21.03.2016

IP / IT Ausgabe 1 / 2016

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Verbraucherstreitbeilegung: Neue Informationspflichten für Onlineshops

Online-Händler müssen seit dem 9. Januar 2016 auf eine von der Europäischen Kommission geschaffene Online-Plattform zur Alternativen Streitbeilegung (die sog. „OS-Plattform“) verlinken. Es wird nicht die letzte Informationspflicht zum Thema „Streitbeilegung“ für Online-Händler in 2016 und 2017 bleiben. Betreiber von Onlineshops sollten diese Neuerungen nicht verschlafen. Es droht Abmahngefahr.

Auf den Punkt.

Online-Händler müssen seit dem 9. Januar 2016 auf eine von der Europäischen Kommission geschaffene Online-Plattform zur Alternativen Streitbeilegung (die sog. „OS-Plattform“) verlinken. Es wird nicht die letzte Informationspflicht zum Thema „Streitbeilegung“ für Online-Händler in 2016 und 2017 bleiben. Betreiber von Onlineshops sollten diese Neuerungen nicht verschlafen. Es droht Abmahngefahr.

Informationspflicht seit dem 9. Januar 2016

 

Seit dem 9. Januar 2016 gilt in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Verordnung (EU) Nr. 524/2013 über die Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten („Online Dispute Resolution" – kurz „ODR-Verordnung“). Gemäß Art. 14 Abs. 1 der ODR-Verordnung sind alle in der EU niedergelassenen Unternehmer, die online Kauf- oder Dienstleistungsverträge schließen, verpflichtet, auf ihren Webseiten (bzw. auf den von ihnen betriebenen Seiten auf Online-Plattformen wie „eBay“ oder „Amazon“) einen Link zu der OS-Plattform einzustellen. Der Link muss für Verbraucher leicht zugänglich sein. Außerdem muss eine E-Mail-Adresse des Online-Händlers angegeben werden. Seit dem 15. Februar 2016 hat die OS-Plattform auch ihren Betrieb aufgenommen. Bis dato war die OS-Plattform noch nicht aufrufbar. Sie kann nun unter ec.europa.eu/consumers/odr/ erreicht werden.

Die Plattform selbst ist keine Streitschlichtungsstelle, sondern soll Hilfestellung zu Streitbeilegungsverfahren geben, die Vermittlung der Beteiligten an zuständige Schlichtungsstellen übernehmen, sowie Beschwerden übersetzen und weiterleiten. Die OS-Plattform soll dadurch eine außergerichtliche Lösung von Streitigkeiten für Verbraucher im Onlinehandel etablieren.


Erweiterte Informationspflichten ab dem 1. April 2016 Gemäß Art. 14 Abs. 2 der ODR-Verordnung sind Online-Händler, die sich verpflichtet haben oder verpflichtet sind, eine sog. AS-Stelle (d.h. eine Stelle für alternative Streitbeilegung) zur Beilegung von Streitigkeiten mit Verbrauchern zu nutzen, zusätzlich verpflichtet, Verbraucher über die Existenz der OS-Plattform und die Möglichkeit, diese für die Beilegung ihrer Streitigkeiten zu nutzen, zu informieren. Verbraucher müssen explizit darüber aufgeklärt werden, dass die alternative Streitbeilegung vom betreffenden Online-Händler genutzt wird und in Anspruch genommen werden kann. Falls ein Angebot über E-Mail erfolgt, ist der Link auch in die E-Mail aufzunehmen. Die Informationen sind außerdem (hier ist die ODR-Verordnung relativ unpräzise) „gegebenenfalls“ in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzunehmen.Die Errichtung von AS-Stellen und auch die Frage ob bzw. wann Online-Händler zur Nutzung von AS-Stellen verpflichtet sind, regelt die ODR-Verordnung allerdings nicht. Dies ist Gegenstand der Richtlinie 2013/11/EU (sog. „ADR-Richtlinie“). Anders als die ODR-Verordnung gilt die ADR-Richtlinie jedoch nicht unmittelbar in den Mitgliedstaaten der EU, sondern muss erst von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland ist dies durch das am 25. Februar 2016 verkündete Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (sog. „VSBG“) geschehen. Hiernach steht es Online-Händlern frei, ob sie sich grds. dazu verpflichten, an einem alternativen Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen (also AS-Stellen nutzen), oder im Einzelfall eine entsprechende vertragliche Verpflichtung einzugehen. Eine solche Verpflichtung kann sich aber auch aus Spezialgesetzen ergeben. Ein Beispiel hierfür ist § 111b Energiewirtschaftsgesetz („EnWG“), wonach Online-Händler im Umfeld der Energieversorgung zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren verpflichtet werden.

