06.11.2017

Keine nationale Verschärfung von EU-Emissionsgrenzwerten: Französischer Industriekonzern Saint-Gobain mit Luther gegen Land NRW erfolgreich

Deutsche Umweltbehörden dürfen von der Industrie nicht strengere Emissionsgrenzwerte verlangen, als es der insbesondere durch die Europäische Union ermittelte Stand der Technik erfordert.

Hintergrund

Deutsche Umweltbehörden dürfen von der Industrie nicht strengere Emissionsgrenzwerte verlangen, als es der insbesondere durch die Europäische Union ermittelte Stand der Technik erfordert. Auch der gemeinsamen Arbeitsgemeinschaft der Umweltministerien des Bundes und der Länder für Immissionsschutz (LAI) steht diese Befugnis nicht zu. Dies hat das Verwaltungsgericht Aachen in zwei jetzt bekanntgegebenen Urteilen vom 11. Oktober 2017 entschieden.

Zugrunde lagen zwei Klagen der Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH, eines Tochterunternehmens des französischen Baustoffkonzerns Compagnie de Saint-Gobain, gegen das Land NRW (Bezirksregierung Köln). Das Industrieunternehmen ließ sich von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft vertreten (VG Aachen, Urteile vom 11. Oktober 2017, Az. 6 K 996/16 und 6 K 997/16).

„Die Klagen von Saint-Gobain richteten sich gegen die Festsetzung neuer Emissionsgrenzwerte für die nordrhein-westfälischen Glashütten durch die Bezirksregierung Köln. Diese war vom NRW-Umweltministerium per Erlass angewiesen worden, für bestimmte Stoffe strengere Werte vorzugeben, als dies von BVT- Schlussfolgerungen der Europäischen Kommission über die Beste verfügbare Technik in der EU-Glasindustrie gefordert ist. Das Umweltministerium wollte hiermit entsprechende Festlegungen der Bund-Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) umsetzen. Die im LAI vertretenen Bundes- und Landesumweltministerien haben aber ihre strengeren Festlegungen nach Auffassung von Saint-Gobain ohne nachvollziehbare Begründung getroffen. Das Verwaltungsgericht Aachen konnte ebenfalls keine sachliche Erklärung für die LAI-Vorgaben erkennen und warf den deutschen Umweltbehörden ermessensfehlerhaftes Handeln bei der Ermittlung des Stands der Technik vor“, erläutert Rechtsanwalt und Luther-Partner Dr. Stefan Altenschmidt die Hintergründe des Aachener Richterspruchs.

Die Bedeutung der Urteile des VG Aachen geht über den konkreten Fall hinaus, betont Rechtsanwalt Dr. Stefan Altenschmidt:

„Im Zuge der Umsetzung der EU-Industrieemissions-Richtlinie 2010/75/EU (IED) wurde die Rolle der Europäischen Union bei der Festlegung von Emissionsgrenzwerten für Industrieunternehmen und Kraftwerke gestärkt. Die Europäische Kommission darf nun im sogenannten Sevilla-Prozess EU-weit gültige Emissionsbandbreiten verbindlich festlegen. Deutsche Umweltpolitiker sind mit den EU-Umweltvorgaben aber teilweise unzufrieden. Vielfach wird die mangelnde Transparenz der politischen Prozesse in Brüssel kritisiert. Oder man bemängelt, dass Interessen anderer Mitgliedstaaten sich gegenüber den deutschen Vorstellungen besser haben durchsetzen können. Die jetzigen Urteile machen klar, dass dies allein keine Gründe sind, die eine nationale Abweichung von einheitlichen EU-Festlegungen für den Umweltschutz rechtfertigen. Sie stärken vielmehr die europäischen Prozesse und tragen dazu bei, die Wettbewerbsbedingungen für europaweit tätige Unternehmen zu harmonisieren.“

Prozessvertretung beim VG Aachen:

Für Saint-Gobain:

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Umwelt, Planung, Regulierung: Dr. Stefan Altenschmidt (Partner), Philipp-Alexander Schütter (beide Düsseldorf)

Inhouse: Rechtsanwalt und Syndikusanwalt Rainer Surberg, Rechtsabteilung der Compagnie de Saint-Gobain, Zweigniederlassung Deutschland, Aachen

Weitere Beteiligte:

Bezirksregierung Köln, Dezernat 53, Regierungsdirektor Halmschlag