16.03.2017

Luftreinhaltepläne als Herausforderung für Bürger und Behörden

Blog

Hintergrund

16.03.2017

Luftreinhaltepläne als Herausforderung für Bürger und Behörden

In Stuttgart soll es ab 2018 Fahrverbote für viele Dieselfahrzeuge geben. Bei Feinstaubalarm dürfen auf besonders belasteten Straßen keine Fahrzeuge mehr fahren, die nicht die Abgasnorm Euro 6 erfüllen. Dies hat die grün-schwarze Landesregierung Baden-Württembergs am 21. Februar 2017 beschlossen. Auch in anderen Städten drohen solche Fahrverbote. Die Grundlage dafür bilden Luftreinhaltepläne. Sie stellen sowohl Bürger als auch Behörden vor Herausforderungen.

Der rechtliche Hintergrund von Fahrverbots- bzw. Umweltzonen

Der europäische Gesetzgeber hat mit der Richtlinie 2008/50/EU einen EU-weit einheitlichen Maßstab zur Beurteilung der Luftqualität erlassen. Die Richtlinie schreibt in Art. 23 vor, dass Luftreinhaltepläne aufzustellen sind, wenn die Grenzwerte für Schadstoffe überschritten werden. § 47 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) setzt diese Verpflichtung für Behörden in nationales Recht um. Die Emissionshöchstmengen gestaltet die 39. Bundesimmissionsschutzverordnung (39. BImSchV) näher aus.

Maßnahmen aufgrund von Luftreinhalteplänen werden nach § 40 BImSchG erlassen. Die Straßenverkehrsbehörden beschränken oder verbieten den Kraftfahrzeugverkehr, soweit Luftreinhaltepläne dies vorsehen. Verstöße gegen diese Maßnahmen können als Ordnungswidrigkeit sanktioniert werden.

Schutz gegen Fahrverbote aufgrund eines Luftreinhalteplans

Ein Luftreinhalteplan ist als verwaltungsinterner Handlungsplan der handelnden Behörde konzipiert und daher für den Bürger rechtlich nicht verbindlich. Autofahrer können nicht unmittelbar gegen einen Luftreinhaltungsplan vorgehen. Der betroffene Bürger muss sich vielmehr gegen den Erlass der jeweiligen Maßnahme wenden, etwa gegen ein Fahrverbot oder Verkehrsbeschränkungen. Dies führt zu einer inzidenten Überprüfung des Luftreinhalteplans (BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2012, Az. 3 B 78/11). Umgekehrt können drittbetroffene Bürger den Erlass eines Luftreinhalteplans und die Durchsetzung der enthaltenen Maßnahmen gerichtlich erzwingen, wenn ihre Gesundheit betroffen sein könnte (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008, Rs. C-237/07).

Weiterhin kommt die Gewährung einer Ausnahmegenehmigung von Verkehrsbeschränkungen nach § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG in Betracht. Eine solche Einzelausnahme kann aber nur gewährt werden, wenn unaufschiebbare und überwiegende Gründe des Gemeinwohls dies erfordern. Diese Voraussetzungen sind eng zu interpretieren und lassen nur wenig Spielraum zu. Oftmals enthalten die Luftreinhaltepläne selbst jedoch detaillierte Ausnahmevorschriften, die im Einzelfall zu prüfen und gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen sind.

Hürden bei der Erstellung von Luftreinhalteplänen

Die landesrechtlich zuständige Behörde ist zum Erlass eines Luftreinhalteplans verpflichtet, wenn Emissionshöchstmengen überschritten werden. Beim Erlass eines Luftreinhalteplans sind eine Vielzahl von Verfahrensvorschriften zu beachten. Andere Behörden sind anzuhören, soweit die Maßnahme den Aufgabenbereich einer anderen Behörde berührt. Darüber hinaus ist die Durchführung einer qualifizierten Öffentlichkeitsbeteiligung notwendig. Weiterhin muss ein Luftreinhaltungsplan sowohl dem Verursacherprinzip, als auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen (OVG Münster, Beschluss vom 25. Januar 2011, Az. 8 A 2751/09).

Sanktionen bei Nichtumsetzung

Die Nichtumsetzung der europarechtlichen Vorgaben droht der Bundesrepublik ein Zwangsgeld seitens der EU. In einem so bezeichneten „letzten Mahnschreiben“ vom 15. Februar 2017 fordert die EU-Kommission unter anderem Deutschland dazu auf, die Luftreinhaltung  – etwa durch umfassende Verringerung des Verkehrsaufkommens insgesamt oder die Umstellung auf Elektrofahrzeuge – sicherzustellen. Reagiert der Bund nicht binnen zwei Monaten, kann die EU-Kommission eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erheben.

Sollte zudem die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan nicht erlassen, obwohl dies notwendig ist, ist die Gemeinde möglicherweise einer Ersatzvornahme durch das Land ausgesetzt.

Autorenzitate:

Dr. Gernot-Rüdiger Engel: „Die Bundesländer haben verstanden – Luftreinhalteplanung ist keine Geschmacksfrage.“

Dr. Mathias Mailänder: „Wenn nicht die Bundesländer die Gemeinden bei der Luftreinhaltung in die Pflicht nehmen, haftet Deutschland gegenüber der EU.“

 

 

Dr. Gernot-Rüdiger Engel
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Hamburg
Telefon +49 40 18067 16639
gernot.engel@luther-lawfirm.com
 

 

Dr. Mathias Mailänder
Senior Associate
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
20354 Hamburg
Telefon +49 40 18067 12618
mathias.mailaender@luther-lawfirm.com