22.11.2018

Geschäftsführerhaftung an den zeitlichen Grenzen der Bestellung

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22.11.2018

Geschäftsführerhaftung an den zeitlichen Grenzen der Bestellung

Sie sind soeben zum Geschäftsführer bestellt worden? Oder haben Ihren wohlverdienten Ruhestand angetreten? Bevor Sie die Gläser erheben, lohnt sich vielleicht ein Blick auf die Haftungslage. Glauben Sie uns: Sie schlafen ruhiger, wenn Sie wissen, wie es um die Pflichtentreue Ihrer Vorgänger oder Nachfolger im Management steht.

 


Als Geschäftsführer wird Ihnen ihre Haftung gegenüber der Gesellschaft (Innenhaftung) bei eigenen Pflichtverletzungen bewusst sein. Wie diese Beitragsreihe zeigen will, haften Sie u.U. auch schon für Verbindlichkeiten, deren Grundlage vor Ihrer Bestellung gelegt wurde oder deren Auswirkungen erst nach Ihrer Abberufung sichtbar werden. Das können Steuerverbindlichkeiten aus der Vergangenheit sein (Teil 1) oder sonstige Altlasten, die Sie von Ihrem Vorgänger geerbt haben (Teil 2) sowie die Nachhaftung für Spätfolgen (Teil 3). Vor diesem Hintergrund wird auch auf effektiven Schutz gegen Haftungsrisiken für Geschäftsführer im Rahmen von D&O-Versicherungen einzugehen sein (Teil 4).

 

Haftungsgrundlagen

Bevor Fragen zu Umfang und Bedingungen der Geschäftsführerhaftung (und daran ansetzender Risikominimierung) beantwortet werden können, ist zwischen den Haftungsgründen zu unterscheiden: Wofür ist ein Manager haftbar? Grob gesprochen sind Haftungsgründe vielfältig: Geschäftsführer der errichteten Gesellschaft haften dieser aus dem Organ- oder Anstellungsverhältnis (Innenhaftung), den Behörden aus eigenen öffentlich-rechtlichen Pflichten (Außenhaftung) und dem Insolvenzverwalter für Masseforderungen (Spezialfall der Innenhaftung in der Insolvenz). Daneben treten deliktische Haftungsgründe, die als Innen- wie Außenhaftung ausgestaltet sein können, sowie weitere Außenhaftungstatbestände in Einzelfällen, die einen besonderen Gläubigerschutz verlangen.

Allen gemeinsam ist, dass wegen der grundsätzlich unbeschränkten persönlichen Haftung mit dem Privatvermögen bei Schadenssummen im gewerblichen Umfang schnell die persönliche finanzielle Existenz gefährdet ist. Hinzu kommt die strafrechtliche Verantwortlichkeit, die hier nicht thematisiert wird. Grundsätzlich sind die Voraussetzungen jedes Haftungsanspruchs aber gleich: Es muss ein Schaden aufgrund einer vorwerfbaren Verletzung von Pflichten eingetreten sein. Pflichten und Vorwerfbarkeit sind je nach Haftgrund verschieden.

 

Steuerrechtliche Haftung nach § 69 Abgabenordnung

Nach § 69 Abgabenordnung (AO) wird die Gewährleistung der ordnungsgemäßen Abgabenleistungen und Erfüllung sonstiger abgabenrechtlicher Pflichten durch die Gesellschaft gem. § 34 AO zur persönlichen öffentlich-rechtlichen Pflicht des Geschäftsführers als deren Vertreter. Zu diesen Pflichten gehört es sicherzustellen, dass fällige Steuern und Nebenforderungen gezahlt, festsetzungsrelevante Auskünfte erteilt, die Steuererklärung, Buchführung und sonstige Dokumentation erstellt und Mitwirkungspflichten erfüllt werden.

