25.02.2019

Gratwanderung – Zwischen „Herrin des Geheimnisses“ und Beweisvereitelung

Blog

Background

25.02.2019

Gratwanderung – Zwischen „Herrin des Geheimnisses“ und Beweisvereitelung

§ 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO enthält für bestimmte Berufsgruppen ein Zeugnisverweigerungsrecht. Berufe, die ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien voraussetzen, verdienen besonderen Schutz. Der Zeuge soll vor Konfliktlagen, die sich aus dem besonderen Verhältnis zu demjenigen, der seine Hilfe und Beratung in Anspruch nimmt, bewahrt werden. Dieses Schutzes bedarf ein Zeuge hingegen nicht, wenn er gemäß § 385 Abs. 2 ZPO von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden wird.

Ob ein „Herr des Geheimnisses“ allein den Zeugen von seiner Schweigepflicht entbinden kann oder ob es der Entbindung durch alle „Herren des Geheimnisses“ bedarf, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm.
 

Der Sachverhalt

Der Kläger nahm seine geschiedene Ehefrau auf Zahlung in Anspruch. Er behauptete, er habe ihr ein Darlehen zur Verfügung gestellt. Zum Beweis berief er sich auf ein Gespräch zwischen sich, der Beklagten, dem Steuerberater der Parteien und dem gemeinsamen Bankberater, den er dazu von seiner Schweigepflicht entband. Die Beklagte hingegen bestritt, dass ein solches Gespräch stattgefunden habe, und entband den Zeugen nicht von seiner Schweigepflicht. Gleichzeitig legte sie einen Aktenvermerk über ein Telefongespräch zwischen dem Bankberater und dem Steuerberater der Parteien vor, in dem vermerkt war, dass dem Zeugen persönliche Absprachen der Parteien über die Verwendung der Geldmittel nicht bekannt seien.
 

Ein offenes Geheimnis?

Das OLG Hamm stellte zunächst klar, dass ein Zeugnisverweigerungsrecht auch hinsichtlich eines Gesprächs bestehen könne, dessen Inhalt Beweisthema ist und in öffentlicher Verhandlung bereits zwischen den Parteien, die die „Herren des Geheimnisses“ sind, geschildert wurde. Darüber hinaus kam es zu dem Ergebnis, dass wenn ein Geheimnisbereich gemeinsam geschaffen wurde, er auch nur gemeinsam wieder geöffnet werden könne. Damit stellt es sich der Vorinstanz entgegen, die argumentierte, zwischen den Parteien sei der Inhalt des Gesprächs ohnehin bekannt, weshalb schon keine Verletzung des Vertrauensverhältnisses vorliegen könne. Laut OLG verkenne das Landgericht (LG) Münster jedoch,

dass es zwischen den Parteien gerade streitig ist, ob das behauptete Gespräch stattgefunden hat und darin die angeblichen Äußerungen getätigt wurden. Sie unterstellt in unzulässiger Weise das klägerische Vorbringen als zutreffend, weil andernfalls die Aussage nicht getroffen werden könnte, es gehe ohnehin um den Inhalt eines beiden Parteien bekannten Gesprächs.“

Dabei gibt das OLG allerdings zu bedenken, dass bei Vorliegen eines solchen Zeugnisverweigerungsrechts zu prüfen bliebe, ob die Weigerung der Beklagten, den Zeugen von der Schweigepflicht bei gleichzeitiger Vorlage des Aktenvermerks zu entbinden, eine Beweisvereitelung darstelle.
 

Zulässige Rechtsausübung oder Rechtsmissbrauch?

Von einer Beweisvereitelung kann nur dann gesprochen werden, wenn eine Partei dem beweisbelasteten Gegner die Beweisführung schuldhaft unmöglich macht oder erschwert. Die Weigerung darf dabei insbesondere nicht willkürlich sein. Zu diesem Ergebnis könnte man in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall jedoch kommen, da die Beklagte den Zeugen auf der einen Seite nicht von der Schweigepflicht entbindet, ihn auf der anderen Seite jedoch zumindest mittelbar heranzieht, indem sie den Aktenvermerk als Beweismittel vorlegt.

Der Grat zwischen zulässiger und unzulässiger Prozesstaktik kann schmal sein. Entscheidend wird im Einzelfall sein, ob hinter der Weigerung, einen Zeugen nicht von der Schweigepflicht zu entbinden, schützenswerte Interessen stehen. Kommt man zu dem Ergebnis, dass solche nicht erkennbar sind, wird man in Folge der Beweisvereitelung Beweiserleichterungen bis hin zu einer möglichen Beweislastumkehr in Betracht ziehen müssen, um den Beweisangeboten des Prozessgegners nachzukommen.

 

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
Rechtsanwalt
Partner
stephan.bausch@luther-lawfirm.com
Telefon +49 221 9937 25782
 

 

Anne Reinhardt
Associate
anne.reinhardt@luther-lawfirm.com
Telefon +49 30 52133 28246