23.02.2021

Das Krankenhauszukunftsgesetz: Raus aus der Vergangenheit, rein in die Digitalisierung!

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Die Corona-Pandemie hat auf eindringliche Weise gezeigt, in welchen strukturell extrem wichtigen Branchen, insbesondere im Bereich der digitalen Infrastruktur, Defizite vorherrschen. Auch in der Krankenhauswelt zeigt sich, dass sich dort „viele Chancen, die Patientenversorgung und -sicherheit zu verbessern“ bieten, wie es der Krankenhaus-Report 2019 des WIdO auf den Punkt gebracht hat. Dass die Digitalisierung der Krankenhäuser einen „deutlichen Nachholbedarf“ hat und eine „moderne, digitale und gute investive Ausstattung der Krankenhäuser in Deutschland notwendig“ ist, hat auch der Gesetzgeber erkannt und ein umfangreiches Maßnahmenpaket durch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) im Herbst 2020 auf den Weg gebracht (BT-Drs. 19/22126).

Zielsetzung und Finanzierung des Gesetzes

Investiert werden soll gemäß § 14a Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) u. a. in moderne Notfallkapazitäten, in eine bessere digitale Infrastruktur, in die Kommunikation, die Telemedizin, die Robotik, die Hightechmedizin und in die Dokumentation. Cyberattacken sollen durch Investitionen in die IT- und Cybersicherheit besser abgewehrt werden können.

Dazu werden Krankenhäusern aus dem Bundeshaushalt EUR 3 Milliarden ab Januar 2021 zur Verfügung gestellt. Zusätzlich stellen die Länder EUR 1,3 Milliarden bereit.

Zentrale Inhalte des Gesetzes – Was ist förderungsfähig?

Welche Vorhaben im Einzelnen förderungsfähig sind, wird in § 19 Abs. 2 Satz 1 Krankenhausstrukturfonds-Verordnung (KHSFV) konkretisiert. Zu nennen sind insbesondere die Etablierung von

  • (Informations-)technischer Ausstattung der Notfallaufnahme (Nr. 1);
  • Patientenportalen für ein digitales Aufnahme- und Entlassmanagement (Nr. 2);
  • elektronischer, auch sprachbasierter, Dokumentation (Nr. 3);
  • automatischer klinischer Entscheidungsunterstützungssyssteme (Nr. 4);
  • digitalem Medikationsmanagement (Nr. 5);
  • krankenhausinternen Prozessen zur Anforderung von Leistungen (Nr. 6);
  • wettbewerbsrechtlich zulässigen Maßnahmen zur Abstimmung des Leistungsangebots mehrerer Krankenhäuser; auch Bereitstellung von z. B. Cloud-Computing-Systemen (Nr. 7);
  • onlinebasierten Versorgungsnachweissystem für Betten (Nr. 8);
  • Robotikanlagen (Nr. 9);
  • Anlagen und Systemen zur Vermeidung von Verfügbarkeitsstörungen (Nr. 10);
  • Anpassungen von Patientenzimmern im Fall einer Pandemie (Nr. 11).

Ein wenig versteckt wird in § 5 Abs. 3h Krankenhausentgeltgesetz vorgesehen, dass für die Zeit ab 1. Januar 2025 ein Abschlag in Höhe von bis zu 2 % des Rechnungsbetrags ohne Zuund Abschläge für jeden voll- und jeden teilstationären Fall zu vereinbaren ist, sofern das Krankenhaus nicht alle in § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 6 KHSFV genannten digitalen Dienste bereitstellt.

Von großer Bedeutung für die Krankenhäuser wird zudem sein, welche Kosten im Zusammenhang mit den Investitionsvorhaben förderungsfähig sind. Dies sind insb. personelle Maßnahmen einschließlich etwaiger Schulungen, sofern sie im unmittelbaren und direkten Sachzusammenhang mit der Entwicklung, der Wartung und Pflege bzw. Abschaltung von Informations- und Kommunikationstechnologien stehen (§ 20 KHSFV). Dies wird zu einer immensen Entlastung der haushalterisch angeschlagenen Krankenhäuser führen.

