18.05.2015

Gesellschaftsrecht Ausgabe Q2 2015

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Aktienrechtsnovelle und Regelung zum Delisting – Neues aus Berlin

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Am 7. Mai 2015 war der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle) Gegenstand einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags. Thematisiert wurde auch das „Delisting“, da der Bundesrat gebeten hatte zu prüfen, ob die wirtschaftlichen Interessen von Minderheitsaktionären im Falle eines Rückzuges einer Aktiengesellschaft von der Börse ausreichend geschützt werden, nachdem der Bundesgerichtshof im Jahr 2013 entschieden hat, dass kein Abfindungsangebot mehr geschuldet ist.

Die in diesem Zusammenhang eingereichten Stellungnahmen sprachen sich einhellig für eine Regelung eines Abfindungsanspruchs beim Rückzug von der Börse aus. Dabei gab es kapitalmarktrechtliche und aktiengesetzliche Lösungsansätze für eine Regelung. Bei dem gegenwärtigen Stand der Diskussion sowie den vielen bislang ungeklärten Punkten eines solchen Abfindungsanspruchs, die in den Stellungnahmen dargestellt wurden, ist davon auszugehen, dass eine Regelung zum Delisting nicht mehr in der Aktienrechtnovelle erfolgt. Es ist daher mit einer zeitnahen Verabschiedung der Aktienrechtsnovelle zu rechnen, was nach der mehrjährigen Vorlaufzeit zu begrüßen wäre.

Autor: Dr. Sven Labudda

Änderungen des Corporate Governance Kodex beschlossen

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Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hat am 5. Mai 2015 die Kodexänderungen für dieses Jahr beschlossen, die am 11. Mai 2015 veröffentlicht wurden. Die Änderungen treten, wie gewohnt, erst mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Die Kodexänderungen beinhalten neben weiteren Konkretisierungen und Anpassungen aufgrund von Gesetzesänderungen durch das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst auch drei neue Empfehlungen.

Danach soll neben der Altersgrenze für Aufsichtsratsmitglieder eine Regelgrenze für die Zugehörigkeitsdauer zum Aufsichtsrat festgelegt werden. Im Übrigen soll sich der Aufsichtsrat bei jedem Kandidaten, den er zur Wahl als neues Aufsichtsratsmitglied vorschlägt, vergewissern, dass der Kandidat den zu erwartenden Zeitaufwand aufbringen kann. Als dritte weitere Empfehlung ist im Bericht des Aufsichtsrats, neben der Teilnahme eines Mitglieds an weniger als der Hälfte der Aufsichtsratssitzungen, auch zu vermerken, wenn ein Aufsichtsratsmitglied an weniger als der Hälfte der Sitzungen der Ausschüsse, denen er angehört, teilgenommen hat. Eine Teilnahme über Telefon- oder Videokonferenz soll sowohl für Aufsichtsratssitzungen als auch für Ausschusssitzungen nunmehr ausdrücklich nicht die Regel sein.

Autor: Dr. Sven Labudda

Regierungsentwurf zur Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie – Einschneidende Änderungen für Aktionäre und Emittenten

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Nach Veröffentlichung eines Referentenentwurfs im Februar 2015 und anschließender Konsultation hat die Bundesregierung am 29. April 2015 den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie (Richtlinie 2013/50/EU v. 22. Oktober 2013, „TRL 2013“) beschlossen. Die Umsetzungsfrist für die TRL 2013 endet am 27. November 2015. Aufgrund des in der TRL 2013 gewählten Ansatzes einer „Vollharmonisierung“ und des damit einhergehenden reduzierten Handlungsspielraums des Gesetzgebers ist im Gesetzgebungsverfahren nicht mehr mit vielen Änderungen zu rechnen.

Eine der wenigen vorgesehenen Erleichterungen ist, dass für im organisierten Markt zugelassene Emittenten die Pflicht abgeschafft wird, Zwischenmitteilungen zu veröffentlichen. Die Bedeutung dieser Regelung wird allerdings dadurch relativiert, dass Emittenten, die in Premiumsegmenten wie dem Prime Standard notiert sind, im Einklang mit der TRL 2013 weiterhin nach den Regelwerken der Wertpapierbörsen zur Erstellung von Quartalsfinanzberichten verpflichtet werden können. Die Frist zur Veröffentlichung des Halbjahresfinanzberichts wird von bisher zwei auf drei Monate verlängert.

Für Unternehmen im Rohstoffsektor wird eine Pflicht zur Offenlegung von jährlichen Berichten über Zahlungen an staatliche Stellen eingeführt.

