26.11.2019

Vertragsstrafen im kaufmännischen Geschäftsverkehr – Wie vereinbare ich sie wirksam?

Vertragsstrafen sind im kaufmännischen Geschäftsverkehr ein häufig verwendetes Mittel, um die Erfüllung vertraglicher Pflichten abzusichern. Die wirksame Formulierung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt hohen Anforderungen.

Hintergrund

In einer Vielzahl an Situationen besteht im kaufmännischen Geschäftsverkehr ein gesteigertes Interesse an der Erfüllung bestimmter vertraglicher Pflichten. Zur Verhinderung von Vertragsverletzungen bietet das Instrument der Vertragsstrafe ein effektives Mittel, da hierdurch neben der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung auch die Feststellung des Schadens und der Schadenshöhe im Fall einer Vertragsverletzung entbehrlich wird. Typischerweise finden Vertragsstrafen daher in Situationen Anwendung, in denen ein zukünftiger Schaden nur schwer beweisbar ist, wie etwa bei der Verletzung von Geheimhaltungspflichten, Lieferpflichten oder beim Verstoß gegen Wettbewerbsverbote.

Die Gestaltung der Vertragsstrafe findet ihre Grenzen dabei entweder in den Bestimmungen des BGB zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB oder, bei individueller Vereinbarung, in den Grenzen der Sittenwidrigkeit. Während den Parteien bei der individuellen Vereinbarung ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht, besteht im Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB regelmäßig die Gefahr der Unwirksamkeit der Vertragsstrafenabrede.

So ist zum Beispiel die vertragsstrafenbewehrte Pflichtverletzung konkret zu benennen, eine bloße Verweisung auf sämtliche Vertragsverstöße genügt nicht. Ebenso muss verdeutlicht werden, dass die Vertragsstrafe an einer schuldhaften Pflichtverletzung anknüpft, da lediglich solche Verstöße mit dem Grundgedanken des deutschen Schadensrechts vereinbar sind, und dies andernfalls eine unangemessene Benachteiligung des Schuldners zur Folge hätte.

Wie hoch darf eine Vertragsstrafe sein?

Die größte Herausforderung, die bei der Ausgestaltung der Vertragsstrafenklausel zu bewältigen ist, stellt die Festlegung der Höhe der Vertragsstrafe dar. Die Höhe der zu zahlenden Vertragsstrafe muss dem Vertragsverstoß nach Art, Gewicht und Dauer des Verstoßes Rechnung tragen und darf nicht zu unangemessenen Benachteiligungen des Schuldners führen.

Soll die Verletzung einer Handlungspflicht (z.B. Lieferpflichten, Mindestabnahmepflichten) sanktioniert werden, ist die Vertragsstrafe summenmäßig und zeitlich zu begrenzen, um dem Gläubiger keine zusätzliche dauerhafte Einnahmequelle zu generieren. In der Regel wird eine Begrenzung auf insgesamt maximal 5 % der Gesamtbruttovertragssumme als wirksam angesehen, wobei die Höhe der Vertragsstrafe für einen Kalendertag 0,2 % und für einen Werktag 0,3 % der Gesamtbruttosumme nicht überschreiten sollte. Ob eine darüber hinausgehende Vertragsstrafe einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle standhält, ist einzelfallabhängig.

Betrifft die Vertragsstrafe hingegen eine bloße Unterlassungspflicht, wie sie sich z.B. aus Wettbewerbsverboten oder Geheimhaltungspflichten ergibt, gilt Folgendes: Die Vertragsstrafe darf für den Schuldner durchaus „spürbar“ sein, um eine Druckfunktion zu erzeugen. Gleichwohl muss die Vertragsstrafe hinsichtlich der Schwere des Verstoßes und den zu erwartenden Schäden differenzieren. Um diesen Anforderungen Rechnung zu tragen empfiehlt es sich, eine Vertragsstrafe z.B. nach dem „neuen Hamburger Brauch“ zu bestimmen. Hierdurch wird die Höhe der Vertragsstrafe in der Klausel nur umrissen und die konkrete Festlegung erfolgt erst im Schadensfall durch den Gläubiger nach billigem Ermessen. Dies hat für den Gläubiger den Vorteil, dass die Gefahr der Unwirksamkeit der Vertragsstrafenklausel erheblich verringert wird. Der Schuldner kann die konkrete Festlegung der Schadenshöhe vollumfänglich gerichtlich überprüfen lassen.

Kann über die Vertragsstrafe hinaus Schadensersatz verlangt werden?

Vertragsstrafen stehen regelmäßig im Spannungsfeld zwischen der Erfüllung der Primärpflicht und der Geltendmachung von Schadensersatzforderungen wegen Pflichtverletzungen. Um einen Anspruchsverlust zu vermeiden, ist Vorsicht bei der Formulierung und Geltendmachung der Vertragsstrafe geboten. So kann z. B. die Geltendmachung einer Vertragsstrafe, welche die Nichterfüllung einer vertraglichen Pflicht sanktioniert, zum Ausschluss des Primäranspruchs führen. Sanktioniert die Vertragsstrafe hingegen die ordnungsgemäße Leistung (z.B. die Lieferung zu einem bestimmten Zeitpunkt) kann der Anspruch auf die Vertragsstrafe entfallen, wenn der Gläubiger die (verspätete) Leistung vorbehaltlos annimmt. Zudem kann in dieser Konstellation auch die Gefahr bestehen, dass Schadensersatzansprüche, die über die gezahlte Vertragsstrafe hinaus gehen, durch die vorbehaltslose Annahme der Vertragsstrafe ausgeschlossen werden.

In der Regel ist die Vertragsstrafe aber als Mindestentschädigung zu betrachten, die auf den darüber hinaus geltend gemachten Schadensersatz anzurechnen ist.

Handlungsempfehlung

Aufgrund der hohen Anforderungen an eine wirksame Vertragsstrafenklausel empfiehlt sich die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zur Entwicklung einer maßgeschneiderten und wirksamen Lösung.

 

Anne Biebler

Rechtsanwätlin
Corporate / M&A
Leipzig

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Max Berzau

Rechtsreferendar
Leipzig

Autor/in
Anne Biebler

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