Die insofern relevanten Regelungen des VSBG treten indes erst zum 1. April 2016 in Kraft, sodass erst ab diesem Zeitpunkt die Informationspflichten gemäß Art. 14 Abs. 2 der ODR-Verordnung zu erfüllen sind. Für vertragliche Abreden können die dargestellten Informationspflichten natürlich schon früher bestehen. Denn hier ist maßgeblich, ab wann die betreffende vertragliche Regelung Wirkung entfaltet. Auch die aus anderen Gesetzen folgenden Verpflichtungen zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren können bereits früher zu den dargestellten Informationspflichten führen.

Zusätzliche Informationspflichten ab 1. Februar 2017

Das VSBG normiert zudem weitere Informationspflichten für Online-Händler, die erst am 1. Februar 2017 in Kraft treten. Hierzu zählen insbesondere die §§ 36 und 37 VSBG.
Aus § 36 VSBG folgen sog. „Allgemeinen Informationspflichten“: Danach müssen Online-Händler auf ihrer Webseite bzw. in ihren AGB Verbraucher darüber informieren, ob sie bereit oder verpflichtet sind, an Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen. Sind Online-Händler also nicht zu einer Teilnahme bereit, so müssen sie auch hierüber den Verbraucher informieren. Sofern Unternehmen sich zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet haben oder auf Grund von Rechtsvorschriften hierzu verpflichtet sind, müssen sie den Verbraucher zudem klar und verständlich auf die zuständige AS-Stelle hinweisen. Der Hinweis muss die Anschrift und die Webseite der AS-Stelle enthalten sowie eine Erklärung des Online-Händlers, an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser AS-Stelle teilzunehmen.

Aus § 37 VSBG folgen sog. „Informationspflichten nach Entstehen der Streitigkeit“: Wenn eine Streitigkeit über einen Verbrauchervertrag durch den Online-Händler und den Verbraucher nicht beigelegt werden konnte, so hat der Online-Händler den Verbraucher auf die für ihn zuständige AS-Stelle unter Angabe von deren Anschrift und Webseite hinzuweisen. Auch dabei muss der Online-Händler angeben, ob er zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Ver-braucherschlichtungsstelle bereit oder verpflichtet ist.

Unser Kommentar

Online-Händler, die ihrer Pflicht zur Verlinkung der OS-Plattform bislang noch nicht nachgekommen sein, sollten schnell handeln, da im Falle eines Verstoßes gegen diese Informationspflicht die Gefahr einer Abmahnung besteht. So hat etwa bereits das LG Bochum (Az.: I-14 O 21/16) am 9. Februar 2016 in einem einstweiligen Verfügungsverfahren einem Online-Händler untersagt, über einen Onlineshop Uhren anzubieten, ohne dabei den Link zur OS-Plattform zur Verfügung zu stellen. Zudem sollte der Hinweis auf die OS-Plattform spätestens mit Inkrafttreten der relevanten Vorschriften des VSBG in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen übernommen werden.

Entwurf einer Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem IT-Sicherheitsgesetz

Das Bundesinnenministerium hat einen ersten Entwurf für eine Rechtsverordnung vorgelegt, welche die Vorgaben des IT-Sicherheitsgesetzes konkretisiert. Die Rechtsverordnung legt fest, wer Betreiber einer kritischen Infrastruktur sein kann. Voraussichtlich sind in den Sektoren Ener-gie, Informationstechnik und Telekommunikation sowie Transport und Verkehr rund 650 Anlagen betroffen.

