29.07.2025
Ein Jura-Student kellnert in einer Münchener Gaststätte und will eine Betriebsratswahl initiieren. Daraufhin teilt ihn die Arbeitgeberin nicht mehr zu Diensten ein und kündigt ihm schlussendlich. Der Betroffene klagt – und das LAG München spricht ihm nicht nur rund 100.000 € Schadensersatz zu, sondern auch einen Anspruch auf eine Entschuldigung.
Der Fall
Im dem Urteil (LAG München, Teilurteil vom 16.4.2025 und Schlussurteil vom 4.6.2025 – 11 Sa 456/23) zugrunde liegenden Fall war der klagende Arbeitnehmer als Kellner bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Im Sommer 2021 wollte der Kläger gemeinsam mit weiteren Beschäftigten eine Betriebsratswahl initiieren. Nach dem Aushang der Einladung zur Wahlversammlung entfernte der Betriebsleiter den Kläger aus der betrieblichen WhatsApp-Gruppe und teilte ihn nicht mehr zu Diensten ein. Als man ihn in der Küche einsetzen wollte, weigerte der Kläger sich, weil diese Tätigkeit seines Erachtens nicht vertragsgerecht sei. Dazu forderte Gehaltsnachzahlungen.
Im April 2022 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich wegen Arbeitsverweigerung und unentschuldigtem Fehlen. In einem Schriftsatz argumentierte die Arbeitgeberin, dass der Kläger aufgrund seines Alters und seiner Kinderlosigkeit nicht auf das Einkommen angewiesen sei – was dieser als Altersdiskriminierung rügte. Das ArbG entsprach indes nur dem Kündigungsschutzantrag. In der Berufung beantragte der Kläger zusätzlich, die Beklagte zu einer schriftlichen Entschuldigung zu verurteilen.
Die Entscheidung
Die Berufung des Klägers war im weiten Umfang erfolgreich. Laut dem LAG München stehe ein Annahmeverzugslohn von etwa 25.000 € brutto zu. Daneben sei die fehlende Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Sachbezügen wie vergünstigter Speisen und Getränke einzubeziehen. Überdies habe der Kläger einen Schadensersatzanspruch von ca. 65.000 € aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20 Abs. 2 BetrVG, bestehend aus dem Verdienstausfall und der entgangenen Sachbezüge sowie Trinkgelder. Die fehlende Einteilung zum Dienst seit seiner Initiative zur Errichtung eines Betriebsrats stelle eine Maßregelung gem. § 612a BGB sowie eine Behinderung der Betriebsratswahl dar. Zuletzt verpflichtete das LAG die Beklagte, sich beim Kläger schriftlich für ihre Äußerungen zu seinen persönlichen Lebensumständen im Zusammenhang mit der Kündigung zu entschuldigen. In Ermangelung einer grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits ließ das LAG die Revision nicht zu.
Unser Kommentar
Die Höhe des zugesprochenen Schadensersatzes ist auf den ersten Blick erstaunlich, lässt sich aber durch die Kumulierung der zahlreichen unterschiedlichen Ansprüche sowie dem langfristigen Annahmeverzug erklären. Die Verurteilung zur Abgabe einer schriftlichen Entschuldigung als Schadensersatz darf derweil als innovativ bezeichnet werden – gerade vor diesem Hintergrund überrascht jedoch, dass das LAG die Revision nicht zugelassen hat. Nach jüngster Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 4.10.2024 – C-507/23 – Patērētāju tiesību aizsardzības centrs) soll neben einem finanziellen Ausgleich auch eine öffentliche oder schriftliche Entschuldigung als symbolischer Akt zum Ausgleich eines immateriellen Schadens geeignet sein. Ob eine erzwungene Entschuldigung tatsächlich einen derartige Kompensationswirkung hat, darf indes bezweifelt werden.
Gina Susann Kriwat
Associate
Köln
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