Zentraler Regelungsinhalt der TRL 2013 und des Gesetzentwurfs zu deren Umsetzung sind die grundlegenden Änderungen im Bereich der Beteiligungstransparenz der §§ 21 ff. WpHG. Dabei werden die bisherigen drei Meldetatbestände auf zwei reduziert. Neben den weitgehend unveränderten Meldepflichten nach § 21 WpHG-E i.V.m. dem geringfügig ergänzten § 22 WpHG-E für Stimmrechte aus Aktien gibt es nur noch einen weiteren Meldetatbestand nach § 25 WpHG-E für Finanzinstrumente, bei denen der Erwerb der Aktien nur noch vom Inhaber des Instruments oder vom Zeitablauf abhängt sowie für Instrumente mit „vergleichbarer wirtschaftlicher Wirkung“. Die Meldepflicht ist insoweit unabhängig davon, ob diese Instrumente physisch abgewickelt werden oder einen Barausgleich vorsehen. Nach § 25a WpHG-E ist eine zusätzliche Meldung abzugeben, wenn die Summe der nach § 21 und § 25 WpHG-E zu berücksichtigenden Stimmrechte die Schwellenwerte nach § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG-E mit Ausnahme des Schwellenwerts von 3 % überschreiten. Die Meldetatbestände des § 25 und § 25a WpHG werden somit zusammengefasst. Damit kommt es zu einer materiellen Änderung der bislang in § 25a WpHG geregelten Meldepflichten. Während die bisherige Regelung darauf abstellt, dass Finanzinstrumente ihrem Inhaber „ermöglichen“ Stimmrechte zu erwerben, wird künftig auf einen „vergleichbaren wirtschaftlichen Effekt“ des Finanzinstruments abgestellt. Inwiefern dies dazu führt, dass bestimmte augenblicklich nach Auffassung der BaFin einer Meldepflicht unterfallende Rechte, wie das Vorkaufsrecht, „tag along“ oder „drag along“ Rechte, nicht mehr nach § 25 WpHG-E zu melden sind, bleibt abzuwarten. Ungeklärt ist zudem, ob die Auflistung von meldepflichtigen Instrumenten gem. § 25 Abs. 2 WpHG-E neben der von der ESMA zu veröffentlichenden „nicht erschöpfenden“ Liste meldepflichtiger Instrumente darüber hinaus von der BaFin konkretisiert wird. Die Reichweite dieser Regelung und eine eventuelle Erweiterung der ESMA Liste führt zu einer erhöhten Rechtsunsicherheit, die, insbesondere im Zusammenhang mit den erhöhten Bußgeldvorschriften, kritisch (dazu sogleich) zu sehen ist.

Die Mitteilungspflicht für das Halten von Aktien knüpft nach § 21 Abs. 1b WpHG-E nunmehr an das schuldrechtliche Kausalgeschäft an, wenn dieses einen auf die Übertragung von Aktien gerichteten und ohne zeitliche Verzögerung zu erfüllenden Anspruch oder eine entsprechende Verpflichtung begründet. Diese Änderung, obwohl von der TRL 2013 nicht gefordert, führt faktisch zu einer Vorverlegung der Mitteilungspflicht, da bislang auf die dingliche Übertragung abgestellt wurde.

Zu begrüßen ist die Änderung in § 24 WpHG-E, wonach ein Tochterunternehmen von seinen Meldepflichten befreit wird, wenn das Mutterunternehmen seine Pflichten erfüllt; dies wird die Anzahl von Doppelmeldungen reduzieren.

Die mit der TRL 2013 und dem Umsetzungsgesetz einhergehenden einschneidendsten Änderungen sind die deutliche Anhebung des Bußgeldrahmens und die Einführung einer Veröffentlichung von Verstößen gegen die Transparenzvorschriften auf der Internetseite der BaFin (sog. „Naming and Shaming“). Im Einklang mit den Vorgaben der TRL 2013 können bei Verstößen gegen die Mitteilungspflichten Geldbußen von bis zu 2 Mio. Euro, für juristische Personen von bis zu 10 Mio. Euro verhängt werden. Der Bußgeldrahmen kann bei juristischen Personenüber 10 Mio. Euro hinausgehen, wenn 5 % des Jahresumsatzesdes Emittenten einen höheren Wert ergeben. Dabei ist nach der TRL 2013 auf den Konzernumsatz abzustellen. Zudem kann eine über die vorgenannten Beträge hinausgehende Geldbuße bis zum Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Vorteils verhängt werden.

Nach dem Gesetzentwurf kommt es zu einer Erweiterung des Rechtsverlustes bei Verletzung der Meldepflichten, da ein Rechtsverlust nunmehr bezogen auf sämtliche Zurechnungstatbeständedes § 22 WpHG (nicht nur § 22 Abs. 1 Nr. 1 und 2WpHG wie bislang) eintreten soll. Dies kann dazu führen, dass ein Aktionär, der seine Stimmrechte ordnungsgemäß gemeldet hat, diese trotzdem nicht ausüben kann, da ein anderer Aktionär, dem die Stimmrechte zugerechnet werden, seiner Pflicht nicht nachgekommen ist. Dies ist kritisch zu sehen, da eine Einwirkungsmöglichkeit auf den säumigen Aktionär regelmäßig kaum gegeben sein wird. Darüber hinaus kommt es nach dem Entwurf auch bei Verstößen gegen die Meldepflichten nach § 25 Abs. 1 und § 25a Abs. 1 WpHG-E zu einem Rechtsverlust, wobei der Rechtsverlust erst mit dem nachgelagerten Aktienerwerb zum Tragen kommt.

Stimmrechtsinhaber, die am Tag des Inkrafttretens des Gesetzeseine der in § 21 auch i.V.m. § 22, § 25 oder § 25a WpHG-Egeltenden Schwellen erreichen, überschreiten oder unterschreiten, haben dies nach dem Gesetzentwurf mit einer Bestandsmitteilung bis zum 15. Januar 2016 mitzuteilen. Eine Bestandsmitteilung nach § 21 und § 25a WpHG-E ist dabei allerdings nur dann erforderlich, sofern das Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten aufgrund der durch das Umsetzungsgesetz bedingten Änderungen erfolgt.