Auf den Punkt.

Das Bundesinnenministerium hat einen ersten Entwurf für eine Rechtsverordnung vorgelegt, welche die Vorgaben des IT-Sicherheitsgesetzes konkretisiert. Die Rechtsverordnung legt fest, wer Betreiber einer kritischen Infrastruktur sein kann. Voraussichtlich sind in den Sektoren Ener-gie, Informationstechnik und Telekommunikation sowie Transport und Verkehr rund 650 Anlagen betroffen.

IT-Sicherheitsgesetz

Im Juli 2015 ist das IT-Sicherheitsgesetz in Kraft getreten. Durch das Gesetz werden Betreiber Kritischer Infrastrukturen verpflichtet, besondere Maßnahmen zum Schutz der Informationstechnik zu ergreifen. Welche Unternehmen als Betreiber Kritischer Infrastrukturen anzusehen sind, wurde nur abstrakt festgelegt. Das Gesetz definiert Kritische Infrastrukturen als Einrichtungen, Anlagen oder Teile davon, die (1) den Sektoren Energie, Informationstechnik und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Gesundheit, Wasser, Ernährung sowie Finanz- und Versicherungswesen angehören und (2) von hoher Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens sind, weil durch ihren Ausfall oder ihre Beeinträchtigung erhebliche Versorgungsengpässe oder Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit eintreten würden.

Kritische Dienstleistungen und Anlagen

Die Rechtsverordnung legt zunächst fest, welche Dienstleistungen innerhalb der benannten Sektoren als Kritische Dienstleistungen einzustufen sind. Kritische Dienstleistungen sind Dienstleistungen zur Versorgung der Allgemeinheit in den benannten Sektoren, deren Ausfall oder Beeinträchtigung zu erheblichen Versorgungsengpässen oder zu Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit oder zu vergleichbaren Folgen führen würde. Im Sektor Energie sind Kritische Dienstleistungen zum Beispiel die Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, Gas, Kraftstoff und Heizöl sowie Fernwärme.

Die Rechtsverordnung legt weiter fest, was unter dem Begriff der Anlage zu verstehen ist. Anlagen sind (a) Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, und (b) Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen, die zur Erbringung einer kritischen Dienstleistung erforderlich sind. Einer Anlage sind zudem alle vorgesehenen Anlagenteile und Verfahrensschritte zuzurechnen, die zum Betrieb notwendig sind, sowie Nebeneinrichtungen, die mit den Anlagenteilen und Verfahrensschritten in einem betriebstechnischen Zusammenhang stehen und die für die Erbringung einer kritischen Dienstleistung von Bedeutung sein können.

Liegt nun eine Anlage oder Einrichtung vor, die zur Erbringung einer Kritischen Dienstleistung erforderlich ist, ist diese Anlage oder Einrichtung als kritische Infrastruktur einzuordnen und gemäß den Regelungen des IT-Sicherheitsgesetzes zu behandeln, wenn sie den branchenspezifischen Schwellenwert erreicht oder übersteigt.

Schwellenwerte

Die Rechtsverordnung legt sodann für jede kritische Dienstleistung die branchenspezifischen Schwellenwerte fest. Hier sieht die Rechtsverordnung eine 500.000er Regelung vor. Nach Anwendung dieser Regelung wird der jeweils branchenspezifische Schwellenwert jeweils danach berechnet, welchen Bedarf an der jeweiligen kritischen Dienstleistung 500.000 Personen haben würden. Erreicht eine Anlage oder Einrichtung oder Teile davon diesen Schwellenwert, liegt eine Kritische Infrastruktur vor. Die Rechtsverordnung enthält insoweit eine Vielzahl von Berechnungsvorgaben, anhand derer jedes potentiell betroffene Unternehmen bestimmen muss, ob von ihm betriebene Einrichtungen oder Anlagen unter das IT-Sicherheitsgesetz fallen.

