20.01.2020

Auslandszustellung – wann erfolgt sie noch „demnächst“ und welche Maßstäbe gelten bei der Auslandszustellung an eine juristische Person?

Autoren: Dr. Stephan Bausch und Brigita Pupšytė

Hintergrund

Auslandszustellung – wann erfolgt sie noch „demnächst“ und welche Maßstäbe gelten bei der Auslandszustellung an eine juristische Person?

Bei gerichtlichen Entscheidungen stellt sich häufig die Frage, wann eine Zustellung noch als „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO bewertet werden kann. Grundsätzlich muss die Partei alles ihr Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan haben und auf der anderen Seite dürfen der Rückwirkung keine schutzwürdigen Belange des Zustellungsadressaten entgegenstehen. Gibt der Kläger die Adresse der beklagten Partei falsch an oder zahlt er den notwendigen Gerichtskostenvorschuss nicht ein, werden von den Gerichten nur geringfügige Verzögerungen als „demnächst“ gewürdigt. Haben die Verzögerungen hingegen ihre Ursache im Geschäftsbetrieb des Gerichts, so können dem Kläger diese nicht zugerechnet werden. Doch wie gestaltet sich die Rechtslage bei einer Auslandszustellung, bei der es dem Kläger nach Art. 5 Abs. 1 EuZVO freisteht, dem zuzustellenden Schriftstück eine Übersetzung beizufügen? Kann eine zeitverzögerte Zustellung, die aufgrund einer Übersetzung eingetreten ist, noch als „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO anerkannt werden kann. 

 

Übersetzung fällt in den Risikobereich des Zustellenden

Mit dieser Frage beschäftigte sich kürzlich das OLG Frankfurt. Im zugrundeliegenden Fall machte der Kläger, ein Insolvenzverwalter, Ansprüche gegen die in Frankreich ansässige Beklagte geltend. Er reichte die Klageschrift am 15. Dezember 2015 am Landgericht Frankfurt ein. Das Landgericht fragte wenige Wochen später, ob die Klageschrift übersetzt werden sollte, was der Kläger zügig bejahte. Aus organisatorischen Gründen erfolgte eine Übersetzung der Klageschrift erst am 24. Oktober 2016, sodass sie der Beklagten erst am 9. Dezember 2016, d.h. circa ein Jahr später, zugestellt wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren die geltend gemachten Ansprüche unstreitig verjährt.

Es stellte sich deshalb die Frage, ob die Zustellung noch „demnächst“ iSd. § 167 ZPO erfolgte.

Das OLG Frankfurt verneinte dies; es stellte im Wesentlichen auf die geltende EuZVO (Verordnung (EG) Nr. 1393/2007) ab, welche die Zustellung von Schriftstücken innerhalb der Europäischen Union regelt und auf die § 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verweist. Nach Art. 5 Abs. 1 EuZVO kann der Antragssteller selbst entscheiden, ob er dem Schriftstück eine Übersetzung beifügt. Sofern er eine Übersetzung für erforderlich hält, hat er sich um eine solche zu kümmern; die Übersetzung muss gerade nicht durch einen vom Gericht beauftragten Übersetzer erfolgen. Entscheidet sich der Zustellende gegen eine Übersetzung, kann der Empfänger die Annahme des Schriftstücks gemäß Art. 8 Abs. 1 EuZVO verweigern, wenn er aufgrund der Sprachbarriere den Schriftsatz inhaltlich nicht versteht. Für diesen Fall bestimmt Art. 8 Abs. 3 EuZVO, dass eine Übersetzung zugestellt werden muss. Allerdings ist für die Fristwahrung die Zustellung des ersten Schriftsatzes maßgeblich, wenn „demnächst“ eine Übersetzung nachträglich übersandt wird.

Das OLG Frankfurt schließt daraus, dass im vorliegenden Fall eine Zustellung der Klageschrift ohne Übersetzung ins Französische hätte erfolgen können. Hätte die Beklagte daraufhin die Annahme verweigert, hätte der Kläger die Übersetzung nachholen können. Vor dem Hintergrund des Art. 5 Abs. 1 EuZVO habe der Kläger nicht alles Erforderliche und ihm Zumutbare für eine Zustellung „demnächst“ getan, wenn er der Klageschrift keine Übersetzung beifügte, gleichwohl er aber auf eine Übersetzung bestand und es infolgedessen zu einer erheblichen temporären Verzögerung kommt.