Fazit

Die Umsetzung der TRL 2013 führt bei der Stimmrechtstransparenz zu einer Verschärfung der bisherigen Vorschriften. Dazu kommen eine drastische Erhöhung des Bußgeldrahmens sowie ein Naming and Shaming auf der Internetseite der BaFin, unabhängig davon, ob der diesbezügliche Verstoß rechtskräftig festgestellt ist. Emittenten und Aktionären ist deshalb zu empfehlen, sich frühzeitig mit den voraussichtlich Ende dieses Jahres in Kraft tretenden Änderungen auseinander zu setzen und spätestens jetzt ein System zu implementieren, um diese fristgemäß berücksichtigten zu können.

Autor: Dr. Sven Labudda

Die Geschlechterquote für Aufsichtsräte ist da

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Alles neu macht der Mai – am 1. Mai 2015 ist nach langen und öffentlichkeitswirksam geführten Diskussionen das „Gesetzfür die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen“ in Kraft getreten. Danach müssen Unternehmen, die mitbestimmt und börsennotiert sind, ab dem 1. Januar 2016 bei der Neubesetzung ihrer Aufsichtsräte beachten, dass sie eine Quote von mindestens 30 Prozent an Frauen und Männern erfüllen. Unternehmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind, müssen sich bis zum 30. September 2015 erstmals Ziele für die Besetzung von Führungspositionen durch Frauen setzen und hierüber künftig öffentlich berichten.

Starre Mindestquote

Kern des Gesetzes ist die Festlegung einer Geschlechter-Mindestquote von 30 Prozent bei der Besetzung von Aufsichtsräten börsennotierter und zugleich nach Mitbestimmungsgesetz ,dem Montanmitbestimmungsgesetz oder dem Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz paritätisch mitbestimmter Gesellschaften. Die Vorschriften zur Mindestquote erfassen börsennotierte Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) mit in der Regel mehr als 2.000 Mitarbeitern und Europäische Aktiengesellschaften (SE), bei denen das Aufsichtsorgan (dualistisches System) oder das Verwaltungsorgan (monistisches System) jeweils hälftig mit Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern besetzt ist. Schätzungen gehen dahin, dass ca. 100 Unternehmen von den Regelungen betroffen sind. Die Mindestquote von 30 Prozent ist ab 2016 sukzessive bei neu zu besetzenden Aufsichtsratsposten zu beachten. Bestehende Mandate können bis zum Ende der Amtszeit unabhängig von der Gesetzesänderung fortgeführt werden. Grundsätzlich gelten die Vorgaben für das Gesamtorgan Aufsichtsrat, jedoch kann von der Anteilseignerseite ebenso wie von der Arbeitnehmerbank vor der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesamtbetrachtung widersprochen werden, sodass dann Anteilseigner und Arbeitnehmer die Quote gesondert zu erfüllen haben. Verstößt eine Wahl gegen die Besetzungsvorschriften, ist die der Geschlechterquote widersprechende Wahl nichtig. Diesführt dazu, dass der für das unterrepräsentierte Geschlecht vorgesehene Sitz frei bzw. rechtlich unbesetzt bleibt („Rechtsfolge des leeren Stuhls“). Über die Einhaltung der verbindlichen Quote und Abweichungen, die zu begründen sind, sind Angaben in der Erklärung zur Unternehmensführung gemäß § 289a HGB zu machen (comply-or-explain). Die Berichterstattung ist erstmals auf Erklärungen zur Unternehmensführung anzuwenden, die sich auf Geschäftsjahre mit einem nach dem 31. Dezember 2015 endenden Abschlussstichtag beziehen.

Festlegung von Zielgrößen

Sind Unternehmen entweder börsennotiert oder einem Mitbestimmungsgesetz unterworfen (das ist der Fall, sofern der Aufsichtsrat nach dem DrittelbG (>500 Arbeitnehmer), nach dem MitbestG (>2.000 Arbeitnehmer) oder nach den Sondervorschriften des Montanmitbestimmungsgesetzes bzw. des Montanmitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes mit Vertretern der Arbeitnehmer zu besetzen ist), werden sie verpflichtet, künftig Zielgrößen für die Erhöhung des Frauenanteils in ihrem Aufsichtsrat, im Vorstand und für die obersten beiden Managementebenen (gemeint sind hierbei die konkret im Unternehmen eingerichteten Hierarchieebenen unterhalb des Vorstands) festzulegen. Der Kreis der betroffenen Unternehmen umfasst neben AGs, KGaAs und SEs auch GmbHs, Genossenschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit soweit sie jeweils in der Regel mehr als 500 Mitarbeiter haben. Auch die von der starren Mindestquote betroffenen Unternehmen müssen für den Vorstand und die nachgelagerten Führungsebenen die Verpflichtung zur Festlegung von Zielgrößen beachten. Voraussichtlich sind ca. 3.500 Unternehmen betroffen. Bei der Festlegung der Zielgrößen ist zu beachten, dass soweit aktuell in einer Führungsebene der Frauenanteil bei weniger als 30 Prozent liegt, der Status Quo nicht unterschritten werden darf. Die Zielgrößen, die anknüpfend an den Status Quo auch Null betragen können, sind erstmals bis zum 30. September 2015 zu definieren und anschließend bis spätestens zum 30. Juni 2017 zu erfüllen. Äußerungen des Gesetzgebers sprechen dafür, dass von den betroffenen Unternehmen individuelle Zielgrößen jeweils für Aufsichtsrat, Vorstand und Managementebenen zu definieren sind und keine Gesamtquotenbildung zulässig ist. Die Fristen für darauffolgende Zielfestsetzungen dürfen nicht länger als fünf Jahre sein. Über die Zielgrößen muss ebenfalls in der „Erklärung zur Unternehmensführung“ i.S.v. § 289a HGB berichtet werden. Nicht-börsennotierte Unternehmen, die zur Festlegung von Zielgrößen verpflichtet sind, müssen damit künftig erstmals eine Erklärung zur Unternehmensführung abgeben, wenngleich sich diese auf Angaben zu den Zielfestsetzungen beschränken. Die Berichtspflicht ist erstmals mit der Finanzberichterstattung für das Geschäftsjahr zu erfüllen, welche sich auf einen nach dem 30. September 2015 liegenden Abschlussstichtag bezieht. Hierbei ist, soweit ein Ziel nicht erreicht wird, das Abweichen zu erläutern (comply-or-explain).

