08.08.2019

Die neue Transparenz- und Fairnessverordnung für Suchmaschinen und Online-Vermittlungsdienste ist auf dem Weg

Die neue Verordnung bringt verbindliche Regelungen für die Gestaltung der AGB von Online-Vermittlungsdiensten (im Folgenden Vermittlungsdienste) mit, in denen diese ihre Kriterien für das Ranking der Waren und Dienstleistungen ohne Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen erklären sollen. Für Online-Suchmaschinen (im Folgenden Suchmaschinen) besteht diese Pflicht analog in Form einer öffentlich zugänglichen Erklärung. Die Vermittlungsdienste werden auch verpflichtet, ein internes Beschwerdemanagementsystem einzurichten.

Hintergrund

Auf den Punkt.

Die neue Verordnung bringt verbindliche Regelungen für die Gestaltung der AGB von Online-Vermittlungsdiensten (im Folgenden Vermittlungsdienste) mit, in denen diese ihre Kriterien für das Ranking der Waren und Dienstleistungen ohne Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen erklären sollen. Für Online-Suchmaschinen (im Folgenden Suchmaschinen) besteht diese Pflicht analog in Form einer öffentlich zugänglichen Erklärung. Die Vermittlungsdienste werden auch verpflichtet, ein internes Beschwerdemanagementsystem einzurichten.

Die Verordnung wird sowohl für Vermittlungsdienste als auch Suchmaschinen gelten, die nicht innerhalb der europäischen Union niedergelassen sind, aber ihre Dienste den in der Europäischen Union befindlichen Verbrauchern oder dort niedergelassenen Unternehmen anbieten.
 

Hintergrund und Ziel der Kommission

Ab dem 12. Juli 2020 wird die neue Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (VO (EU) 2019/1150 ) unmittelbar in allen europäischen Ländern gelten. Die Verordnung bringt einige Neuerungen im Bereich der Vertragsgestaltung als auch Anforderungen für ein nun verbindliches Beschwerdemanagementsystem für Vermittlungsdienste. Doch auch Suchmaschinen sind im Fokus dieser Verordnung.

Da sowohl die online basierten Suchmaschinen als auch Vermittlungsdienste ein inhärent grenzübergreifendes Potenzial in sich bergen und in der Wirtschaft für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts der Union von besonderer Bedeutung sind, zielt die Verordnung darauf ab, für mehr Transparenz bei diesen Onlinediensten zu sorgen. Ziel ist die Schaffung eines wettbewerbsfähigen, fairen und transparenten Online-Ökosystems.

Das Ranking von Unternehmens-Websites auf Suchmaschinen als auch von Waren und Dienstleistungen bei Vermittlungsdiensten hat eine erhebliche Auswirkung auf die Wahlmöglichkeiten des Verbrauchers und auf den geschäftlichen Erfolg von (gewerblichen) Nutzern dieser Plattformen. Durch die verstärkte Verwendung der Plattformen kommt ihren Diensten eine erhöhte Marktmacht zu, die diese in unlauterer Weise ausnutzen könnten. Um diese Marktmacht der Plattformbetreiber einzuschränken, hat die Kommission zum Ziel gehabt, das Ranking fairer und transparenter zu gestalten. Unternehmen, die sich solcher Dienste bedienen, soll es ermöglicht werden, die Kriterien für das Ranking einzusehen, damit diese die jeweiligen Anbieter besser vergleichen und das für sie entsprechend passende Portal auswählen können. Zugleich sollen damit wettbewerbswidrige Handlungen durch die Plattformbetreiber aufgedeckt und besser nachvollzogen werden können.
 

Was ändert sich für Online-Vermittlungsdienste?

Zunächst sind Vermittlungsdienste im Sinne der Verordnung nur solche, die die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllen. Sie erbringen eine Dienstleistung, in der Regel gegen Entgelt, elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers. Diese Dienstleistung besteht in einer Vermittlung über eine Transaktion über Waren oder Dienstleistungen zwischen einem Unternehmen und einem Verbraucher. Die Vermittlung erfolgt aufgrund eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Vermittlungsdienst und dem Unternehmen.
 