Handlungsbedarf

Sobald der Entwurf der Rechtsverordnung verabschiedet wird, haben die betroffenen Betreiber sechs Monate Zeit, die Voraussetzungen zur Erfüllung der Meldepflicht umzusetzen. Innerhalb von weiteren zwei Jahren ab Inkrafttreten der Rechtsverordnung müssen die Betreiber die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen umsetzen. Für Unternehmen aus den betroffenen Sektoren empfiehlt es sich also bereits jetzt zu ermitteln, ob Teile ihrer Anlagen und Einrichtungen nun in den Anwendungsbereich des IT-Sicherheitsgesetzes fallen. Zudem müssen die weiteren Entwicklungen im Rahmen der Rechtsverordnung beobachtet werden.

Filesharing – Zur Haftung von Eltern für Urheberrechtsverletzungen, die aus der Familie heraus begangen werden

OLG München, Urt. v. 14. Januar 2016, Az.: 29 U 2593/15

Eltern haften als Inhaber eines Internetanschlusses für Urheberrechtsverletzungen ihrer Kinder in Tauschbörsen, wenn sie (trotz Kenntnis) nicht angeben, welches Kind die Rechtsverletzung begangen hat.

OLG München, Urt. v. 14. Januar 2016, Az.: 29 U 2593/15

Auf den Punkt.

Eltern haften als Inhaber eines Internetanschlusses für Urheberrechtsverletzungen ihrer Kinder in Tauschbörsen, wenn sie (trotz Kenntnis) nicht angeben, welches Kind die Rechtsverletzung begangen hat.

Der Fall

Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten wegen unberechtigter öffentlicher Zugänglichmachung eines Musikalbums in einer Internettauschbörse. Der Klägerin, eine Tonträgerherstellerin, stehen die ausschließlichen Rechte an einem urheberrechtlich geschützten Musikalbum und den jeweiligen Musiktiteln zu. Die Klägerin hatte gegenüber dem beklagten Ehepaar u.a. Schadenersatzansprüche und Abmahnkosten geltend gemacht, da das streitgegenständliche Musikalbum ohne Zustimmung der Klägerin über den Internetanschluss der Beklagten in einer Internettauschbörse mittels einer Filesharing-Software angeboten worden war. Die Beklagten hatten vorgetragen, dass sie mit ihren drei volljährigen Kindern zusammen wohnen. Die Verletzungshandlung sei von einem ihrer Kinder begangen worden. Sie wüssten zwar, welches Kind dafür verantwortlich sei, wollten dieses jedoch nicht benennen und beriefen sich zur Begründung auf den durch Art. 6 GG vermittelten Schutz der Familie.
Mit Urteil vom 1. Juli 2015 verurteilte das Landgericht München I die Beklagte als Gesamtschuldner an die Klägerin 3.544,40 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Nach Auffassung des Landgerichts lag eine rechtswidrige Verletzung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung durch die Beklagten vor. Hiergegen legten die Beklagten Berufung ein.

Die Entscheidung

Die Berufung blieb größtenteils ohne Erfolg. Das OLG München bestätigte das landgerichtliche Urteil bezüglich der geltend gemachten Schadenersatzansprüche und wies die Berufung insofern zurück. Es sah die Beklagten als Täter der begangenen Rechtsverletzung an.