Die Haftung nach § 69 AO ist deshalb besonders risikoträchtig, weil sie nicht (vollständig) auf die Gesellschaft abgewälzt werden kann. Selbst eine gesellschaftsvertraglich niedergelegte Ressortaufteilung unter mehreren Geschäftsführern, die einem oder mehreren die abgabenrechtliche Zuständigkeit abnimmt, genügt nicht. Die Überwachungspflicht besteht fort und zwingt bei Anhaltspunkten zum Einschreiten gegen den ressortverantwortlichen Kollegen. Ohne Ressortaufteilung haften mehrere Geschäftsführer gemeinschaftlich. Droht die Insolvenz, steigt auch das Haftungsrisiko, da das Gleichbehandlungsgebot verbietet, das Finanzamt gegenüber Privatgläubigern schlechter zu stellen.

Bei der Vorwerfbarkeit nach § 69 AO werden Geschäftsführer nur auf den ersten Blick begünstigt: Nur vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtenverletzungen sind haftungsbegründend. Allerdings wird von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter Kenntnis der ihn und die Gesellschaft betreffenden Steuergesetze verlangt, sodass Versäumnisse aus Unkenntnis des anwendbaren Rechts bereits grob fahrlässig sind, Handeln trotz Kenntnis der Normen gar vorsätzlich ist. Damit wird das Haftungsprivileg von den hohen Anforderungen an Geschäftsführerpflichten nahezu aufgezehrt.

Die Haftung nach § 69 AO ist in zeitlicher Hinsicht nicht durch den steuerbaren Sachverhalt der Gesellschaft begrenzt, sondern knüpft grundsätzlich an Pflichtverletzungen des Geschäftsführers im Bestellungszeitraum an. Das führt dazu, dass ein neu bestellter Geschäftsführer (ab Bestellung, unabhängig von der Eintragung, aber u.U. bereits mit Aufnahme der Tätigkeit) auch für vor seiner Zeit begründete Steuerverbindlichkeiten haftet.

Was müssen Sie also als frisch gebackener Geschäftsführer mit Blick auf die Steuersituation der Gesellschaft nach Amtsantritt zu tun? Intensives Nachforschen, um alle möglichen steuerbaren Sachverhalte der Gesellschaft in Erfahrung zu bringen, wird jedenfalls nicht von Ihnen verlangt. Der BFH (VII B 74715) und das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (9 K 9259/13) ließen Manager unabhängig vom Fälligkeitszeitpunkt einer Steuerpflicht der Gesellschaft für Pflichtverletzungen hinsichtlich der Bereitstellung ausreichender Mittel für mögliche Steuerverbindlichkeiten haften. Darin kann man eine latente Vermögensvorsorgepflicht für die Zukunft sehen. Eine Rückschau in die steuerlichen Vergangenheit der Gesellschaft muss hingegen nur erfolgen, wenn der Geschäftsführer – auch aus seiner früheren Verbindung zur Gesellschaft – Anhaltspunkte für Steuersachverhalte der Gesellschaft hat. Doch Vorsicht: Identifizierte Steuerpflichten muss der amtierende Geschäftsführer unverzüglich handeln. Dies gilt nach Ansicht des Finanzgerichts Köln (13 K 3142/13) auch für den “Director” einer in einem deutschen Handelsregister eingetragenen Limited.

 

Handlungsempfehlung / Fazit

Eine originäre Haftung für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft begründet § 69 AO für neu bestellte Geschäftsführer nicht. Allerdings bestehen hohe Anforderungen an die Vorsorge künftiger und – soweit Anhaltspunkt bestehen – die Abarbeitung alter Steuerleistungen. Vor diesem Hintergrund ist dem frisch gebackenen Manager nicht nur zu gratulieren, sondern auch anzuraten, sich mit der Steuervergangenheit und -zukunft seines Unternehmens gründlich auseinanderzusetzen, ggf. durch Kontakt zu den Steuerbehörden.

 

 

Susanne Abraham
Rechtsanwältin
Associate
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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