Vorgaben zur Regelung der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Vermittlungsdienste

Allgemein. Neben der generellen leichten Verständlichkeit und der leichten Verfügbarkeit auch vor Vertragsschluss, sind nun insbesondere Erklärungen darüber aufzunehmen, aus welchen Gründen ein Unternehmen von den angebotenen Diensten vollständig oder teilweise eingeschränkt wird. Auch sind  Informationen über alternative Vertriebskanäle und Partnerprogramme aufzunehmen, über die der Vermittlungsdienst die Waren oder Dienstleistungen zusätzlich vermarkten könnte. Informationen über die Auswirkungen der AGB auf die Inhaberschaft und Kontrolle über gewerbliche Schutzrechte sind ebenso zu regeln.

AGB-Änderungen. Auch hinsichtlich nachträglicher AGB-Änderungen stellt die Verordnung Regelungen auf. Diese dürfen nämlich erst nach einem Fristablauf von mindesten 15 Tagen ab dem Zeitpunkt, in dem das Unternehmen über die Änderungen unterrichtet wurde, umgesetzt werden. Dem Unternehmen steht bei AGB-Änderungen dann ein Kündigungsrecht innerhalb dieses Zeitraums zu. Sollte der Unternehmer in diesem Zeitraum jedoch neue Waren oder Dienstleistungen bei dem Online-Vermittlungsdienst einstellen, so gilt dies als bestätigende Handlung für die neuen AGB und sein Kündigungsrecht verfällt. Diese konkludente Zustimmung soll jedoch nicht gelten, wenn die Frist ausnahmsweise eine längere ist, weil der Unternehmer aufgrund der Änderungen der AGB erhebliche technische Anpassungen vornehmen muss.

Nichtigkeit ex tunc. Sollten die obigen Voraussetzungen durch den Vermittlungsdienst nicht gewahrt werden, sind die jeweiligen AGB-Regelungen als ex tunc (d.h. rückwirkend) nichtig anzusehen (s. Erwägungsgrund 20). Dies kann erhebliche Konsequenzen für den Vermittlungsdienst nach sich ziehen, weshalb eine erhöhte Aufmerksamkeit auf die Wirksamkeit der AGB-Änderungen und deren Verfahren, insbesondere der Fristen, gelegt werden muss.

Ranking. In den AGB sollen zukünftig auch die bestimmenden Hauptparameter und Gründe für die relative Gewichtung dieser Hauptparameter gegenüber anderen Parametern dargelegt werden, die für das Ranking der verschiedenen Waren und Dienstleistungen genutzt werden. Auch sollen die Auswirkung, die Entgelte (sowohl direkte als auch indirekte) auf das Ranking haben, in den AGB Einzug erhalten. Zu beachten ist hier allerdings, dass keinesfalls verlangt wird, ein Geschäftsgeheimnis preis zu geben.

Differenzierte Behandlung. Falls eine differenzierte Behandlung bei dem Ranking von Waren und Dienstleistungen, die den Verbrauchern von den jeweiligen Unternehmen angezeigt werden, stattfindet, sind die Kriterien dafür (insbesondere: Merkmale der Waren und Dienstleistungen, Relevanz dieser Merkmale für die Verbraucher) auch in den AGB darzulegen. Dies gilt insbesondere auch, wenn der Online-Vermittlungsdienst selbst Waren oder Dienstleistungen auf seiner Vermittlungsplattform vertreibt.

Exklusivitätsvereinbarungen. Bei Exklusivitätsvereinbarungen zwischen dem Unternehmen und dem Vermittlungsdienst, d.h. wenn es dem Unternehmen verboten wird, die Waren oder Dienstleistungen auch auf anderen Plattformen anzubieten, ist dies nun in den AGB insbesondere bezüglich der wirtschaftlichen, geschäftlichen oder rechtlichen Gründe zu erläutern und zu begründen.