Drohende Rechtsfolgen

Neben der Rechtsfolge der nichtigen Aufsichtsratswahl und des damit verbundenen „leeren Stuhls“ bei einem Verstoß gegen die Mindestquote sind nachstehende Risiken bei Verstößen gegen die neuen Regelungen zu beachten:„

  • Die fehlerhafte Zusammensetzung bei von der Mindestquote betroffenen Unternehmen kann schlimmstenfalls zu unwirksamen Beschlüssen oder einer generellen Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats führen;„
  • Vorstand/Geschäftsführung bzw. Aufsichtsrat haften nach den gesellschaftsrechtlichen Haftungsvorschriften persönlich wegen Sorgfaltspflichtverletzungen, nach dem Gesetzesentwurf ist dies im Hinblick auf die Gesetzesänderungen besonders zu beachten, soweit bei einer nichtigen Aufsichtsratswahl nicht auf eine baldige ordnungsgemäße Zusammensetzung hingewirkt wird;„
  • Eine falsche oder unvollständige Berichterstattung in der Erklärung zur Unternehmensführung stellt nach dem Handelsgesetzbuch eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einem Ordnungsgeld geahndet werden.

Weitere Inhalte des Gesetzes

Nicht nur die Privatwirtschaft ist von dem Gesetz betroffen, sondern auch der öffentliche Dienst. Ziel des neuen Bundesgremienbesetzungsgesetzes ist die paritätische Vertretung von Frauen und Männern in Gremien, soweit der Bund Mitglieder für diese bestimmen kann. Dies gilt u. a. für die Bundesregierung als Gesamtheit, Bundesministerien und für Aufsichts- und Verwaltungsräte. Das Bundesgleichstellungsgesetz mit gleichem Zweck richtet sich an Bundesgerichte, Behörden und Verwaltungsstellen der unmittelbaren Bundesverwaltung, sowie Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.

Hinweise für die Praxis

Unternehmen sind nun gefordert, den eigenen Status im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Vorschriften und die bislang vorliegenden Geschlechterquoten in den eigenen Gremien zu prüfen. Hierbei sollte auch untersucht werden, ob das Unternehmen tatsächlich den Aufsichtsrat nach den Mitbestimmungsregelungen wählt, zu deren Anwendung es grundsätzlich verpflichtet wäre. (Vgl. dazu auch den nachfolgenden Beitrag zu der Besetzung des Aufsichtsrats) Soweit Unternehmen zur Festlegung von Zielgrößen verpflichtet sind, ist zu beachten, dass die individuelle Zielfestsetzung nach dem Gesetz im Vordergrund steht. Zwar dürfen Unternehmen, bei denen die jeweiligen Quoten unter 30 % liegen, nicht dahinter zurückfallen, jedoch ist eine Beibehaltung des Status Quo – auch wenn er bei 0 % liegt – nicht ausgeschlossen. Auch kann das Unternehmen z. B. entscheiden, ob es langfristige Ziele mit Zwischenschritten oder einzelne Zielfestsetzungen über begrenzte Zeiträume setzen will. Darüberhinaus sind drei wesentliche Zeitpunkte zu berücksichtigen:

  • der 30. September 2015, an dem erstmals eine Zielfestsetzung vorliegen muss,
  • der Zeitpunkt der Finanzberichterstattung für das nach dem 30. September 2015 endende Geschäftsjahr, da im Rahmen dieser Berichterstattung erstmals Aussagen zu den Zielgrößen in die Erklärung zur Unternehmensführung aufzunehmen sind sowie
  • der 30. Juni 2017 als Datum, bis zu dem die gesetzten Ziele erstmals erfüllt werden müssen.

Bei den Unternehmen, die der starren Mindestquote unterfallen, ist zu beachten, dass die bis zum 31. Dezember 2015 abgeschlossenen Wahlverfahren noch dem bisherigen Recht unterliegen. In diesem Jahr sind somit noch Neubesetzungen des Aufsichtsrats möglich, ohne dass die Mindestquote erfüllt werden muss. Die neugewählten Aufsichtsratsmitglieder können dann – unabhängig von den Vorgaben der gesetzlichen Regelungen – für die volle Wahlperiode im Amt bleiben. Sollte ein Wahlverfahren zwar in diesem Jahr begonnen werden, aber erst im kommenden Jahr abgeschlossen sein, sind allerdings die neuen Vorschriften anzuwenden. Dies ist bei den langwierigen Wahlverfahren der Arbeitnehmerbank nach dem MitbestGund dem MitbestErgG, bei Statusverfahren oder bei Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite im Zusammenhang mit dem Wechsel in eine SE zu berücksichtigen. Bei der Berichterstattung zur starren Mindestquote ist zu beachten – dass die Berichtspflicht – anders als bei den Zielfestsetzungen – erst für Geschäftsjahre besteht, deren Abschlussstichtag nach dem31. Dezember 2015 liegt.