In seinem Urteil erläuterte das OLG zunächst die vom BGH aufgestellten Grundsätze für den Nachweis der Täterschaft in Filesharing-Fällen. So sei es zwar grundsätzlich Sache des Anspruchstellers nachzuweisen, dass der von ihm auf Schadenersatz in Anspruch Genommene für die behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich sei. Wenn allerdings ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht werde, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt sei, spreche eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers. Eine solche tatsächliche Vermutung begründe einen sogenannten Anscheinsbeweis, d.h. einen Beweis, der auf die Erfahrung gestützt wird, dass bei nachweislichem Vorliegen bestimmter Tatsachen (wie bspw. dass eine Urheberrechtsverletzung von einem bestimmten Anschluss aus begangen wurde), andere Tatsachen ebenfalls gegeben sind (bspw. dass der Anschlussinhaber auch der Täter der Urheberrechtsverletzung ist). In diesem Fall kann sich der Anspruchsteller auf die tatsächliche Vermutung stützen, ohne dass er die weitere Tatsache ebenfalls beweisen muss. Diese Beweiserleichterung entfällt erst dann, wenn der Anspruchsgegner wiederum Tatsachen vorträgt, die die tatsächliche Vermutung erschüttern, also solche Tatsachen, die die Möglichkeit eines anderen (atypischen) Geschehensablaufs im Einzelfall begründen (bspw. dass bestimmte andere Personen den Anschluss ebenfalls genutzt haben und daher als Täter in Frage kommen). Werden diese vom Anspruchsteller bestritten, ist der Anspruchsgegner zum Beweis der erschütternden Tatsche verpflichtet (sog. sekundäre Darlegungslast). Gelingt dem Anspruchsgegner dieser Beweis, ist der Anspruchsteller wieder nach den allgemeinen Regeln zum Beweis der anspruchsbegründenden Tatsachen verpflichtet.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hatten die Beklagten nach Ansicht des OLG Münchens die ihnen obliegenden Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast nicht erfüllt. Es genüge nämlich nicht, sich darauf zu berufen, dass auch ihre Kinder zum Zeitpunkt der rechtsverletzenden Handlung Zugriff auf den Internetanschluss gehabt hätten, und diese als Zeugen hierfür zu benennen. Sie seien nämlich beweisfällig geblieben, weil die als Zeugen benannten Kinder von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatten. Den Beklagten hätte es oblegen mitzuteilen, welche Kenntnisse sie über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hatten. Sie hätten insbesondere darlegen müssen, welches Kind die Rechtsverletzung begangen hat. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten stehe dieser Einschätzung auch nicht der Schutz der Familie gemäß Art. 6 GG entgegen. Denn Art. 6 GG gewähre keinen schrankenlosen Schutz gegen jede Art von Beeinträchtigung familiärer Belange. Viel-mehr seien auch die Eigentumsrechte der Klägerin aus Art. 14 GG zu berücksichtigen. Diese überwiegen im vorliegenden Fall die Rechte aus Art. 6 GG.

Da die Beklagten ihrer sekundären Beweislast nicht nachgekommen seien, könne sich der Kläger auf die tatsächliche Vermutung, dass die Beklagten als Inhaber des Anschlusses auch Täter der Rechtsverletzung seien, berufen. Die Beklagten seien daher als Täter selbst zum Ersatz des durch die Urheberrechtsverletzung entstandenen Schadens verpflichtet.

Unser Kommentar

In Rahmen von Filesharing-Fällen stellt sich häufig das Problem, wer für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich war und wie die Täterschaft nachgewiesen werden kann. So kann ein Internetanschluss (vor allem in der Familie) von vielen Personen genutzt werden. Letztlich geht es also um die Frage, wer welche Tatsachen beweisen muss. Der vorliegende Fall ist insofern von großer Bedeutung, da es darum geht, in welchem Umfang der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast gerecht wird und insbesondere welche Informationen er preisgeben muss. Das Gericht kommt nun zu dem Schluss, dass die Eltern mit ihrem Vorbringen die tatsächliche Vermutung nicht erschüttern konnten. Nach der bisherigen Rechtsprechung zu Filesharing-Fällen wurde bislang jedoch nicht verlangt, konkrete Angaben zu dem Täter zu machen. Es erscheint fraglich, ob das OLG München mit seinen hohen Anforderungen an die Mitteilungspflichten der Eltern den grundrechtlichen Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG ausreichend gewürdigt hat. Da der Rechtsfrage, in welchem Umfang ein Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast nachzukommen hat, nach Ansicht des OLG Münchens eine überragende Bedeutung zukommt, ließ das OLG die Revision zum BGH zu. Ob Eltern somit zukünftig verpflichtet werden können, bei konkreter Kenntnis ihre Kinder zu „verraten“, bleibt abzuwarten. Ebenso bleibt offen, wie der Fall künftig zu behandeln sein wird, dass Eltern tatsächlich nicht wissen, welches ihrer Kinder die in Frage stehende Rechtsverletzung begangen hat.