Mediation. Die Vermittlungsdienste haben zudem zwei Mediatoren in ihren AGB zu bestimmen, mit deren Kooperation sie sich im Streitfalle bereit erklärt. Auch besteht ein grundsätzlicher Zwang zur Mediation.

Datenzugang. Die Vermittlungsdienste müssen auch darstellen, ob und wie das Unternehmen auf personenbezogene Daten oder sonstige Daten zugreifen kann, die durch die Unternehmen oder Verbraucher im Rahmen der Nutzung des Dienstes bereitgestellt werden. Diese Regelung muss auch für den Zeitraum nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen den Unternehmen und den Vermittlungsdiensten getroffen werden.
 

Vorgaben außerhalb der AGB-Regelungen

Internes Beschwerdemanagementsystem. Die Vermittlungsdienste werden auch verpflichtet, ein leicht zugängliches und kostenfreies internes Beschwerdemanagementsystem einzurichten und die Beantwortung innerhalb eines „angemessenen“ Zeitraums zu gewährleisten. Die Beschwerden müssen dabei individuell bearbeitet werden. Ein „Copy-und-Paste-Vorgehen“ oder gar eine Installation eines „Chat-Bots“ dürften insofern nicht mit der Verordnung im Einklang stehen.

Die Funktionsweisen und die Wirksamkeit des Systems sind öffentlich leicht verfügbar bekanntzugeben. Hierbei ist insbesondere die Anzahl, Art und der durchschnittliche Zeitbedarf anzugeben.

Von der Etablierung eines Beschwerdesystems sind jedoch solche Vermittlungsdienste ausgenommen, die nur ein kleines Unternehmen darstellen. Der Verordnungsgeber hat gesehen, dass diese Unternehmen sonst aufgrund der hohen Kosten, die mit einer solchen Einrichtung einhergehen, wohl aus dem Wettbewerb verdrängt würden. Dies wiederspräche dem Sinn und Zweck der Verordnung eines gleichberechtigten Wettbewerbs. Kleine Unternehmen sind solche, die weniger als 50 Personen beschäftigen und dessen Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 10 Mio. EUR nicht übersteigt

Einschränkung, Aussetzung und Beendigung. Sofern Vermittlungsdienste Einschränkungen gegenüber den Unternehmen hinsichtlich der bereitgestellten Dienste (z.B. schlechtere oder keine Listung einzelner Waren oder Dienstleistungen des Unternehmens) vornehmen, sind diese dem jeweils betroffenen Unternehmen mit einer Begründung spätestens im Zeitpunkt der Einschränkung mitzuteilen. Sollten die Online-Vermittlungsdienste sogar eine Beendigung der Leistung anstreben, ist dies mit einer Begründung der Entscheidung 30 Tage vor Wirksamwerden dem betreffenden Unternehmen mitzuteilen. Nur, wenn das Unternehmen nachweislich mehrmals gegen die AGB des Vermittlungsdienstes verstoßen hat oder aufgrund einer gesetzlich oder behördlich angeordneten Verpflichtung die Frist nicht zu wahren ist, bedarf es der Beachtung der Frist nicht. Keinesfalls entbindet dies jedoch von der grundsätzlichen Begründungspflicht. Eine solche ist dann spätestens mit Wirksamwerden der Beendigung zu erteilen. Die Begründung soll konkrete Tatsachen und Umstände, einschließlich des Inhalts der Mitteilungen Dritter, die ihn zu dieser Entscheidung bewogen haben, offenbaren.  
 

Was ändert sich für Online-Suchmaschinen?

Suchmaschinen sind im Sinne der Verordnung alle digitalen Dienste, die es Nutzern ermöglichen, mittels eines Stichwortes oder auf ähnliche Weise Anfragen einzugeben um auf allen Websites eine Suche zu starten und Ergebnisse zu dieser Suche angezeigt zu bekommen.