Autor: Andreas Hecker, LL.M. oec.

Die Besetzung deutscher Aufsichtsräte gerät auf den Prüfstand

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Eine aktuelle Entscheidung des LG Frankfurt a. M. (Beschluss v. 16. Februar 2015 – 3-16 O 1/14) sorgt derzeit bei zahlreichen deutschen Unternehmen für Unsicherheit. Es geht um die Frage, ob Aufsichtsräte deutscher Unternehmen falsch zusammengesetzt sind bzw. ob nun erstmals ein mitbestimmter Aufsichtsrat gebildet werden muss; die entscheidende Bezugsgröße für die Beantwortung dieser Frage ist bekanntlich die Anzahl der Arbeitnehmer.

Unternehmensmitbestimmung in Deutschland

Überschreiten deutsche Unternehmen bestimmte Schwellenwerte (500 bzw. 2.000 Arbeitnehmer), hat dies (abhängig von der Rechtsform des Unternehmens) in der Regel zur Folge, dass ein mitbestimmter Aufsichtsrat zu bilden ist. Dieser Aufsichtsrat ist dann entweder (i) nach Maßgabe des DrittelbG zu einem Drittel (wenn mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt werden) oder (ii) nach Maßgabe des MitbestG (bzw. der Montanmitbestimmung) sogar zur Hälfte (wenn mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt werden) mit Vertretern der Arbeitnehmer zu besetzen. Bei der Frage, ob bei einem Unternehmen ein paritätischer Aufsichtsrat nach dem MitbestG zu bilden ist, kommt hinzu, dass hierzu nicht nur die unmittelbar von einem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer, sondern auch jene, die bei Tochtergesellschaften beschäftigt werden, mitzuzählen sind. Soweit nichts Neues.

Der Beschluss des LG Frankfurt

Bislang war allerdings anerkannt, dass bei der Berechnung der maßgeblichen Schwellenwerte ausschließlich die in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer mitzuzählen sind; Ausnahmen hiervon wurden grundsätzlich nur im Rahmen von Entsendungen gemacht. Mit dieser jahrzehntelangen Praxis bricht nun das LG Frankfurt. Nach dem Beschluss des LG Frankfurt sind auch im Ausland beschäftigte Mitarbeiter mitzuzählen.

Entgegen der bislang absolut herrschenden Auffassung entschied das LG Frankfurt, dass sich die Arbeitgeberin (hier: die Deutsche Börse AG) auch die im Ausland bei ihren Tochtergesellschaften beschäftigten Arbeitnehmer zurechnen lasse müsse, sodass sie in mitbestimmungsrechtlicher Hinsicht mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftige. Aus diesem Grunde sei der Aufsichtsrat der Deutschen Börse AG nicht lediglich zu einem Drittel, sondern zur Hälfte mit Vertretern der Arbeitnehmer zu besetzen.

Das LG Frankfurt begründet seine Auffassung damit, dass die gesetzlichen Vorschriften des Mitbestimmungsrechts keine Beschränkung auf nur im Inland beschäftigte Arbeitnehmer enthalten. Vielmehr sei der allgemeine Konzernbegriff maßgeblich und insofern sei unstreitig, dass auch ausländische Unternehmen erfasst würden. Darüber hinaus verstoße eine Ungleichbehandlung von im EU-Ausland ansässigen Unternehmen gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot.

Hinweise für die Praxis

Es liegt auf der Hand, dass nunmehr zahlreiche deutsche Unternehmen mit grenzüberschreitenden Geschäftsaktivitäten nachrechnen werden, wie viele Arbeitnehmer sie, einschließlich der im Ausland beschäftigten Mitarbeiter, tatsächlich beschäftigen. Gelangen sie dabei zu der Erkenntnis, dass die oben genannten Schwellenwerte (i) bereits überschritten werden oder (ii) in absehbarer Zeit überschritten werden könnten, und möchten sie ihren gegenwärtigen faktischen Status beibehalten, sollten bereits jetzt präventiv entsprechende Gestaltungsoptionen (Umwandlung in eine Europäische Aktiengesellschaft (SE), grenzüberschreitende Verschmelzung etc.) geprüft werden, sodass diese im Fall der Fälle schnell umgesetzt werden können.

Die Entscheidung des LG Frankfurt ist noch nicht rechtskräftig. Nichtdestotrotz sind Unternehmen mit Geschäftsaktivitäten im Ausland gut beraten, bereits jetzt proaktiv für den Fall der Fälle über mögliche Handlungs- und Gestaltungsoptionen nachzudenken. Die Entscheidung des LG Frankfurt dürfte insbesondere auch bei laufenden oder vor kurzem abgeschlossenen Transaktionen zu berücksichtigen sein, da durch einen Unternehmenskauf – anders als im Falle organischen Wachstums – die maßgeblichen Schwellenwerte im Einzelfall schnell schlagartig überschritten sein können.

