll gestalten, da in der Wertschöpfungskette zahlreiche Subunternehmer eigene Nachhaltig-keitsstandards erfüllen müssten.

Unternehmen sollten rechtzeitig prüfen, ob und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang sie verpflichtet sind, die Nachhaltigkeitsberichtserstattung umzuset-zen. Dies ermöglicht, eine angemessen Vorbereitung auf die anstehenden Nachhaltig-keitsberichtspflichten zu gewährleisten und die notwendigen Prozesse frühzeitig zu initiie-ren. Unternehmen, die Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht umsetzen müssen, sollten ebenfalls frühzeitig prüfen, welche Auswirkungen die Nachhaltigkeitsbe-richtspflichten anderer Unternehmen in ihren Wertschöpfungs- und Lieferketten auf sie haben könnten.
 

Autor/in
Anja Wechsler

Anja Wechsler
Associate
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Dennis Gerdes

Dennis Gerdes
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