Für Suchmaschinen gelten die oben darstellten Regelungen nur in begrenztem Umfang. Hintergrund ist, dass die gelisteten Websites (bzw. die dahinter stehenden Unternehmen) in der Regel in keiner vertraglichen Beziehung zu den Suchmaschinen stehen, weshalb Regelungen zu den AGB nicht durchgreifen würden. Die Kommission hat die Verordnung daher entsprechend auf die vertragsunabhängige Situation angepasst und folgende Regelungen getroffen.

Ranking. Auch Suchmaschinen sind zukünftig verpflichtet, die Hauptparameter, die für ihr Ranking am wichtigsten sind, und die relative Gewichtung dieser Hauptparameter innerhalb der Suchmaschine klar, verständlich, öffentlich (d.h. ohne Accountzwang) und leicht verfügbar darzustellen. Geschäftsgeheimnisse, insbesondere die konkreten Algorithmen, sind selbstverständlich nicht durch die Suchmaschinen offenzulegen. Vielmehr soll dargelegt werden, ob und wie der Rankingmechanimus insbesondere durch die Parameter „Merkmale der Waren und Dienstleistungen“, „Relevanz dieser Merkmale für die Verbraucher“, „Gestaltungsmerkmale der Website“ abhängig und beinflussbar ist. Bei individueller Änderung des Rankings aufgrund Mitteilungen Dritter, muss der entsprechend betroffene Nutzer mit Unternehmenswebsite die Möglichkeit erhalten, den Inhalt der Mitteilung einzusehen.

Differenzierende Behandlung. Entsprechend den Darstellungen bei den Vermittlungsdiensten sind auch die Suchmaschinen zukünftig verpflichtet, Angaben öffentlich bekannt zu machen, falls sie bei den Rankings eine differenzierende Behandlung verfolgen. Insbesondere gilt dies auch für die Tatsache, inwieweit direkte oder indirekte Entgelte Einfluss auf das Ranking haben können.
 

Unser Kommentar

Ob die neue Transparenz- und Fairnessverordnung zu einer Besserung bezügliche der Gleichberechtigung der gewerblichen Nutzer auf Vermittlungsplattformen führen wird, bleibt abzuwarten.

Klar ist aber schon jetzt, dass ein hoher bürokratischer Aufwand auf die Vermittlungsdienstleister zukommt, da diese ihre AGB umfangreich anpassen müssen. Insoweit ist davon auszugehen, dass die ohnehin schon teils sehr langen und unverständlichen AGB nun um eine Vielzahl von Seiten ergänzt werden müssen. Ob dies wirklich der Transparenz dienlich ist, darf angezweifelt werden. Gegebenenfalls wäre es angemessener gewesen, analog den Suchmaschinen lediglich einen öffentlich zugänglichen Link bereitstellen zu lassen, aus dem sich die jeweiligen Informationen bezüglich der Kriterien des Rankings ergeben. Denn die Kriterien entsprechend der Verordnung hinreichend zu beschreiben, ohne zugleich Geschäftsgeheimnisse preis zu geben, wird im Rahmen einer kurzen Fassung nur schwerlich möglich sein.

Zudem bleibt unklar, inwieweit die Suchmaschinen und Vermittlungsdienste ihre Ranking-Parameter offenlegen werden. Denn unzweifelhaft dürften viele der Angaben durch das Geschäftsgeheimnis gedeckt sein, weshalb lediglich grobe Umrisse offengelegt würden, die zur erhofften Transparenz und Fairness nur begrenzt beitragen dürften.

Zu begrüßen ist allerdings, dass kleine Unternehmen vom Erfordernis eines internen Beschwerdemanagementsystems ausgenommen wurden. Jedoch wird bereits die bloße Anpassung der AGB in der geforderten Form die kleinen und mittleren Unternehmen vor eine große Herausforderung stellen. Ob sich das Ziel der Kommission nach einem fairen und transparenten Wettbewerb durch die neue Verordnung erreichen lässt, oder ob durch die neuen zwingenden Vorschriften die großen Online-Unternehmen gestärkt und KMUs verdrängt werden, bleibt abzuwarten.