03.04.2020

Bundeskabinett beschließt Gesetzesentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes

Hintergrund

Eine weitere Maßnahme der Bundesregierung im Kampf gegen das Coronavirus ist die Änderung des Infektionsschutzgesetztes (IfSG). In diesem Zusammenhang wurde das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite im Eilverfahren von Bundesrat und Bundestag beschlossen. Es ist im Wesentlichen am 28. März 2020 in Kraft getreten.

Das Infektionsschutzgesetz als zentrale Grundlage

Das IfSG dient als zentrale Grundlage fast aller Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung des neuartigen Virus. Zwar handelt es sich dabei um ein Bundesgesetz, es wird jedoch im Wesentlichen von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt. Die Anordnung von Maßnahmen der Verhütung sowie der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten obliegt den nach Landesrecht zuständigen Behörden. Eine ergänzende Zuständigkeit des Bundes ist derzeit nicht vorgesehen. Mit der Gesetzesänderung strebt der Bund an, mehr Einfluss im Falle einer grenzüberschreitend ausbreitenden übertragbaren Krankheit einzunehmen.

Ausgangspunkt: Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite

Das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite sieht daher vor, dem Bund in einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ für einen befristeten Zeitraum zusätzliche Kompetenzen zu übertragen. Eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ liegt demnach vor, wenn entweder die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Pandemie ausruft und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit droht oder eine bundesländerübergreifende Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit droht. Sobald die Voraussetzungen für die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nicht mehr vorliegen, hat die Bundesregierung die Feststellung unverzüglich aufzuheben.

Befugnisse des Gesundheitsministeriums

In der Folge der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch die Bundesregierung wird das Bundesministerium für Gesundheit unter anderem ermächtigt, durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung zu treffen und die Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Diese Sicherstellung soll insbesondere erfolgen durch:

  • Vorschriften für den grenzüberschreitenden Reiseverkehr, etwa wenn im Bahn- und Busverkehr Meldepflichten eingeführt werden,
  • Melde- und Untersuchungspflichten,
  • Regelungen, die im Normalfall durch die Selbstverwaltungspartner getroffen werden,
  • Maßnahmen zur Sicherstellung der Grundversorgung mit Arzneimitteln, Schutzausrüstung und Labordiagnostik,
  • Flexibilisierung von Vorschriften in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen.
Ausnahmen vom Baurecht

Durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite erfolgten zudem Änderungen des Baugesetzbuches. In einem Sondertatbestand (§ 246 b BauGB) wird nun geregelt, dass für Anlagen für gesundheitliche Zwecke zur Versorgung von Personen, die sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert haben oder möglicherweise infiziert haben, Ausnahmen vom geltenden Baurecht zugelassen werden können. Durch diese Änderung soll die Möglichkeit geschaffen werden, kurzfristig medizinische Einrichtungen zu errichten.

Entschädigungsregel für Eltern

Die Entschädigungsregel des § 56 IfSG wurde durch eine Entschädigungsregelung für Eltern ergänzt, deren Kindern der Besuch einer Betreuungseinrichtung durch entsprechende behördliche Schließungen nicht mehr möglich ist. Anspruchsberechtigt sind erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert sind und deshalb auf Hilfe angewiesen sind. Der Entschädigungsanspruch wird für die Dauer von bis zu sechs Wochen und auf 67 % des Verdienstausfalls, maximal jedoch 2016 EUR monatlich, begrenzt. Ein Anspruch auf Entschädigung besteht jedoch dann nicht, soweit die Arbeitszeit von Sorgeberechtigten aufgrund der Anordnung von Kurzarbeit verkürzt ist.

Keine Regelung zur Ausgangssperre

Entgegen aller Erwartungen enthält das Gesetz keine Regelung zu Ausgangsbeschränkungen oder Ausgangssperren. Wurde in der Vergangen vermehrt die Frage diskutiert, ob die Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG eine geeignete Rechtsgrundlage für etwaige Maßnahmen darstelle, lässt das Gesetz eine Klarstellung vermissen. Vielmehr bleiben die bisherigen Befugnisse der Länder nach § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG bestehen, wonach sie alle "notwendigen Schutzmaßnahmen" anordnen können.

Keine Handyortung

Spahns Vorschlag zum Gesetzesentwurf sah ursprünglich vor, durch Auslesen von Bewegungsdaten aus dem Mobiltelefon von erkrankten Personen Kontaktpersonen zu ermitteln und lokalisieren. Dieser Vorschlag wurde jedoch in dem Gesetz nicht umgesetzt. Die zuständigen Gesundheitsbehörden sollten danach anhand von Handy-Standortdaten von Corona-Kontaktpersonen deren Bewegungen verfolgen können, um sie im Verdachtsfall zu kontaktieren. Die Mobilfunkanbieter sollten den Gesundheitsbehörden die erforderlichen Standortdaten zur Verfügung stellen. Nach heftiger Kritik wegen dieser in die Grundrechte einschneidenden Maßnahme wurde der Vorschlag wieder zurückgezogen, berichtete das Handelsblatt. Ganz aus der Welt scheint er dennoch nicht zu sein, denn auch das Robert-Koch-Institut (RKI) arbeitet nach eigenen Angaben seit Anfang März an einer technischen Lösung zur Handy-Ortung. Dafür habe die Deutsche Telekom dem RKI bereits anonymisierte Kundendaten zur Verfügung gestellt. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Handyortung zu einem späteren Zeitpunkt noch in das Gesetz aufgenommen wird.

Über die weitere Entwicklung halten wir Sie auf dem Laufenden.

Autor/in

Denise Helling