Haftung von Access-Providern für Urheberrechtsverletzungen Dritter grundsätzlich möglich

BGH, Urt. v. 26. November 2015, Az.: I ZR 3/14 und I ZR 174/14

Die Störerhaftung eines Access-Providers ist möglich, sofern der Rechteinhaber zumutbare Anstrengungen unternommen hat, gegen diejenigen Beteiligten vorzugehen, die die Rechtsverletzung selbst begangen oder dazu beigetragen haben. Sofern der Access-Provider als Störer haftet, ist die Sperrung der Internetseite für ihn nicht nur dann zumutbar, wenn auf dieser ausschließlich rechtsverletzende Inhalte bereitgehalten werden. Ausreichend ist vielmehr, wenn die rechtswidrigen Inhalte derart überwiegen, dass die rechtmäßigen Inhalte dazu nicht mehr ins Gewicht fallen.

BGH, Urt. v. 26. November 2015, Az.: I ZR 3/14 und I ZR 174/14

Auf den Punkt.

Die Störerhaftung eines Access-Providers ist möglich, sofern der Rechteinhaber zumutbare Anstrengungen unternommen hat, gegen diejenigen Beteiligten vorzugehen, die die Rechtsverletzung selbst begangen oder dazu beigetragen haben. Sofern der Access-Provider als Störer haftet, ist die Sperrung der Internetseite für ihn nicht nur dann zumutbar, wenn auf dieser ausschließlich rechtsverletzende Inhalte bereitgehalten werden. Ausreichend ist vielmehr, wenn die rechtswidrigen Inhalte derart überwiegen, dass die rechtmäßigen Inhalte dazu nicht mehr ins Gewicht fallen.

Der Fall

Den Entscheidungen des BGH liegen zwei Verfahren zu Grunde. In dem Verfahren Az.: I ZR 3/14 war die Klägerin die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie machte einen Unterlassungsanspruch gegen ein großes deutsches Telekommunikationsunternehmen geltend. Sie begehrte von der Klägerin als Access-Provider, es zu unterlassen, den Zugang zu einer Internetseite zu vermitteln. Über diese Internetseite konnte auf eine Sammlung von Links und URLs zugegriffen werden, die das Herunterladen urheberrechtlich geschützter Musikwerke ermöglichte, die bei Sharehostern wie „RapidShare“, „Netload“ oder „Uploaded“ verfügbar waren. Die Klägerin vertrat die Ansicht, darin liege eine Verletzung der von ihr wahrgenommenen Urheberrechte, die die Beklagte zu unterbinden habe.

In dem Verfahren Az.: I ZR 174/14 waren die Kläger verschiedene Tonträgerhersteller und die Beklagte die Betreiberin eines Telekommunikationsnetzes, worüber ihre Kunden den Zugang zum Internet erhalten. Dadurch ermöglichte die Beklagte ihren Kunden auch den Zugang zu der Internetseite „goldesel.to“. Nach Darstellung der Kläger konnte über diese Internetseite auf eine Sammlung von Links und URLs zugegriffen werden, die zu urheberrechtlich geschützten Musik-werken führten, die bei dem Filesharing Netzwerk „eDonkey“ hochgeladen worden waren. Die Kläger machten hierbei eine Verletzung ihres urheberrechtlichen Leistungsschutzrechtes geltend (§ 85 UrhG) und nahmen die Beklagte ebenfalls auf Unterlassung in Anspruch.

