28.03.2024

Erfolgreiche Implementierung von KI-Modellen in der Kanzlei und Rechtsabteilung

Ganzheitliches Vorgehensmodell

Die Rechtsbranche ist einem starken Wandel unterworfen. Durch die rasante Entwicklung technologiegetriebener Lösungen, insbesondere der künstlichen Intelligenz (KI), stehen Kanzleien und Rechtsabteilungen vor der Herausforderung, ihre Leistungsangebote gegenüber Mandanten oder internen Kunden sowie altbewährte Arbeitsweisen neu zu gestalten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies belegen Einschätzungen von Experten sehr eindrucksvoll: Bei mehr als 50 % der Commodity-Leistungen (wiederkehrende, gleichlautende Leistungen) im Bereich juristischer Tätigkeiten sehen Experten hohes Potenzial für Effizienzsteigerung durch Legal Tech und KI.

Im Bereich der operationalen Leistungen – das ist die Anwendung von bewährtem juristischem Wissen auf neue Sachverhalte – sind es immer noch zwischen 20 % und 50 %. Hier bietet die Nutzung von KI-Modellen neue Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung, der Risikominimierung oder der Eröffnung neuer Geschäftsfelder. Wie navigiert man erfolgreich durch diesen Transformationsprozess der Organisation, wie lassen sich Anwendungsfälle finden, strukturieren, bewerten und umsetzen? Ein ganzheitliches Vorgehensmodell kann dabei den Weg zum erfolgreichen Einsatz von KI-Modellen unterstützen.

1. Vision für den Einsatz von generativer KI

Die Vision steht vor einer erfolgreichen Implementierung. Es ist entscheidend, ein erstes Bild davon zu haben, wie KI die Arbeit in einer Kanzlei oder Rechtsabteilung ergänzen und verändern kann. Die Vision sollte nicht nur die Verbesserung bestehender Prozesse umfassen, sondern auch das Potenzial für neue Dienstleistungen beinhalten. Diese Vision dient als Nordstern für die spätere Bewertung der Anwendungsfälle und die Entwicklung einer abgestimmten Unternehmensrichtlinie, die sicherstellt, dass Mitarbeiter eine einheitliche Sichtweise auf das innovative Thema pflegen. Eine klare Kommunikation dieser Vision schafft Transparenz und fördert die Akzeptanz bei den Stakeholdern.

2. Etablierung eines zentralisierten, funktionsübergreifenden Teams

Ein interdisziplinäres Team ist ein Schlüssel für die erfolgreiche KI-Implementierung im Unternehmen. Dieses Team benötigt nicht nur technisches Know-how, sondern auch ein tiefes Verständnis für rechtliche Prozesse. Die Bildung eines solchen Teams erfordert eine gezielte Strategie, die sowohl die Anwerbung externer Talente, als auch die Weiterbildung interner Mitarbeiter umfasst. Schulen Sie das Team z. B. in Kreativitätsmethoden, so sollte auch der Begriff „Legal Design Thinking“ kein Fremdwort für die Teammitglieder sein. Die Entwicklung eines solchen Teams ist ein dynamischer Prozess, der Flexibilität und Offenheit für neue, alternative Karrierepfade erfordert.

3. Weiterbildungsprogramm nach Funktionen und Qualifikationsniveau

Die Implementierung von KI-Technologien erfordert ein tiefes Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen und ihrer Anwendungsmöglichkeiten. Ein maßgeschneidertes Weiterbildungsprogramm, das auf die spezifischen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter zugeschnitten ist, ist ein weiterer Baustein für den Erfolg. So sollte darüber nachgedacht werden, Schulungen für bestimmte Nutzergruppen anzubieten. Dies fördert den Dialog in den Schulungen und bringt schnellere Erfolgserlebnisse für die Teilnehmer. Diese Schulungen sollten praktische Anwendungsfälle von KI in der juristischen Praxis umfassen, um die Mitarbeiter nicht nur zu befähigen, sondern auch zu inspirieren, KI als Werkzeug zur Steigerung ihrer Produktivität zu nutzen.

