09.10.2019

Neuer Impuls für die Energiewende: Ausbau von LNG-Infrastruktur erleichtert

Hintergrund

Emissionsarmes LNG – also verflüssigtes Erdgas oder Biogas – hat das Potential, die Energieversorgung und Energiewende in Deutschland nachhaltig positiv zu beeinflussen. Der Ausbau der LNG-Infrastruktur soll daher zügig vorankommen. Damit das gelingt, hat der Gesetzgeber jüngst wichtige Weichenstellungen vorgenommen.

LNG – Ein Stoff mit Potential

Im Jahr 2040 könnten bis zu 60 Prozent des weltweit gehandelten Erdgas in Form von LNG verteilt werden, prognostiziert die Internationale Energieagentur (IEA). LNG wird mit speziellen Schiffen zu Terminals in aller Welt transportiert. Es kann als Kraftstoff für Lkw, Busse und See- und Binnenschiffe, als Prozessgas für Industrieunternehmen verwendet oder wieder erwärmt und ins nationale Gas-Netz eingespeist werden. Aktuell verfügt Europa über Import-Terminals (Regasifizierungsanlagen) mit einer Kapazität von 245 Milliarden Kubikmeter, womit etwa 40 Prozent des europäischen Erdgas-Bedarfs gedeckt werden könnten – aktuell sind es 10 Prozent. In Deutschland indes fehlt bislang die erforderliche LNG-Infrastruktur, die den Import ermöglicht und damit einen Beitrag für die Diversifizierung der deutschen Erdgas-Importquellen leistet. Die vorhandenen Terminals befinden sich in Nordwesteuropa: in Großbritannien, Nordfrankreich, Belgien und den Niederlanden. Aktuelle Planungen in Deutschland laufen für die Standorte Brunsbüttel, Stade und Wilhelmshaven.

Regulatorischer Rahmen für LNG-Infrastruktur angepasst

Damit der zügige Ausbau der LNG-Infrastruktur gelingt, müssen die regulatorischen Rahmenbedingungen dafür stimmen: Das politische Bekenntnis zum Ausbau von Initiativen zugunsten alternativer Kraftstoffe wie LNG findet sich bereits im Koalitionsvertrag. Der regulatorische Rahmen dafür war aber bislang nicht ausreichend darauf ausgerichtet:

Bislang war gesetzlich nicht festgelegt, ob der Fernleitungsnetzbetreiber oder der LNG-Anlagenbetreiber für die Errichtung und die Finanzierung der Anbindungsleitung verantwortlich ist. Unsicher war auch, welchem genehmigungsrechtlichen Verfahren die LNG-Anschlussleitung zuzuordnen ist. Die Bundesnetzagentur hatte 2018 zu Ungunsten der LNG-Anlagenbetreiber entschieden, dass der Anschluss der LNG-Anlage mit allen Kosten in seiner Verantwortung liegt.

Mit Wirkung vom 20. Juni 2019 hat der Gesetzgeber den regulatorischen und genehmigungsrechtlichen Rahmen für den Ausbau von LNG-Infrastruktur neu bestimmt: Zum einen wurde die Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV) u.a. im Hinblick auf die Kostenverantwortlichkeit geändert, zum anderen ist das Genehmigungsregime nun definiert: Anbindungsleitungen sind im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens nach § 43 EnWG zu genehmigen.

Regulatorische Änderung: Fernleitungsnetzbetreiber trägt Kosten- und Betreiberverantwortung für Anschlussleitung

Mit den neu eingefügten Regelungen der §§ 39a ff. GasNZV wird die Errichtung von LNG-Anlagen erleichtert. Der LNG-Anlagenbetreiber hat einen durchsetzbaren Anspruch auf Netzanschluss gegen den Fernleitungsnetzbetreiber. Damit wird die Planungs- und Investitionssicherheit erhöht. Der Netzbetreiber muss 90%, der LNG-Anlagenbetreiber 10% der Kosten tragen. Der Netzbetreiber hat zudem die Pflicht zur Wartung und zum Betrieb der Leitung, die in sein Eigentum als Betreiber übergeht. Seine Kosten können nach § 23 Anreizregulierungsverordnung auf die Netzkosten angerechnet werden, er kann sie also weiterwälzen.

Genehmigungsrechtliche Änderung:

Konzentration durch Planfeststellungsbeschluss Durch die Neuregelung in § 43 I Nr. 6 EnWG kann die LNG-Anschlussleitung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens genehmigt werden. Die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses erspart dem Anlagenbetreiber parallele Genehmigungsverfahren. Das sorgt für Klarheit beim Vorgehen und beschleunigt die Errichtung.

Schritt in die richtige Richtung – Einzelfragen bleiben

Die Neuregelungen für den zügigen Ausbau von LNG-Infrastruktur in Deutschland sind zu begrüßen: Sie erleichtern die Errichtung der Anlagen und ihren Netzanschluss. Der Planungs-, Genehmigungs- und Investitionsrahmen ist nun geklärt: Die Rollen sind verteilt, die Verfahren bestimmt und die Kostenverantwortlichkeit geregelt.

Trotz der Neuregelungen verbleiben in der Praxis Abgrenzungsfragen: Sie betreffen die Bestimmung der exakten Schnittstelle von LNG-Anlage und Fernleitungsnetz: Wo genau sie verläuft und wie die (Kosten- und Betreiber-)Verantwortlichkeiten voneinander abzugrenzen sind, ist von verschiedenen Faktoren abhängig: Insbesondere den örtlichen Gegebenheiten und dem technischen Regelwerk. Denn die LNG-Anlage wird häufig im Küstenbereich (auf Anlegerplattformen im Bereich des Küstenmeeres) errichtet, die ein Anlegen der LNG-Tanker ermöglichen. Das Fernleitungsnetz verläuft indes auf dem Festland. Es lässt sich nur unter Beachtung aller Umstände im Einzelfall bestimmen, ob der Leitungsbereich, der unmittelbar von der LNG-Anlage wegführt, noch Teil der LNG-Anlage oder schon Bestandteil des Fernleitungsnetzes ist. Die daraus resultierenden Konsequenzen für den regulatorischen und genehmigungsrechtlichen Rahmen – inklusive der für die Behördenzuständigkeiten – sollten stets wohlbedacht sein, damit der LNG-Ausbau auch wirklich zügig gelingt.


Prof. Dr. Tobias Leidinger
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Counsel
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Düsseldorf
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