Die Entscheidung

Nachdem beide Klagen in den vorherigen Instanzen erfolglos geblieben waren, legten die Kläger Revision beim BGH ein. Der BGH wies die Revisionen in beiden Verfahren zurück. Zur Begründung führte der BGH aus, dass ein Access-Provider zwar unter Umständen von einem Rechteinhaber als Störer in Anspruch genommen werden könne (Störerhaftung), da und soweit der Access-Provider durch die Vermittlung des Zugangs zu Webseiten, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, einen adäquat-kausalen Beitrag zu der Rechtsverletzung leiste. Die Störerhaftung umfasse aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des deutschen Rechts auch die Möglichkeit des Erlasses einer Anordnung gegen den Access-Provider zur Sperrung des Zugangs zu bestimmten Webseiten. Dies folge aus Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG („Urheberrechtsrichtlinie“), wonach die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. Indes müsse die Anordnung verhältnismäßig sein. Abgewogen werden müsse zwischen dem Interesse des Urheberrechtsinhabers auf Schutz seines Eigentums, der Berufsfreiheit des Telekommunikationsunternehmens, sowie der Informationsfreiheit und der informationellen Selbstbestimmung der Internetnutzer. Diese Abwägung könne ergeben, dass eine Sperrung nicht nur dann zu erlassen sei, wenn ausschließlich rechtswidrige Inhalte auf der relevanten Webseite bereitgehalten werden, sondern bereits dann, wenn in einer Gesamtbetrachtung die rechtmäßigen gegenüber den rechtswidrigen Inhalten nicht ins Gewicht fallen. Einer Sperrungsanordnung stehe es auch nicht entgegen, dass technische Umgehungsmöglichkeiten bestehen, sofern die Sperren den Zugriff auf rechtsverletzende Inhalte zumindest erschweren.

Eine Störerhaftung könne aber nur in Betracht kommen, wenn der Rechteinhaber zumutbare Anstrengungen unternommen habe, gegen den Betreiber der Webseite oder gegen den Host-Provider selbst vorzugehen. Dazu könne sich der Rechteinhaber etwa eines privaten Ermittlungsunternehmens oder der staatlichen Ermittlungsbehörden bedienen. An dieser Voraussetzung scheiterte in den vorliegenden Verfahren der Anspruch der Kläger; diese hatten zuvor keine zumutbaren Anstrengungen unternommen, um die Betreiber der Webseiten bzw. die Host-Provider zu ermitteln.

Unser Kommentar

Auch wenn der BGH im Ergebnis die Revisionen zurückgewiesen hat, schließt er mit diesen Urteilen eine Rechtsschutzlücke im Urheberrecht. Häufig war es den Rechteinhabern nämlich nicht möglich, die Betreiber von Webseiten oder Servern in Anspruch zu nehmen, weil diese häufig im Ausland sitzen und für die Rechteinhaber nicht zu ermitteln sind. Andere Länder, wie etwa das Vereinigte Königreich und Österreich, haben die Möglichkeit von Netzsperren bei Urheberrechts-verletzungen geschaffen. Auch der europäische Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass Sperrverfügungen mit dem europäischen Recht in Einklang stehen (Urt. v. 27.03.2014 Az.: C-314/12 – UPC Telekabel Wien/ Constantin Film Verleih u.a.). Mit dieser Entscheidung ist es nun auch in Deutschland Rechteinhabern als ultima ratio möglich, gegen Access-Provider vorzugehen und das Sperren von Internetseiten zu verlangen.

Aus diesen Urteilen ergeben sich aber weitergehende Fragen. Immer häufiger werden offene WLAN-Hotspots von Unternehmen für ihre Konferenzräume, in Cafés, Hotels, Bahnhöfen etc. zur Verfügung gestellt. Als Access-Provider besteht auch für diese Anbieter zumindest die Gefahr als Störer in Anspruch genommen zu werden. Diesem Haftungsrisiko will die Bundesregierung mit einer Änderung des Telemediengesetzes begegnen. Auf Grundlage der vorliegenden Entwurfsfassung (BT-Drucks. 18/6745) ist jedoch äußerst fraglich, ob das Ziel einer größeren Rechtssicherheit von Access-Providern in Haftungsfragen erreicht werden kann.

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