Autoren: Klaus Thönißen, LL.M. (San Francisco), Dr. Cédric Müller, LL.M. (Bristol)

BGH: Kein Vermerk über die Testamentsvollstreckung in der GmbH-Gesellschafterliste

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Die Gesellschafterliste der GmbH besitzt im Geschäftsverkehr – insbesondere aufgrund des von ihr vermittelten Schutzes des guten Glaubens – große Bedeutung. Dennoch hat der BGH in einer aktuellen Entscheidung Versuchen der Praxis, diese Schutzwirkung über das gesetzlich vorgesehene Mindestmaß auszuweiten, enge Grenzen gesetzt. In seinem Beschluss vom 24. Februar 2015 (II ZB 17/14) hat der 2. Zivilsenat des BGH klargestellt, dass ein Vermerk über eine bestehende Testamentsvollstreckung über Anteile der GmbH nicht mit in die GmbH-Gesellschafterliste aufgenommen werden kann. Es bestünde kein praktisches Bedürfnis, welches die Aufnahme in die Gesellschafterliste rechtfertige. Die Entscheidung ist für die Frage der Zulässigkeit von anderen Zusatzangaben in der Gesellschafterliste, wie eine Vinkulierung oder das Bestehen einer aufschiebend bedingten Veräußerung eines Anteils, richtungsweisend. Darüber hinaus hat diese Entscheidung hohe Bedeutung für Veräußerungen von Anteilen nach einem Erbfall.

Ausgangspunkt

Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist eine neue Gesellschafterliste einzureichen, wenn eine „Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung“ eingetreten ist. Der BGH entschied bereits in seinem Beschluss vom 20. September 2011 (II ZB 17/10), dass aufgrund dieses Gesetzeswortlauts lediglich exakt diese genannten Umstände (Veränderung bei den Gesellschaftern und Beteiligungsumfang) zu verlautbaren seien. Die Aufnahme von darüber hinausgehenden Informationen sei wenn überhaupt nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn für die Aufnahme ein praktisches Bedürfnis bestehe.

Hat ein Erblasser hinsichtlich einer Beteiligung an einer Gesellschaft unbeschränkte Testamentsvollstreckung angeordnet, sind die Erben grundsätzlich nach §§ 2205 Satz 1, 2211 BGB von der Ausübung der Gesellschafterbefugnisse ausgeschlossen. Der Testamentsvollstrecker übt die den Geschäftsanteil betreffenden Verwaltungs- und Vermögensrechte aus (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2014, II ZR 250/12). Die Testamentsvollstreckung führt dabei insbesondere zu einer Beschränkung der Verfügungsmacht des Erben gem. § 2211 Abs. 1 BGB. Umstritten war bisher insbesondere, ob ein praktisches Bedürfnis für die Eintragung der Testamentsvollstreckung
besteht und ob dieses in der Folge zur Zulässigkeit der Aufnahme in die Gesellschafterliste führt.

Sachverhalt

Im Wege der Erbfolge sind zwei von drei Geschäftsanteilen einer GmbH auf die Erben des bisherigen Gesellschafters übergegangen. Der Erblasser ordnete für die beiden Geschäftsanteile Dauertestamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker, der zugleich auch Geschäftsführer der GmbH war, reichte nach dem Erbfall eine aktualisierte Gesellschafterliste beim Registergericht ein. Diese Gesellschafterliste enthielt allerdings nicht nur die Erben als neue Gesellschafter, sondern auch einen Vermerk über die Testamentsvollstreckung. Das Registergericht wies den Antrag auf Einstellung dieser Liste in das Handelsregister wegen des Testamentsvollstreckervermerks zurück. Die Beschwerde hiergegen bei dem Oberlandesgericht Köln hatte keinen Erfolg. Der BGH hatte damit über die eingelegte Rechtsbeschwerde zu entscheiden.

Entscheidung des BGH

Der BGH entschied, dass das Registergericht die Aufnahme einer mit einem Testamentsvollstreckervermerk versehenen Gesellschafterliste ablehnen darf. Der Vermerk über die Testamentsvollstreckung sei eine unzulässige Angabe.

Der BGH begründet seine Entscheidung in erster Linie damit, dass der Vermerk nicht zu den gesetzlich vorgesehenen Angaben gehöre und es nicht im Belieben der Beteiligten stehen
würde, den Inhalt der von ihnen eingereichten Gesellschafterliste abweichend von den gesetzlichen Vorgaben um weitere, ihnen sinnvoll erscheinende Bestandteile freiwillig zu ergänzen. Gegen zusätzliche Angaben spreche insbesondere der allgemeine Grundsatz der Registerklarheit, der im Interesse des Rechtsverkehrs die Übersichtlichkeit der Informationen gewährleisten und damit Missverständnisse verhindern solle. Ebenso würde aber auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Personen dagegen sprechen.

Der 2. Zivilsenat will sich allerdings offensichtlich nicht abschließend auf die Angaben, die der Gesetzeswortlaut vorsieht, beschränken. Er geht, wie zuvor in seiner Entscheidung vom 20. September 2011 (II ZB 17/10) auf die Frage ein, ob ein erhebliches praktisches Bedürfnis an der Information in der Gesellschafterliste über die Testamentsvollstreckung über einen Geschäftsanteil besteht, das über ein allgemeines Informationsinteresse hinausgeht. Dies verneint er allerdings mit ausführlicher Argumentation.