Daneben regelt das Gesetz noch weitere Bereiche:

  • Zur Ermöglichung von mehr Flexibilität wird bei der stationären psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung der bisherige ausschließliche Maßstab des Bettenbezugs gestrichen.
  • Es werden Prämienzahlungen i. H. v. insgesamt EUR 100 Mio. zur Verfügung gestellt. Mit diesen Prämien können Krankenhäuser ihren Pflegekräften mit einer Zahlung bis zu EUR 1.000 für ihren Einsatz während der Corona-Pandemie danken.
  • Die für das Jahr 2020 unterjährig übermittelten Strukturund Leistungsdaten der Krankenhäuser sollen in anonymisierter und zusammengefasster Form veröffentlicht werden, um diese u. a. der Wissenschaft zur Untersuchung der Auswirkungen der Corona-Pandemie zugänglich zu machen.
  • Es werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen, damit Erlösrückgänge im Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 2019, die Krankenhäusern aufgrund des Coronavirus entstanden sind, im Rahmen von krankenhausindividuellen Verhandlungen der Vertragsparteien vor Ort anteilig ausgeglichen werden können.
  • Mehrkosten wegen u. a. des weiterhin bestehenden Bedarfs an persönlichen Schutzausrüstungen können durch Vereinbarung von krankenhausindividuellen Zuschlägen abgefedert werden.
  • Der Leistungszeitraum des Kinderkrankengeldes wird zeitlich begrenzt für das Jahr 2020 ausgedehnt.
  • Bereits im Bereich der Pflegeversicherung getroffene befristete Regelungen im SGB XI werden bis zum 31. Dezember 2020 verlängert.
  • Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf und damit auch die Pflege von pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung wird erleichtert. Bei kurzzeitiger Arbeitsverhinderung kann ein Pflegeunterstützungsgeld bis zu 20 Arbeitstage in Anspruch genommen werden.
Umsetzung des Gesetzes

Die Umsetzung erfolgt über die gesetzliche Erweiterung des bereits vor einigen Jahren gebildeten Krankenhausstrukturfonds zur Förderung regionaler stationärer Versorgungsstrukturen. Dem Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) wurden zahlreiche Verwaltungsaufgaben zugewiesen und die Verteilung der nun zusätzlich durch Bund und Länder bereitgestellten Mittel erfolgt analog zu den geltenden Regelungen des bestehenden Strukturfonds (§§ 12, 12a KHG) und läuft nach folgenden Schritten ab:

Krankenhausträger können bereits seit Anfang September 2020 ihren Förderbedarf bei den Ländern anmelden. Derzeit sind die Krankenhausträger aufgefordert, ihre Bedarfsmeldungen vorzunehmen. Bei länderübergreifenden Vorhaben ist eine gemeinsame Bedarfsanmeldung einzureichen. Grundsätzlich sollten Bedarfsmeldungen bis spätestens September 2021 beim zuständigen Bundesland gestellt werden, da die Länder unter Berücksichtigung eines dreimonatigen Bearbeitungszeitraums ihrerseits alle Förderanträge bis spätestens Ende 2021 beim BAS stellen müssen. Gleichwohl haben die Bundesländer nachfolgend aufgeführte unterschiedliche Fristen gesetzt, was bei den im Gesetz vorgesehenen länderübergreifenden Vorhaben zu Problemen führen kann und bei der Antragstellung zu berücksichtigen ist. Hier ist eine schnelle und umfassende Planung, rechtliche Beratung und Umsetzung gefragt, da andernfalls zum Teil sehr kurze Antragsfristen ungenutzt verstreichen:

Baden Württembergbis Ende Mai 2021
Bayernbis 31. Mai 2021
Berlinbis 28. Mai 2021
Brandenburgbis 30. September 2021
Bremenbis 31. Januar 2021
Hamburgbis 30. Juni 2021
Hessenbis 28. Februar 2021
Mecklenburg-Vorpommern17. - 31. Mai 2021
Niedersachsen1. März - 30. September 2021
Nordrhein-Westfalen1. April bis 15. Mai 2021
Rheinland-Pfalzbis Sommer
Saarlandkeine Frist
Sachsendrittes Quartal 2021
Sachsen-Anhaltbis 31. Mai 2021
Schleswig-Holsteinbis 30. September 2021
Thüringenbis Ende Mai 2021

