06.06.2018

Der neue alte Sachverständige - Mitwirkung in derselben Sache in einem Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung

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Hintergrund

06.06.2018

 

Der neue alte Sachverständige - Mitwirkung in derselben Sache in einem Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung

Sachverständigengutachten haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Ausgang zahlreicher Gerichtsverfahren – dienen sie doch sowohl den Prozessparteien als Argumentationsgrundlage als auch dem Richter als Kernpunkt für die Urteilsbegründung. Die Prozessparteien können daher ein gesteigertes Interesse daran haben, einen Sachverständigen vom konkreten Verfahren auszuschließen, um ein aus ihrer Sicht ungünstiges Gutachten zu vermeiden. Dabei gibt der Gesetzgeber den Parteien über den Verweis in § 406 Abs. 1 ZPO die Ausschlussgründe an die Hand, die gemäß §§ 41, 42 ZPO für den Ausschluss von Richtern gelten.

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2016 (Az.: VI ZB 1/16) entschied der Bundesgerichtshof (BGH) über den Ausschluss eines Sachverständigen vom Gerichtsverfahren, der bereits zuvor im Rahmen einer außergerichtlichen Konfliktbeilegung ein Gutachten zum Streitfall erstellt hat.

Und täglich grüßt Professor Dr. R.
Der Antragssteller wurde in dem vom Antragsgegner betriebenen Krankenhaus stationär und anschließend ambulant behandelt. Nach der Behandlung machte der Antragssteller Behandlungsfehler geltend, die er durch ein Gutachten der Gutachter- und Schlichtungsstelle für ärztliche Behandlungen der Landesärztekammer Hessen darlegen wollte. Das von ihm beantragte und daraufhin von Professor Dr. R. erstellte Gutachten fiel jedoch negativ aus. Somit beantragte der Antragssteller die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gemäß § 485 ZPO durch Einholung eines weiteren schriftlichen Sachverständigengutachtens. Das zuständige Landgericht bestimmte wiederum Professor Dr. R. als Sachverständigen, was der Antragssteller aufgrund der Besorgnis der Befangenheit ablehnte.

Befangenheit bei vorheriger Gutachtertätigkeit vor einer Schlichtungsstelle
Der BGH hielt die Ablehnung eines Sachverständigen, der bereits im Rahmen eines außergerichtlichen Verfahrens als Gutachter tätig geworden ist, nach §§ 406 Abs. 1 S. 1, 41 Nr. 8 ZPO für begründet. § 41 Nr. 8 ZPO sehe vor, dass Richter von Gerichtsverfahren auszuschließen seien, wenn sie in derselben Streitsache zuvor im Rahmen eines außergerichtlichen Verfahrens der Konfliktbeilegung tätig geworden sind. Über den Verweis in § 406 Abs. 1 ZPO gelte dies grundsätzlich auch für Sachverständige. Ein außergerichtliches Verfahren der Konfliktbeilegung sei auch ein solches vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle für ärztliche Behandlungen der Landesärztekammer Hessen.

Auch Sinn und Zweck des § 41 Nr. 8 ZPO gebiete den „Ausschluss“ des Sachverständigen. § 41 Nr. 8 ZPO solle im Rahmen der außergerichtlichen Konfliktbeilegung eine vertrauensvolle und offene Atmosphäre schaffen, in der keine der Prozessparteien befürchten muss, dass etwaige Äußerungen oder bekannt gewordene Tatsachen in einem späteren Gerichtsverfahren negative Auswirkungen haben könnten. Dies könne jedoch nicht mehr gewährleistet werden, wenn die Prozessparteien befürchten müssten, dass der im außergerichtlichen Verfahren tätig gewordene Sachverständige seine Eindrücke und Erkenntnisse auch in das spätere Gerichtsverfahren einfließen ließe. Daher sei es zudem unerheblich, ob die Befürchtung im Einzelfall tatsächlich begründet sei.

Auswirkungen auf die Praxis
Außergerichtliche Verfahren erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, da der mit einem Gerichtsverfahren einhergehende Kosten- und Zeitaufwand für die Prozessparteien deutlich reduziert wird. Sofern der vorbefasste Sachverständige wegen Befangenheit auf Antrag einer der Prozessparteien von einer späteren Beweiserhebung ausgeschlossen wird, steigen sowohl die Kosten als auch der Zeitaufwand im Rahmen des Gerichtsverfahrens. Schließlich muss zunächst ein verfügbarer Sachverständiger „gefunden“ werden - was insbesondere bei Spezialgebieten Schwierigkeiten bereiten kann -, der sich anschließend neu in Materie und Sachverhalt einarbeiten muss. Dies sollte vorab von den Prozessparteien berücksichtigt werden. Selbstverständlich gilt dies nicht, wenn beide Parteien mit der gerichtlichen Ernennung eines vorbefassen Sachverständigen einverstanden sind. Der „Ausschluss“ eines Sachverständigen erfolgt nicht von Gesetzes wegen, sondern nur aufgrund eines Parteiantrags.
 

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
Rechtsanwalt
Partner
stephan.bausch@luther-lawfirm.com
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Anne Brendel
Rechtsanwältin
Associate
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