Der Testamentsvollstrecker, welcher nicht nur regelmäßig die Stimmrechte der Erben auf der Gesellschafterversammlung ausübt, sondern auch die Verfügungsbefugnis über die Anteile
hat, sei nicht auf die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG in Verbindung mit der Gesellschafterliste angewiesen, da das Testamentsvollstreckerzeugnis (§ 2368 BGB) zur Legitimation gegenüber der Gesellschaft, den Mitgesellschaftern und potentiellen Käufern ausreiche.

Daneben bestehe kein praktisches Bedürfnis der Aufnahme des Vermerks zur Verhinderung eines gutgläubigen lastenfreien Erwerbs des Geschäftsanteils eines Erben, da § 16 Abs. 3 GmbHG, der den gutgläubigen Erwerb eines Geschäftsanteils vom Nichtberechtigten ermöglicht, nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 191, 84) gerade nicht den guten Glauben in die unbeschränkte Verfügungsbefugnis schützte. Daneben könne man in der Gesellschafterliste erkennen, wenn
ein Anteil in Erbengemeinschaft gehalten werde, so dass anhand eines Erbscheins die Verfügungsbefugnis nachgeprüft werden könne.

Anders als bei der Kommanditgesellschaft, bei der nach der Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 2012, 730 ff.) auf Antrag ein Testamentsvollstreckervermerk in das Handelsregister einzutragen
ist, bestünde bei der GmbH auch kein praktisches Bedürfnis, die Gläubiger der Gesellschaft vor unberechtigten Vertrauen in die Wirksamkeit einer Haftsummenerhöhung zu schützen, da die GmbH-Gesellschafter grundsätzlich nicht persönlich haften (§ 13 Abs. 2 GmbHG).

Hinweise für die Praxis

Aus Sicht der gesellschaftsrechtlichen Beratungspraxis ist die Entscheidung zu bedauern, da sie den von ihr angestrebten Weg zu mehr Rechtssicherheit versperrt. Zugleich ist das Urteil im Hinblick auf freiwillige, nicht vom Gesetzeswortlaut gedeckte Angaben in der Gesellschafterliste richtungsweisend. Die Entscheidung wird auch auf andere in der Praxis sehr umstrittene
Zusatzangaben, wie beispielsweise das Bestehen einer aufschiebend bedingten Veräußerung, die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Gesellschafters oder eine bestehende Vinkulierung
zu übertragen sein.

Bei Veräußerungen von Anteilen nach einem Erbfall sind damit weiterhin die erbrechtlichen Legitimationspapiere (Erbschein und Testamentsvollstreckerzeugnis) von entscheidender Bedeutung. Käufer müssen im Rahmen des Anteilskaufs auf die Vorlage des Erbscheins bestehen, um etwaige Verfügungsbeschränkungen erkennen zu können. Der Testamentsvollstrecker benötigt auch zukünftig ein Testamentsvollstreckerzeugnis zur Legitimation gegenüber der Gesellschaft, Mitgesellschaftern und potentiellen Käufern. Dies ändert allerdings nichts daran, dass der Testamentsvollstrecker die den Geschäftsanteil betreffenden Verwaltungs- und Vermögensrechte ausübt.

Autor: Philipp Glock

BGH: Keine Sonderprüfung mehr bei Mehrheitsbeschlüssen

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Der BGH hatte es mehrmals angedeutet, nun ist es gewiss: In seiner Entscheidung vom 21. Oktober 2014 kehrte der BGH endgültig vom Bestimmtheitsgrundsatz als Wirksamkeitsvoraussetzung für Mehrheitsklauseln in Personen- und Kapitalgesellschaftsverträgen ab.

Sachverhalt

Durch einen Mehrheitsbeschluss hatte die Gesellschafterversammlung einer GmbH & Co. KG ihre Zustimmung zu einer entschädigungslosen Übertragung von Kommanditanteilen auf eine Schweizer Stiftung erteilt. Der Kläger war Inhaber eines der betroffenen Kommanditanteile und wehrte sich gegen die Übertragung vor Gericht. Nach seiner Auffassung hätte es für die Übertragung eines einstimmigen Beschlusses bedurft.

Die relevante Klausel des Gesellschaftsvertrags lautete:

„Soweit nicht in diesem Gesellschaftsvertrag oder im Gesetz ausdrücklich abweichend geregelt, erfolgen die Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit der vorhandenen Stimmen.“

Für die Beschlussfassung hinsichtlich der Abtretung eines Gesellschaftsanteils enthielt der Gesellschaftsvertrag keine ausdrücklich abweichende Regelung.

Die bisherige Rechtsprechung des BGH: Das Gesetz schreibt vor, dass Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich einstimmig, also mit Zustimmung aller Gesellschafter zu fassen sind (§ 119 HGB, § 709 BGB). Aufgrund der Vertragsfreiheit können Gesellschafter aber abweichend von diesem Grundsatz auch Mehrheitsbeschlüsse im Gesellschaftsvertrag vorsehen. Doch durch Mehrheitsbeschlüsse werden Minderheiten übergangen. Daher stellte der BGH in seiner ursprünglichen Rechtsprechung strenge Anforderungen an die formellen und materiellen Voraussetzungen von Mehrheitsbeschlüssen.