 

Das Annahmeverweigerungsrecht bei juristischen Personen

Differenzierter ist die Problematik bei juristischen Personen zu betrachten. Auch diese haben grundsätzlich das Recht, die Annahme eines Schriftstücks zu verweigern. Hier gelten allerdings strengere Voraussetzungen. Das OLG München äußerte sich kürzlich zu der Frage, wann bei juristischen Personen von einer gerechtfertigten Annahmeverweigerung im Sinne des Art. 8 EuZVO auszugehen sei (Az. 14 W 1170/19). Dem lag ein Unterlassungsantrag im einstweiligen Verfügungsverfahren gegen die Facebook Ireland Ltd. zugrunde. Facebook verweigerte die Annahme mit der Begründung, die Verfügung sei nicht übersetzt. Das Landgericht München gab dem Antragssteller daraufhin im Beschlusswege auf, die Verfügung zu übersetzen, um eine wirksame Zustellung zu bewirken. Dagegen legte der Antragssteller sofortige Beschwerde mit der Begründung ein, dass Facebook seine Dienstleistungen auf deutscher Sprache anbiete und in Deutschland etwa 31 Mio. Kunden habe, sodass die Annahmeverweigerung rechtsmissbräuchlich sei. Das Landgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab. Das OLG München hielt die Zustellung der einstweiligen Verfügung jedoch für wirksam, da die Voraussetzungen einer berechtigten Annahmeverweigerung nach Art. 8 Abs. 1 EuZVO nicht vorlagen. Das OLG entschied im Rahmen einer Gesamtabwägung, dass Facebook die deutsche Sprache im Sinne des Art. 8 Abs. 1 lit. A) EuZVO verstehe. Bei juristischen Personen sei maßgeblich, ob der Empfänger auf die tatsächlich vorhandenen und verfügbaren Fähigkeiten und Ressourcen im Unternehmen in zumutbarer Weise zugreifen kann, was bei Facebook bejaht wurde. Das OLG als Beschwerdegericht war davon überzeugt, dass Mitarbeiter mit entsprechenden Deutschkenntnissen vorhanden sind, auf welche die Antragsgegnerin zugreifen konnte.

 

Fazit

Zwar ist das Urteil des OLG Frankfurt noch nicht rechtskräftig, jedoch ergeben sich hieraus für die Praxis – zumindest bis zu einer möglichen Stellungnahme des BGH – zwei Möglichkeiten auch bei der Auslandszustellung eine „demnächst-Zustellung“ im Sinne des § 167 ZPO zu erreichen. Einerseits kann für Fälle, in denen eine Verjährung der geltend gemachten Ansprüche droht, die Übersetzung der Klageschrift durch die Partei selbst beschafft und diese zusammen mit der Klageschrift bei Gericht eingereicht werden. Zum anderen kann in eiligen Fällen zunächst eine Zustellung ohne Übersetzung veranlasst werden. Diese Vorgehensweise ist in solchen Fällen ratsam, in denen vor einer drohenden Verjährung keine Übersetzung mehr zu organisieren ist oder in denen die Klagepartei zunächst abwarten möchte, ob die beklagte Partei von ihrem Annahmeverweigerungsrecht nach Art. 8 Abs. 1 EuZVO Gebrauch macht. Sofern der Zustellungsadressat keinen Gebrauch von seinem Annahmeverweigerungsrecht macht, ist die Zustellung auch ohne Übersetzung wirksam; erst durch eine berechtigte Annahmeverweigerung wird die Zustellung des Schriftstücks schwebend unwirksam. Diese Verfahrensweise dürfte ohne nennenswertes Risiko für den Antragssteller sein, denn nach Art. 8 Abs. 3 Satz 3 EuZVO ist auch bei einer Zurückweisung der Zustellung die erste Zustellung für die Fristwahrung maßgeblich, wenn „demnächst“ eine Übersetzung nachträglich übersandt wird. Daher ist insoweit eine Fristwahrung durch den Antragsteller immer noch möglich.


Dr. Stephan Bausch, D.U.
Rechtsanwalt
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Brigita Pupšytė
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