28.05.2025

Präzedenzfall in Hamm: Oberlandesgericht ebnet den Weg für Klimahaftung von Unternehmen

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm über die Klage eines peruanischen Anden-Bauers gegen den deutschen Energiekonzern RWE wegen dessen Beitrags zum Klimawandel wurde mit großer Spannung erwartet. Am 28. Mai 2025 hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden und die Berufung des Klägers mangels konkreter Gefahr für sein Eigentum zurückgewiesen. Aufatmen können deutsche Großkonzerne wie RWE dennoch nicht. Denn trotz des jüngsten Erfolgs ist das Verfahren ein Novum der deutschen Rechtsgeschichte: Das Oberlandesgericht hatte die Klage als schlüssig eingestuft und damit grundsätzlich anerkannt, dass einzelne Unternehmen für die globalen Auswirkungen ihrer Treibhausgasemissionen zivilrechtlich haften können. Großemittenten müssen daher auch weiterhin mit Klimaklagen rechnen.

1. Hintergrund

Vor knapp zehn Jahren, im November 2015, reichte der peruanische Landwirt Lliuya Klage gegen den deutschen Energiekonzern RWE vor dem Landgericht Essen ein. Unterstützt wurde er von der Umweltorganisation Germanwatch. Die Klage stützt sich auf § 1004 BGB analog i.V.m. § 823 BGB, der dem Eigentümer bei drohender Beeinträchtigung seines Eigentums einen Abwehranspruch gegen Störer sowie Schadensersatz gewährt. Der Kläger argumentiert, dass die Treibhausgasemissionen von RWE eine Kausalkette in Gang gesetzt hätten, die zu einem Flutrisiko für sein Grundstück in den peruanischen Anden führte. RWE habe durch seine erheblichen historischen CO₂-Emissionen einen messbaren Beitrag von 0,38% (bei Klageeinreichung vor zehn Jahren waren es noch 0,47%) zum weltweiten Klimawandel geleistet. Der Klimawandel führe in den peruanischen Anden zu einer beschleunigten Gletscherschmelze, wodurch ein Gletschersee oberhalb der Stadt Huaraz anwachse und eine Überschwemmungsgefahr für die Stadt und das Grundstück des Klägers darstelle. RWE sei daher als Störer zu einer dem Emissionsbeitrag entsprechenden, anteiligen Kostentragung für notwendige Schutzmaßnahmen verpflichtet. Darüber hinaus sei RWE zum Ersatz von Kosten verpflichtet, die dem Kläger durch eigenständig ergriffene Schutzmaßnahmen an seinem Haus entstanden.

RWE hingegen argumentiert, dass eine zivilrechtliche Haftung schon aus Rechtsgründen ausscheide und Lösungen für den Klimawandel nicht durch Gerichte, sondern auf staatlicher Ebene entwickelt werden sollten. Es fehle an einer zurechenbaren Kausalität zwischen den Emissionen von RWE und einer konkreten Gefahr für das Grundstück des Klägers. Der Klimawandel sei ein weltweites, komplexes Phänomen, das durch unzählige Faktoren verursacht werde. Ein einzelner Emittent könne hierfür nach den Grundlagen des deutschen Rechts nicht individuell haftbar gemacht werden. RWE betont zudem, sich immer an staatliche Vorgaben gehalten zu haben.

Author
Dr. Anika Wendelstein

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Stephanie Quaß

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