In formeller Hinsicht muss zunächst eine wirksame Rechtsgrundlage für einen Mehrheitsbeschluss vorliegen. Diese Rechtsgrundlage ist die Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag. Zum Schutz vor unvorhersehbaren Folgen bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages musste die Mehrheitsklausel nach ständiger Rechtsprechung des BGH inhaltlich so konkret formuliert sein, dass sich ihre Anforderungen und Folgen eindeutigund klar aus ihr ergaben (sog. Bestimmtheitsgrundsatz).

Insbesondere Mehrheitsklauseln, die einen Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte des einzelnen Gesellschafters vorsahen, wurden häufig mangels hinreichender Genauigkeit für nichtig erklärt.

Sollten die formellen Voraussetzungen vorliegen, ist anschließend materiell zu prüfen, ob der konkrete Beschluss nicht an einer Treupflichtverletzung der Mehrheit gegenüber der Minderheit scheitert. Hier stellte der BGH bisher auf die sog. Kernbereichslehre ab.

Nach der Kernbereichslehre gibt es einerseits unverzichtbare Rechte des einzelnen Gesellschafters, deren Entziehung per se unzulässig ist. Zu diesen unverzichtbaren Rechten gehören das außerordentliche Kontrollrecht, die Teilnahme an der Gesellschafterversammlung, das Anfechtungsrecht bei nichtigen Beschlüssen, das außerordentliche Austrittsrecht und das Rede- und Antragsrecht. Den anderen Teil des Kernbereichs bilden die unentziehbaren Rechte. Dazu zählen Stimmrechte, Gewinnbeteiligungen, Informationsrechte, das Recht au feine Liquidationsquote und das Recht zur Mitwirkung an der Geschäftsführung. Die Wirksamkeit eines Beschlusses hängt dann von der Zustimmung des einzelnen Gesellschafters ab.

Die neue Entscheidung des BGH

Der BGH entschied, dass an die formelle Wirksamkeit der Mehrheitsklausel keine besonderen Anforderungen mehr zu stellen seien. Vielmehr sei nur noch „nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen“ zu ermitteln, ob eine Mehrheitsklausel vorliegt.

Zur Begründung führte der BGH an, dass die Mehrheitsklausel nur eine „Eingangsvoraussetzung für die Gültigkeit von Mehrheitsentscheidungen“ sei. Das bedeutet, dass nicht mehr die Mehrheitsklausel auf einen möglichen Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte überprüft wird, sondern es allein entscheidend ist, dass überhaupt eine Mehrheitsklausel als formelle Legitimationsgrundlage
vorliegt.

Die Prüfung eines Eingriffs in die Mitgliedschaftsrechte des einzelnen Gesellschafters erfolge nun vielmehr auf der zweiten Stufe innerhalb der materiellen Wirksamkeitsprüfung des Gesellschafterbeschlusses. Danach kommt es „nicht (mehr) darauf an, ob ein Eingriff in den sog. ‚Kernbereich‘“ gegeben sei. Vielmehr sei nun maßgeblich, ob der Eingriff in die Rechte des Gesellschafters im Interesse der Gesellschaft geboten und dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner persönlichen schutzwerten Belange zumutbar ist. Ausdrücklich ließ der BGH dahingestellt, ob und in welchem Umfang er überhaupt unverzichtbare Rechte anerkenne. Er differenzierte in seiner Entscheidung hingegen nur zwischen absolut und relativ unentziehbaren Rechten, bei denen regelmäßig eine treupflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht anzunehmen sei. In allen sonstigen Fällen habe die Minderheit den Nachweis einer Treupflichtverletzung durch die Mehrheit zu beweisen.

Auswirkungen für die Praxis

Mehrheitsklauseln können fortan als Generalklausel ausgestaltet werden, ohne dass dies zu ihrer Unwirksamkeit führt. Das spart Arbeit bei der Gestaltung von Gesellschaftsverträgen.

Dennoch ist Vorsicht geboten: Hinter Klauseln, die weiterhin konkret einen Beschlussgegenstand bezeichnen, kann eine sogenannte „antizipierte Zustimmung“ des einzelnen Gesellschafters stecken. Der BGH hat in seiner Entscheidung explizit darauf hingewiesen, dass eine antizipierte Zustimmung weiterhin zulässig ist. Dabei erteilt ein Gesellschafter schon mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages seine vorweggenommene Zustimmung, ohne dass es auf sein späteres Abstimmungsverhalten bei der konkreten Beschlussfassung ankommt. Damit einer Mehrheitsklausel aber eine antizipierte Zustimmungentnommen werden kann, muss die entsprechende Klausel einen konkreten Eingriff benennen und die Art und das Ausmaß des Eingriffs exakt erkennen lassen. Diese Anforderungen sind insofern noch strenger als der bislang geltende Bestimmtheitsgrundsatz.

Abzuwarten bleibt, welche Anforderungen die Gerichte an diematerielle Wirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses stellen werden. Entscheidend ist, dass wohl keine Beschlussgegenstände mehr per se als „unverzichtbare Rechte“ ausgeschlossen werden können. Eine Ausnahme bleiben natürlich die Rechte, die schon per Gesetz indisponibel sind. Eines aber bleibt unverändert: Bei einem Eingriff in ein unentziehbares Recht wird es weiterhin maßgeblich auf die persönliche Zustimmung des einzelnen Gesellschafters ankommen.

Autor: Dr. Christoph von Burgsdorff, LL.M. (Essex)

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