05.08.2016

Grenzüberschreitende Streitverkündung

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Hintergrund

05.08.2016

Grenzüberschreitende Streitverkündung – Chancen und Grenzen

Die Streitverkündung ist ein wirkungsvolles Instrument, wenn eine Partei in einem anhängigen Rechtsstreit zwar einen ungünstigen Ausgang befürchtet, ihr andererseits für diesen Fall Regressansprüche – etwa gegenüber einem Vorlieferanten – zustehen. Die Streitverkündung hat dann zur Folge, dass der Dritte in einem etwaigen Folgeprozess an die tragenden tatsächlichen Feststellungen des Erstverfahrens und deren rechtliche Beurteilung gebunden ist.

So kann beispielsweise der Vorlieferant die einmal festgestellte Mangelhaftigkeit einer Lieferung im Folgeprozess nicht mehr bestreiten. Zudem wird durch eine wirksame Streitverkündung die Verjährung dieser Regressansprüche gehemmt. Sollte der Vorlieferant seinen Sitz in einem anderen Land mit eher langwierigen Justizverfahren haben, könnte die Streitverkündung den weiteren Vorteil bieten, den dortigen Rechtsstreit durch den bereits festgestellten Sachverhalt deutlich zu verkürzen. Dies kann allerdings nur gelten, wenn die Vorteile der Streitverkündung auch im grenzüberschreitenden Kontext Anwendung finden.

Dies setzt zunächst voraus, dass die Gerichte am Sitz des Dritten die Bindungswirkung der Streitverkündung überhaupt anerkennen. Sitzt der Vorlieferant etwa in China, kann es passieren, dass die dortigen Gerichte eine Bindungswirkung der deutschen Streitverkündung und den damit verbundenen Feststellungen im Urteil ablehnen. In der Folge könnte ein chinesisches Gericht im sich anschließenden Regressprozess zu einem Urteil kommen, das mit dem Urteil im deutschen Verfahren im Widerspruch steht. Die Bindungswirkung ausländischer Gerichtsurteile und Prozesshandlungen richtet sich danach, ob eine gegenseitige Anerkennung durch die Gerichte beider Staaten stattfindet. Auf chinesischer Seite wird eine solche Gegenseitigkeit in Bezug auf Deutschland bislang abgelehnt. Im Gegensatz hierzu wird die Bindungswirkung der Streitverkündung innerhalb der EU durch Art. 65 EuGVVO verbindlich geregelt. Hiernach sind auch Gerichte aus den Mitgliedstaaten an die Wirkungen einer Streitverkündung gebunden, die eine Streitverkündung in ihrer nationalen Rechtsordnung nicht kennen.

Des Weiteren ist an die ordnungsgemäße Zustellung der Streitverkündungsschrift zu denken. Auf diese kommt es insbesondere für die Hemmung der Verjährung an. Insoweit sind die Besonderheiten einer Zustellung im Ausland zu beachten, die sich etwa im Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (HZÜ) oder innerhalb der EU in der Europäische Zustellungsverordnung (EuZVO) finden. So ist etwa für die Wirksamkeit einer Zustellung nach der EuZVO grundsätzlich erforderlich, dass das Schriftstück in eine Amtssprache des Empfangsstaats oder eine andere Sprache, die der Empfänger versteht, übersetzt wird.

Schließlich stellt sich die Frage, ob auf eine Prüfung der Zulässigkeit der Streitverkündung im Ausgangsverfahren hingewirkt werden sollte. Die Prüfung der Zulässigkeit der Streitverkündung würde in Deutschland erst im Folgeprozess erfolgen. Dies wird jedoch teilweise anders gehandhabt, wenn der Folgeprozess in einem Staat geführt wird, der die Streitverkündung nicht kennt. Denn dem Gericht im Folgeverfahren könnte die Entscheidung hinsichtlich der Anerkennung einer Streitverkündung und ihrer Wirkungen durch entsprechende Feststellungen zur Wirksamkeit der Streitverkündung erleichtert werden; eine Bindungswirkung bestünde für das Gericht im Folgeverfahren allerdings nicht. Auch ein Anspruch auf eine unmittelbare Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Streitverkündung wird es – jedenfalls bei einer Streitverkündung innerhalb der EU – in der Regel nicht geben.

 

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
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