12.10.2018

OLG Düsseldorf zum Duzen und Siezen bei Gericht

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10.10.2018

OLG Düsseldorf zum Duzen und Siezen bei Gericht

Wer als Richter eine am Verfahren beteiligte Person außerhalb des Gerichtssaals duzt, sollte im Gerichtssaal besser ebenfalls so verfahren – oder zumindest den weiteren Beteiligten mitteilen, dass sich normalerweise nicht gesiezt wird. Ansonsten kann es nämlich passieren, dass der Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wird. Dieser darf an der betreffenden Entscheidung nicht teilnehmen und eine entsprechende Entscheidung unter seiner Mitwirkung kann wegen eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers aufgehoben werden. Genau das geschah in dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall [VI-U(Kart) 9/17 vom 11.10.2017], in dem das Oberlandesgericht feststellte, dass ein entsprechender Befangenheitsantrag begründet war: Der Vorsitzende Richter eines Verbandsgerichts hatte nämlich eine Verfahrensbeteiligte mit „Sie“ angesprochen, obwohl er selbige normalerweise duzte, ohne dies offenzulegen.

In dem Verfahren klagte ein Schäferhundeverein gegen einen Dachverband von Hundezucht- und Hundesportvereinen. Der Kläger war – auf Antrag des Beklagten Verbandes - vom Verbandsgericht mit sofortiger Wirkung aus dem Dachverband ausgeschlossen worden. Zwei vorausgehende Anträge des Klägers - jeweils gerichtet auf Ausschluss des (Verbands-)Richters wegen Besorgnis der Befangenheit – wurden vom Verbandsgericht abgewiesen. Der erste Antrag hatten sich auf die zutreffende Tatsache gestützt, dass der Richter sowohl mit der Vizepräsidentin des Dachverbands als auch mit dessen Geschäftsführer bekannt sei, der zweite Antrag darauf, dass der (Verbands-)Richter die Vizepräsidentin im Verfahren gesiezt habe, obwohl er sie normalerweise duzen würde. Das Verbandsgericht war der Ansicht, dass dies alleine keine Besorgnis der Befangenheit begründen könne.

Der Kläger wandte sich sodann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes an die staatlichen Gerichte. Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte zwar zunächst, dass die Bekanntschaft zwischen Richtern oder Richterinnen und Streitpartei alleine jedenfalls nicht ausreiche, um die Ablehnung des Verbandsrichters wegen Befangenheit zu begründen. Das erscheint insoweit auch einleuchtend, da Verbandsgerichte besondere Spruchkörper sind, in denen der Richter grundsätzlich auch Mitglied einer der beteiligten Verbände ist. Das bedeutet also zwangsläufig, dass hier regelmäßig von einer Bekanntschaft zwischen Richter und zumindest einer am Verfahren beteiligten Seite auszugehen sein wird.

Zu einem anderen Ergebnis kam das OLG Düsseldorf allerdings bezogen auf das Duzen außerhalb und das Siezen innerhalb des Gerichtssaals zwischen dem Vorsitzenden Richter und der Vizepräsidentin des Beklagten. Diesbezüglich sei § 48 ZPO einschlägig, nach dessen Sinn und Zweck den beteiligten Richter die Pflicht zur Selbstablehnung bzw. Offenlegung aller Umstände treffe, die „aus der Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Zweifel an seiner Unparteilichkeit und Unabhängigkeit wecken können“. Das Duzen zwischen Richter und Streitparteien stelle einen solchen Umstand dar. Das Duzen könne auf ein – über eine bloße Bekanntschaft hinausgehendes – Näheverhältnis hinweisen, welches Anlass geben könne „an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln“. Die Tatsache, dass vorliegend der Richter die Vizepräsidentin des Beklagten vor Gericht mit der sonst unüblichen formalen Anrede „Sie“ angesprochen habe, trete insoweit noch als erschwerender Umstand hinzu.

Diese Plicht, solche Umstände offenzulegen, trifft nicht nur Richter und Richterinnen sondern nach § 1036 Abs. 1 ZPO auch Schiedsrichter. Auf ein Verbandsgericht finden dieselben Grundsätze laut OLG Düsseldorf jedenfalls dann Anwendung, wenn es sich um die Disziplinarmaßnahme eines Vereins handelt, den wegen seiner überragenden Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine Aufnahmepflicht trifft. In einem solchen Fall erstreckt sich die Kontrollbefugnis des angerufenen Gerichts auch auf die inhaltliche Angemessenheit der angewandten Bestimmungen gemäß § 242 BGB, die einen angemessenen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen des Verbandes und den schutzwürdigen Interessen derjenigen herstellen müssen, die seiner Verbandsgewalt unterworfen sind.
 

  

Anne Caroline Wegner, LL.M. (European University Institute)
Rechtsanwältin
Partnerin
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