30.10.2018

Verstößt BGH gegen inter partes-Wirkung von Urteilen? – Die Verjährungseinrede des Bürgen bei Rechtskraft der Hauptschuld

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Hintergrund

30.10.2018

Verstößt BGH gegen inter partes-Wirkung von Urteilen? – Die Verjährungseinrede des Bürgen bei Rechtskraft der Hauptschuld

Dass die Übernahme einer Bürgschaft für den Bürgen ein riskantes Geschäft bedeutet, ist allgemein bekannt und dem System der Bürgschaft immanent. Zum Schutz vor einer voreiligen Inanspruchnahme steht dem gut beratenen Bürgen deshalb in der Regel ein „doppeltes Sicherungsnetz“ zur Verfügung. Erstens muss der Gläubiger grundsätzlich zunächst den Hauptschuldner in Anspruch nehmen, hat der Bürge nicht auf die Einrede der Vorausklage verzichtet. Leistet der Hauptschuldner nicht, so muss der Gläubiger gleichwohl zunächst versuchen, seine (vermeintliche) Forderung gegen diesen im Wege des Prozesses durchzusetzen. Erst in einem zweiten Schritt kann sich der Gläubiger danach an den Bürgen wenden, wobei dieser – als zweite Sicherung – wiederum eine Anzahl von akzessorischen Gegenrechten hat, die er dem Gläubiger in diesem weiteren Prozess entgegenhalten kann. Eben diese Sicherung hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil vom 14. Juni 2016 (Az. XI ZR 242/15) jedoch - jedenfalls in Teilen – abgeschwächt, indem er dem Bürgen versagte, sich auf die Einrede der Verjährung berufen zu dürfen.
 

Gegenstand des Urteils

Der Gläubiger hatte aufgrund eines nicht getilgten und anschließend fällig gestellten Darlehens zunächst den Hauptschuldner in Anspruch genommen. Während mit diesem Vergleichsverhandlungen geführt wurden, erhob der Gläubiger Klage gegen den Bürgen. Nachdem die Vergleichsverhandlungen mit dem Hauptschuldner gescheitert waren, beantragte der Gläubiger einen Mahnbescheid gegen ihn, der in einem streitigen Verfahren mündete. In diesem Verfahren berief sich der Hauptschuldner zwar auf die Verjährung des Anspruchs, das LG Frankfurt verurteilte ihn dennoch zur Zahlung, was wiederum eine neue 30-jährige Verjährungsfrist nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB in Gang setzte.

Als sich der Bürge in seinem Prozess mit dem Argument verteidigen wollte, dass die Forderung gegen den Hauptschuldner bereits verjährt sei, verwehrte das Berufungsgericht, wie auch der BGH, dem Bürgen diese Einrede. Denn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Bürgen stand fest, dass gegen den Hauptschuldner durch das gegen ihn ergangene rechtskräftige Urteil eine neue 30-jährige Verjährungsfrist in Gang gesetzt wurde, ihm die Einrede der Verjährung somit nicht mehr zustand, weshalb sie auch dem Bürgen nicht mehr zur Verfügung stehen konnte.
 

Verstößt BGH gegen inter partes-Wirkung von Urteilen?

Das Urteil war schnell starker Kritik ausgesetzt, da der BGH gegen einen fundamentalen Grundsatz des deutschen Zivilprozessrechtes, die inter partes-Wirkung von Urteilen, zu verstoßen schien. Dieser Schein trügt allerdings, da dem Urteil gegen den Hauptschuldner nur eine präjudizielle Wirkung dahingehend entnommen wurde, dass im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung festgestellt sei, dass der betreffenden Partei die Einrede nicht zusteht. Das Urteil ist somit vielmehr Ausfluss der festen, im BGB geregelten Bindung zwischen Hauptschuldner und Bürgen. Nach dieser kann der Bürge lediglich die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Hat, wie im Falle des BGH, bereits ein Gericht entschieden, dass dem Hauptschuldner die Einrede der Verjährung gerade nicht zusteht, so gilt dies in der Folge auch für das weitere Verfahren gegen den Bürgen. Das materielle Recht „sticht“ also im Ergebnis das prozessuale Recht.
 

Praxishinweis

In der Konsequenz bedeutet dies, dass sich eine „schlechte Prozessführung“ des Hauptschuldners, bei der dieser durch Prozessfehler nicht die ihm zustehenden Einreden geltend macht, auch zum Nachteil des Bürgen auswirkt. Die ohnehin schon enge „Schicksalsgemeinschaft“ zwischen Bürge und Hauptschuldner wird damit noch um eine prozessuale Komponente erweitert. Der Bürge muss somit auch ein Interesse daran haben, dass der Hauptschuldner seinen Prozess ordnungsgemäß führt. Tut er dies nachweislich nicht, ist eine analoge Anwendung des § 768 Abs. 2 BGB zu erwägen, durch die das Prozessverhalten des Hauptschuldners als Einredeverzicht gewertet werden könnte, der sich nicht zum Nachteil des Bürgen auswirken würde.

 

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
Rechtsanwalt
Partner
stephan.bausch@luther-lawfirm.com
Telefon +49 221 9937 25782
 

 

Maximilian Kubis
Rechtsanwalt
Associate