18.06.2025
Der Erhalt von Verlustvorträgen ist Gegenstand zahlreicher Gesetzgebungsvorhaben gewesen. Um zu verhindern, dass gut verdienende (und damit steuerpflichtige) Unternehmen leere GmbH-Mäntel mit hohen Verlustvorträgen kaufen, um durch Verschmelzung die Verlustvorträge zu nutzen und die eigene Steuerlast zu senken, hat der Gesetzgeber bereits in den 80er Jahren eine Neuordnung auf den Weg gebracht. Danach durften Verlustvorträge nur noch genutzt werden, wenn „überwiegend neues Betriebsvermögen“ zugeführt wurde (ehemals § 8 Abs. 4 KStG). Dies führte zu einer unklaren Rechtslage und damit zu vielen Gerichtsverfahren. Im Jahr 2007 beschloss der Gesetzgeber eine drastische Verschärfung durch die Einführung des § 8c KStG. Nunmehr gingen beim Erwerb von mehr als 25% der Gesellschaftsanteile die Verlustvorträge quotal unter, beim Erwerb von mehr als 50% komplett. Die Details sind noch deutlich komplizierter.
Jedenfalls führte der Gesetzgeber schon früh eine sogenannte Sanierungsklausel ein, nach der Verlustvorträge nicht untergingen, wenn der Beteiligungserwerb in der Krise und zum Zwecke der Sanierung erfolgte. Hintergrund war, dass ansonsten ein möglicher Investor lieber abwartete, bis das Unternehmen in der Insolvenz war und er den Geschäftsbetrieb kaufen und zumindest das Abschreibungspotential nutzen konnte.
Seit 2019 gilt nunmehr die heutige Regelung des § 8c Absatz 1a KStG: „Für die Anwendung des Absatzes 1 ist ein Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung des Geschäftsbetriebs der Körperschaft unbeachtlich. Sanierung ist eine Maßnahme, die darauf gerichtet ist, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu verhindern oder zu beseitigen und zugleich die wesentlichen Betriebsstrukturen zu erhalten.“
Modifizierung:
In einem Entwurf zu einem BMF-Schreiben an die Obersten Finanzbehörden der Länder werden nunmehr einige (strittige) Details der Vorschrift klargestellt:
Sanierungsvoraussetzungen
Die Anwendung der Sanierungsklausel setzt danach voraus, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs sanierungsbedürftig und sanierungsfähig ist.
Sanierungsbedürftig ist die Körperschaft, wenn Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung (§§ 17-19 InsO) drohen oder bereits eingetreten sind, also eine Krise vorliegt.
Sanierungsfähig ist die Gesellschaft, wenn die objektive Möglichkeit besteht, durch die angestrebten Maßnahmen die Krise zu beseitigen.
Weitere Voraussetzungen
Der „Erhalt der wesentlichen Betriebsstrukturen“ liegt vor, wenn
1. Betriebsvereinbarung
Zur Annahme des Erhalts wesentlicher Betriebsstrukturen gehört zwingend der Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit einem Betriebsteil, in dem mindestens die Hälfte der Arbeitnehmer beschäftigt sind. Es müssen Aussagen über den Erhalt und die Sicherung der Arbeitsplätze getroffen werden, wobei es keine Mindestzahl der zu erhaltenden Arbeitsplätze gibt. Die Betriebsvereinbarung muss tatsächlich befolgt werden.
2. Lohnsummenregelung
Nach dem Gesetz darf die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen der Körperschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb 400 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten. Dies führte häufig zur Verwirrung, weil nicht klar war, was die Bezugsgröße sein sollte. Hier stellt das BMF-Schreiben klar, dass für die Ermittlung der Ausgangslohnsumme die letzten 5 Jahre vor dem Beteiligungserwerb maßgebend sind. Außerdem wird klargestellt, dass die Regelung nicht anwendbar ist, wenn die Körperschaft nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.
3. Wesentliches Betriebsvermögen
Das BMF-Schreiben stellt klar, dass die Zuführung von 25% Betriebsvermögen innerhalb von 12 Monaten nach dem Beteiligungserwerb entweder in das Nennkapital oder in die Kapitalrücklage erfolgen kann. Letzteres ist gesellschaftsrechtlich deutlich einfacher darstellbar. Auch Aufgelder sind als Zuführung zu qualifizieren. Der Erlass von Forderungen ist nur insoweit zu berücksichtigen, als diese im Zeitpunkt des Erlasses werthaltig waren.
Werden die vorstehenden Voraussetzungen nach dem Beteiligungserwerb wieder rückgängig gemacht, entfällt nachträglich der Erhalt der Verlustvorträge.
Das BMF Schreiben – so es denn in dieser Form veröffentlicht wird – stellt einige Zweifelsfälle klar und wird dadurch zu einer besseren Planbarkeit von Investitionen in der Krise sorgen. Weitere Verbesserungen sind denkbar – aber dies ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.
Reinhard Willemsen
Partner
München,
Köln
reinhard.willemsen@luther-lawfirm.com
+49 89 23714 25792