4. Identifikation und Bewertung von Use-Cases (Anwendungsfälle)

Die Identifikation geeigneter Use-Cases ist ein kritischer Schritt, der die praktische Anwendung der KI in den Fokus rückt. Beginnen Sie mit einem kleinen Set von Anwendungsfällen, um Erfahrungen zu sammeln und sukzessive ein tieferes Verständnis für das Potenzial und die Grenzen der Technologie zu entwickeln. Diese frühen Erfahrungen sind wertvoll für die schrittweise Erweiterung des Einsatzbereichs von KI und für die Anpassung der Strategie an realweltliche Herausforderungen. Die Strukturierung und Bewertung der Anwendungsfälle sollte gut durchdacht und vom KI-Team mit klarem Prozess durchgeführt werden. Die Darstellung in „Heat-Maps“ für unterschiedliche Unternehmensbereiche hat sich – nicht nur für KI Implementierungen – bewährt.

5. Integration der KI-Lösung in die Unternehmensarchitektur

Die technische Integration von KI-Modellen in die bestehende IT-Landschaft ist eine Herausforderung, die technische Expertise und Fingerspitzengefühl erfordert. Eine große Bedeutung kommt der Unternehmens-Entscheidung zwischen den grundsätzlichen Lösungsformen bei: On-Premise-Lösung und/oder Cloud-basierte Dienste. Neben Kosten- / Nutzen spielen berufsrechtliche Themen, Datenschutz und Compliance dabei eine zentrale Rolle in der Bewertung. Eine flexible und zukunftssichere Architektur ist entscheidend, um die Langlebigkeit und Effektivität der KI-Integration zu gewährleisten. Die Entscheidung für eine Lösungsform heißt nicht zwingend die Entscheidung gegen die Andere – auch eine Parallelstrategie kann einen Lösungsweg darstellen. Aktuell befindet sich die technische Entwicklung in einem ständigen Wandel, monatlich kommen sowohl neue Sprachmodelle als auch Updates zu bereits bewährten Modellen auf den Markt.

6. Datenarchitektur für kuratierten Content entwickeln

Der Erfolg von KI-Anwendungen sowie deren Lösungen hängt maßgeblich von der Qualität und Verfügbarkeit relevanter Basis-Daten ab, gerade wenn die Use-Cases über das reine Erstellung von Blogbeiträgen oder Artikel hinausgehen. Die Entwicklung einer robusten Datenarchitektur, die den Zugang zu qualitativ hochwertigem, kuratiertem Content gewährleistet, ist daher von entscheidender Bedeutung. Das KI-Team spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle, denn der Aufbau von diesen Data-Lakes ist keine rein technische Herausforderung sondern vielmehr ein Prozess des Knowledge Managements mit integrierter Technologielösung. Eine solche Architektur ermöglicht es der KI, kontinuierlich auf kuratiertes Wissen zuzugreifen, zu lernen und Ergebnisse zu erarbeiten, die auf unternehmensinternen, werthaltigen Content basieren.

Fazit

Die Implementierung von KI in Kanzleien und Rechtsabteilungen ist ein komplexes, sich aber im Ergebnis lohnendes Projekt. Durch einen strukturierten Ansatz können Kanzleien oder Rechtsabteilungen neue Leistungsangebote an Mandanten oder interne Stakeholder entwickeln und die Vorteile von KI ausschöpfen, während Risiken im Einsatz minimiert und die Compliance sichergestellt wird. Die Zukunft der Rechtspraxis liegt in der intelligenten Nutzung technologischer Hebel – und KI wird hierbei eine Schlüsselrolle einnehmen.

Autor/in
Günter Krieglstein

Günter Krieglstein
Director
Köln
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