22.08.2018

Wer bin ich? – Zwangsvollstreckung bei Rechtsform- und Firmenänderung

Blog

Hintergrund

22.08.2018

Wer bin ich? – Zwangsvollstreckung bei Rechtsform- und Firmenänderung

Kann man aus einem Vollstreckungstitel ohne weiteres vollstrecken, wenn sich in der Zwischenzeit die Firma und die Rechtsform der Gläubigerin geändert hat? Mit dieser Frage und den notwendigen Anforderungen beschäftigte sich der BGH im Beschluss vom 17. Mai 2017 – VII ZB 64/16.

Folgender Sachverhalt wäre denkbar: Eine Gläubigerin erlangt als GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) einen Titel, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben werden soll. Bei dem Titel kann es sich beispielsweise um ein rechtskräftiges Endurteil oder einen Vollstreckungsbescheid im Anschluss an ein Mahnverfahren handeln. Als Konsequenz eines jahrelangen Wachstums kommt es zu gesellschaftsrechtlichen Reorganisationen, was in einer gesellschaftsrechtlichen Änderung, der Umwandlung der GbR zu einer OHG (offenen Handelsgesellschaft) mündet. Die Gläubigerin firmiert ab jetzt also unter einer anderen Bezeichnung, die nicht mehr mit der Bezeichnung im Titel übereinstimmt. Diese Rechtsform- und Firmenänderung stellt den stark formalistisch geprägten Zwangsvollstreckungsvorgang vor gewisse Hürden.

Grundsatz: Titelumschreibung
Gemäß § 750 Abs. 1 ZPO darf eine Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind. Dies wirft nun die eingangs gestellte Frage auf, unter welchen Voraussetzungen die Vollstreckung aus einem Titel bei einer zwischenzeitlich erfolgten Rechtsform- und Firmenänderung möglich ist. Grundsätzlich bedarf es bei einer Rechtsform- und Firmenänderung für die Zwangsvollstreckung einer Umschreibung nach § 727 bzw. § 729 ZPO auf die neue Gläubigerin.

Eine Ausnahme von einer solchen Titelumschreibung herrscht, sofern die nunmehr in die Zwangsvollstreckung involvierte Partei mit der auf dem Titel bezeichneten identisch geblieben ist. Beispielsweise - und relevant für den vom BGH entschiedenen Fall - gilt bei einem Wandel von einer GbR zu einer OHG: Durch Eintragung im Handelsregister (§§ 2 – 5, 105 Abs. 2, 123 Abs. 1 HGB) oder durch Aufnahme eines Handelsgewerbes (§§ 1 Abs. 2, 123 Abs. 2 HGB) wird die GbR unter Beibehaltung ihrer Identität zur OHG. Ohne Rechtsübergang wird eine Forderung der GbR also zu einer Forderung der OHG, ohne weiteres besteht ein zugunsten der GbR existierender Vollstreckungstitel zugunsten der OHG.

„Beischreibung“ oder zweifelsfreier Nachweis
Der BGH favorisiert in einem solchen Fall folgende Lösung (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2016 - V ZB 148/14): Haben sich die Rechtsform und auch die Firma des Rechtsträgers geändert, könne die neue Bezeichnung des Gläubigers auf dem Titel vermerkt werden (sog. Beischreibung), weil die Vollstreckungsorgane mit der Prüfung der Identität der betreffenden Person andernfalls überfordert wären und damit der Beginn der Vollstreckung gefährdet wäre.

Die Beischreibung sei jedoch verzichtbar, wenn die Identität des Vollstreckungsgläubigers mit der im Titel bezeichneten Person für das Vollstreckungsorgan durch entsprechende Urkunden zweifelsfrei nachgewiesen werde. Hinsichtlich Inhalt und Umfang des Nachweises durch öffentliche oder beglaubigte Urkunden herrschen verschiedene Ansichten.

Der vom BGH entschiedene Fall
Das dem BGH zugrunde liegende Verfahren betraf - wie im oben angeführten Beispiel - eine als (mittlerweile) „XY-OHG“ firmierende OHG als Gläubigerin, die unter Vorlage eines gegen die Schuldnerin ergangenen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheids über eine Geldforderung den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beantragte. Mit diesem sollten Ansprüche der Schuldnerin gegen die Drittschuldner gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen werden. Als Gläubigerin wurde in dem Vollstreckungsbescheid die „XY-GbR“ aufgeführt. Als Nachweis über die Personenidentität legte die „XY-OHG“ eine notariell beglaubigte Abschrift eines Auszugs aus ihrer Handelsregisteranmeldung vor. Dort wies der geschäftsführende Gesellschafter neben Einträgen zu weiteren früheren Firmenänderungen (so firmierte die GbR zuvor etwa unter „X. und Y. GbR”) darauf hin, dass die „XY-OHG“ in der Rechtsform der GbR bereits insofern identisch bestand.

Dies vermochte für den BGH keinen Nachweis für eine Personenidentität darzustellen. Denn die Aussagen des Geschäftsführers seien lediglich eine eigene Erklärung und eben kein „zweifelsfreier Nachweis“. Insbesondere sei mit Blick auf die weiteren im Handelsregisterauszug aufgeführten Umfirmierungen letztlich unklar, inwieweit zwischen der „XY-OHG“ und „XY-GbR“ Personenidentität bestehe.

Was gilt es nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofes zu beachten?
Bei einem Vollstreckungsbegehren durch eine (behauptet) personenidentische Firma favorisiert der BGH mit der Beischreibung eine Lösung nicht über das Vollstreckungsgericht, sondern über jenes Organ, das den Titel in die Welt gesetzt hat – bei einem Endurteil: das erkennende Gericht.

Denkbar wäre aber auch das Erbringen des Nachweises beim Vollstreckungsgericht durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden analog § 727 ZPO, eine mangels Rechtsübergangs bei bestehender Personenidentität eigentlich nicht erforderliche Umschreibung des Titels. Die weitere Lösung, ein zweifelsfreier Nachweis der Personenidentität beim Vollstreckungsgericht, erfordert insbesondere eine Prüfung, ob sich die Rechtsform- und Firmenänderung(en) lückenlos nachweisen lassen und sich aus diesen, ohne lediglich eigene Erklärungen der Partei darzustellen, eine Personenidentität ergibt.

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
Rechtsanwalt
Partner
stephan.bausch@luther-lawfirm.com
Telefon +49 221 9937 25782




 

 

Murat Deniz Akgül
Rechtsanwalt
Associate
murat.akguel@luther-lawfirm.com
Telefon +49 30 52133 10741