17.04.2020

Lockerung des Corona-Lockdowns: Sind weitergehende Geschäfts- und Betriebsöffnungen durchsetzbar?

Die von den Regierungschefs von Bund und Ländern am 15. April 2020 beschlossenen Maßnahmen zur Lockerung des Corona-Lockdowns werfen wegen ihrer teils strikten Grenzziehungen und der unterschiedlichen Umsetzung auf Länderebene eine Reihe von Fragen auf. Auch von Handelsverbänden wird etwa die Unterscheidung zwischen Fahrrad- und Buchhändlern, die auch bei großflächigen Ladenlokalen öffnen dürfen, und sonstigen Geschäften kritisiert.

Background

Es erschließt sich nicht, warum das Stöbern in einer Buchhandlung in enger Altstadtlage weniger Infektionsrisiken bergen soll als der Kauf eines Kühlschranks oder eines Notebooks für das Homeoffice im großflächigen Elektronikmarkt in einem weiträumigen Gewerbegebiet. Schwer nachvollziehbar ist auch, warum die Mehrheit der Bundesländer eine vorübergehende Verkaufsflächenreduzierung auf 800 qm als milderes Mittel gegenüber einer vollständigen Schließung nicht akzeptieren möchte, Ministerpräsidenten anderer Bundesländer dies hingegen unter Berufung auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes als zulassungsfähig ansehen.

Sind damit auch rechtliche Bedenken gerechtfertigt und weitergehende Möglichkeiten der Geschäfts- und Betriebsöffnung gegeben?

Hinsichtlich der beschlossenen Lockerungen wird den Regierungen ein Bewertungsspielraum zuzugestehen sein. Schwellenwerte wie jener der Verkaufsfläche von 800 qm, bis zu der Geschäfte unabhängig von ihrem Sortiment wieder öffnen können, resultieren zwar offenkundig in Ungleichbehandlungen. Sie sind damit aber nicht von vornherein unzulässig. Die Grenze zur Rechtswidrigkeit kann aber dann überschritten sein, wenn die vorgenommene Differenzierung angesichts des mit ihr verfolgten Zwecks nicht mehr tragfähig ist.

Unsere Erfahrungen aus den letzten Wochen zeigen, dass sich hieraus durchaus Möglichkeiten zur Durchsetzung weitergehender Geschäfts- und Betriebsöffnungen ableiten lassen. So haben wir etwa durch förmliche Antragstellungen bei Landesgesundheitsministerien und Ordnungsbehörden in Bundesländern wie Niedersachsen, Brandenburg und Thüringen bereits vor Ostern die Wiedereröffnung zahlreicher Einzelhandelsverkaufsstellen erreichen können. Der Bund-/Länder-Beschluss vom 15. April 2020 und seine Umsetzung auf Länderebene kann dies weiter erleichtern. Die bereits seit Beginn des Lockdowns teils unverständlichen Differenzierungen scheinen auch in der (Eil-)Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginnend skeptischer gesehen zu werden.

Entscheidend wird es aber auf die Umstände des Einzelfalls und deren sachgerechte, zugleich aber auch konsequente Darstellung gegenüber den Ministerien und Behörden ankommen. Auch Eilrechtschutz sowie die Anmeldung von Entschädigungs- und Staatshaftungsansprüchen wird zu bedenken sein.

Author
Dr Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)

Dr Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)
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Dusseldorf
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