Das Land trifft dann die Entscheidung, für welche Vorhaben eine Förderung beim BAS beantragt werden soll. Am 30. November 2020 wurde die Richtlinie zur Förderung von Vorhaben zur Digitalisierung der Prozesse und Strukturen im Verlauf eines Krankenausaufenthaltes von Patientinnen und Patienten nach § 21 Absatz 2 KHSFV veröffentlicht, die über dezidierte „Muss“- und „Kann“-Kriterien die Förderung der im Gesetz benannten förderungsfähigen Vorhaben regelt. Außerdem legt sie für nachfolgende sechs Bereiche die Interoperabilität der digitalen Dienste als Grundvoraussetzung für die Förderfähigkeit fest:

  • Patientenportale, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KHSFV
  • Digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHSFV
  • Einrichtung von teil- oder vollautomatisierten klinischen Entscheidungsunterstützungssystemen, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KHSFV
  • Digitales Medikamentenmanagement, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KHSFV
  • Digitale Leistungsanforderung, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 KHSFV
  • Telemedizinische Netzwerke (Informationstechnische, kommunikationstechnische und robotikbasierte Anlagen, Systeme oder Verfahren und telemedizinische Netzwerke), § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KHSFV

Anschließend stellt das Land beim BAS einen Antrag auf Förderung des Vorhabens des Krankenhausträgers. Anträge können bis Ende des Jahres 2021 gestellt werden. Voraussetzung für die Förderung ist, dass sich die antragstellenden Länder bzw. die zu fördernden Einrichtungen mit mindestens 30 % der förderfähigen Kosten an dem Vorhaben beteiligen.

Die Bescheide werden gemäß § 23 Abs. 2 KHG durch das BAS mit einem Rückzahlungsvorbehalt beispielsweise für den Fall zu versehen sein, dass die Fördervoraussetzungen von Anfang an nicht bestanden haben oder die Mittel nicht zweckgerecht eingesetzt wurden.

Regelmäßige Evaluierung des Entwicklungsstands

Um den Fortschritt der gewollten Digitalisierung nachvollziehen zu können, wird der Stand der Digitalisierung der Krankenhäuser zum 30. Juni 2021 und 30. Juni 2023 evaluiert.

Ausblick und rechtliche Beratung

Wie dringend notwendig ein digitaler Umbruch in der Krankenhauswelt war, musste erst durch den Ausbruch der Corona- Pandemie in das Blickfeld des Gesetzgebers geraten. Durch die Fördermittel wird Krankenhäusern sicherlich eine gewisse finanzielle Verschnaufpause geschaffen, die Mittel werden aber voraussichtlich nicht reichen, um alle notwendigen Investitionen zu tätigen.

Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass die Freigabe der dringend benötigten Fördermittel und die so bezweckte schnelle Digitalisierung zur Verbesserung der Versorgung größtmöglich unbürokratisch ablaufen wird. Versanden die zu befürwortenden Fördermittel wegen bürokratischer Hindernisse, wird die deutsche Krankenhauslandschaft weiterhin digital im internationalen Vergleich zurückliegen.

Das hat im Übrigen auch der Bundesrat erkannt und hat im Oktober 2020 die Bundesregierung bereits im Rahmen einer Entschließung (BR-Drs. 528/20) dazu aufgefordert, die nur bis Ende des Jahres 2021 mögliche Antragstellung auf bis Ende des Jahres 2022 zu verlängern und ein möglichst bürokratiearmes Verfahren zur kurzfristigen Verwendung der Fördermittel zu ermöglichen.

Luther unterstützt mit jahrelanger Expertise Krankenhausträger ab der ersten Projektidee mit einer Vorabprüfung der Förderungsfähigkeit, über die Projektkonzeption, das Antragsverfahren, Ausschreibung, Projektumsetzung bis hin zur letztlichen Projektintegration durch eine umfassende und fundierte rechtliche Beratung.

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